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Wenig wie die Ziele der jesuitischen Politik das Volkswohl und die der jesuitischen Religion einen gesunden Glauben, bezwecken diejenigen der jesuitischen Erziehung den Ruhm der Wissenschaft. Auch die Lehranstalten des Ordens dienen allein der Vergrößerung seiner Macht und seines Einflusses. Die erste bedeutende derselben war das 1551 gegründete Collegium Romanum. Ihm ließ im nächsten Jahre Papst Julius III. auf Loyolas Vorschlag das Collegium Germanicum folgen, welches die Bestimmung erhielt, Kämpfer gegen den Protestantismus in Deutschland heranzubilden. Einer jesuitischen Idee entsprang der Beschluß des Konzils von Trient, daß nach dem Muster jener Anstalten in jeder Diöcese ein Knabenseminar, d. h. eine Ausbildungsanstalt für Kandidaten des katholischen Priesteramtes vom zartesten Knabenalter an bis zur Weihe errichtet werden solle.
Das Erziehungssystem der Jesuiten hatte bis auf die neueste Zeit die im Jahre 1588 verfaßte, 1599 durch den General Claudius von Aquaviva veröffentlichte, 1832 auf Anordnung des Generals Joh. Roothaan mit zeitgemäßen Abänderungen neu redigierte und 1887 von P. Pachtler neu herausgegebene Ratio studiorum et institutiones scholasticae societatis Jesu zur Grundlage. Nach dieser zerfällt eine jesuitische Lehranstalt in zwei Abteilungen: Studia superiora und Studia inferiora. Jede derselben hat einen Präfekten, beide zusammen einen Rektor. Die Studia inferiora haben wieder fünf Klassen: Rudiment, Grammatik, Syntax (jetzt untere, mittlere und obere Grammatik), Humanität und Rhetorik, jede mit 1 bis 2 Jahren Lerndauer, welche im ganzen einem Gymnasium entsprechen. Die Hauptsache im Lehrgänge dieser Schule ist die Erlernung der lateinischen Sprache, aber nicht die Kenntnis ihrer Satzbildung, sondern die Übung derselben und die Geschicklichkeit zu reden und zu schreiben. Von der Syntaxklasse an dürfen Lehrer und Schüler nur lateinisch sprechen. Der Wahlspruch der Jesuitenschulen heißt daher: »lege, scribe, loquere.« Man glaubt dies Ziel namentlich durch Überladung des Gedächtnisses der Schüler mit Redensarten zu erreichen, deren man Sammlungen über die verschiedensten Dinge anlegt. Unter die ersten Pflichten der Schüler gehört die, täglich den Rosenkranz zu beten; auch müssen sie monatlich beichten. Die Muttersprachen waren bis 1832 an den jesuitischen Anstalten streng verpönt und werden noch jetzt vernachlässigt. Früher war ihr Sprechen mit Strafen bedroht, die man nur los werden konnte, wenn man – einen Mitschüler verklagte, der sich des nämlichen Vergehens schuldig machte, wie denn auch jeder Jesuitenschüler von den Oberen einen Nebenbuhler ( aemulus) erhält, mit dem er im Lernen wetteifern muß. Die alten Klassiker dienen einzig und allein zur Bildung des Stils, ohne Rücksicht auf den Geist derselben, daher auch Cicero als das höchste Ideal dieser Schulen verehrt wird. Aus Vergil flicken die Jesuitenschüler lateinische Gedichte zusammen und führen lateinische Dramen auf, doch nicht solche des Plautus und Terentius, sondern selbstgedichtete. Auch Griechisch wird gelernt, ja sogar mit dem Anspruche, diese Sprache zu sprechen und in ihr Gedichte zu verfertigen. Die Jesuiten stellen die griechischen und lateinischen Werke der Kirchenväter denjenigen des klassischen Altertums gleich. Die übrigen Lehrgegenstände, außer den alten Sprachen, faßten die Jesuiten unter dem Titel »Erudition« zusammen, – ein Sammelsurium von allen möglichen, ohne Ordnung zusammengeworfenen Anekdoten und Notizen aus den verschiedensten Wissenschaften. Einen naturwissenschaftlichen Unterricht kannten die Jesuitenschulen bis zum Jahre 1832 nicht, und ein solcher wird erst seitdem, aber auf religiöse Weise und keineswegs erschöpfend oder systematisch erteilt. Einen historischen Unterricht geben sie noch jetzt nur in einseitig kirchlicher Weise, nicht als selbständiges Fach.
