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Die Vorigen. Der Amtmann
(kommt zornig aus seinem Hause, in Schlafrock und Pantoffeln, ohne den Chor zu bemerken)
Amtmann | |
Schon nah dem Hause höre ich des Zuges Lärm, Und immer bringt der Michel noch die Stiefel nicht, Und meine Philosophenstiefel sind es just, Das einzige Paar zum Denken mir bequem genug; Denn nicht bei jedem Satze will empfinden ich, Wo mich der Schuh gewöhnlich drückt. Wie helf ich mir? Verdammter Kerl! Verlassen steh' ich und blamiert! Mir kocht das Blut! – (den Michel erblickend und anpackend) Halunke, halt! Was stehst du da, Maulaffend? Sprich! Die Stiefel such' ich überall. |
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Michel | |
Mein gnädiger Herr, hier bring' ich sie! | |
Amtmann | |
Was, ungeputzt? | |
Michel | |
Ich lauschte dort dem Chorgesang, und dachte nach. | |
Amtmann (den Chor erblickend) |
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Was diese hier? In solchem Aufzug misch ich mich In jenen Aufzug! Deinetwegen duld ich dies, Du fauler Knecht! Geh, suche einen andern Dienst! Amtsschreiber bist gewesen du! Bist abgesetzt! |
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Michel | |
O weh! das heiß' ich wirklich doch sich selbst gesetzt! | |
Peter (zu Michel) |
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So trag' du als gesetzter Mann dein Mißgeschick! | |
Michel | |
Wenn je ein Los entsetzlich war, das meine ist's! | |
Amtmann | |
Hier steh' ich nun im allertiefsten Negligé! | |
Herold (als Chorführer) |
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Schlechthin den Philosophen seh' ich so in dir. | |
Amtmann | |
Als Mensch an sich zu wandeln, scheint mir abgeschmackt. | |
Herold | |
Zerzauste Kleidung, gilt sie nicht für genial? | |
Amtmann | |
So war es sonst; doch anders jetzt, wo aufgeputzt, Ein ganz vollendet Modebild, langhaarig zwar, Doch glatt gekämmt sich nur das Genie bewundern läßt, Es duftet jetzt von Wohlgerüchen. Jeder merkt, Der riechen kann, hier müsse was Berühmtes sein. |
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Herold | |
Der faltige Schlafrock ist des Denkers Kriegsgewand; Pantoffeln fördern auf der Forschung Wegen uns So schnell wie Siebenmeilenstiefel. Tröste dich! |
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Peter (zu Michel) |
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Und du gedenke meines Herrn, und was ich sprach! Goldklumpen wird er sicherlich verschaffen dir. Dann reisen wir zusammen. Darum tröste dich! |
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Michel | |
Ich Tor vergaß die frohe Aussicht ganz, so sehr Hat mich erbost des Bürokraten Tyrannei. |
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Peter (zu dem Chor) |
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Wenn ihr, o Herrn, dem Fremden mir erlaubt ein Wort, So glaub ich, daß kein beßres Ziel für euren Witz Ihr finden werdet, als den Urbegriff des Drecks. |
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Amtmann | |
Mir dünket wohl gesprochen dieses Wort und klug, Und vieles denk ich über Urbegriff des Drecks. |
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Michel | |
Doch ich, Herr Amtmann, denke, daß ihr gar nicht wißt Und nie erfaßt habt diesen Urbegriff des Drecks. |
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Amtmann (springt auf das Katheder der rechten Seite) |
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Ich bin des Kampfs gewärtig! Nun, wer will heran? | |
