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Sechzehntes Kapitel. Gefangennahme

Der Fürst hat das Zimmer verlassen und sie hört ihn durch die Werkstatt schreiten. Es ist still im Haus und auf der Straße. Die gequälte Frau wirft sich zum Tod ermattet, wie sie geht und steht, auf ihr Bett – die Füße tragen sie nicht mehr. Aber sie findet keine Ruhe, ein unnennbares Weh zittert ihr im Herzen nach. Es ist alles gekommen wie Freyer prophezeit. Ehe der Hahn gekräht, hatte sie ihn dreimal verraten, verraten in derselben Stunde, wo sie ihm den Schwur der Treue geleistet! Beim ersten Schritt, den sie mit dem Geliebten auf dem Weg durchs Leben tun wollte, vor dem ersten Blick, der sie aus den Basiliskenaugen des konventionellen Vorurteils traf, wich sie feige zurück und konnte es nicht über sich gewinnen, sich zu ihm zu bekennen! Das ist ihre Läuterung, das die Wirkung eines, wie sie glaubte, weltüberwindenden Gefühls? Es ist alles Lüge! – Sie verzweifelt an allem, an ihrer Zukunft, an sich selbst – an der Macht des Christentums, von dem sie, wie alle Neulinge im Glauben, verlangt, es müßte sie mit einem Schlage aus Sündern zu Heiligen machen können. Eins nur bleibt sich ewig gleich, ein Bild nur steht unberührt von allem Gemeinen in dem Aufruhr ihres Innern – Freyer! Das allein kann sie retten, auf und zu ihm! Da erhebt sie sich vom Lager und eilt in die Werkstatt: »Wo ist Ihr Sohn?« fragt sie den alten Groß, der sich soeben zur Ruhe anschickt.

»Vermutlich auf seinem Zimmer, Frau Gräfin!«

»Holen Sie ihn sogleich!«

»Zu Befehl, Frau Gräfin!«

»Darf ich Erlaucht umkleiden?« fragt Josepha, die noch ihrer Befehle harrt.

Der Blick der Gräfin ruht gedankenvoll mit einem prüfenden Ausdruck auf ihr, als sähe sie das Mädchen heute zum erstenmal. Ob sie wohl treu ist – so treu, wie eine Kammerfrau sein müßte, um den Gedanken, den der Vater aussprach – möglich zu machen –? Josepha sieht der Gräfin fest und gerade in die Augen, ihr offenes Gesicht drückt nichts aus, als harmlose Verwunderung, daß sie so lange gemustert wird. – »Ja – du bist treu!« sagt die Gräfin – »nicht wahr?«

»Gewiß, Frau Gräfin,« erwidert das Mädchen, erstaunt, warum sie das erst versichern müsse.

»Du weißt, was Unglück heißt?«

»Ich mein' schon!« bestätigt Josepha mit herbem Ton.

»Dann würdest du auch den Unglücklichen beistehen, soviel in deinen Kräften?«

»'s käm' drauf an, wer's wär'!« sagt Josepha schroff, aber diese Schroffheit gefällt der Gräfin, sie ist ein Beweis von Charakter, und wo Charakter, da ist Zuverlässigkeit.

»Wenn nun ich es wäre, Josepha, könnte ich auf dich bauen in jeder Lage?«

»Freilich!« sagt das Mädchen einfach – »für Sie bin ich ja überhaupt nur auf der Welt – sonst läg' ich viel lieber da drunten! Wegen was lebt' ich denn, wenn nicht für Sie?«

»Ich glaube, Josepha, ich weiß jetzt, warum die Vorsehung dich mir geschickt hat!« murmelt die Gräfin in tiefem Sinnen vor sich hin.

Ludwig Groß tritt ein: »Sie haben mich noch zu sehen gewünscht?«

Stumm faßt ihn die Gräfin bei der Hand und zieht ihn in ihr Zimmer.