Die Studia superiora bestehen aus einem zwei- oder dreijährigen »philosophischen« und einem auf diesen folgenden vierjährigen theologischen Kursus. In der Philosophie hält man sich an Aristoteles, »soweit dieser nicht gegen die Kirchenlehre verstößt,« und sucht namentlich die gegen den »wahren Glauben« gerichteten philosophischen Systeme zu widerlegen. In der Wahl zwischen verschiedenen Meinungen muß stets die Theologie voranleuchten. In der Mathematik und Physik hielt man sich bis 1832 an Euklid, beschränkte sich aber darin auf das, »was die Schüler gerne hören.« Jetzt allerdings wird das Fach in modernerer Weise gelehrt. In der Theologie ist die Vulgata die Grundlage; das Original und weitere Übersetzungen der Bibel fallen nur zu Zwecken der Vergleichung in Berücksichtigung. In der Kirchengeschichte muß nachgewiesen werden, daß die Rechte der Kirche und ihres Hauptes auf uraltem Herkommen beruhen. Die übrigen Teile der Theologie beruhen ganz auf Thomas von Aquino, dessen Ansicht entweder verteidigt oder die Frage übergangen werden soll.
Abgesehen nun davon, daß schon die allzu häufigen Andachtübungen und Exerzitien der Jesuiten die wissenschaftliche Thätigkeit notwendig beeinträchtigen müssen, kann von einer Freiheit und Unabhängigkeit der letztern schon darum keine Rede sein, weil der ganze Studienplan, gleich den Exerzitien, darauf berechnet ist, aus den Schülern blindgehorsame und ergebene Werkzeuge des Ordens, auf alles eigene Denken und Urteilen von vorn herein verzichtende Maschinen zu bilden. Die sämtlichen Lehrfächer sind in den Fesseln der mittelalterlichen Scholastik befangen, und die ganze Bewegung des Humanismus wird als nicht dagewesen betrachtet. Alles ist nur eine mechanische Abrichtung; in den Geist des römischen Altertums (vom griechischen ganz zu schweigen) wird nicht eingedrungen und dessen Träger, die Klassiker, den Schülern nur durch sogenannte kastrierte Ausgaben bekannt gemacht, aus denen Alles entfernt ist, was dem jesuitischen Zwecke irgendwie schaden könnte. Dagegen wird durch Anstandslehre, Tanzstunden, allerlei körperliche Übungen und theatralische Vorstellungen das Publikum geblendet und ihm glauben gemacht, der Unterricht sei ein aufgeklärter, während diese Fertigkeiten bloß dazu dienen, den Jesuiten unter Umständen auch die Rolle eines Weltmannes spielen zu lassen, da er alle möglichen Masken vornehmen muß, je nachdem die Zwecke des Ordens es verlangen. Damit übrigens die Schüler der Jesuiten sich daran gewöhnen, ganz dem Orden und dem Orden allein anzugehören, wird die Liebe zu den Eltern und Verwandten systematisch in ihnen ertötet. Ihr Glaubenseifer wurde ferner in früheren, dunkleren Zeiten dadurch angefeuert, daß es ihnen erlaubt war, Hinrichtungen von Ketzern beizuwohnen, – anderen nicht. »Nach siebenjährigem Studium, sagt Graf Hoensbroech (S. 33 f.), beschließt der junge Jesuit seine Ausbildung, ausgerüstet mit aller philosophisch-theologischen Spitzfindigkeit vergangener Jahrhunderte, den Kopf erfüllt mit den Namen längst toter Systeme und ohne Einfluß gebliebener Gelehrten des Mittelalters, aber in fast völliger Unwissenheit über die Geisteskämpfe der Gegenwart, über die aktuellen wissenschaftlichen Richtungen, die er zum großen Teil weder in ihren Trägern, noch in ihren Produkten auch nur dem Namen nach kennt. ... Will der studirende Jesuit etwas lesen, so steht ihm nicht, auch wenn er ein gereister Mann ist, die Bibliothek zur freien Verfügung, sondern er hat sich an seine Oberen zu wenden, und nach ihrem Gutdünken wird sein Wunsch erfüllt oder nicht. Daß dabei sehr oft eine engherzige Auffassung waltet, liegt auf der Hand.«