Michel (auf dem andern Katheder) |
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Ich nehm den Handschuh freudig auf und stelle mich. | |
Herold | |
Nun wohl, so hört: Des Tages Losung sei der Dreck! |
Chor | |
Die Wissenschaft, wie ziert sie deutsches Land! Stolz seh ich ihres Tempels Mauern ragen; Es glänzt der hohen Zinnen prächtig Band; Von Riesensäulen wird ihr Dach getragen. Die Freiheit hat mit mächtig starker Hand Der Pforten goldne Flügel aufgeschlagen. Der Lehre Freiheit ist das Unterpfand Für unsre Kraft in gut und bösen Tagen. |
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Peter | |
Mit eurer Freiheit seid ihr bald am Ziel; Die Herrn im Lande leiden sehr am Magen. Das heißt's diät gelebt; denn etwas Viel Erregt ein gar gewaltig Mißbehagen. Man läßt euch euer metaphysisch Spiel, Den dürren Knochen dürft ihr schon benagen; Doch wenn dem Herrn der Knecht nicht mehr gefiel, So gibt's den Grund, den Burschen wegzujagen. |
Herold (zu dem Chor) |
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Jetzt Ruhe gebiet ich den Redenden euch; zum Kampf steh'n jene gerüstet. | |
Peter | |
Ich aber, ich mache geschwind mich davon, weil gar nicht mich weiter gelüstet, Zu vernehmen das Gallimathiasgeschwätz. Doch dem Herrn will alles ich melden. |
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Herold | |
Ihr zwei nunmehr jetzt zeigt, was ihr könnt, und gebart euch wie männliche Helden! In der Wissenschaft prangende Rüstung gehüllt und mit logischen Schienen bekleidet, Auf! laßt uns sehn, wie ihr kämpfet den Kampf, wie das Pferd Dialektik ihr reitet! Wohl ist sie ein Pferd, da sie Hegel genannt: Das Prinzip des Begriffs in Bewegung. Bleibt sattelgerecht, und gebrauchet den Witz als spitziger Spornen Erregung! Wohl decket die Brust mit dem Schild des Systems, dem bemalten mit Greuelgestalten, Und den Scharfsinn schwinget als Lanze behend, um den Feind euch vom Leibe zu halten! Dann stecht und pariert, macht Finten und haut und beweist uns eure Gewandtheit, Wie geschmeidig der Geist, durch Turnen geübt, wie den Meistern im Fach ihr verwandt seid! Nicht klein ist der Preis, und es werde der Held ruhmwürdig vollendeter Tat froh. Seht, dort ist der Lohn, philosophisch Gerät, uralt: Nußknacker des Plato! – Wie das Recht es verlangt, ist die Sonne geteilt; um jeden geschart sind die Gleichen, Die Bläulichen hier und die Gräulichen dort. Wohlan, so geb' ich das Zeichen! |
(Trompetenstoß. Der Amtmann und Michel schauen sich längere Zeit scharf, aber schweigend an)
Amtmann | |
Nun frisch und hau! Ich bin bereit. | |
Michel | |
Längst lieg' ich in Parade. | |
Amtmann | |
Hau zu! | |
Michel | |
Hau du! | |
Amtmann | |
Ich hab Geduld. | |
Michel | |
Das klingt wie Retirade. | |
Amtmann | |
Du negativer Philosoph! Du schiltst mich einen Feigen! Wie flach dein Sinn, wie leer dein Kopf, ich will's alsbald dir zeigen. Ich will beweisen, daß du nie erkannt den Sinn des Dreckes, Daß wortvergeudend du damit gespielt ein Spiel, ein keckes. Ein jeder, der nur spricht vom Dreck als männlich, und ihn der nennt, Bezeugt des Sinnes Blödigkeit, und wie er kreuz und quer rennt. Jetzt aber Achtung! Aufgepaßt! Und hör' auf jedes Wörtchen! Durch kleine Gäßchen führ' ich dich und log'sche Hinterpförtchen. »Subjekt und Objekt«, absolut identisch sind die beiden; Es ist das »A egal dem B« und nicht zu unterscheiden. Das B, das Objekt, ist der Dreck. Dies ist doch reine Wahrheit? Daß ich das