»Ludwig, was hab' ich hören müssen, – was hab' ich getan – und was ertragen!« Und hilfeflehend wie ein Kind legt sie den Arm auf die Schulter des treuen Mannes. »Ludwig, wieviel Uhr ist es?«

»Ich weiß nicht einmal,« sagt er: »Ich schlief schon, als mich mein Vater holte. Ich war bis vor einer Stunde herumgeirrt, um Sie und Freyer zu suchen. So überwältigte mich die Müdigkeit.« Er zieht die Uhr: »Es ist halb elf!«

»Ludwig, führen Sie mich noch zu Freyer, ich muß ihn sehen, heute noch! Freunde! Freunde! laßt in euren Seelen rein mich baden, denn mir ist zu Mute, als hätte mich die trübe Brandung der Welt mit ihrem Schlamm beschmutzt.«

Ludwig Groß hat leicht den Arm um die Schultern der Gräfin gelegt, wie um sie zu schützen vor dem andrängenden, unreinen Element: »Kommen Sie,« sagt er milde beruhigend, »ich bringe Sie zu Freyer! Oder wollen Sie lieber, daß ich ihn herhole?«

»Nein, er würde jetzt nicht kommen, ich muß zu ihm, denn ich habe etwas gutzumachen – da gibt's kein Säumen!«

Schnell hat Ludwig sie in einen warmen Shawl gehüllt. »Sie werden uns noch krank bei diesen ewigen Aufregungen,« sagt er besorgt, aber ohne sie aufzuhalten: »Geben Sie mir den Arm, Sie wanken ja!«

Unter den Augen der erstaunten Familie Groß verlassen sie das Haus. »Das ist eine kuriose Frau!« meint die Sephy kopfschüttelnd, »die gibt Tag und Nacht keine Ruh'!«

Nur fünf Tage sind es her, daß die Gräfin wie heute durch das schlummernde Dorf gewandelt, und was hat sie alles durchlebt!

Sie hat ihn gefunden, den Gott, den sie suchte – sie hat ihm ins Auge geblickt, sie hat die Liebe erkannt, die ewige, die göttliche – und hat erkannt, daß sie ihrer nicht wert. – So stolz und doch gedemütigt schreitet sie dahin am Arm des Freundes, der Straße zu, wo damals ein Ehrfurchtsschauer sie überrieselte, als es hieß: »Dort geht's zum Christus!«

Das Haus steht querüber am Ende der Straße. Kein Mondstrahl erhellt diesmal den Weg. Traurig rauschen die feuchten Wipfel der Bäume rechts und links im Dunkeln. Nur aus einem Fenster des Erdgeschosses in Freyers Haus leuchtet ein Licht, dessen zitternde Strahlen den beiden Wanderern den Weg bezeichnen. Sie haben es erreicht und blicken hinein. Da sitzt Freyer in der Stube auf einem Holzschemel am Tisch, den Kopf auf die Hand gestützt, in trübem Sinnen. Ein Buch liegt vor ihm, in dem er vielleicht lesen gewollt, aber offenbar nicht gelesen, denn er starrt müde vor sich hin.

Die Gräfin tritt leise durch die unverschlossene Tür ein. Ludwig will draußen auf sie warten. Als sich die Zimmertür öffnet, blickt Freyer erstaunt auf: »Du – Sie?« sagt er und sein Auge richtet sich voll und fragend auf sie, – aber er erhebt sich würdevoll – er fliegt ihr nicht entgegen, wie er sonst dem geliebten Weibe getan hätte, wenn es so unverhofft bei ihm eingetreten wäre.

»Frau Gräfin – was soll das – zu dieser Stunde?« fragt er traurig und bietet ihr einen Stuhl: »Sind Sie allein hierhergekommen?«

»Ludwig hat mich gebracht und wartet draußen, – ich habe nur wenige Worte zu sprechen –«

»Das geht aber doch nicht, daß wir den Freund draußen stehen lassen, Sie gestatten, daß ich ihn hereinrufe?«

»Tue das, du hast dann die Genugtuung, einen Zeugen für meine Demütigung zu haben,« sagt die Gräfin ruhig.

»Verzeihen Sie, an diese Auslegung dachte ich nicht!« – sagt Freyer leise und setzt sich: »Darf ich fragen, was Erlaucht befehlen?«

»Joseph – mit wem sprichst du?«

»Mit der Gräfin Wildenau!«

Da kniet sie neben ihm nieder: »Joseph! Bin ich jetzt noch die Gräfin Wildenau?«

»Frau Gräfin, ich bitte Sie!« ruft er und springt auf. »Das kann alles nichts helfen, – Sie bleiben, was Sie sind, und ich – was ich bin! Das hat sich mir heute abend schneidend ins Herz gegraben und das wetzt nichts mehr aus.« Er sagt es nicht zürnend, nicht vorwurfsvoll – einfach wie ein Mensch, der soeben das Liebste verlor!