Den Schulen der Jesuiten entsprechen auch ihre wissenschaftlichen Leistungen. Wie in jenen, so nehmen sie auch in diesen eine ganz eigentümliche, von der fortschreitenden Kulturentwickelung der Menschheit völlig abgeschiedene und getrennte Stellung ein. Daher können sie auch nicht zugeben, daß Jesuiten von Anderen als von Ordensgenossen unterrichtet und über Erwerbung von Kenntnissen geprüft werden. So erwirkten sie schon 1552 vom Papste Julius III. das Vorrecht, gleich den Universitäten, ihren Schülern die Grade eines Baccalaureus, Magisters, Licentiaten und Doktors zu erteilen, was Pius IV. 1561 bestätigte. Und doch waren die Anstalten der Jesuiten, auch wenn sie Universitäten hießen, niemals vollständige Hochschulen; sie enthielten bloß die Fakultäten der Theologie und der »freien Künste« (jetzt als die der »Philosophie« bezeichnet).
Sehen wir nun, welche Leistungen die durch jesuitische Schulen gebildete und genährte Litteratur des Ordens aufzuweisen hat.
In der Kirchengeschichte gilt für die Jesuiten Cäsar Baronius aus Campanien (geb. 1538, gest. 1607) der zwar nicht Mitglied des Ordens, aber durchaus ein Gesinnungsgenosse desselben war, als Autorität; denn in dem Riesenwerke seiner Annales ecclesiastici ist dieser Wissenszweig so dargestellt, das alles zu Gunsten der römischen Kirche spricht, auch auf Kosten der Wahrheit. Der Jesuit Robert Bellarmin (geb. 1542 in Toscana, gest. 1621) predigte in seinem Hauptwerke de controversiis fidel unbedingten blinden Gehorsam gegen den Papst und stellte in diesem Sinne die Geschichte vollkommen falsch dar.
Wie Döllinger ( »Das Papsttum, neu bearbeitet von I. Friedrich, München 1892) nachweist, haben die Jesuiten zu allen Zeiten die Fälschungen der Kirchengeschichte verteidigt und diese selbst gefälscht. So behaupteten Suarez, Gretser, Possevin, Valencia und Turrianus die Echtheit der in 9. Jahrhundert erfundenen pseudo-isidorischen Dekretalen, einer gefälschten Sammlung päpstlicher Dekrete, welche die Oberhoheit des Papstes über alle Reiche erweisen sollten. Der spanische Jesuit Roman de la Higuera fälschte Chroniken und Reliquien, um die Geltung der päpstlichen Unfehlbarkeit und der unbefleckten Empfängnis Marias von alters her zu beweisen. Bellarmin, Delrio und Halloix verteidigten die Pseudo-Dionysius-Schriften; Canisius erdichtete Briefe der Jungfrau Maria u. s. w.
In der Geschichte ihres eigenen Ordens thaten sich hervor: Petrus Scarga (Italiener, † 1612) mit seiner Geschichte der Heiligen, Seligen und Märtyrer der Gesellschaft Jesu, Orlandino und Sachino mit der Geschichte des Jesuitenordens (1615 und 1621 zu Köln gedruckt), Ribadeneira, der Verfasser einer Schrift gegen Macchiavelli ( de bono principe), mit der Aufzählung der berühmten jesuitischen Schriftsteller, Joh. Tollenarius u. a. mit der Prachtausgabe »Imago primi seculi societatis Jesu« u. s. w. Gegen die Jesuiten schrieben Mitglieder der älteren Mönchsorden das Theatrum Jesuiticum (Coimbra 1654), worin sie die Bedrückungen erzählten, welche sich die Jesuiten gegen die älteren Orden erlaubten.
