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Im Vergleiche zu der grossen Beachtung, die seit langer Zeit der Geschichte geistlicher und gelehrter Körperschaften aller Art in Deutschland zugewendet worden ist, muss die Geschichte der corporativen Verbände deutscher Gewerke, deutscher Gilden, Zünfte und Brüderschaften im Grossen und Ganzen als vernachlässigt gelten, besonders soweit es sich um die Stellungnahme dieser lebendigen Körper zu den grossen geistigen Bewegungen und zur Culturentwickelung des deutschen Volkes handelt. Umsomehr müssen wir jeden wissenschaftlichen Beitrag zur Aufhellung dieser Geschichte willkommen heissen und in dem Erscheinen desselben einen Anlass zur weiteren Erörterung mancher dunkler Fragen erblicken.
Vor Kurzem erschien folgende beachtenswerthe Schrift: Dr. G. von Drach, Professor an der Universität Marburg, Das Hüttengeheimniss vom Gerechten Steinmetzen-Grund in seiner Entwickelung und Bedeutung für die kirchliche Baukunst des Mittelalters, dargelegt durch Triangulatur-Studien aus Hessen und den Nachbargebieten Mit 28 lithographirten Tafeln. Marburg. N. G. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung 1897. 36 S. gr. 4..
Der Verfasser glaubt den »Gerechten Steinmetzen-Grund«, der stets Geheimniss gewesen ist, erkannt zu haben. Derselbe hatte sich in der Strassburger Hütte – der Meister vom Stuhl der Hütte zu Strassburg war Grossmeister aller deutschen Hütten und diese Oberhoheit Strassburgs dauerte bis in das 18. Jahrhundert hinein Am 12. August 1671 beschloss der Reichstag zu Regensburg, dass die Strassburger Hütten-Oberhoheit aufhören solle, der Beschluss half nichts und daher erneuerte der Reichstag das Verbot im Jahre 1707 und öfter. Diese Erlasse lenkten natürlich die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf diese halbvergessene Organisation. Am 15. Juli 1771 beschloss der Reichstag, dass die ganze Organisation der Bauhütte im Reiche aufgehoben sei. Auch dies half nichts und sie besteht mit etwa 100 Brüdern bis auf den heutigen Tag. – ausgebildet und hängt mit dem Gauzeichen und dem Schlüssel dieser Hütte zusammen, die aus der » Vierung« entnommen waren. Das »Stein-Mezbüchlein« beschreibt den Steinmetz-Grund in folgenden Versen:
Was in Stain-Kunst zu sehen ist
Dass kein Irr- noch Abweg ist.
Sonder Schnur recht ein Linial
Der Vers scheint verstümmelt zu sein; wahrscheinlich heisst die echte Lesung: Von der Schnur richt ein Linial.
Durchzogen den Cirkel überall
So findst du drei in viere stehn
Und also, durch eins, ins Centrum gehn.
Auch wieder auss dem Centro in drey
Durch die vier in Cirkel ganz frey
Des Steinwerks Kunst und all die Ding
Zu forschen macht das Lehmen gering
Ein Punkt, der in den Cirkel geht,
Der im Quadrat und Dreyangel steht.
Trefft ihr den Punkt, so habt ihr gar
Und kompt auss Noth, Angst und Gefahr.
Hie mit habt ihr die ganze Kunst,
Versteht ihrs nit, so ists umbsunst
Alles was ihr gelernt hab,
Des klagt euch bald, damit fahrt ab.
Diese Verse verrathen die deutliche Absicht, die Sache selbst dermaassen zu verhüllen, dass sie nur den Eingeweihten verständlich war. Aus den »Ordnungen« der »Steinmetzen-Brüderschaft«, die uns erhalten sind Vergl. über sie u. a. Ludw. Keller, Die Reformation und die älteren Reformparteien. Leipzig 1885. Register unter Bauhütte., geht hervor, dass für die Brüder, die durch den Hüttenverband der »gemeinen Gesell- und Brüderschaft aller Steinmetzen in Teutschen Landen« verbunden waren, die Verpflichtung bestand, die Ordnungen und die Bräuche geheim zu halten. Schon der Lehrling musste geloben, Zeichen und Griff – sie werden Gruss, Wort und Handschenk genannt Der »Schenk« war Erkennungszeichen beim Handgeben, siehe Janner, Die deutschen Bauhütten, S. 141 und 142. – bei »Verlierung des Steinmetzenhandwerks« geheim zu halten. Auch die Gesellen übernahmen die für ihren Grad geltenden Pflichten und ebenso die Werkleute oder Meister, die im Vollbesitze des Wissens waren. Zu diesen Geheimnissen der Meister gehörte der »gerechte Steinmetzengrund«, d. h. die Grundregel für das Constructionsverfahren. Denn Aufgabe der Meister war es, die Risse zu entwerfen, nach denen die Gesellen zu arbeiten hatten.
Wir können hier auf die von Drach gegebenen technischen Erörterungen nicht näher eingehen, auch nicht prüfen, ob die von ihm aufgestellte Regel wirklich das Geheimniss enthüllt. Jedenfalls aber ist es wichtig, dass der Verfasser auf diese Dinge den Finger gelegt hat, und wir hoffen, dass sich weitere Untersuchungen daran anschliessen werden. Für die Richtung, in der sich unseres Erachtens die weiteren Forschungen zunächst zu bewegen hätten, geben vielleicht die nachfolgenden Ausführungen einige Fingerzeige.
Wenn man über die Geschichte der deutschen Bauhütte sich ein sicheres Urtheil bilden will, so muss man vor Allem festhalten, dass mit dem 16. Jahrhundert (wenigstens für Deutschland) die Geschichte der älteren deutschen Bauhütte sehr an Bedeutung verliert und dass die Urkunden, welche wir seit dieser Zeit besitzen, sich vielfach nur auf Zunftsachen des Steinmetzenhandwerks, nicht auf die alte » Brüderschaft des Steinwerks« erstrecken.
Der eigenthümliche Charakter der älteren Brüderschaft hatte darauf beruht, dass sie von den Zünften der übrigen Baugewerbe (Maurer, Steinhauer, Zimmerleute u. s. w.), sowie von den übrigen Handwerks-Brüderschaften überhaupt verschieden gewesen war. Während die Verfassung der übrigen Handwerke auf der »Ordnung« beruhte, welche den Zünften auf Widerruf der jeweiligen Obrigkeit in Städten und Landesherrschaften verliehen worden war, bildeten die alten Bauhütten eine freie Kunst, d. h. sie waren weder dem Zunftzwange noch der unmittelbaren Aufsicht der Magistrate unterworfen. Während ferner in den übrigen Zünften der Regel nach nur die Handwerksmeister sassen, die Gesellen aber in besonderen Brüderschaften vereinigt waren Wie rasch die Sonderung der Handwerke in zwei Stände mit widerstreitender Politik, in den der Meister und den der Gesellen, eintrat, darüber siehe G. Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellen-Verbände im Mittelalter. Leipzig 1876. S. 17 ff., blieben in den Bauhütten Gesellen und Meister in einer Körperschaft verbunden und wahrten gemeinsam die fein ausgebildeten Bräuche und übten gemeinsam das Gericht. Sehr entschieden war hier der Grundsatz brüderlicher Gleichheit durchgeführt; alle Männer waren Brüder, nannten sich Brüder und erkannten nur selbstgewählte Obere an, nämlich die Aufseher, die »Steinmetz-Werkmeister« und die Vorsteher der Hüttengaue oder der Haupthütten. An der Spitze jeder Hütte stand der Werkmeister; ihm nachgeordnet waren zwei Aufseher und ein Parlirer (Redner, Fürredner oder Dolmetscher), sowie ausser den Stellvertretern der Beamten 18 sonstige Mitglieder (je neun auf einen Aufseher), also zweimal 12 Personen. Die Hütte selbst war als längliches Viereck angeordnet, dessen schmale Seiten nach Osten und Westen gerichtet waren. Im Osten hatte der Werkmeister seinen Platz, im Westen sass der Parlirer und die Aufseher, im Süden die »aufgefreiten Gesellen« (sodales) und im Norden die Glieder des untersten Grades, die Wandelgesellen. Ausser dem Werkmeister gab es auch einfache Meister, d. h. aufgefreite Steinmetzen, welche Meisterrecht besassen.