»Wenn das so ist, dann kann ich freilich nichts tun, als wieder gehen!« sie wendet sich der Tür zu. »Aber verantwort' es vor Gott, daß du mich so ungehört verstoßen!«

»Ich bitte, Frau Gräfin, sprechen Sie!« sagt Freyer begütigend. Sie sieht ihn an, so inbrünstig, daß ihm das Herz hinschmilzt in namenlosem Weh: »Komm – und – sag mir, was du auf dem Herzen hast!« spricht er in weicherem Ton.

»Nicht eher, bis du mich wieder deine Taube nennst – oder dein Kind!«

Da treten ihm die Tränen in die Augen: »Mein Kind, – was hast du getan!«

»So ist's recht – so kann ich reden! – Was ich getan, Joseph? – Das, was du sahst und noch viel Schlimmeres. Ich habe dich nicht nur vor meinem Vater kalt und fremd behandelt, ich habe dich nachher noch dreimal verleugnet, – und ich komme, um es dir zu sagen, weil du allein es mir vergeben kannst und – ich weiß es – vergeben wirst!«

Freyer hat die Hände auf dem Knie gefaltet und starrt vor sich hin. Sie fährt fort: »Siehst du, so groß denke ich von dir und deiner Liebe, daß ich mich nicht zu rechtfertigen suche. Ich erinnere dich nur an das Wort, das du mir heute selbst sagtest: Ehe der Hahn dreimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnet haben! – Ich erinnere dich nur an das, was Christus bewogen haben mag, Petrus zu verzeihen: Er kannte das Herz des Jüngers! Joseph – kennst du das Herz deiner Magdalena auch?«

Da überläuft ein Zittern den Körper des starken Mannes und keines Wortes mächtig schlingt er den Arm um sie und sein Haupt sinkt an ihre Brust.

»Joseph, du bist unkundig der Welt und der Bande, in die sie auch die freieste Seele schlägt. Deshalb mußt du an mich glauben! Es wird noch oft vorkommen, daß ich gezwungen bin, etwas zu tun, was dir unverständlich! Wenn du dann nicht den unbedingten Glauben an mich hättest – könnten wir nimmer miteinander leben. Gerade heute war ich entschlossen, mit der Welt zu brechen – ihre Fesseln abzustreifen! – Aber sieh, wie viel Hohles und Verwerfliches sie in sich trägt, – sie beruht doch in ihren Prinzipien auf sittlichen Grundlagen! Deshalb vermag sie es auch, denjenigen Fesseln anzulegen, die mit dem, was unsittlich an ihr ist, keine Gemeinschaft mehr haben. Ja, wäre sie nur eine unsittliche Macht, dann wäre es leicht, in einem Augenblick frommer Begeisterung, wie dieser, mit ihr zu brechen, – aber, wenn wir noch so nahe daran sind, wenn wir uns noch so frei glauben, dann legt sie uns die Schlinge einer Pflicht um den Fuß – und wir sind aufs neue gefangen! So erging es mir heute mit meinem Vater! Ich hätte mit ihm brechen müssen, wenn ich ihm die Wahrheit gesagt hätte! Ich war zu schwach, die furchtbare Katastrophe zu provozieren – ich schob sie hinaus – indem ich dich verleugnete!«

Freyer zuckte schmerzlich zusammen.

Sie streichelt ihm liebkosend die krampfhaft geballte Faust. »Ich weiß, wie das tun muß. Ich weiß, wie sich's in dem stolzen Mann aufgebäumt haben mag, als ihm die Geliebte das antat! Aber ich verlange auch von meinem Engel, daß er weiß, was es mich kostete!«

Sie versucht sanft, ihm die festgeschlossenen Finger zu lösen. Allmählich geben sie nach und die geöffnete Hand liegt weich und willenlos in der ihren. – »Sieh mich an,« fährt sie süß und schmelzend fort: »sieh in mein blasses Gesicht, in meine verweinten Augen, – und dann antworte mir, ob ich gelitten habe in diesen Stunden – oder nicht?«

»Ich seh' es!« sagt Freyer leise.

»Bester Mann! Ich komme zu dir mit meiner großen Bedrängnis, mit meiner großen Liebe – und meiner großen Schuld – wirst du mich von dir stoßen?«

Da kann er sich nicht mehr halten, und mit liebender Großmut zieht er das bittende Weib an sein Herz.