Was die übrige Weltgeschichte betrifft, so ersehen wir schon aus Baronius und Bellarmin, wie es die Jesuiten mit der Wahrheit halten. Dazu stimmt auch, daß sich nicht weniger als neun Jesuiten im siebenzehnten und im Anfänge des achtzehnten Jahrhunderts dazu hergaben, die Echtheit eines Briefes zu beweisen, welchen nach der Legende die Jungfrau Maria an die Gemeinde zu Messina geschrieben habe, dessen Sprache griechisch (!) ist, und dem zu Ehren noch jetzt jährlich am 3. Juni ein Fest in Messina gefeiert und zahlreiche dortige Kinder » Lettera« getauft werden. Der größte jesuitische Geschichtschreiber ist der Spanier Juan de Mariana (geb. 1536 zu Talavera), welcher die spanische Geschichte in dreißig Büchern, in gewandtem Stile, doch ohne alle Kritik schrieb (sie erschien zuerst 1601-1605 in Mainz, und beginnt mit Kains Nachkommen Tubal, von dem die Spanier abgeleitet werden!). Seine schon erwähnte Abhandlung de rege et regis institutione wurde auf Anordnung des Parlaments von Paris durch den Henker verbrannt; weil aber dies die Franzosen gegen die Jesuiten erbitterte, verleugneten ihn seine Ordensbrüder, und die Inquisition setzte ihn, 73 Jahre alt, wegen theologischer Schriften gefangen, brachte diese auf den Index und behandelte ihn um so härter, weil man unter seinen Papieren ein spanisches Werk über »die Gebrechen der Gesellschaft Jesu« gefunden hatte. Er starb 1623, im 87sten Jahre. Famian Strada († 1649 in Rom) schrieb die Geschichte des niederländischen Krieges in spanischem Sinne, welche Kaspar Schoppe, ein Gegner der Jesuiten, widerlegte.
Ebensowenig Kritik wie die Geschichtforscher bewiesen die Sprachforscher des Ordens. Franz Turrianus gab ein arianisches Machwerk des vierten oder fünften Jahrhunderts, welches den Titel »Apostolische Konstitution des Papstes Clemens I.« führt, und welches er für echt hielt, 1563 mit Gepränge griechisch und lateinisch, die französischen Jesuiten Sirmond und Fronton in der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts gaben die Kirchenväter heraus, aber reich an Fehlern und arm an kritischem Blicke.
Die größte Anzahl der jesuitischen Schriftsteller sind Theologen, von denen aber die älteren, mit Ausnahme dessen, was ein Teil von ihnen, wie schon erwähnt, über Moral und Politik geschrieben, für unsere Zeit keine Bedeutung mehr haben, und sogar die neuesten auch wenn sie so bedeutende Werke schaffen, wie P. Franzelins Theologia dogmatica (6 Bände), der Richtung nach in das Mittelalter gehören. – Ferner hat der Jesuitenorden eine Anzahl Schriftsteller über die Geographie und die Sprache der Länder, in welchen die Jesuiten Missionen besaßen, einige Mathematiker und Naturforscher, unter welchen Athanasius Kircher im 17. Jahrhundert mehrere für seine Zeit bedeutende technische Erfindungen machte, und einige vergessene scholastische Philosophen hervorgebracht. In neuester Zeit besaß der Orden einen sehr gelehrten Historiker in Damberger, welcher für sein großes Werk auf Unterstützung von Seite der Gesellschaft hoffte, dessen Manuskripte aber die Jesuiten nach seinem Tode – verkauften, statt sie auszuarbeiten. Pater Angelo Secchi in Rom hat sich als Astronom einen großen Namen erworben, ist aber in seinen Bestrebungen völlig vereinzelt geblieben. Auf den Gebieten der Kunst, der Ästhetik und der Literaturgeschichte, sowie der kritischen Welt- und Kulturgeschichte haben die Jesuiten zwar in der von ihren holländischen Niederlassungen aus geleiteten Zeitschrift »Stimmen aus Maria Laach« (Freiburg im Br.) eine Anzahl geistreicher und eleganter Schriftsteller aufzuweisen, wie die Patres