Diese Bauinnungen und ihre Mitglieder reisten von einem Lande, von einer Stadt zur anderen, wo sie gerade Arbeit fanden Die Arbeiten an dem berühmten Dome zu Burgos leiteten zeitweilig deutsche Meister (Johann und Simon von Köln), zu Prag war ein Franzose Bauleiter, zu Siena und Orvieto wiederum Deutsche u. s. w.. Sie konnten sich daher nicht wie die meisten anderen Gewerke mit einer örtlichen Organisation begnügen, sondern bedurften eines allgemeinen Bundes aller derer, welche »Steinmetzbrauch und Gewohnheit« kannten. Um die Ausübung ihres Gewerkes als Monopol zu sichern, suchten sie den Besitz ihrer besonderen Kenntnisse durch Geheimhaltung zu wahren, und da die Handhabung einer strengen Zucht dazu erforderlich war, steigerte sich die Festigkeit des Bandes, welches die Gesammtheit umschlang, in einem Grade, wie sie bei den anderen Gewerken unbekannt war.
Auf diese Weise in sich fest gegründet, durch eine internationale Stellung von der Gunst oder Ungunst örtlicher Autoritäten unabhängig, eifersüchtig auf ihre Unabhängigkeit bedacht, gelang es dieser Brüderschaft, sich eine angesehene Stellung zu erwerben. Wie Macht Macht anzieht, so geschah es, dass angesehene Bauherren, denen die Bauleute persönlich näher traten, mit den »Steinmetzen« Fühlung zu gewinnen suchten. Die öffentliche Stellung, welche die Brüderschaft sich errungen hatte, brachte es mit sich, dass Angehörige vornehmer Geschlechter, wenn sie Anschluss an eine »Gildestube« wünschten, gern gerade hier sich als »Liebhaber der Kunst« aufnehmen liessen. Insbesondere waren die Mitglieder der im engeren Sinne sogenannten »freien Künste« (artes liberales), zumal sofern sie als Vertreter exacter Wissenschaften oder als Aerzte, Apotheker u. s. w. sachliche Beziehungen zu den Hütten besassen, gern geneigt, sich hier einbrudern zu lassen.
Die Bauhütten selbst sind in den Grundzügen ihrer Ordnung sicherlich uralt, vielleicht so alt wie die Technik des Steinbaues überhaupt. Aber der besondere Bund der deutschen Bauhütten, wie er im 16. Jahrhundert bestand, hatte seine damals bestehende Eigenart, sowie seine Organisation doch wohl erst seit der Zeit erhalten, wo die Baukunst aus den Händen von geistlichen Werkleuten an die Steinmetz-Werkmeister übergegangen war, d. h. seit dem 13. Jahrhundert.
Eine Ueberlieferung der Bauhütte behauptet, dass die Satzungen des Hüttenbundes zur Zeit des Albertus Magnus (geb. 1193), des berühmten Lehrers Meister Eckarts, entworfen seien und bringt diesen mit den Hütten überhaupt in eine gewisse Verbindung, indem sie ihn als Erfinder des Systems des Achtorts bezeichnet Die spätere Volkssage macht ihn zu einem Meister der Magie oder »schwarzen Kunst«. Andere behaupten, dass wir in ihm einen aufgeklärten Denker vor uns haben, der nur äusserlich mit den Anschauungen seiner Zeit verflochten war.. Albertus sei es gewesen, so berichten die Ueberlieferungen der Hütten, welcher die symbolische Sprache der alten Baukunst wieder ins Leben gerufen und sie den Formen der mathematischen und geometrischen Baukunst angepasst habe Näheres über Albertus und die Bauhütten siehe bei Heideloff, Die Bauhütten des Mittelalters in Deutschland. Nürnberg 1844. S. 14 ff. Dass der Albertus Argentinus kein anderer ist als Albertus Magnus, scheint mir mit Heideloff sehr wahrscheinlich. Albertus lebte ja auch zeitweilig in Strassburg..
Die »Ordnung des Steinwerkes« vom Jahre 1459 liefert den Beweis, dass schon damals innerhalb der Bauhütte der Schwerpunkt nicht mehr ausschliesslich in der Fachgenossenschaft lag. Die Städte waren den Hüttenbrüdern, welche ihrem Einflüsse nicht unmittelbar unterworfen waren, meist abgeneigt. Die Folge davon war, dass die Brüder sich unter einander nur um so enger zu brüderlicher Hülfe verbanden. Daher bestimmte die erwähnte Hüttenordnung, dass die Brüderschaft eine Casse besitzen solle zur Unterstützung solcher Mitglieder, welche Verfolgung leiden um ihrer Zugehörigkeit zur »Steinwerksordnung« willen. Auch sammelt die Brüderschaft Mittel, um » Nothpfründen« an solche Brüder auszuzahlen, welche krank und arbeitsunfähig geworden sind.
Wenn Brüder unter einander »spännig« werden, sei es um Steinwerkssachen oder nicht, so soll es ihnen nach der »Ordnung« nicht erlaubt sein, sich an irgend ein öffentliches Gericht zu wenden. Die Brüderschaft besitzt das Recht wie die Pflicht, diejenigen zu bestrafen, welche in ihrem Lebenswandel Aergerniss geben und den Brüdern Unehre machen. Die Aufnahme in den Bund ist an die Zustimmung der Brüder gebunden; nur die, denen »Hüttenförderung« zu Theil geworden ist, können Brüder werden, d. h. für gewöhnliche Werkmaurer und Steinbrecher gilt diese Ordnung nicht. Meister aber können nur diejenigen werden, welche » aufgefreiet sind und mit keinem Handwerke dienen Es ist zu bedauern, dass die Ordnung nicht angiebt, was man unter »Auffreiung« zu verstehen hat.«, d. h. freie Steinmetzen sind.
Verschwiegenheit gegen Aussenstehende, Geheimhaltung der Fachgeheimnisse und der Mitgliedschaft ist ebenso strenge Pflicht des rechten Steinmetzen wie Gehorsam gegen den Meister, für den er arbeitet.
Zu den Dingen, welche bis auf diesen Tag unenträthselte Hüttengeheimnisse sind, gehört die Hüttensprache. Die Zeichen dieser Sprache sind zum Theil der Geometrie und Mathematik, zum Theil dem Handwerk, zum Theil der Natur und zum Theil der heiligen Schrift entnommen. Zu den ersten gehören der Kreis, das Dreieck, das Quadrat und das Achtort, das Fünfeck, Sechseck, Vieleck, ferner die Zahlen, der rechte Winkel, der Punkt, die Linie u. s. w.; zur zweiten Abtheilung gehören die Zeichen des Hammers, des Zirkels, des Winkelmaasses, des Richtscheits, des Senkbleis, der Waage, der Säule, der Leiter, die verschlungenen Schnüren (Bänder) u. s. w. Der Natur entstammen der Regenbogen, der flammende Stern, die Sonne, die Weinblätter, Kornähren, die Rose, die Kugel (Sphäre), der behauene und unbehauene Stein, die Lichter u. s. w. Die Zeichen endlich, welche der Bibel entnommen sind oder doch auf die Bibel Bezug nehmen, sind leider noch am wenigsten entziffert. Gewiss ist aber, dass sie besonders aus der Offenbarung Johannis entnommen sind oder darauf anspielen und dass z. B. das Viereck gemäss Apok. 21, 16 in symbolischer Sprache die » Gemeinde Gottes« oder das » neue Jerusalem« bedeutet, in der die Heiligen und Gerechten dereinst sich sammeln sollen Heideloff a. a. O. S. 16., dass ferner der Stern, den die Hüttensprache so oft gebraucht, eine Anspielung auf Apok. 8, 10 enthält. Die Bedeutung, welche die Worte und Begriffe der heiligen Schrift für die Hüttensprache besassen, brachte es mit sich, dass die Bibel selbst zum heiligsten Sinnbilde der Brüderschaft wurde.
Fast alle Zeichen scheinen einen dreifachen Sinn besessen zu haben; sie dienten einmal zur rituellen Symbolik, ferner zum Ausdrucke sittlich-religiöser Vorstellungen und endlich zur Versinnbildlichung fachlicher Begriffe und Regeln. So bedeutet die Figur des Kreises die göttliche Vollkommenheit in der ethischen Symbolik, dagegen die Geschlossenheit des Bundes in dem rituellen Sinne und in fachlicher Beziehung das Amt des Werkmeisters, der senkrechte Strich soll die Einheit Gottes, zugleich aber auch in der Handwerkssprache das Senkblei symbolisiren u. s. w.
Dieser mehrfache Sinn erschwert natürlich für Uneingeweihte das Verständniss der Hüttensprache erheblich; seine Einführung und Handhabung ist aber auch zugleich ein Beweis, wie sorgfältig die Hütten sich vor unberufenen Augen abzuschliessen suchten und zwar nicht bloss in Dingen, welche das Fach betrafen, sondern auch in der Verständigung über religiöse Angelegenheiten, für welche man ebenfalls eine Geheimsprache erfunden hatte.
