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Folgendermaassen aber entsteht jeder Mensch durch Zusammengerinnen. Der Mensch hat Willen, Ueberlegung, Macht und Einverständniss. Zuerst kommt der Wille, denn jeder Mensch hat einen Willen Dies oder Jenes zu thun. Dann folgt die Ueberlegung, ob etwas passend oder unpassend, lauter oder unlauter sei. Die Macht ist das Dritte, sie setzt eine Handlung durch; das Einverständnis schliesst sich an, da ohne dieses ein Werk nicht vollendet werden kann. Diese vier Kräfte sind bei der Entstehung des Menschen thätig. Die vier Elemente rufen viererlei Säfte im Menschen hervor, wenn sie in stürmischer Fülle nahen: das Feuer, das Trockne, entflammt den Willen, die Luft, das Feuchte, erregt die Ueberlegung, das Wasser, das Schäumige, lässt die Macht aufwogen, die Erde, das Milde, lässt das Einverständnis hervorsprudeln. All dies fliesst über und ruft Sturm hervor und leitet aus dem Blut giftigen Schleim, den Samen, hervor, welcher an seinem richtigen Ort geleitet sich mit dem Blut des Weibes vermischt und davon blutig wird. Aus der Lust, welche die Schlange beim Apfelgenuss dem ersten Menschen eingeblasen hat, entsteht die Empfängniss, weil dann das Blut des Mannes durch die Lust erregt wird. Dies Blut giebt dem Weibe kalten Schleim, und dieser erstarrt von der Wärme des mütterlichen Fleisches und dehnt sich zu einer blutigen Form aus und verharrt in dieser Wärme so, bis er von der Ausschwitzung des Trocknen in den Speisen der Mutter zu einer kleinen menschlichen Gestalt anwachsend sich verdichtet und das Zeichen des Schöpfers, das den Menschen geschaffen hat, diese dichte Gestalt durchdringt, wie ein Goldschmied ein Gefäss mit erhabener Arbeit anfertigt … Und dann formt sich aus ihm wie ein Bild die Menschengestalt, Mark und Adern fügen sich wie Fäden in sie ein, vertheilen sich und bilden überall feste Bänder, und gleichsam eine Eihaut umgiebt das Mark, die später zu Knochen wird … Doch noch ist diese Gestalt von solcher Stumpfheit, dass sie sich nicht bewegen kann, und sie liegt da, als ob sie schlafe und wenig athme. Und der Lebenshauch durchdringt und füllt und stärkt sie in Mark und Adern, so dass sie mehr wächst als bisher, bis sich Knochen über dem Mark ausdehnen und die Adern stark genug werden, um das Blut festzuhalten. Dann bewegt sich das Kind so, dass die Mutter es fühlt, als ob es plötzlich erwache, und von da an bleibt es immer lebhaft. Denn der lebendige Odem, die Seele, zieht nach dem Willen der Allmacht in die Gestalt ein und macht sie lebendig und hält in ihr überallhin seinen Umzug, wie der Wurm, der Seide spinnt, in der er sich wie in seinem Haus einschliesst … Nachdem der Same des Mannes an seine richtige Stelle gelangt ist, so dass er Menschengestalt annehmen muss, dann wächst um diese Gestalt vom Monatsblut der Mutter gefässartig eine Haut, die sie völlig umgiebt, damit sie sich nicht bewegt und falle; denn das geronnene Blut sammelt sich dort so, dass die Gestalt in seiner Mitte ruht, wie der Mensch in seinem Hause. Und in ihm hat sie Wärme, und eine Hülfe wird ihm von dem schwarzen mütterlichen Leberblute bis zu seiner Geburt aufgezogen. Und das Kind bleibt solange in dem Gefäss eingeschlossen, bis seine Vernunft verlangt, dass seine Menschenfülle hervortrete. Da kann und darf es nicht mehr eingeschlossen bleiben und schweigen, denn im Mutterleibe kann das Kind nicht schreien. Wenn aber die Geburt beginnt, zerreisst das Gefäss, in dem das Kind eingeschlossen ist, und die macht des ewigen Gottes, die Eva aus der Seite Adams bereitet hat, naht und kehrt alle Winkel der Behausung des mütterlichen Körpers von ihren Plätzen. Und die Fugen der Mutter bieten sich dieser Kraft dar und nehmen sie auf und öffnen sich. Und so halten sie fest, bis das Kind herauskommt, und dann schliessen sie sich zusammen, wie sie vorher gewesen sind. Auch die Seele des Kindes merkt, während es hinaustritt, die Macht der Ewigkeit, die sie geschickt hat, und ist fröhlich; wenn es aber heraus ist, bricht es in Weinen aus, weil es die Finsterniss der Welt spürt …