»Ich wußt' es ja, du bist die Güte, die Milde, – die Liebe! Du wirst Geduld haben mit deinem schwachen, sündigen Weibe, – du wirst es bessern und heiligen und nicht verzweifeln, wenn es auch lange geht, bis das Werk vollendet. Nicht wahr, du gelobst mir das?« Sie flüstert es ihm inbrünstig zu unter tausend Küssen, sie haucht es ihm in das innerste Leben hinein, das heiße Flehen ihrer Reue.

Und er gelobt es mit feierlichem Eid, ihr nie wieder zu zürnen, sie nie zu verlassen, außer, daß sie ihn selbst fortschicke.

Sie hat gesiegt, – er glaubt ihr wieder! Und jetzt ist es an ihr, – dies kindliche Vertrauen zu verdienen!

»Ich danke dir!« sagt sie nach langem Schweigen. – »Jetzt habe ich den Mut, dir eine ernste Frage zu stellen! Aber, laß uns den Freund nach Hause schicken, der draußen wartet, du kannst mich ja dann selbst heimbringen.«

»Gewiß, mein Kind,« lächelt Freyer und geht hinaus, um den Wartenden zu suchen. – »Er war's zufrieden,« sagt er rückkehrend. »Nun, sprich – und sag alles, was du auf dem Herzen hast, – jetzt hört uns niemand mehr, als Gott!« Und er zieht sie liebevoll an seine Brust.

»Joseph,« beginnt die Gräfin befangen: »Die Stunde der Entscheidung ist schneller gekommen, als ich glaubte, und ich bin gezwungen, dich zu fragen: Willst du mein Gatte sein, – aber nur vor Gott – nicht vor den Menschen?«

Freyer tritt einen Schritt zurück. »Wie meinst du das?«

»Willst du mich ruhig anhören, liebes Herz?« fragt sie sanft.

»Sprich, mein Kind!«

»Joseph! Ich habe mich dir heute zum Weibe gelobt – und ich halte den Schwur – aber unsere Ehe darf nur eine heimliche sein.«

»Und warum dies?«

»Das Testament meines Mannes enterbt mich, sobald ich den Namen Wildenau ablege. Vermähle ich mich mit dir, so bin ich auf die Großmut der in meine Rechte tretenden Vettern meines Mannes angewiesen, die nicht einmal verpflichtet sind, mir eine Apanage zu geben, – ich bin also nicht viel besser als eine Bettlerin.«

»O – ist es nur das? Was liegt daran! Bin ich nicht im stande, mein Weib zu ernähren, – vorausgesetzt, daß es sich begnügen mag mit der bescheidenen Existenz, die ihm ein armer Bildschnitzer wie ich bieten könnte?«

Die Gräfin lächelt gerührt. »Das wußt' ich, daß du so sprechen würdest. – Doch, mein Engel, das ginge nur – wenn ich weiter keine Pflichten hätte! Aber siehst du, das ist solch eine Schlinge, an der die Welt den, der sich ihr entringen will, zurückzieht in ihren Bann. Ich habe einen Vater, – ein unglücklicher Mann, den ich weder achten noch lieben kann – ein Typus des glänzenden Elends, des hohlen Scheins, dem so viele Existenzen bei uns zum Opfer fallen, ein Spieler, ein Verschwender, aber immer mein Vater! Er verlangt eine pekuniäre Hilfe von mir, die ich nur leisten kann, wenn ich die Gräfin Wildenau bleibe. – Darf ich glücklich sein und meinen Vater zu Grunde gehen lassen?«

»Nein!« stöhnt Freyer aus gepreßter Brust und sein Haupt senkt sich wie die Krone eines gefällten Baumes auf die über dem Tisch verschränkten Arme herab.

»Was also bleibt uns übrig – geliebter Mann, als Trennung oder eine heimliche Ehe? Denn durch ein unsittliches Verhältnis wollen wir doch die Wunder nicht entweihen, die Gott an uns verübt?«

»Nein – nimmer!«

»Nun also – dann muß ich dir sagen: Wähle!«

»O Gott, das ist furchtbar. Ich soll mein heiliges Recht nicht vor den Menschen behaupten dürfen, – soll wie ein Ehrloser in Acht und Bann leben? Und wo und wann könnten wir denn dann zusammen sein?«

»Joseph – ich bin in der Lage, dir eine Stelle als Verwalter auf meinen Gütern zu bieten, die es uns möglich macht, jahrein jahraus zusammen zu leben und in der ungezwungensten Weise zu verkehren! Für das, was du hier aufgibst, kann ich dich hundertfach entschädigen, mein Vermögen ist dein Vermögen, was ich bin und habe, ist dein – nichts sollst du vermissen, als den äußern Schein, – den Triumph, als Gatte der Gräfin Wildenau vor der Welt aufzutreten!«