Aehnlich wie die Hüttensprache den Namen der Werkzeuge u. s. w. einen mehrfachen Sinn gab, so hatte sie auch den Begriffen Kunst, ja vielleicht selbst dem Namen Steinmetzen frühzeitig eine mehrfache Bedeutung beigelegt. Gewiss bedeutete die »Kunst« die Geschicklichkeit und das Werk der Brüder, aber man bezeichnete damit auch den Inhalt der Weltanschauung, welche die Geheimnisse der Brüderschaft enthielt, und der Name »Steinmetzen« war, wie es scheint, zugleich ein Gattungsbegriff, um den Wissenden gegenüber die Vertreter dieser Weltanschauung zu kennzeichnen. Es ist selbstverständlich, dass auch diese Begriffe geheim gehalten wurden und dass ihre Bedeutung nur in engen Kreisen bekannt war. Im 16. Jahrhundert wird das Wort Maler und im 17. Jahrhundert der Name Kupferstecher in ähnlichem Sinne gebraucht, in dem uns im 15. Jahrhundert der Name Steinmetzen und im 18. Jahrhundert der Name Maurer entgegentritt.
Wenn im 15. Jahrhundert der Weber Michael Beheim (1416 bis 1474) singt:
Nach hohen cunsten strebt
Steinmetzen, Singer, Tichter!
so gewinnt diese Mahnung nur dann rechten Sinn, wenn man annimmt, dass er einen Begriff der »hohen Kunst« und ebenso des Wortes Steinmetzen kannte, der sich mit dem üblichen Begriffe des Handwerks nicht vollständig deckte.
Niemals aber ist uns, wenigstens in Deutschland, das Wort »Maurer« bis zum 18. Jahrhundert in ähnlichem Doppelsinne begegnet; der scharfe Unterschied, den die Hüttenordnung zwischen Steinmetzen und Werkmaurern aufstellt – die Maurer waren Handarbeiter, die Steinmetzen Künstler Der Name »Steinmetz« wird oft gleichbedeutend mit Bildhauer gebraucht. – machte es für die deutschen Hüttenangehörigen unmöglich, sich in irgend einem Sinne Maurer zu nennen; ursprünglich waren diejenigen, die den Namen Maurer führten, offenbar lediglich Handlanger der Steinmetzen gewesen Der Name »Gagenmaurer« bedeutete noch im späteren Mittelalter Handlanger.. Anders dagegen gestaltete sich die Entwickelung des Sprachgebrauches in England, zum Theil wohl auch in Italien und in Frankreich. Das Wort Stone-Mason entspricht genau (auch dem Stamme nach) dem Worte Steinmetz Mas-on hat den gleichen Stamm wie Metz, mhd. mez-zo; auch das französische Wort Maç-on stammt aus derselben Wurzel.. In England drangen offenbar schon früh mehr Meister des Maurerhandwerks in die Hütten ein als es in Deutschland der Fall war Auch in Deutschland drangen diese ein. So bestand zwar die Nürnberger Hütte noch um 1705 und später, aber das Eindringen der Maurer-Meister und Bauhandwerker hatte das Ansehen wie die Stellung der Brüder wesentlich verändert. – Urkunden über die ältere Nürnberger Hütte siehe bei Heideloff, a. O.. Jedenfalls fand der Begriff Mason auch auf »Maurer« Anwendung, ebenso wie im Französischen das Wort Maçon. Während man in Deutschland von »aufgefreiten (d. h. mit gewissen Vorrechten ausgestatteten) Steinmetzen« sprach, nannte man dieselben, die sich in den Hütten (Lodges) zusammenfanden, in England Free-Masons. Es ist bei dem engen Zusammenhange der Hüttenorganisation sehr wahrscheinlich, dass der doppelte Sinn, der sich in Deutschland unter den Eingeweihten an das Wort Steinmetz knüpfte, frühzeitig in England in gleicher Weise von den Wissenden mit dem Worte Mason verbunden wurde; es war ein Geheimname zur Bezeichnung einer Geistesrichtung, wie sie allmählich unter den Wissenden der Bauhütten Eingang gefunden hatte, aber sicherlich nur ein Geheimname, da es deren verschiedene gab. Zu diesen Geheimnamen hat offenbar der Name Hütte nie gehört, wohl aber die Bezeichnung »Stube«.
Die Hütten hatten im 13. und 14. Jahrhundert das Glück gehabt, Bauherren zu finden, die sich ihnen freundlich näherten und ihnen mancherlei Förderung gewährten Nach S. Ržiha, Mittheilungen der K. K. Central-Commission für die Erforschung der Kunst- und Geschichts-Denkmäler in Oesterreich. Wien 1881. S. 35 scheint Herzog Rudolph IV. von Oesterreich ein Patron des Hüttenbundes gewesen zu sein..
Im 15. Jahrhundert ging die Brüderschaft zurück und es scheint, dass schon damals manche Hütte die Zunftverfassung annahm und damit in die Reihe der localen Zünfte eintrat Ueber das Verhältniss zwischen den Steinmetzen (der Hütte) zu Strassburg zur Zunft der Maurer siehe die wichtigen Nachrichten bei Klemm, Württemberg. Baumeister und Bildhauer. Stuttgart 1882. S. 57..
Die Regensburger »Ordnung« des Steinwerkes vom Jahre 1514 kennt neben den Meistern, die zur Brüderschaft halten, bereits »Stadtmeister« und andere Meister, »die noch nicht in die Ordnung der Werkleute erfordert« waren. An vielen Orten gab es keine »Bruderschaftshütten«, und die Meister und Gesellen, die sich an solchen Orten »niederschlugen«, mussten sich einem Handwerke anschliessen oder »Zunft halten« In Esslingen sollen die Steinmetzen gezwungen gewesen sein, bei der Weingärtner-Zunft »Zunft zu halten«. Trotzdem scheint eine Hüttenbrüderschaft dort vorhanden gewesen zu sein.. Besonders hinderlich aber musste den Hütten die Thatsache werden, dass viele Städte und ihre Obrigkeiten aus einstweilen unaufgeklärten Gründen dem Eintritte ihrer Werkleute in den Brüderbund möglichst viele Hindernisse in den Weg legten Alf. Klemm, Württemb. Baumeister und Bildhauer bis um das Jahr 1750. Stuttgart 1882. S. 22, Anm. 2 hat bereits auf diesen Umstand hingewiesen. Ob der Grund, den Klemm anführt, nämlich die angebliche Einwirkung des Bundes auf die Lohnverhältnisse, zutrifft, möchte ich dahingestellt sein lassen. Der einzige Grund war es jedenfalls nicht..
Während die alten Bauhütten so vielfach schon im 15. Jahrhundert zu städtischen Zünften wurden Vergl. über diese Entwickelung auch Janner, Die Bauhütten. Leipzig 1876. S. 51., an welchen auch die einfachen Maurer Theil hatten, nahm die Brüderschaft der freien Steinmetzen in ihrer Zusammensetzung einen veränderten Charakter an. Viele Steinmetzen nämlich wandten sich, sei es, weil sie keine genügende Beschäftigung mehr fanden, sei es aus anderen Gründen, der Holzschneidekunst zu und wurden Formschneider Man weiss, dass noch um 1500 manche Formschneider zugleich Steinmetzen waren; vergl. Woltmann, Holbein und seine Zeit. Leipzig 1874. I2, 71.. Als solche gaben sie fliegende Blätter, Kalender u. s. w. heraus und wurden die Verfertiger der ersten, mit Holztafeln hergestellten Bücher, der sogenannten Blockbücher, die religiöse Bilder, namentlich Illustrationen zur Bibel, zum Gegenstand hatten Woltmann, a. a. O. I2, 187 ff.. Von hier aus war der Uebergang zur Malerei leicht, und es geschah, dass aus den Brüderschaften der Steinmetzen bisweilen Brüderschaften der »Bildschnitzer und Maler« wurden Ich möchte glauben, dass wir in der Zunft »zum Himmel« in Basel, deren Mitglied (nach Nagler, Die Monogrammisten III, S. 313) der Formschneider Hans Frank war, eine alte Hüttenbrüderschaft vor uns haben. Ein Erhard Frank erscheint im Jahre 1470 als Mitglied der Bauhütte; vergl. Heldmann, Die drei ältesten geschichtlichen Denkmale u. s. w. 1819. S. 240. – Die Brüderschaft »Zur Stelzen« in Strassburg, welche die Formschneider, Bildhauer, Kupferstecher, Maler, Buchdrucker, Schriftgiesser, Buchhändler und »andere Künstler« umfasste, erscheint um 1545 bereits als Zunft, ist aber offenbar ehedem eine Bauhütte gewesen. Sie führt im Wappen ein Andreaskreuz (zwei über einander liegende Balken mit seitlichen Ansatz-Stelzen), beseitet in jedem Winkel mit drei Quadraten 1 zu 2. Das sind Symbole der Bauhütte..
