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IV. Die Verfassung der Gesellschaft Jesu.

. Zur Verfassung des Ordens rechnen wir die Art und Weise, wie der Jesuit wird, und diejenige, wie er wirkt. Erstere ist enthalten in den Exerzitien, dem Werke des schwärmerischen Stifters, das seinen eigenen Erlebnissen nachgebildet ist, letztere in den Konstitutionen, welche nach seinem Entwurfe von seinem staatsklugen Nachfolger Jakob Lainez überarbeitet wurden. Jene sind das geistige Wesen, diese der Leib der Gesellschaft Jesu.

Als Zweck des Ordens wird von diesem selbst angegeben: »nicht nur, mit Hilfe der göttlichen Gnade an der Seligkeit und Vervollkommnung derjenigen zu arbeiten, welche die Gesellschaft ausmachen, sondern auch mit derselben Hilfe aus allen Kräften an der Seligkeit und Vervollkommnung des Nächsten.« Um diesen Zweck zu erreichen, werden von den Mitgliedern die drei Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abgelegt. Dasjenige der Armut soll so verstanden werden, daß sowohl die Einzelnen, als die Kirchen und Häuser der Gesellschaft keine Einkünfte haben, sondern von Almosen leben sollen.

Die Mitglieder zerfallen in vier Klassen, welche von unten herauf folgende sind:

1) Die Novizen, welche in der Regel zwei Jahre in einem Novizenhause zubringen und genau beobachtet werden, von ihrer Bestimmung im Orden aber nichts erfahren. Sie werden strengen Prüfungen unterworfen, ob etwas ihrer Aufnahme entgegenstehe, zu welchen Hindernissen namentlich gehören: Abweichung vom Glauben, Verbrechen und schwere Sünden, Verbindlichkeiten gegen einen andern Orden, Verehelichung, störende körperliche Fehler. Man erkundigt sich nach allen ihren persönlichen, Familien- und anderen Verhältnissen, nach ihren Anlagen und Fertigkeiten, Ansichten und Absichten. Sie müssen sechs Hauptproben durchmachen, welche darin bestehen, daß sie sich je einen Monat lang mit geistlichen Betrachtungen abgeben, in Spitälern dienen, ohne Geld reisen und betteln, verachtete Dienste leisten, Kinder oder ungebildete Personen im Glauben unterrichten, und predigen oder Beichte hören. Sie dürfen nur mit solchen Gefährten umgehen, die ihnen die Oberen bestimmen, dürfen von ihren Eltern nur reden, als ob sie tot wären, und es wird ihnen geraten, jede Verbindung mit ihrer Familie aufzugeben. Eine Generalbeichte schließt die Laufbahn des Novizen, dessen Beschäftigung von Stunde zu Stunde während des Tages genau vorgeschrieben ist.

2) Die Scholasten legen die drei Gelübde ab, verpflichten sich zum Eintritt in den Orden, studieren erforderlichen Falls die Wissenschaften nach dem System der Jesuiten und machen noch einmal Exerzitien und eine Probezeit durch.

3) Die Koadjutoren können immer noch entweder geistlich oder weltlich sein; im letztern Falle dienen sie dem Orden als Köche, Gärtner, Krankenwärter und Diener jeder Art, während die Geistlichen sich vorzüglich dem Unterrichte der Jugend widmen.

4) Die Professen müssen als Koadjutoren die Priesterweihe erhalten haben und legen dem Orden noch ein viertes Gelübde ab, nämlich dem Papste unbedingt zu Willen zu sein, sich von ihm überall hinsenden zu lassen, wohin er es für gut findet. Sie sind die Regenten des Ordens und widmen sich allein den Zwecken desselben. Ihre Zahl beträgt nur etwa zwei vom Hundert aller Ordensglieder.

Außer diesen vier Klassen giebt es noch affiliierte Jesuiten, d. h. solche Personen, welche, ohne die mönchischen Gelübde abzulegen, für die Interessen des Ordens arbeiten und ihm unbedingt gehorchen. Man nennt sie: Jesuiten im kurzen Rocke. Ihre Organisation und ihr Verhältnis zum Orden und zur Außenwelt, sowie ihr Personalbestand, sind durchaus Geheimnisse. Ebenso giebt es auch Jesuitinnen.