A, das Subjekt, bin, ist evidente Klarheit; Und mithin bin ich selbst der Dreck, ich selbst, identisch bin ich! Es ist bewies'ne Wahrheit dies und wenn auch widersinnig! Wenn einer nun gesetzten Falls den Dreck euch produziert hat, So folgt daraus, daß dieser Mann sich eben selbst kreiert hat. Nun nenn' ich solche Zeugung doch wahrhaftig ungeschlechtlich, Und sag ich: der, und sag' ich: die, so ist es widerrechtlich. Vielmehr um diesen ganzen Schluß in einem Wort zu fassen, So kann fortan als richtig nur: das Dreck ich gelten lassen. |
Chor der Bläulichen | |
Das Dreck! Das Dreck! Ja das, das, das! O feine Philosophennas'! O Spürkraft sondergleichen, Was kannst du nicht erreichen! Und wenn in das Meer Versunken sie wär', Die köstliche Perle der Wahrheit, Solch Tauchertalent, Es fischt sie behend, Zu des Tags hell leuchtender Klarheit. |
Michel | |
Du transzendenter Zahlenmann! Durch solcherlei Exempel, Durch A und B erschleichst du nie der Wahrheit heil'gen Tempel. Subjekt-Objektivierung! Hu! Mir flimmert's! Mir wird wehe! Welch arg Begriffsgemengsel dies! Zentaurenhafte Ehe! »Nur wenn Idee sich selbst verneint, läßt sich das Ding erkennen, Und die Idee im Anders-Sein nur kann Natur ich nennen«. Doch jetzo gilt es! Schürzt das Kleid des Geistes, um zu steigen Zu philosoph'schen Nebelhöh'n! Jetzt heißt es, Kräfte zeigen! Der Logik Alpstock nehmet mit! Fest müßt den Schuh ihr binden! In tiefen Abgrund klettern wir, die Wahrheit dort zu finden. Mein erster Satz, er lautet so: Der Dreck ist Erd' und Wasser; Denn wenn es regnet, liegt er rings, ein unergründlich nasser. Nun sprech ich aus den nächsten Satz; ein wicht'ger ist's, mein zweiter. Das »Wasser ist passives Sein für and'res« und nichts weiter Als einfach nur das »Element selbstlosen Gegensatzes«. Bewahrt euch sorglich dieses Wort, und freut euch solchen Schatzes! Der dritte aber heißt, wie folgt: »Das Element der Erden Ist nur entwickelter Gegensatz und sein persönlich Werden.« Nun kommt der Schluß: Es ist mithin der Dreck für nichts zu halten, Als daß sich hier Selbstlosigkeit persönlich will gestalten. Dies ist der Dreck! – Ihr gafft und staunt! – Ich bin noch nicht zu Ende, Und hören sollt ihr nun sogleich, wie fein ich alles wende. Die Erde, die befruchtet wird, sieht man als Weib mit Recht an, Und wird der Dreck von ihr bestimmt, so nimmt er ihr Geschlecht an. Es kann der Dreck mithin kein Mann, noch kann er auch ein Ding sein; Und sag ich: der, und sag ich: das, muß mein Verstand gering sein. Vielmehr um diesen ganzen Schluß in einem Wort zu fassen, So kann fortan als richtig nur: die Dreck ich gelten lassen. |
Chor der Gräulichen | |
Die Dreck! Die Dreck! Ja die, die, die! Du leuchtend Licht, Philosophie! Du Falke sondergleichen, Was kannst du nicht erreichen? Und läg' der Demant Der Weisheit gebannt In des Dhawalagiris Geklüfte, Dich trüge sofort Dein Fittich zum Ort Übers Meer, durch Wolken und Lüfte. |
Amtmann | |
O Schwätzer, der kein Ende macht! Du Phrasenteigzerkneter! Du bringst ein Backwerk mir zu Tisch, so zäh wie Sohlenleder! Bei solcher Sudelkocherei ergreift ein Schüttelfrost mich. Wer klug ist und gesunden Leibs, bewahrt vor solcher Kost sich. Doch weiter will ich melden jetzt, was ich im Dreck ergründet. Ich bin das A, der Dreck ist B, wie ich bereits verkündet; Und wenn ich als Beschmutzer nun durch Dreckvermählung dasteh, So gibt die Formel sich von selbst, ich bin dann nichts als AB. Nun ist das A egal dem B, begrifflich nicht zu trennen, Und darum kann mit Fug und Recht den Dreck AA ich nennen. »A auf der Zweiten gilt als Licht«. Jetzt kann ich weiter schließen: Der Dreck ist Licht und Licht der Dreck. Das hab' ich klar bewiesen; Und bin ich Dreck, so bin ich Licht, und leuchtend bin ich Klarheit, Und mein System ist Strahlenglanz und, was ich lehr', ist Wahrheit; Doch was als Weisheit mancher sonst zu Kaufe trägt im Land um, Ist Pfuscherarbeit, ohne Wert. Quod erat demonstrandum. |