Schon von Anfang an waren in den Bauhütten (zu welchen von je allen der Zutritt offen stand, »die nach den Regeln der Geometrie arbeiteten«) Baukunst, Bildhauerei und Malerei oft nur verschiedene Thätigkeiten desselben Mannes gewesen. Man hat gesagt, dass die deutschen Maler des 15. Jahrhunderts mehr Zeichner als Maler gewesen seien Schnaase, Geschichte der bildenden Künste. Bd. VIII. Abthl. 2. Buch 2, Cap. 2.. Die Thatsache ist richtig, sie beruht darauf, dass die Malerei im unmittelbaren Anschlüsse an die Plastik erwachsen ist; die Grundlage der Plastik aber bildet die Zeichnung ebenso, wie sie die Grundlage der Malerei ist. Während aber in früheren Zeiten die Künstler, welche gelegentlich auch zeichneten oder malten, in erster Linie Steinmetzen oder Steinmetz-Werkmeister (der Name Baumeister bedeutete damals den Bauverwalter) gewesen waren, trat um 1500 oft das Umgekehrte ein: die Männer, welche in erster Linie Maler waren, versuchten sich auch in der Baukunst, und es ist bekannt, dass unsere ersten deutschen Maler, vor Allem Nic. Manuel und Albrecht Dürer zugleich vortreffliche Baumeister oder Steinmetz-Werkmeister gewesen sind.
Wenn man die Namen der Fürsten und Patrizierfamilien, die den Hütten als Bauherren näher getreten sind, heute noch feststellen könnte, so würde es sich zeigen, dass dieser Bund viel zahlreichere und viel einflussreichere Anhänger besessen hat als heute bekannt ist. Es steht z. B. fest, dass Kaiser Maximilian I., der »Humanistenkaiser«, in den Hüttenbräuchen wohl bewandert gewesen ist, und da diese Bräuche Zunftgeheimniss waren, so muss er in irgend einem Verhältnisse zur Brüderschaft gestanden haben Näheres bei Ržiha, Studien über Steinmetzzeichen in den Mittheilungen der K. K. Central-Commission u. s. w. Wien 1881. S. 35. – Maximilian konnte sich »ausweisen« und zwar als »Grüsser«.; jedenfalls hat ihn Dürer in den Pforten der Ehre unter den Bauleuten als Anordner verewigt Wenn man die ablehnende Stellung, die das Reichsregiment und andere Obrigkeiten Jahrhunderte lang eingenommen haben, ins Auge fasst, so verdient es doppelte Beachtung, dass Kaiser Maximilian die »Ordnung« der Brüderschaft von 1498 unter dem 3. October desselben Jahres bestätigt hat. – Unaufgeklärt sind die Gründe, welche die wiederholten Verbote der Hüttenverfassung in den Jahren 1707, 1727 und 1731 veranlassten; das kaiserliche Edict vom 16. August 1731 verbot alle Haupthütten, jede Vereidigung auf Geheimnisse u. s. w. ( Klemm, a. O., S. 23). Während die Regierungen das örtliche Zunftwesen beförderten, schritt man gegen die Hütten ein.. Etwas ähnliches scheint bei der Familie der Tucher zu Nürnberg der Fall gewesen zu sein; weitere Forschungen würden gewiss weitere Ergebnisse liefern.
Im Jahre 1454 gab es zu Brügge, wo die Wiege der flandrischen Malerschule gestanden hat, eine Gilde, deren Mitglieder vornehmlich Formschneider, Bildschnitzer und Maler waren. In derselben Gesellschaft befanden sich aber auch Buchdrucker, Buchhändler, Gelehrte, Lehrer, Stadtschreiber u. s. w., mithin Männer, welche kein Gewerbe übten B. Lorck, Handbuch der Geschichte der Buchdruckerkunst. Leipzig 1882. S. 19.. Schutzpatron der Brüderschaft war S. Johann der Evangelist.
Im Jahre 1440 ferner existirte zu Antwerpen die berühmte S. Lucas-Gilde, deren Mitglieder vornehmlich aus Steinmetzen, Bildhauern und Malern bestanden; ausserdem aber hatten die Holzschneider, Goldschläger und Feintöpfer schon damals Sitz und Stimme in dem Amthause der Maler; im 16. Jahrhundert erlangten solche die Kupferstecher, Buchdrucker und Buchbinder. Dabei ist es beachtenswerth, dass innerhalb dieser S. Lucas-Gilde seit dem Jahre 1480 eine literarische Gesellschaft an das Tageslicht tritt, die aus Gelehrten und aus Künstlern bestand und die sich die »Rederijkamer der Violiere« (d. h. die Redner-Gesellschaft zur Levkoje) nannte und die innerhalb der grossen Brüderschaft eine engere Vereinigung von Brüdern darstellte. Die Vereinigung beider Kreise war eine sehr innige; die Decane der S. Lucas-Gilde waren auch zugleich die Decane der Violiere, und der Meister war zugleich Meister beider Körperschaften. Man kam in der »Kammer« (wie uns berichtet wird) oft zu literarischen Unterhaltungen zusammen und man sagte, dass »Pictura« und »Poesis« dazu bestimmt seien, brüderlich zusammenzuhalten. Es gelang dieser Rednergesellschaft zeitweilig, die geistige Führerin in der grossen Handelsstadt zu werden Näheres bei Max Rooses, Geschichte der Malerschule Antwerpens. München 1880. S. 26 ff. – Dort sind die niederländischen Quellen genau angegeben.. Solche literarische Gesellschaften gab es unter dem Namen der Rederijkamern in vielen niederländischen Städten; Künstler und Gelehrte bildeten ihre Mitglieder Siehe die Aeusserung Guicciardinis bei Rooses a. O. S. 31. Weiteres bei J. B. van Straelen, Geschichte der Rederijkamer der Violieren etc. Taelverbond. Jahrg. 1853. S. 205. – Quellen über die Rederijker s. bei Christ. Sepp, Bibliothek van Nerderl. Kerkgesch. Leiden 1886. S. 165..
Im Zeitalter der grossen religiösen Bewegung und wohl auch im Zusammenhange mit ihr ging die Bedeutung der Bauhütten in jeder Beziehung zurück. Einzelne bekannt gewordene Thatsachen (die Schriftsteller, auf deren Berichte wir angewiesen sind, haben diese Dinge offenbar nicht sehr beachtet) werfen auf diese Entwickelung deutliches Licht. So war im Jahre 1502 die Oberbehörde des Schweizer Hüttengaus nach Zürich verlegt worden, und es waren seitdem u. A. die Hüttenmeister zu Bern, Basel, Luzern und Schaffhausen der Haupthütte zu Zürich unterstellt. Daraus geht hervor, dass die Organisation damals noch in alter Weise bestand. Kurz nachdem die religiöse Bewegung auch in der Schweiz zum Ausbruche gekommen war, im December 1522, beschloss die Tagsatzung der Eidgenossen: » Es sollen die Brüderschaften der Steinmetzen überall in der Eidgenossenschaft abgeschafft sein« J. Kaiser, Amtliche Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede. Bd. IV, 1, a. S. 251 etc..
In anderen Städten (wie z. B. in Nürnberg) suchte man den Einfluss der Hütten durch das Verbot der Aufnahme von »Liebhabern« und auf sonstige Weise zu schwächen.
Der Verlauf des grossen Kampfes gestaltete sich dann, wie man weiss, zu einer schweren Niederlage der in allen Gewerken und Zünften vorherrschenden Interessen und Anschauungen; mit dem Siege der absoluten Fürstengewalt und der Staatskirchen war die Entwickelung der städtischen Freiheit auf Jahrhunderte unterbunden und der Rückgang des Volkswohlstandes knickte die frühere Blüthe der Baukunst, Bildhauerei und Malerei auf lange Zeit vollständig. Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts war auch für die Steinmetzen und alle Liebhaber der »hohen Kunst« eine ausserordentlich trostlose und trübe Zeit.