Der oberste Würdenträger des Ordens ist der General, welcher absolute Gewalt besitzt, alle Ordensbeamten ernennt, sie auch absetzen kann, und auf Lebenszeit gewählt wird. Als seine Minister figurieren die Assistenten, vier bis sechs an der Zahl, denen Jedem ein bestimmter Teil der Erde zur Oberaufsicht zugewiesen ist (eine Einteilung, welche oft abgeändert wurde). Unter jedem Assistenten steht eine Anzahl von Provinzen, in welche die Erde eingeteilt ist, und an der Spitze jeder Provinz ein Provinzial. Solcher Provinzen giebt es gegenwärtig z. B. in Österreich und Deutschland, nebst den Niederlanden drei, in Italien vier, in Frankreich zwei usw., zusammen siebzehn. An der Spitze der lokalen Niederlassungen stehen Superioren. Diese Niederlassungen sind entweder Profeßhäuser, deren es drei, in Rom, Palermo und Genua, Exerzitienhäuser deren es zwei, in Rom und Lyon, giebt, dann mehrere Novizenhäuser, Seminare, Kollegien, Pensionate und Missionen. – An der Seite jedes Würdenträgers, des Generals, der Assistenten, der Provinziale und der Superioren steht ein Admonitor oder Konsultor, der ihn an seine Pflichten zu erinnern hat. Zur Überwachung der Provinzialverwaltung werden vom General Visitatoren abgeordnet. Das Rechnungswesen und die Prozesse des Ordens besorgen Prokuratoren, die Censur der von Ordensgliedern verfaßten Schriften Revisoren. Die Generalversammlung, welche unter dem Vorsitze des Generals aus den Assistenten und Abgeordneten der Provinzen besteht, wählt den General und die Assistenten, entscheidet nötigenfalls über Entsetzung derselben, und bestätigt die von dem General getroffenen Abänderungen der Konstitutionen, sowie Veräußerungen von Ordensgütern. In besonders wichtigen Fällen wird eine Generalkongregation berufen, an welcher alle Professen teilnehmen dürfen. Jede Provinz hat überdies eine Provinzialkongregation.

Was von den Oberen in der Gesellschaft Jesu ihren Untergebenen aufgetragen wird, muß ohne Prüfung vollzogen werden, »als ob sie ein Leichnam wären« ( perinde acsi cadaver essent), und sie müssen sich behandeln lassen »wie der Stab in der Hand eines Greises«, wie es in den Konstitutionen, Teil VI. Kap. 1. § 1. wörtlich heißt. Ja in demselben Werke (VI. 5) steht sogar ein Satz, welcher verschieden übersetzt worden ist und den wir daher im Original wiedergeben: » Visum est nobis in domino – – nullas constitutiones, declarationes vel ordinem ullum vivendi posse obligationem ad peccatum mortale vel veniale inducere, nisi superior ea in nomine domini Jesu Christi vel in virtute obedientiae jubeatRanke (Päpste, 4. Aufl., Bd. I. S. 223) sagt dazu: »... es bleibt dabei, daß die Gewalt des Obern, eine Sündlichkeit involvierende Anordnung zu geben, von höchst außerordentlichem Charakter ist.«

Wie dieses Verhältnis blinden Gehorsam, so hat daneben jenes unter den Gleichstehenden, sowie jenes der Höheren gegen die Niederen, Mißtrauen zum Inhalte. Alle Briefe, welche von Jesuiten geschrieben oder empfangen werden, müssen von den Oberen gelesen werden. Der Jesuit Mariana sagt darüber: »Die ganze Regierung der Gesellschaft beruht auf Delationen (Angebereien), die sich wie ein Gift durch das Ganze verbreiten, daß kein Bruder dem Andern trauen kann. Aus grenzenloser Liebe zur unumschränkten Herrschaft nimmt unser Ordensgeneral alle Delationen in seinem Archiv auf und zollt ihnen Glauben, ohne daß er erst den anhört, gegen den sie gerichtet sind.« ( Mariana de morbis Soc. Jesu, Cap. III, Aph. 24). Auch jeder Würdenträger berichtet in vorgeschriebenen Perioden seinen Oberen über seine Untergebenen, der Admonitor oder Konsultor jedes Würdenträgers über den Letzteren dem General, zu gewissen Zeiten auch die Superioren dem General mit Umgehung der Provinzialen, und endlich beaufsichtigen die Assistenten den General selbst und müssen gegen ihn einschreiten, wenn er sich verfehlt. Genaue Listen werden über alle Mitglieder und deren Thun und Treiben geführt.

Aus dem Mitgeteilten geht genugsam hervor, daß bei den Jesuiten unter den allgemeinen Ordensgelübden das Hauptgewicht auf den Gehorsam gelegt wird, welcher jeden selbständigen Gedanken erstickt, ja sogar jede individuelle Entwickelung des Charakters unmöglich macht, so daß der Orden in der That keine eigenartig ausgeprägten Geister hervorgebracht hat, welche etwas Originelles geschaffen hätten. Die Keuschheit wird ( Const. VI. 1. 1.) nur mit wenig Worten erwähnt und von der ( Const. VI. 2) den Ordensgliedern zur Pflicht gemachten Armut werden ( Instit. I, 277 und Const. IX. 3, 6. 7.) so viele Ausnahmen gestattet, daß dieses Gelübde in Wirklichkeit bei dieser Gesellschaft gar nicht besteht. Sogar ein ausgestoßenes Mitglied erhält die Geschenke, die es dem Orden gemacht hat, nicht zurück. Nach den Deklarationen des Ordensgenerals Lainez (S. 411) darf der Jesuit, sobald es die Zwecke des Ordens erfordern, beträchtliche Geldsummen verwenden, auf das behaglichste leben, sich kostbar kleiden ( »zur größeren Ehre Gottes,« fügt Loyla's Nachfolger bei).