»Gott, Gott, du bist mein Zeuge, daß mein Herz an so etwas nicht denkt! Schau, wärst du arm und elend, und lägst hungernd am Wege, ich höbe dich auf und trüge dich, als mein stolzes Gut, auf den Armen in mein Haus. Wärst du blind und lahm, krank und verlassen, ich hegte und pflegte dich Tag und Nacht – und meine Seligkeit wär's, für dich zu arbeiten und dir das Stück Brot, das du issest, durch meinen Fleiß zu erwerben! Und wenn ich dir's brächte, ich reichte dir's nicht anders, als auf den Knieen und küßte dir die lieben Hände dafür, daß du's von mir annimmst! Aber dein Diener, dein bezahlter Diener kann ich nicht sein! – Sage selbst, – könntest du mich noch lieben, wenn ich es wäre?«

»Ja, denn meine Liebe ist ewig!«

»Täusche dich nicht selbst: du hast mich als armen, aber freien Bürger geliebt – als deinen Knecht wirst du mich verachten!«

»Du sollst nicht mein Knecht sein, – es soll ja nur eine Form vor der Welt gefunden werden, die es uns möglich macht, immer beisammen zu sein, ohne Verdacht zu erregen – und, die Stelle eines Verwalters ist diese Form!«

»Du magst es drehen und wenden, wie du willst – ich esse dein Brot und bin dein Untergebener! Gott im Himmel – ich war so stolz und jetzt so furchtbar gedemütigt – so jäh herabgeschleudert von der Höhe, auf die du mich gehoben!«

»Das ist keine Demütigung, wenn du annimmst, was meine Liebe dir gibt, und meinen Ueberfluß mit mir teilst!«

»Es ist eine, und ich könnte dein Gatte nur unter der Bedingung werden, daß ich fortfahren dürfte zu arbeiten, – und meinen Unterhalt selbst zu bestreiten!«

»O, über den neidischen Hochmut der Armen, die dem Reichen das edelste Vorrecht mißgönnen, das – ihnen wohlzutun! Glaube mir, der echte Stolz wäre der, wenn du dir sagtest, daß dein edles Sein tausendfach die kleinen Opfer an irdischem Gut aufwiegt, die ich für dich zu bringen hätte! Gerade wer das Geld verachtet, – kann es von andern annehmen, weil er weiß, daß die äußere Gabe wertlos ist, gegenüber den Schätzen an innerem Glück, welche die Liebe zu bieten vermag! – Wie, oder fühlst du dich so arm an Liebe, daß du mir die kleine Schuld für das Stückchen Brot nicht abtragen könntest? Dann freilich – dann laß mich mit meinem Reichtum in der Armut an Glück verschmachten und rühme dich, daß du das treueste Weib deinem Stolz geopfert, – aber dann sage nicht, daß du das Weib geliebt!«

»Täuble!«

»Ich tue, was ich kann!« fährt sie schmerzlich fort, »ich biete dir Leib und Seele, – meine Freiheit, meine Zukunft, – und du grübelst darüber nach, ob es dich nicht entwürdige, mein Brot zu essen und zum Schein mein Diener zu sein, während du in Wirklichkeit mein Herr und mein Richter bist! – Ich habe nichts mehr zu sagen, du sollst deinen Willen haben, aber entscheide dich rasch, denn was geschehen soll – muß gleich geschehen. Mein Vater riet mir selbst, mich von unserem alten Pfarrer auf Prankenberg trauen zu lassen, als er merkte, daß ich ernstlich daran denke, mich zu vermählen. Ich kenne aber meinen Vater und weiß, daß das nur eine Falle war, in die er mich lockte. Morgen erhält er eine Vollmacht von mir, um Gelder zu erheben, die ihm nötig – übermorgen denkt er sich irgend eine neue Finte aus, um mich in seiner Gewalt zu behalten. Wir müssen nach Prankenberg und den Pfarrer überraschen, ehe mein Vater es hindern kann. – Nun entscheide!«