Wenn gleichwohl die Hütten-Brüderschaften – es kommen für sie auch die Namen Sodalitas, Collegium, Societas und Sodalitium ohne Zusatz vor S. Schöpflin (geb. 1694, † 1771), Alsatia illustrata (Kolmar 1751) I, 338. Schöpflin, der sich gut unterrichtet zeigt, spricht von der »vulgata per Europam sodalitas«, deren Mitglieder sich »tessera quadam communi at secreta invicem norunt«. Tessera kann ein Geheimname oder ein Geheimzeichen sein. – Der Gebrauch des einfachen Namens »Brüderschaft« wird bestätigt von J. Krenser, Kölner Dombriefe etc. 1844, S. 293., auch wird einfach von den »Stuben« (Lodges) oder »Kammeren« (in den Niederlanden) gesprochen – sich ihren Einfluss bewahrten, so lag das in der Vorzüglichkeit ihrer Organisation, die ihnen gestattete, durch Heranziehung angesehener Zunftmeister nach der einen Seite und durch Einbruderung von Mitgliedern liberaler Berufe auf der anderen Seite sich stets neue Kräfte zuzuführen. Alle diejenigen Zünfte nämlich, welche auf die Bau-Innungen angewiesen waren (die Schmiede, Schlosser, Zimmerleute, Tischler, Glaser u. s. w.), suchten aus naheliegenden Gründen für ihre Meister die »Auffreiung« zu gewinnen und die Aerzte, Apotheker, Notare, Stadtschreiber u. s. w., deren Zahl zu klein war, um selbst eine Corporation zu bilden, folgten gern den Vereinigungen der einflussreichsten Werkbrüderschaften ihrer Wohnplätze.
Den Schwierigkeiten, die in der Zusammenfassung so verschiedenartiger Elemente lagen, begegneten die Brüderschaften durch die altüberlieferte Handhabung der Grade und Stufen, die die Schaffung engerer und weiterer Kreise ermöglichte.
Besondere Verhältnisse bringen es mit sich, dass die Brüderschaft der Steinmetzen und ihre Geschichte für die Aufhellung der »Ketzergeschichte« ein grosses Interesse hat.
Seitdem unter dem schweren Drucke der Ketzergesetze, wie sie seit dem 13. Jahrhundert erlassen wurden, jede offene Aussprache oder Bethätigung der von der römischen Kirche nicht gebilligten Glaubensanschauungen unmöglich geworden war, sahen sich deren Anhänger genöthigt, sich durch Zeichen und durch ein festes System der Symbolik zu verständigen, das nur den Eingeweihten bekannt und verständlich war, nach aussen hin aber sich selbst dann als unverfänglich und unangreifbar zu erweisen hatte, wenn wider das Verbot gelegentlich irgend ein Stück der Zeichensprache an die Oeffentlichkeit gelangte.
Als die im früheren Mittelalter bestehenden ausserkirchlichen Christengemeinden als solche der Verfolgung grösserentheils erlegen waren, suchten deren Angehörige in irgend einer Form eine neue Organisation zu gewinnen und es wiederholten sich die Entwickelungen, die unter den Christenverfolgungen der römischen Kaiserzeit eingetreten waren: die Anhänger der verbotenen Religion suchten unter dem Mantel irgend einer weltlichen Thätigkeit eine Daseinsform zu finden und so geschah es, dass es, wie ehedem, viele Menschen gab, welche zwei Religionen besassen, eine, die sie bekannten und eine, welche sie glaubten, und dass sie die eine auf offenem Markte, in Kirchen und Capellen zu üben gezwungen waren, während sie die andere in Vereinen und Genossenschaften aller Art im Geheimen übten und bethätigten.
Während in altrömischer Zeit die verfolgten Christen in allerlei erlaubten Collegien (collegia licita) und Societäten die Rückzugslinie fanden, in denen sie dem Verdachte der Staatsgefährlichkeit entgehen konnten, waren es im Mittelalter vornehmlich die Gilden und Zünfte, die sich auf Grund ihrer engen und organischen Verbindung für die gleichen Zwecke als vorzüglich geeignet erwiesen Näheres darüber u. a. bei J. v. Döllinger, Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters. München 1890. S. 92 ff..
Allerdings waren nicht alle Zünfte hierfür in gleicher Weise brauchbar, vielmehr mussten in erster Linie diejenigen Gilden in Betracht kommen, die ihren Angehörigen eine gewisse wirthschaftliche Selbständigkeit und geistige Regsamkeit möglich machten und die durch die Fortpflanzung geheim gehaltener Regeln und Kunstgriffe die gleichzeitige Fortpflanzung anderweiter Geheimlehren erleichterten. Da es selbstverständlich unmöglich war, alle Zunftgenossen zu Mitwissern zu machen, so boten diejenigen Gilden die beste Handhabe, innerhalb deren sich ungezwungen engere Ringe von Wissenden bilden liessen. Es war ausserdem für die wirksame Ausgestaltung dieser Organisationen nothwendig, dass die Möglichkeit gegeben war, in den Kreis der Wissenden auch solche Personen aufzunehmen, welche das Handwerk nicht selbst ausübten.
Alle erforderlichen Voraussetzungen fanden sich in vorzüglicher Weise in den Gilden des Steinwerks, den Bauhütten vertreten, besonders auch deshalb, weil die im Steinwerke vereinigten Steinmetzen, Werkmeister, Formschneider, Maler und Techniker aller Art einen grossen Reichthum geistiger Kräfte in ihrem Schosse vereinigten.
Wenn es gelang, die äusseren Formen, Gebrauchsgegenstände und Zunftausdrücke der Steinmetzen durch geschickte Symbolik zu einer Zeichensprache zu gestalten, die sich der Organisation und den Grundsätzen der verfolgten Christengemeinden anpasste, so war eine vollständige Verhüllung der treibenden Beweggründe und eine Fortpflanzung der alten Gemeinden in Formen möglich, auf die kein Ketzergesetz Anwendung finden konnte.
Wenn man bedenkt, dass die Verfassung der ausserkirchlichen Christen sich auf der bekannten Dreitheilung in die »Anfangenden«, »Fortschreitenden« und »Vollkommenen« aufbaut und dass die Glaubenslehre sich um den Aufbau des »Reiches Gottes«, d. h. um die Schaffung eines vollkommenen Gemeinschaftslebens im Sinne Christi gruppirt, so muss man sagen, dass die Organisation und die Zweckbestimmung der Bauhütten die Entwickelung der gesuchten Zeichensprache ausserordentlich erleichterten: denn abgesehen von der Dreitheilung in Lehrlinge, Gesellen und Meister, die man vorfand, bot sich für die Idee des Gottesreiches, das die alten Gemeinden bauen wollten, eine reiche Symbolik aus dem Schatze der Zunftausdrücke und Bräuche wie von selbst dar.
Die heilige Schrift selbst zeigte hierin die Wege. »So seid ihr nunmehr, schreibt Paulus an die Christen in Ephesus (Eph. 2, 19), nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger (des Reiches) mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbauet auf dem Grunde der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau in einander gefüget wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn, auf welchem auch ihr mit erbauet werdet zu einem Hause Gottes im Geist«. Paulus nennt sich selbst einen Baumeister (1. Cor. 3, 10), die Christen »Gebäude Gottes«. »So Jemand den Tempel Gottes verderbet«, sagt er (1. Cor. 3, 17), »den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr« u. s. w. Paulus bewegt sich damit ganz in den Bildern, die wir aus Christi eigenen Worten kennen: »Habt ihr nie gelesen in der Schrift«, sagt Christus (Matth. 21, 42 f.): »der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden? ... Darum sage ich euch: das Reich Gottes wird von euch genommen und den Heiden gegeben werden, die seine Früchte bringen. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen, auf welchen er aber fällt, den wird er zermalmen.« »Auf diesen Felsen«, sagt Christus (Matth. 16, 18), »will ich bauen meine Gemeinde.« Und an anderer Stelle (1. Petr. 2, 5) heisst es ganz im Sprachgebrauche Christi: »Ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause« u. s. w. In der Bibelsprache ist die Hütte eine Stätte der Verehrung Gottes (vergl. Stiftshütte). Auch viele andere Ausdrücke, die dem Bauhandwerke entnommen sind, sind nachweisbar und es wäre der Mühe werth, eine nähere Prüfung anzustellen.. Es lag nah und konnte nicht schwer sein, von den hier gegebenen Anhaltspunkten aus die Symbolik weiter zu entwickeln und allmählich aus den Bräuchen und Kunstausdrücken der Bauhütten eine Zeichensprache zu schaffen, wie man sie für die vorschwebenden Zwecke brauchte.
Gewisse engere Kreise »aufgefreiter« Steinmetzen innerhalb der Hütten und Zünfte hatten zugleich die Aufgabe, jüngere Genossen in die Hüttengeheimnisse einzuführen und aus diesen Aufgaben entwickelten sich im Anschlüsse an die Zünfte und doch von ihr unabhängig sogenannte Akademien, Collegien oder Societäten, die, wie bemerkt, durch Einbruderung von »Liebhabern des Handwerks« angesehene Männer in ihren Kreis zogen.
