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Allein in einem grüngestrichenen Zimmer zu sitzen, hinter einer wohlverriegelten Tür, mit vier Generationen als einziger Gesellschaft, macht den Menschensinn zu Grübeleien geneigt. Möbius saß da und starrte dumpf vor sich hin; das Haus war still; und die Stille gab ihm alle Möglichkeiten, der Stimme seines Magens zu lauschen. Dieser begann damit, ein versuchsweises Knurren zu entsenden, so wie ein Redner, der sich räuspert; als dies unbeachtet blieb, entsandte er ein neues; und da es diesem ebenso ging, ergriff er allen Ernstes das Wort. Er grollte, er raste anarchistisch und verstummte. Dann begann er aufs neue mit sanfter, verstellter Stimme, der Stimme des Gewissens. Adjunkt Möbius hatte gegen die deutlich ausgesprochene Ansicht seines Gewissens gehandelt. Adjunkt Möbius sah die Konsequenzen. Hatte ihn das Gewissen vielleicht gestern nicht gewarnt, als er am Scheideweg stand? Das konnte er kaum leugnen, wenn er sich überhaupt noch so etwas wie ein Gewissen leisten wollte. Was war die Folge gewesen? Er saß hier als Gefangener einer Verbrecherbande, über deren Absichten man sich nicht täuschen konnte; sie wollten den Adjunkten Möbius verhungern lassen, so wie die Heiden die ersten Christen in den Gefängnishöhlen Roms aushungerten. Es waren dreiundzwanzig Stunden her, seit sein armer Magen – den er allerdings nie zu verwöhnen pflegte – etwas zu essen bekommen hatte. Aber übrigens, welchen Zweck hatte es, noch Worte daran zu verschwenden? Das fingierte Gewissen hohnlachte – und gerade da hörte Möbius zu seiner Freude eine andre Stimme als die des inneren Organs. Sie kam von draußen; sie war dick und keuchend:
»Puh! Verflixte Treppen! Hö! Noch drei, noch eine! Na also!«
Jetzt rasselte etwas im Schloß. Adjunkt Möbius sprang auf, rot im Gesicht vor Spannung und Verdruß. Es kam also ein Mensch, dem man seine Meinung sagen konnte. Gut! Der Betreffende würde seine Meinung zu hören bekommen, ungeschminkt und nackt, wie die nackte Wahrheit. Wer war es, der da kam?
Die Tür öffnete sich langsam, so langsam, als wollte der Betreffende einen Theatereffekt vorbereiten. Möbius rückte mit blitzenden Augen vor, blieb aber wie angewurzelt stehen. Eine große Kugel schob sich zur Tür herein. Sie war rund, gespannt und mit grauem Stoff bezogen. Nun zeigte es sich, daß die Kugel nach oben und nach unten abgegrenzt war. Nach oben ging sie in eine Serie Kinne über, die an die Jahresringe eines Baumes denken ließen, nach unten verlängerte sie sich zu zwei kurzen Beinen, die mit zwei kleinen Damenfüßchen abschlossen. Als Möbius dies als Teil einer denkbaren Wirklichkeit akzeptiert hatte, sah er oberhalb der Kinne ein männliches Gesicht. Es stand im Verhältnis zum Bauch; die Haut hing schlaff herab, wie bei einem Elefanten; der Mund unter einem dünnen Schnurrbart war groß und verschmitzt. Auf der Nase saßen ein Paar Brillen mit Vergrößerungsgläsern. Darunter krochen zwei stumpfe schwarze Augen hin und her, wie starräugige Tintenfische unter der Glasplatte eines Aquariums, und sogen Möbius' Erscheinung ein.
»Hm! Aussehen deprimiert. Spitzbart, blaue Augen. Pfarrer? Nicht unmöglich, Volkshochschule, Grundtvig, Luther. Schlechte Luft, unerträgliche Hitze. Sie langweilen sich hier oben, nicht wahr? Sind Sie wirklich Geistlicher, wie behauptet wird? Was halten Sie in diesem Falle von der religiösen Lage in Dänemark?«
Möbius machte einen Schritt zurück und hob die Hand, wie um dem Koloß eine Ohrfeige zu geben. Der Dicke watschelte herein, schwerfällig und unzugänglich wie ein Flußpferd, und schloß die Tür wieder zu.