»Allmächtiger Gott!« ruft Freyer. »Was soll ich, was darf ich tun? O liebes Weib, ich darf dich nicht verlassen – und dürft' ich's auch – ich könnt' es nicht, denn ich könnte nicht mehr leben ohne dich! Du weißt es ja, ich muß es nehmen, wie du's mir bietest und mein Geschick ist, wie du es über mich verhängst! Aber, liebe Seele, wie ich es ertragen werde, als dein Gatte für deinen Diener zu gelten, – ich weiß es nicht! Könntest du diesen Kelch an mir vorübergehen lassen – es wäre besser für uns beide!«

»Und hat Gott dem Erlöser den Kelch erspart? War Christus zu stolz, sein Kreuz und seine Schmach auf sich zu nehmen – und du – du magst nicht einmal das sanfte Joch tragen, das dein Weib dir auferlegt – auferlegen muß?«

Da neigt er das Haupt zur Erde. In dem verklärten Blick schimmert eine Träne, jetzt ist er wieder Christus. Und wie das dunkle Auge aus dem Zwielicht der trüben Lampe heraus sich mit dem vollen Schmerz des Gekreuzigten auf sie heftet, da faßt sie wieder jenes ehrfürchtige Grauen wie vor etwas Ueberirdischem – einem Wesen aus einem Zwischenreich, halb Geist, halb Mensch – und jenes Gefühl, als könne er nie ganz der Erde gehören, und nie ganz ihr! – Sie kann es sich nicht erklären, dies Gefühl, denn er ist so gut, so hingebend. Hätte sie eine Ahnung davon, daß solch ein Mensch bestimmt ist, daß wir in ihm aufgehen – nicht er in uns, dann wäre ihr das Rätsel gelöst! Was sie aber heute tut, ist das Gegenteil davon. Seine Existenz soll der ihren geopfert werden – und es ist eine dunkle Empfindung in ihr, daß dies wider die Gesetze seiner großen, bevorrechteten Natur ist!

Er aber, seiner selbst nicht bewußt, in seiner bescheidenen Einfalt, er weiß nur, daß er die Gräfin lieben muß bis zur Vernichtung – und er hält es nur für gerecht, daß er das unermeßliche Glück, dies Weib zu besitzen, durch ein ebenso unermeßliches Opfer erkaufen soll. – Mit der Berufung auf Christus ist es ihm plötzlich gekommen, daß Gott ihm Gelegenheit geben wolle, die Dulderrolle, die er nicht mehr auf der Bühne spielen darf – im Leben fortzuführen. Die furchtbare Erniedrigung, die ihm das geliebte Weib auferlegt, soll das Kreuz sein, das er für das hingegebene eintauscht.

»Nun denn, um Christi Demut willen!« sagt er traurig und wie gebrochen: »Weise mir meine Stellung an, wie du magst – aber ich fürchte, – du wirst es zu spät erkennen – das Beste, was ich bin, um das hast du dich gebracht. Du bist nicht die Natur, die einen Knecht lieben kann! Es wird dir gehen wie den Kindern, die dem Schmetterling die Flügel ausreißen, um ihn zu halten, und dann – den kriechenden Wurm mit Ekel von sich werfen. – Meine Flügel waren meine sittliche Freiheit und meine Selbstachtung! In diesem Augenblick hab' ich sie verloren, denn ich bin nichts mehr als ein kranker, liebesiecher Mann, der tun muß, was ein unwiderstehliches Weib von ihm fordert! Das ist keine freie sittliche Tat mehr, wie sonst, wenn der Mann mit der erwählten Gattin ein ebenbürtig Sein tauscht.«

»Wenn du so denkst, Joseph,« sagt die Gräfin erbleichend, »dann ist es freilich besser – ich lasse dich!« Und sie wendet sich mit Hoheit der Tür zu.

»Ja, geh nur!« ruft er in wildem Schmerz – »geh! du weißt doch, daß du mich mitnimmst wie den Dornenzweig, den du am Saum deines Kleides nachschleppst!« Und er holt sie ein und stürzt auf die Kniee. »Was bin ich denn noch? Dein Sklave bin ich! In Gottes Namen, sei meine Herrin und nimm mich hin! Ich lege meine Seele in deine Hand – ich vertraue sie deiner Großmut – aber weh uns beiden, wenn du mir die deine nicht dafür gibst! – Ich verlange nichts als deine Seele – diese aber will ich ganz!«

Da zieht ihn das frohlockende Weib leidenschaftlich vom Boden auf in ihre Arme: »Ja, gib dich mir gefangen und vertraue mir dein Geschick. Eine milde Herrin werd' ich dir sein – du geliebter Sklave, du sollst nicht mehr mein sein, als ich dein bin – das ist ganz und ewig


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