Nun ist geschichtlich nachweisbar, dass die Symbolik und die Zeichensprache der Hüttenbrüder auch bei den Versammlungen jener Akademien in Gebrauch waren, vielleicht freilich nur in einzelnen Stufen und Graden, da auch innerhalb der »Collegien« oder »Societäten« die alte Dreitheilung der Organisation festgehalten zu werden pflegte. Da die Symbolik wie die Verfassung zu den Geheimnissen der Brüder gehörten, so lagert über viele Fragen natürlich noch heute manches Dunkel. Vielleicht aber geben die Hinweise, die wir hier zusammenstellen, zu weiteren Entdeckungen Veranlassung.
Aus der Lebensgeschichte des Baumeisters und Bildhauers J. F. Rustici (1474 bis 1554), die uns Vasari erhalten hat G. Vasari, Vite de' piu eccellenti pittori ... Tom. VI. Firenze 1881. S. 611 ff. – Vasari lebte von 1511 bis 1574. Seine Vite erschienen zuerst 1550, als die Gesellschaft nicht mehr bestand. Er war ein Schüler des Andrea del Sarto, eines Mitgliedes der »Kelle« und von diesem oder von Anderen stammt offenbar seine Kenntniss., haben wir Kenntniss von einer »Compagnie« Die italienischen Bauleute, welche sich in fremden Ländern zeitweilig niederliessen, pflegten sich zu »Compagnien« zusammenzuschliessen; sie gaben sich einen selbstgewählten Namen, meist nach dem Bauleiter; innerhalb dieser Compagnien gab es dann als engere Ringe » Akademien«., welcher Rustici in Florenz angehörte.
Die Compagnia della Cazzuola – der Name Compagnia kommt in der Geschichte der italienischen Akademien vielfach vor und deckt sich zum Theil mit letzterem – besass als Gesellschaftszeichen und Kleinod die Maurerkelle und soll im Jahre 1512 zu Florenz begründet worden sein. Sie wählte den heiligen Andreas zu ihrem Patron und war also eine der häufiger vorkommenden Brüderschaften, die ihr Hauptjahresfest am Andreastage feierten. Sie war nach dem Vorbilde der übrigen Akademien organisirt, indem sie drei Grade oder Stufen unter den Mitgliedern besass: den Grad der Maggiori, den Grad der Minori und den Grad der Adherenti Vasari berichtet, dass ein Theil der Mitglieder »zu den Maggiori«, ein Theil »zu den Minori« gingen. Ursprünglich bedeutete der Ausdruck »Andar per la maggiori« in Florenz die Zugehörigkeit einer Familie zu den sieben grossen Zünften, die angesehener waren als die anderen. Später ward der Ausdruck gebraucht, um Auszeichnung irgend einer Art zu bezeichnen..
Es war bestimmt (ebenfalls nach dem Vorbilde der Akademien), dass der erste und der zweite Grad nur je 12 Personen umfassen durften, während über die Zahl der Adherenti offenbar nichts feststand; nur die ersten Grade trugen die Kelle (Cazzuola) als Abzeichen. Die Gesellschaft umfasste keineswegs nur Künstler (auch Andrea del Sarto und andere berühmte Maler waren Mitglieder), Musiker und Baumeister, auch Kaufleute, Aerzte, Weber und Andere gehörten dazu, und im Laufe der Jahre stieg ihr Ansehen, wie Vasari erzählt, ausserordentlich; besonders wurden die Feste, die die Gesellschaft gab, viel besprochen, so dass auch unser Berichterstatter davon gehört hatte. Bei einer dieser festlichen Veranstaltungen erschienen die Mitglieder mit dem Gesellschaftsabzeichen, der Kelle, angethan; ausserdem aber trugen die Maggiori einen Hammer im Gürtel; die Minori dagegen trugen nur die Kelle im Gürtel Nach Vasari waren es, wie gesagt, nur die Maggiori, weiche einen Hammer im Gürtel trugen, die Minori trugen nur die Kelle und die Adherente waren wie Handlanger gekleidet; dann setzten sich die » Meister« – es sind die Maggiori wie die Minori gemeint – zu Tisch und die Handlanger trugen die Speisen etc. Diese Schilderung erinnert an die Thatsache, dass es in verwandten Organisationen Magistri majores und Magistri minores gab, denen sich als weitere Stufe die Diener (Diaconi) anschlossen. Von diesen waren es die Magistri Majores, welche die Ritualformeln übten, die also die Leiter örtlicher Organisationen waren. (Näheres bei Keller, M. H. der C. G. 1894, S. 198 ff.) Es wäre also möglich, dass auch in der Andreas-Compagnie in Florenz die Maggiori, welche den Hammer führen, die Leiter besonderer niederer Organisationen waren, die sich am Andreastage zu gemeinsamen Festen zusammenfanden., die Handlanger endlich hatten sonstige Werkzeuge des Maurerhandwerks in den Händen. Alle aber waren gekleidet » in abito di muratori e manovali«, also mit Schurzfell und Zubehör. Als sie (im Zuge einhergehend) im »ersten Zimmer« angelangt waren, legte der Vorsteher ihnen einen Riss vor und gab ihnen Anweisung für den Bau eines Gebäudes; dann setzten sich die »Meister« an einen Tisch und die »Handlanger« begannen mit der Ausführung des Werkes, Als die »Steinmetzen« sahen, dass ein Sockel nicht gut ausgeführt war, rissen sie ihn ein, dann brachte man eine Säule u. s. w. Alles dies aber, fügt Vasari hinzu, war keine wirkliche Arbeit, sondern das Ganze war nur die Einkleidung für ein Gastmahl, wie die Gesellschaft sie oft veranstaltete. Manchmal gab sie auch Feste, wo alle Mitglieder in Maskencostümen erscheinen mussten.
Von anderen Zwecken als von Festen, Schmausereien und Maskenscherzen weiss Vasari nichts zu berichten und er scheint auch geglaubt zu haben, dass es sich nur um solche Dinge gehandelt habe. Aber die Compagnie, welche die Organisation und die Formen der früheren und gleichzeitigen Akademien besass, hat mit dieser Symbolik zweifellos auch zugleich deren allgemeine Ueberzeugungen und Ziele übernommen, die sie natürlich aber verhüllte. Für Clubs, die lediglich gesellige Zwecke haben, wählte man sich auch damals keinen derartigen Apparat von Abzeichen, Graden, Symbolen und Schutzpatronen. Es mag sein, dass sich die »Muratori« gelegentlich auch in Fastnachtskleidern, und nicht mit Kelle und Schurzfell zusammenfanden, dass aber letztere Tracht nicht lediglich etwas zufälliges wie eine Maskenkleidung war, geht daraus hervor, dass die Kelle das dauernde Symbol der Gesellschaft bildete, das nicht von einem Gastmahle zum anderen wechselte. Wohl aber hatten die Muratori ein Interesse daran, auszusprengen, dass diese Kleidung, nachdem sie bekannt geworden war, nur eine Art Fastnachtsscherz gewesen sei. Der streng kirchlich gesinnte Vasari, der nicht Mitglied war, hat sicherlich nur das erfahren, was man ihm mittheilen wollte.
Dass die Gebräuche der Maurer auch in anderen Akademien Italiens üblich waren, darauf deutet das Abzeichen der Akademie de' Ricovrati in Padua (um 1600 ff.) hin, das uns erhalten ist. Dieses Kleinod oder Abzeichen zeigt links eine doppelt geöffnete Höhle, in deren Hintergrunde man einen nach rechts schreitenden Mann erblickt. Dieser bearbeitet mit erhobenem Arme den Felsen, gleichsam um sich den Weg zu bahnen; das Werkzeug, das er schwingt, ist (soweit das mir vorliegende Exemplar erkennen lässt) der Spitzhammer; jedenfalls ist die Anspielung auf den Steinmetzen und seine Arbeit unzweideutig. Das Denkzeichen trägt den Spruch: Bipatens asylum animis Die einzige mir bekannte, recht mangelhafte Abbildung findet sich bei Joh. Chr. Wagenseilii De Civitate Norimbergensi commendatio. Altdorfl 1697, p. 451..
