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VII. Die Religion der Jesuiten.

. Die Moralisten des Jesuitenordens leiten in ihren Lehren nicht nur zur Verletzung aller Moral, sondern sogar der Kirchengebote an, die sie doch nach dem ausgesprochenen Zwecke ihrer Gesellschaft schützen sollten. Sowohl von der Heiligung der Sonn- und Festtage, als von der Verrichtung der christlichen Andachtsübungen und von der Befolgung der Fastengebote gestatten sie so viele Ausnahmen, daß diese Vorschriften in Wirklichkeit für sie gar nicht vorhanden sind! Escobar, Busembaum, Laymann, Tamburini u. a. lehren, daß es nicht nötig sei, der gesamten Messe beizuwohnen, es genüge, einen Teil davon zu hören; es sei erlaubt, während der Messe zu plaudern, wenn man den Altar nicht aus dem Auge verliere; auch die Zerstreutheit während der heiligen Handlung genüge, wenn das Betragen im übrigen anständig sei, auch verfehle man den Zweck der Messe nicht, wenn man unter derselben schöne Frauen anblicke oder gar verbrecherische Absichten hege. Bauny und Sanchez gestatten dem Priester, an demselben Tage, an welchem er eine Todsünde begangen, die Messe zu lesen. Gury gestattet ihm, mit einem Laien um den Ertrag von Messen zu spielen oder seine Gläubiger damit zu bezahlen, daß er Messen für sie lese ( Comp. pag. 142)! Die Messe wird also durch die Jesuiten zu einer gewöhnlichen Ware oder zu Geldwert erniedrigt! In der Beichte lassen die Jesuiten zweideutige Ausdrücke und Mental-Reservationen (Vorbehalte in Gedanken), ja sogar geradezu Lügen zu, sowie die Verschweigung einer Sünde, sofern dieselbe in einer Generalbeichte inbegriffen sei, die Annahme eines zweiten Beichtvaters, um bei dem ersten in gutem Rufe zu bleiben, u. s. w.

Selbst die Unfehlbarkeit des Papstes existiert für die Jesuiten nur in den Schranken ihrer Probabilitätstheorie, und gilt nur, je nachdem die Aussprüche des heiligen Vaters ausgelegt und verstanden werden. Verweigert z. B. der Papst den Banditen das Asylrecht, so gilt dies nicht, sofern der Mord nicht um Geld, sondern aus – Gefälligkeit (!) stattfand, und das kirchliche Asyl genießen auch jene, welche neben der Kirche ein Verbrechen begingen, um gleich darauf vom Asyle Gebrauch machen zu können.

Vom Eide haben manche Jesuiten auch eigentümliche Begriffe. Escobar, Busembaum, Cardenas, Sanchez, Suarez, Laymann u. a. lehren, daß ein »nur äußerlich, ohne die Absicht (!) zu schwören, geleisteter Eid« nicht gehalten zu werden brauche (Escob., t. IV, pag. 106 ff.). Damit kann natürlich in der Praxis jeder Meineid entschuldigt werden. Die genannten »Väter« erlauben auch jede Zweideutigkeit beim Eide, worin sich besonders Castro-Palao, Sanchez, Navarra und Hurtado auszeichnen. Gury drückt sich zwar vorsichtiger aus, lehrt aber im wesentlichen dasselbe ( Comp. p. 151).

Es ist klar, daß mit solchen Grundsätzen ein Glaube aus Überzeugung unvereinbar, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Oberen der Jesuiten vollständig glaubenslos sind und die katholische Kirche nur benützen, weil sie vermöge ihrer großen Ausbreitung eine Macht darstellt, die ihnen zur Erreichung ihrer Zwecke bequem ist, worin sie stark an die Templer erinnern. Daher heucheln sie Gehorsam dem Papste, während derselbe vielmehr ihr Werkzeug ist, heucheln Haß gegen die Ketzerei, weil sich, falls sie mit letzterer offen einig gingen, die Katholiken von ihnen nicht mehr hinter das Licht führen ließen. Die Jesuiten sind mithin nicht nur Feinde der Aufklärung, welche letztere nur dann wahr sein kann, wenn sie mit einer gesunden und aufrichtigen Moral verbunden ist und offen bekennt, was sie will und warum sie es will, – sondern sie sind auch Feinde der katholischen Kirche, weil letztere ohne Moralität nicht bestehen kann. Wenn daher die Jesuiten ihren Zweck, mit Hilfe der katholischen Kirche zu großer Macht zu gelangen, erreichen und die Leitung genannter Kirche völlig an sich reißen sollten, nach welchem Erfolge sie dann keine Ursache mehr hätten, mit ihren wahren Ansichten hinter dem Berge zu halten, so wäre es mit dem katholischen Glauben zuversichtlich vorbei, und zwar nur zum Vorteile der Heuchelei und einer allgemeinen Demoralisation.

Die Zwecke des Jesuitenordens sind daher rein egoistische, sie bestehen nur im Vorteile des Ordens, in seiner Macht und seinem Reichtum; weder die Menschheit noch die Kirche kann durch ihn beglückt werden, weil die Durchführung seiner Grundsätze die Auflösung beider herbeiführen müßte.