Was nun die Exerzitien oder geistlichen Übungen (Betrachtungen) Loyola's betrifft, auf welche jeder Jesuit das ganze Leben hindurch jährlich wenigstens acht, der Novize aber 30 volle Tage verwenden muß, so lassen wir über sie die trefflichen Worte eines neueren Geschichtschreibers sprechen: Philippson, Westeuropa, Einleitung S. 56 f. Exercitia spiritualia Sancti Patris Ignatii, explicata per R. P. Jacobum Noüet S. I. Ed. 2. Dilingae 1689.

»Das ganze Buch ist ein psychologisches Meisterwerk. Mit wahrer Virtuosität beherrscht es das menschliche Herz, seine verborgensten Beweggründe, seine feinsten und seine gröbsten Empfindungen. Die höchsten Ideen wie die sinnlichen Instinkte des Menschen werden in den Dienst der Absichten des Verfassers gestellt, die darauf hinauslaufen, die Seele Gott, d. h. der katholischen Kirche gänzlich zu unterwerfen. Kein Mittel ist dabei vergessen, und am wenigsten die äußerlichen: wie die genaue schriftliche Aufzählung der Sünden und ihre häufig wiederholte Beichte durch den Schüler; die Erregung der Einbildungskraft bis zur Herbeiführung von Hallucinationen; vollständige Zwiegespräche des Gläubigen mit seiner eigenen Seele und seinem eigenen Gewissen, sowie mit Christus, der Jungfrau und den Heiligen; die Verpflichtung, moralischen Schmerz und Selbstverachtung zu empfinden und Thränen zu vergießen; glühende Gebete, die jedesmal dem behandelten Gegenstande angepaßt sind; das deutliche Bild des gekreuzigten Jesus, sowie die Hölle mit allen ihren Martern.« Der Schüler wird um Mitternacht geweckt, es werden ihm Skelette vorgehalten, wenn er düster, Blumen überreicht, wenn er mild gestimmt werden soll. Gewisse Stellungen und Geberden werden ihm vorgeschrieben; Fasten und Geißelungen fehlen nicht dabei. Das Ziel von allem dem aber ist die völlige willenlose Unterwerfung unter die römische Kirche. Die Kirchenväter, Thomas von Aquino und die Lieblingstheologen der Jesuiten müssen dem Exerzierenden ebensoviel gelten wie die Bibel. Was die Kirche schwarz nennt, sagt Loyola, muß er als schwarz anerkennen, auch wenn es ihm weiß erscheint. Der Jesuit Bellarmin geht noch weiter und sagt, daß selbst die Sünde, wenn vom Papste geboten, zur Pflicht werde oder wörtlich: wenn der Papst darin irrte, daß er Laster vorschriebe und Tugenden verböte, so sei die Kirche gehalten, zu glauben, daß die Laster gut und die Tugenden schlecht seien, wenn sie nicht gegen ihr Gewissen sündigen wolle; sie müsse glauben, was er befehle sei gut und was er verbiete schlecht. ( Bellarmin de controv. T. I. de Rom. Pont. lib. IV. c. 5.). Der 1893 aus dem Orden ausgetretene Graf Paul von Hoensbroech bezeugt folgendes: »Der Jesuitismus nivelliert die geistige Selbständigkeit seiner Glieder, zwingt diese in eine alles umfassende, alles beherrschende Schablone, läßt sie dadurch verkümmern und nicht zu der ihr naturrechtlich zustehenden Entfaltung gelangen ... Von Viertelstunde zu Viertelstunde ist dem Novizen vorgeschrieben, was er zu thun hat ... Der Wille, die Neigung zu irgend einer Thätigkeit wird abgestumpft ... Will der Novize einen Schluck Wasser trinken, ein Stück Papier, ein Buch, einen Bleistift benutzen, so muß er um Erlaubnis fragen ... Jeder Novize bekommt einen sog. Schutzengel zugeteilt, d. h. zwei Novizen haben täglich zu einer bestimmten Stunde sich gegenseitig aufmerksam zu machen auf Verstöße, die sie etwa begangen haben. Mehrmals im Jahre wird die sog. Steinigung vorgenommen; jeder Novize muß niederknien und dann darf jeder der übrigen äußere Verstöße an ihm tadeln, z. B. er geht zu rasch, zu langsam, spricht zu laut, zu leise u. s. w. ... Jede Woche werden ihm bestimmte Ordensgenossen beigegeben, nur mit diesen darf er sich unterhalten ... Kurz, es ist der ganze Mensch in allen seinen Bewegungen und äußerm Gebahren, bei Tag und bei Nacht, der erfaßt, gemodelt wird.«


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