Es ist nach Lage der Sache nicht zu verwundern, wenn von dieser Symbolik der älteren Akademien nicht viel durch den Druck bekannt geworden ist; da diese Bräuche streng geheim gehalten wurden, ist wenig darüber aufgezeichnet und noch weniger natürlich gedruckt worden. Um so wichtiger ist, dass nach den Angaben einer Verrätherschrift aus der Zeit um 1620 in den niederländischen Akademien, die damals im Haag und zu Amsterdam zwei Mittelpunkte besassen, die Anhänger der »Kunst«, die damals bereits überwiegend aus »Philosophen« bestanden, einen »Schurz um die Lenden trugen« Keller in den M. H. der C. G. 1895, S. 141.; diesen Brauch, fügt die Schrift hinzu, »hielten sie hoch«. Da die Gesellschaften im Haag und Amsterdam nach derselben Quelle auch in Mantua und Venedig, sowie in Hamburg, Nürnberg, Erfurt u. s. w., Genossen besassen, die ähnliche Zusammenkünfte hielten, so darf man annehmen, dass hier gleiche Bräuche herrschten.
Eben diese »Societäten« des beginnenden 17. Jahrhunderts waren es, innerhalb deren der nachmals durch Comenius so bekannt gewordene Name Pansophie zuerst auftaucht; es sind dieselben Kreise, die von Aussenstehenden auch Alchymisten oder Rosenkreuzer genannt wurden. Nun ist es beachtenswerth, dass in mehreren Druckschriften, die die frühesten bis jetzt bekannten Spuren des Namens Pansophie aufweisen Näheres hierüber bei Begemann, Zum Gebrauche des Wortes Pansophie vor Comenius. M. H. der C. G. 1896, S. 210 ff., dieselben Sinnbilder der Bauhütten vorkommen, wie wir sie eben kennen gelernt haben. Der Zirkel, der cubische Stein, das Richtscheit, der rechtsschreitende Mann, die Sphäre, das längliche Viereck und vieles andere kehren wieder Die sehr umständlichen Titel der beiden hier gemeinten Druckschriften des Theophil Schweighardt aus den Jahren 1617 und 1618 sind wörtlich genau wiedergegeben bei Begemann a. O., S. 214 und 218. Man mag sie dort nachsehen. – Uebrigens hat auf die Steinmetzsymbole dieser Drucke schon Friedrich Nicolai, Versuch über die Beschuldigungen, welche dem Tempelherrnorden gemacht werden. 2. Thl., 1782, S. 204 fr., hingewiesen. – Unter den Kupfern befindet sich auch die Darstellung eines länglichen Vierecks, dessen schmale Seiten mit Abend (Westen) und Morgen (Osten), und dessen Langseiten mit Mittag (Süden) und Mitternacht (Norden) bezeichnet sind, also ganz wie in den Bauhütten; innerhalb des Vierecks ist das »Collegium« in der Form eines Gebäudes dargestellt.. Auch verehrten diese »Alchymisten« – wir kennen die Societät zu Nürnberg, deren Sekretär Gottfried Wilh. Leibniz war, genauer Keller in den M. H. der C. G. 1895, S. 90 ff. – Diese »Alchymisten« versammelten sich bei den »Münzmeistern«, d. h. in der städtischen Münze. – in derselben Weise den heiligen Johannes, wie es die Gesellschaften des 15. Jahrhunderts gethan hatten Näheres bei H. Kopp, Die Alchymie in älterer und neuerer Zeit. 1886, I., S. 207..
Man weiss, dass die »deutsche Societät« des Palmbaums – eine Palme war das Abzeichen, das die Mitglieder trugen – und die ihr verwandten Akademien nach dem Vorbilde der italienischen organisirt waren. Darauf beruht es, dass sich auch die Symbolik sehr eng an die Gebräuche der italienischen »Muratori« anschliesst; die von Philipp von Zesen im Jahre 1643 zu Hamburg gestiftete Gesellschaft der »Drei Rosen« – die Mitglieder nannten sich Brüder – hat erweislich viele derartige Bräuche besessen; merkwürdigerweise kehren die Maggiori und Minori hier ebenfalls in den »Magni« (Magistri) und in den einfachen »Magistri« wieder, auch erfahren wir von ähnlicher Zahlensymbolik u. s. w. Keller in den M. H. der C. G. 1895, S. 69 ff.. Im »Collegium« des Palmbaums sind die Symbole der Steinmetzen, besonders die Bibel, das Winkelmaass und der Zirkel, vielfach nachweisbar und gerade die genannten Sinnbilder stehen offenbar im Mittelpunkte ihres Interesses Keller, a. a. O., S. 86 f..
Auch in der Gesellschaft des Schwans (um 1660), deren Begründer Joh. Rist in Wedel bei Altona († 1667) war, war ein ausgebildetes System von Maurersymbolen vorhanden, z. B. die Kette, das » Gebände« (Bandzeichen), von welchen angeblich das erstere auf den »Orden«, das zweite auf die »Bundgenossenschaft« hindeutete (es werden also zwei Stufen unterschieden). Ferner zeigt die Symbolik des Palmbaums einen rechtsschreitenden Mann, zwei Säulen, den cubischen Stein, zwei verschlungene Hände, ein längliches Gebäude (das Haus der Gesellschaft, das »Collegium« darstellend), einen Teppich, die Figur des Schachbrettes, drei Lichter u. s. w.
Um das Jahr 1700, wo der Name Akademie zur Bezeichnung dieser freien Societäten seltener wird, begegnen uns in Deutschland und der Schweiz vielfach sogenannte Deutschübende oder deutsche Gesellschaften, die mit der Entwickelungsgeschichte der deutschen Literatur, wie männiglich bekannt, auf das engste verknüpft sind. Solche Gesellschaften gab es zu Beginn des Jahrhunderts und später zu Hamburg (B. H. Brockes † 1747), zu Königsberg, zu Leipzig (wo J. B. Mencke † 1732 und später Gottsched an der Spitze standen), zu Jena, Göttingen, Halle u. s. w. Auch diese Gesellschaften besassen engere und weitere Kreise und vielerlei Gebräuche und Formen erinnern an die ältere »deutsche Societät« des Palmbaums, mit dessen Einrichtungen sich auch die Mitglieder wohl vertraut zeigen.
Unter diesen Umständen kann es nicht befremden, dass die verwandte »Gesellschaft der Maler« zu Zürich, welche seit 1721 die Wochenschrift »Discourse der Maler« (seit 1723 einfach »Die Maler« genannt) herausgab Die Zeitschrift ist selten; ich benutze hier das Exemplar der Goeritz-Lübeck-Bibliothek (Stadtbibliothek) in Berlin., die Symbolik der Steinmetzen und Maurer ebenfalls benutzt und gelegentlich verwendet. Der Titel des ersten Jahrganges dieser Zeitschrift (1721) enthält ein sehr merkwürdiges Kupfer. Man sieht auf dem Bilde im Hintergrunde eine Kirche, links davon ein Wohnhaus, rechts ein länglich viereckiges Gebäude, in der Art des oben erwähnten Collegiums auf Bildern des »Palmbaums«. Im Vordergrunde sieht man zwei Personen, von denen die links stehende (ein modisch gekleideter Mann) sich vor der rechten (einer vornehmen Dame) verbeugt. Zur Seite des Mannes steht ein schlecht gekleidetes Kind, das eine Bittschrift überreicht, aber vergeblich am Mantel des Mannes zieht. Zwischen der Vordergruppe und den Gebäuden sieht man links vor der Kirche eine Frauengestalt, deren Gesicht mit einer Maske bedeckt ist; als Gegenstück dazu sieht man vor dem »Collegium« einen rechtsschreitenden Mann in Maurerkleidung. Er trägt das Schurzfell und im Gürtel einen Hammer; auf seiner rechten Schulter hält er ein Schwert; er kehrt der maskirten Frauengestalt den Rücken. Als Umrahmung des Ganzen dienen die Gestalten zweier Faune, deren Hände (je die linke und rechte) verschlungen sind; der Zeigefinger der rechten Hand des rechtsstehenden Faunes liegt auf der Kopfbedeckung des Steinmetzen, die linke des linken zeigt höhnisch auf die maskirte Frauengestalt.
Wie kommt der Maurer mit dem Schurzfell und dem Hammer in diese Wochenschrift, wenn nicht die Herausgeber einen bestimmten symbolischen Sinn damit verbanden?