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Michel | |
Da hast du etwas Kluges und gar pfiffig aufgefunden! | |
Amtmann | |
Nicht wahr? Ich hab' dir Sinn und Wort geknebelt und gebunden? | |
Michel | |
Die Sonne ist mithin für dich ein Haufen alten Mistes? | |
Amtmann | |
Der Schluß ist richtig. Ohne Scheu gesteh' ich! also ist es! | |
Michel | |
Der Fackelträger ist dir auch ganz gleich dem Kehrichtwagen. | |
Amtmann | |
Ich wüßte keinen Unterschied an beiden dir zu sagen. | |
Michel | |
Das Riechen ist dem Sehen gleich. Das sieht ein kleines Kind ein. | |
Amtmann | |
Wer blind ist, hat den Schnupfen auch, ein Schnupf'ger muß auch blind sein. | |
Michel (springt von seinem Katheder) |
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O Grashalmwuchsbelauscher du! Was lehrst du Albernheiten. | |
Amtmann (gleichfalls) |
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O philosoph'scher Don Quixote, mit dir ist nicht zu streiten! | |
Michel | |
Im Dreck nur liegt des Drecks Begriff. Wer will mir das verneinen? | |
Amtmann | |
Jetzt weiß ich, wo ich suchen soll: Bei dir und bei den Schweinen! | |
Michel | |
Potenzenmacher! Formelheld! Besteht dein Witz im Schelten? | |
Amtmann | |
Es ist der Dreck »ein Ding an sich.« Nichts andres laß ich gelten. | |
Michel | |
Es ist der Dreck ein Ding an dir. Beschau dich nur beim Licht recht! | |
Amtmann | |
Ha, Floskeldrechsler, pack' ich dich, dann geht's dir, armer Wicht, schlecht! |
Chor der Gräulichen (zu Michel) |
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Sprich du von Hegel Nur zu Verständigen! |
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Chor der Bläulichen | |
Ist denn der Flegel Nimmer zu bändigen? |
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Chor der Gräulichen | |
Hätt' ich den Stecken Hier nur, den tüchtigen, Wollt' ich dich, Kecken, Weidlich abzüchtigen! |
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Chor der Bläulichen | |
Wenn du getraust dich Den zu beleidigen, Mußt mit der Faust dich Hier du verteidigen. |
Michel | |
Macht's kurz! Den Siegespreis mir her! Ich hielt mich kühn und wacker. | |
Amtmann | |
Ich rase und bin außer mir! Für mich den Preis, den Knacker! | |
Michel (den Amtmann mit Kot werfend) |
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Da nimm', was dir gebührt! Das Dreck! Ich setz ins rechte Licht dich. | |
Amtmann (ebenso) | |
Die Dreck für dich! So schaff ich dich; bis jetzo warst du nichtig. |
Chor der Bläulichen | |
Auf ihr Getreuen! Helfen ist ritterlich. |
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Chor der Gräulichen | |
Wahrlich bereuen Sollt ihr es bitterlich! |
Einzelne (durcheinander, bei allgemeiner Prügelei) |
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Nußknacker! – Au! – An sich! – O weh! – Schlechthin! – Mein Kopf! – Ihr Flegel! – Identität – Borniertes Volk! – Idee! – O Schelling! – Hegel! – Ihr Nebulisten! – Ideal! – Das A gleich B! – Ich blute! – Totalität! Begreifst du jetzt! – Barbar! – Das Absolute! – |