Al. Baumgartner, F. Ehrle, I. Epping, F. v. Hummelauer, Jos. Knabenbauer, T. Pesch, F. Rieß, G. Schneemann, Jos. Spillmann u. m. A. Aber die Arbeiten dieser Herren zeigen nur, daß die Jesuiten nach wie vor daran arbeiten, die Welt zum Katholizismus nach päpstlicher Auffassung zurückzuführen, und alles dieser Richtung nicht angehörende möglichst schlecht zu machen und zu vernichten suchen. Für nicht durchaus in der Wolle ultramontan gefärbte Leute sind alle diese Aufsätze schlechterdings ungenießbar; es ist keine Wissenschaft, die hier spricht, sondern bloß Tendenz und Propaganda! Der nämlichen Tendenz huldigen auch die fremden jesuitischen Zeitschriften, die Civiltà cattolica in Italien, die Etudes réligieuses in Frankreich, der Month in England. In sämtlichen handelt es sich hinter allen Prunk und Flitter nur um die Katholisierung und Romanisierung aller Welt zur leichtern Beherrschung durch die Jesuiten. Eine solche Tendenz aber ist weder mit der Würde der Wissenschaft, noch mit der Ruhe paritätischer Staaten irgendwie vereinbar, und in rein katholischen Ländern müßte sie zur Inquisition zurückführen, wenn die Regierungen sie anerkennen würden.
Was die Jesuiten unter Logik verstehen, hat im Jahre 1866 Pater Clemens Schrader durch sein Buch »der Papst und die modernen Ideen« bewiesen. In demselben verteidigte er namentlich die Encyklika und den Syllabus von 1864, indem er sich zugleich die Mühe gab, die durch den Syllabus verurteilten Sätze, welche bekanntlich nur Phantasie-Sätze sind, wie die Kurie sich vorstellte, daß sie etwa in liberalen Schriften Vorkommen könnten und die daher das Gegenteil der päpstlichen Ansicht darstellen, dadurch dem ultramontanen Publikum deutlicher zu machen, daß er ihnen sogenannte »Gegensätze« an die Seite stellte, welche die päpstliche Ansicht selbst ausdrücken sollen. Diese »Gegensätze« sind aber so ängstlich an den Wortlaut der verworfenen Sätze angelehnt, daß durch die bloße Einschiebung des Wortes »nicht« u. s. w. meist ein ziemlich lächerlicher Eindruck hervorgebracht wird.
Wir führen als Beispiel den 34. verworfenen Satz an, welcher lautet: »Die Lehre, welche den römischen Papst einem freien und in der ganzen Kirche seine Macht ansübenden Fürsten vergleicht, ist eine Lehre, die im Mittelalter vorherrschte. Mit der Verwerfung dieses vollkommen wahren Satzes wollte Pius IX. offenbar sagen, daß diese Lehre nicht nur im Mittelalter herrschte, sondern auch in der Neuzeit herrschen solle. Pater Clemens Schrader aber fügte einfach ein »nicht« ein und leugnete damit, ohne es zu bemerken, die Lehre von der Souveränetät des Papstes sogar in Bezug auf das Mittelalter!! Der Gegensatz zum 38. Satze lautet: »zur Teilung der Kirche in die morgenländische und abendländische haben nicht die übertriebenen Gewaltstreiche der Päpste beigetragen,« beschuldigt also die Päpste in der Fassung, die ihre Ansicht vorstellen soll, »übertriebener Gewaltstreiche.« Ebenso gut ist der Gegensatz zum 76. Satze: »Die Abschaffung der weltlichen Herrschaft des apostolischen Stuhles würde zur Freiheit und zum Glücke der Kirche nicht außerordentlich viel beitragen.« Nicht außerordentlich viel! Also doch ziemlich viel oder wenigstens etwas! Ein einzelner Jesuit! wird man rufen. Aber Clemens Schrader ist mehr als das; da er gewürdigt wurde, in einem umfangreichen Buche die kirchlichen Thaten Pius IX. zu verherrlichen, muß man ihn als offiziellen Vertreter des Jesuitenordens und des römischen Systems betrachten. Und solche »scharfsinnige Logiker« sollen die Männer sein, vor deren »Gelehrsamkeit«, wie ein ultramontanes Blatt sagt, die Liberalen sich fürchten?? Risum teneatis!