Es ist ganz klar, dass die Ueberlieferungen und die Formen der Bauhütte wie auf die »Compagnie zur Kelle« in Florenz, so zweihundert Jahre später auf die »Gesellschaft der Maler« in Zürich übergegangen waren. Während aber im Jahre 1512 manche Mitglieder der Brüderschaft unzweifelhaft zugleich auch Hüttenbrüder waren, hat sich diese Verbindung im 17. und 18. Jahrhundert immer mehr gelockert und allmählich vielfach wohl ganz gelöst. Die Fürsten, Adeligen, Aerzte, Künstler, Naturforscher und Gelehrten, die sich unter den Abzeichen und Symbolen der »aufgefreiten Steinmetzen« (Free-Masons) zusammenfanden, hatten geringe Beziehungen mehr zu den Bauhütten und zur Baukunst; wenn sie gleichwohl sich selbst als Anhänger der Kunst bezeichneten, so war dieser Ausdruck ebenso nur sinnbildlich gemeint, wie die sonstigen Bräuche, die man übte. Es ist bezeichnend, dass man zur Kennzeichnung des Inbegriffs der Ziele, die den Societäten vorschwebten, einen so vieldeutigen, unangreifbaren, zugleich aber doch inhaltreichen Namen wählte; noch immer schien es nützlich, die Ziele vor den Augen Uneingeweihter zu verhüllen.
Dasselbe Streben wie in der Wahl dieses Ausdrucks tritt uns in der Wahl der Bezeichnungen für die Brüderschaft selbst entgegen. Je mehr der geistige und volkswirthschaftliche Einfluss Italiens zurücktrat, um so mehr traten auch die allmählich unbrauchbar gewordenen Namen Akademien, Societäten und Collegien zurück. Schon seit den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts sind innerhalb der Brüderschaft Versuche nachweisbar, einen neuen, passenderen Namen zu allgemeinerer Anerkennung zu bringen und darin ein einendes Band für die vielfach auseinanderstrebenden örtlichen Organisationen zu gewinnen; die Führer wussten ganz genau und sprachen es gelegentlich auch aus, dass ein passender und angesehener Name sehr viel dazu beitragen werde, der guten Sache » Credit zu machen«. Besonders tritt in den Briefen des Comenius, des Samuel Hartlieb und Joachim Morsius der Wunsch nach einem neuen Namen und einer höheren (d. h. internationalen) Organisation seit der ersten Hälfte des Jahrhunderts sehr bestimmt hervor; die Streitfrage war nur, welche Nation sich an die Spitze des grossen Unternehmens zu steilen habe Keller, a. a. O., S. 156. – Vergl. zur Namenfrage S. 148 und öfter.. Dass allerlei Geheimnamen, deren sich nur die Mitglieder bedienten, schon um 1618 im Schwange waren, bestätigt uns Hartlieb, der den Dingen sehr nahe stand, ausdrücklich.
Thatsächlich wurden denn auch gerade in den Jahren, wo in Deutschland die Brüder an mächtigen Fürsten einen Rückhalt gewonnen hatten und die Bewegung einen grossen Aufschwung nahm, sehr entschiedene Versuche, sowohl zur Schaffung grösserer Verbände wie zur Einbürgerung eines geeigneten Gesammtnamens gemacht. Die Gründung des Palmbaums (1617) war das Ergebniss der ersteren Bemühung, und die Schriften Andreaes über die angebliche Entstehung und die Ziele der Rosenkreuzer hängen mit dem anderen Bedürfniss zusammen. Die Schlacht am Weissen Berge und die unglücklichen Entwickelungen, welche folgten, ertödteten beide Versuche gleichsam im Keime.
Nach wenigen Jahren literarischer Kämpfe hatte der Name, dessen Verwendbarkeit Andreae hatte prüfen wollen, in weitesten Kreisen einen derartigen Beigeschmack alchymistischer Schwärmerei und gefährlicher Mystik erhalten, ja er war so sehr zum Stichwort und zum Sektennamen geworden, dass er für allgemeinere Verwendung und die Erzielung praktischer Erfolge völlig unbrauchbar war. In vielen Ländern wurden die Brüder, die im Verdacht standen, Rosenkreuzer zu sein (eine organisirte Körperschaft, die sich so nannte, gab es ja nicht), unter der Anklage der »Ketzerei« verfolgt, und auch wo man nicht so weit ging, war das allgemeine Geschrei dem neuen Namen ungünstig. Alsbald war der Beweis erbracht, dass dieser Name den Männern, die unter sich das Sinnbild des Kreuzes und der Rose besassen (daher war der Name genommen), nicht nur keinen »Credit mache«, sondern ihnen im höchsten Grade abträglich sei. Damit war zugleich auf einige Menschenalter hinaus jeder neue ähnliche Versuch sehr erschwert.
Erst etwa hundert Jahre nachher taucht ein neuer Versuch ähnlicher Art auf, gleichviel ob er planvoll begonnen oder mehr durch zufällige Umstände befördert worden ist; jedenfalls kamen dem Unternehmen diesmal eine Reihe sehr günstiger Verhältnisse zu statten, besonders die Thatsache, dass dasselbe an einem der Hauptsitze des politischen und religiösen Lebens unternommen wurde, in London. Es fällt nicht sehr in das Gewicht, in welchem Zustande man sich um 1717 jene Bauhütten (Lodges) denken will, die damals ebenso noch in London bestanden, wie sie gleichzeitig noch in Deutschland vorhanden waren; sicher ist, dass sie hier wie dort ausser Werkmeistern, Künstlern und aufgefreiten Steinmetzen auch »Liebhaber der Kunst« umfassten. Vielleicht hatten diese Gesellschaften einen starken Beigeschmack geselliger Clubs angenommen, aber unzweifelhaft hatten sie die Symbole und die Hüttengeheimnisse, die wir oben nachgewiesen haben, unter sich bewahrt. Auch war der Name »Steinmetzen« – Masons – im Brüderkreise zu London sehr wahrscheinlich ebenso als Geheimname bekannt, wie er es in Deutschland war; wenn man die Bezeichnung »Free Masons« vorzog, so geschah es lediglich, um den Beigeschmack plumperer Arbeit, der dem englischen »Mason« ebenso wie dem französischen »Maçon« und dem deutschen Worte Maurer anhaftete Vergl. Littré, Dictionnaire s. v. Maçon. aus dem Wege zu gehen.
So naheliegend der Gedanke nun war, zur Bezeichnung der »Söhne der Kunst« sich nach dem Handwerk, dessen Bräuche man übte, öffentlich zu nennen, so wäre der Schritt vielleicht doch nicht in seiner Berechtigung von weiteren Kreisen der Brüder anerkannt worden, wenn nicht die Schaffung einer neuen international gedachten Organisation, wie sie um 1717 angebahnt ward, auf die Schaffung einer zusammenfassenden, in gewissem Sinne zwar alten, aber in seiner nunmehrigen Verwendung neuen Bezeichnung hingedrängt hätte. Innerhalb alter Körperschaften (wie die Londoner Bauhütten es waren) setzen sich Neuerungen selbstverständlich sehr schwer durch; auch der Name Masons wäre sicher auf heftigen Widerstand gestossen, wenn er völlig neu gewesen wäre und wenn kein dringendes Bedürfniss zum öffentlichen Gebrauche des alten Geheimnamens vorgelegen hätte.
Nichts ist für die geschichtlichen Zusammenhänge bezeichnender als die Thatsachen, dass einerseits im Zeitalter die Akademien (d. h. im Zeitalter des überwiegenden italienischen Einflusses) bereits ein System maurerischer Symbolik nachweisbar ist, als dessen Mittelpunkte die Bibel, das Winkelmaass und Zirkel erkennbar sind, und dass andererseits im Zeitalter der Logen (d. h. im Zeitalter des überwiegenden englischen Einflusses) sowohl der alte Name der Akademien, wie deren treibende Gedanken, Grundsätze und Ueberzeugungen in auffallender Weise sich in vielen Ländern erhalten haben.
Es ist nicht schwer, für beide Thatsachen ein umfangreiches Beweismaterial beizubringen; nur kann an dieser Stelle, wo es sich um die Geschichte der Bauhütten und ihrer Nachwirkungen in den älteren Zeiten handelt, auf diese weiteren Fragen nicht eingegangen werden. Indessen kann für den, der in dem rechten Gebrauch der alten Symbole das Kennzeichen der gerechten und vollkommenen Kunst erkennt, schon jetzt als erwiesen gelten, dass der »Königliche Weg« (wie Comenius den Inbegriff der »hohen Kunst« nennt) nicht eine Erfindung oder Neuschöpfung des beginnenden 18. Jahrhunderts ist. Vielmehr bedeuten die seit 1717 eingetretenen Reformen lediglich einen Abschnitt in der Entwickelungsgeschichte einer sehr alten und sehr ehrwürdigen Körperschaft, deren Mitglieder schon lange vorher unter Steinmetzbräuchen und Sinnbildern an Domen und Kathedralen, aber zugleich auch am Tempel der Weisheit im Sinne Christi und des von ihm verheissenen Gottesreiches als geistige Werkleute gebaut haben.
Br. Ludwig Keller.