Wie die Jesuiten die christliche Haupttugend, die Demut verstehen, zeigt die unter ihnen herrschende Meinung, daß kein Jesuit verdammt werde, sondern alle Ordensmitglieder in den Himmel kommen. Noch im Jahre 1874 veröffentlichte der französische Jesuit Jacques Terrien eine Schrift, in welcher er gleich zu Anfang sagte: »Es ist eine Überlieferung, welche bis in die ersten Zeiten der Gesellschaft hinaufreicht und unter uns treu bewahrt worden ist, daß das Beharren in unserm Berufe ein sicheres Unterpfand des Heiles ist und daß es genügt, als ein Kind des heil. Ignatius zu sterben, um vor dem Richterstuhle Gottes Gnade zu finden.« Nach dieser Überlieferung soll jene tröstliche Verheißung dem Jesuitengeneral Franz Borgia und anderen Gliedern oder Verehrern des Ordens offenbart worden sein (das Nähere s. Döllinger und Reusch, Gesch. der Moralstreitigkeiten in der röm.-kathol. Kirche u. s. w. I. 524 ff., II. 347 ff.).

Wie eine eigene Seligkeit, so haben die Jesuiten auch einen eigenen Kultus. In diesem ist von Gott fast gar keine, von Christus wenig die Rede. Der Kultus der Jesuiten und der von ihnen beeinflußten Kreise richtet sich an Maria, welche in allem die erste Rolle spielt, an Petrus und an das von dem Erlöser selbst durchaus unterschiedene Herz Jesu. Unter dem letztern versteht man nun nicht etwa im geistigen Sinne die Seele oder die Liebe Jesu, sondern geradezu das körperliche, fleischliche Herz, das im siebenzehnten Jahrhundert der excentrischen Nonne Margaretha Alacoque erschienen sein soll und seinen eigenen Wallfahrtsort zu Paray le Monial in Frankreich hat. Mit der Zeit sind ihm auch das Herz Maria's und das des heil. Joseph an die Seite getreten, und es giebt jetzt besondere Gebete zu den drei heiligen Herzen. Noch später ist der Kultus der heiligen Anna dazu gekommen. Wir sind weit entfernt, frommen Glauben des Volkes nicht zu achten; allein hier handelt es sich nicht um diesen, sondern um einen von den Jesuiten zu Zwecken ihrer Herrschsucht erdachten modernen Götzendienst. Das Volk war Jahrhunderte lang fromm, ehe jene Neuerungen erschienen, und wird durch sie nicht frömmer, sondern nur verwirrt und von der Hauptsache in der Religion abgelenkt. Die sich die »Magd des Herrn« nannte, wird zu einer Göttin gemacht, und in ganz überflüssiger und sinnloser Weise wird das »Herz« heiliger Personen von seinen Trägern getrennt und zu einer Idolatrie benutzt, die komisch wäre, wenn man sie nicht vielmehr traurig nennen müßte. Die Sache erhält aber ihre abstoßende Spitze erst dadurch, daß das »sacré coeur« in Frankreich der Revanche dient und zum Kampfe gegen Deutschland angerufen wird! In Paris und in Innsbruck erscheinen besondere Zeitschriften zu Ehren des »heiligen Herzens.« Die sog. Mai-Andachten sind auch eine Erfindung der Jesuiten und arten in eine förmliche Abgötterei Maria's aus.

Ein ausgetretener Jesuit schreibt über den jesuitischen Kultus: »Die Jesuiten haben im allgemeinen die Erhabenheit und Würde des katholischen Kultus arg geschädigt; die pompöse und meist unsinnige Ausstaffierung ihrer Kirchen und ihres Gottesdienstes macht auf jeden unbefangenen Zuschauer den Eindruck dummstolzer Ziererei und selbstgefälliger Koketterie; das ist's auch im Grunde. Sie wollen es nur allen Anderen zuvorthun, Alles in ihre Kirchen locken und fesseln und dabei den Ruhm des glänzendsten Gottesdienstes haben ... dadurch wird freilich nicht so sehr Gott, als ihnen selbst gedient ... Die Musik in den Jesuitenkirchen ist das Trivialste und Abgeschmackteste, was es geben kann und der grellste Gegensatz zum Ernst und zu der Würde altkirchlichen Gesanges. Papst Gregor und Maëstro Palestrina würden sich die Haare ausraufen über den himmelschreienden Unfug ...«

In ihren religiösen Übungen dulden die Jesuiten, wie Graf Hoensbroech (S. 20 ff.) zeigt, nur spezifisch jesuitische Frömmigkeit. »Der Novize bekommt nur von Jesuiten geschriebene Andachtsbücher in die Hände; nur Heiligenleben aus dem Jesuitenorden darf er lesen. ... Aus jesuitischer Denk- und Schreibart klingt. ... das bekannte Wort: Ich danke dir, o Herr, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen! ... Die Frömmigkeits-Auffassung eines Individuums, des Ignatius von Loyola, soll allen Gliedern seines Ordens auf- und eingeprägt werden.«


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