Abgesehen aber auch von solcher, den Verfall an der Stirne tragender »Wissenschaftlichkeit« schließen sich die Jesuiten aus dem Reiche des forschenden Geistes schon durch die fortgesetzte Huldigung aus, welche sie dem krassesten Aberglauben darbringen. Nicht nur die früheren Jesuiten etwa glaubten, gleich ihren Zeitgenossen, sämtlich an Hexerei und Teufelsbeschwörungen, sondern ihr Ordensgenosse Gury lehrt diese schönen Dinge noch in unseren Tagen als unzweifelhafte Thatsachen betrachten. Er glaubt an die Wirkung der Wünschelrute und warnt nur vor dem »teuflischen Einfluß,« der damit verbunden sein könnte ( Conip. Pars I, No 270 ff.). Er glaubt an Zauberei mit Hilfe des angerufenen Teufels, an Hexerei als die Kunst, mit Hilfe des Teufels Anderen zu schaden, z. B. Haß oder sündhafte Liebe zu erwecken, Krankheiten oder Blödsinn hervorzurufen. Hinter dem Schwindel des Tischrückens und Tischklopfens wittert er »böse, von Gott verfluchte Geister;« ebenso betrachtet er den sog. tierischen Magnetismus als ein teuflisches Werk. Er belehrt seine Gläubigen (a. a. O. No. 317 f.) über die Beschwörung und das Austreiben böser Geister aus besessenen Personen oder Dingen, und schreibt sogar einen Teil der Träume dem Teufel zu! Daß dieser anerkannte erste heutige Vertreter der jesuitischen Morallehre ( No. 265) diejenigen lobt, welche geweihte Medaillen, Bilder oder Reliquien von Heiligen bei sich tragen, und gestattet, den Mond oder passende Zeiten zu beobachten, um Kräuter zu sammeln und dergl., ist neben dem vorhin genannten harmlos zu nennen. Der Jesuit I. v. Bouniot behauptete noch 1889, daß die heidnischen Götter wirklich existierende Dämonen gewesen, erklärte die Besessenheit durch böse Geister als Thatsache und verfocht die Meinung, daß im Magnetismus und Spiritismus Teufel spuken. –
In ihrer ganzen Geschichte haben die Jesuiten nur zwei Ordensglieder aufzuweisen, welche gegen die Hexenmorde früherer Zeit auftraten, Adam Tanner, von dem dies nur in geringerem Maße gilt, und Friedrich von Spe, welcher, zugleich Dichter, durch seine Cautio criminalis die anonym und ohne Gutheißung von Seite der Oberen des Ordens 1631 erschien, einer der ersten Bahnbrecher zur Abschaffung jenes Gräuels war und durch Anstrengung bei der Pflege Verwundeter (1635) einen frühen Tod fand. Auf ihn thun sich die Jesuiten gewaltig viel zu gut, verschweigen aber wohlweislich, daß einer der heftigsten Verteidiger der Hexenprozesse, Martin Anton Delrio, ein in Belgien lebender Spanier (geb. 1551, gest. 1608), Jesuit war. Seine mit Genehmigung der Ordenshäupter 1593 erschienenen Disquisitiones magicae in drei Bänden sind nächst dem »Hexenhammer« das scheußlichste Buch, das gegen die armen Weiber, die man Hexen nannte, geschrieben worden ist und besteht aus den schamlosesten Verleumdungen des weiblichen Geschlechtes.
Wie lange würde es daher wohl, wenn die Jesuiten bei uns wieder Eingang und vermehrten Einfluß erlangen sollten, dauern, bis sie auf Wiedereinführung der Hexenprozesse dringen würden? Ja, das sind wirklich Leute, deren »Gelehrsamkeit« weniger zu fürchten ist, als – ihr Fanatismus!