»Sind Sie gereizt? Warum denn? Ich wollte nur über Dinge sprechen, die Sie interessieren können. Aber alle Geistlichen sind reizbar, das kommt von der Verstopfung. Zuviel Essen, zuwenig Bewegung, das bringt Verstopfung. Verzeihen Sie, wenn ich epileptisch spreche – die Treppen greifen mich an, ich bin asthmatisch. Was mich betrifft, so halte ich die religiöse Lage in Dänemark für sehr ungünstig.«
Möbius' Seele wurde wie zwischen vier Pferden hin- und hergerissen. Er war zornig; er war verblüfft; er wollte fragen, was das Ganze bedeuten sollte; und er wollte dem Koloß eine Antwort geben, die saß. Die Folge war, daß er sich räusperte und stammelte:
»Darf ich fragen, wer – hm – wer Sie sind?«
Der Koloß stülpte den Kopf nach vorne, als wäre er ein loser Felsblock auf der Spitze seines Körpers, wahrscheinlich sollte das eine Verbeugung vorstellen, und sagte:
»Sie haben recht, man muß sich vorstellen, in Schweden spricht man nicht mit Unbekannten; mein Name ist Hoff-Jensen, Direktor; mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Mein Name ist Möbius, ich …«
»Sind Sie Pfarrer?«
»Ich bin nicht Pfarrer, ich bin Gymnasialadjunkt, wie ich schon das Vergnügen hatte, etlichen Ihrer Freunde zu sagen, Herr – wie war es doch?«
»Hoff-Jensen, Direktor. Sehr entzückt, wie steht es mit der Gesundheit und der Liebe? Ich hoffe, tadellos.«
Direktor! Möbius starrte den Dicken sprachlos an. Er hätte wirklich gern gewußt, wo der Direktor war! Aber das war natürlich nur ein Ulk. En passant bemerkte er Herrn Hoff-Jensens Schwedisch; es war seltsam, aber immerhin verständlich; jedenfalls zeigte es, daß Herr Hoff-Jensen es in Kreisen gelernt hatte, die der achtbaren Gilde der Handelsreisenden nicht allzu ferne standen. Herr Hoff-Jensen gab noch mehrere Proben davon, während Möbius ihn musterte.
»Aha! Möbius! Wie steht das werte Befinden? Finden Sie nicht auch, Herr Möbius, daß es hier reichlich warm ist? Es ist ein Kreuz, in der Hitze dick zu sein!«
»Hören Sie einmal, Herr Hoff-Jensen!«
Möbius richtete sich auf und heftete seine Augen, die vor Hunger förmlich brannten, auf den feisten Dänen.
»Ich will mit Ihnen sprechen.«
»Ganz Ohr – nanu?«
Möbius überlegte einen Augenblick.
»Ist das Ihr Haus?«
»Ach nee, leider. Feines Haus, hätte nichts dagegen.«
»Aber Sie kennen die Menschen hier?«
»Glauben Sie vielleicht, ich bin hier eingebrochen?«
Möbius nahm pfeilschnell seine Chancen wahr.
»Ich sehe keinen Grund, weshalb Sie das nicht getan haben sollten. Die Personen, die mich herbrachten, sind heute nacht in die Roskilder Domkirche eingebrochen und haben sie geplündert. Ist Ihnen das unbekannt?«
Der Dicke zog die Augenbrauen mit einem Ausdruck erstaunter Gleichgültigkeit in die Höhe und zuckte die Achseln.
»Was sagen Sie? Das ist nicht möglich!«
»Meinen Sie, daß Sie nichts davon wissen? Das glaube ich nicht – auf jeden Fall …« Möbius versuchte, ein diplomatisches Zugeständnis zu machen, »auf jeden Fall wissen Sie es jetzt. Die Personen, die hier im Hause wohnen oder die mich zumindest hierherbrachten, sind heute nacht in die Roskilder Domkirche eingebrochen und haben die Kostbarkeiten dort gestohlen. Verstehen Sie?«
»Sie sagen es.«
»Ich sage es, und es ist wahr! Was gedenken Sie zu tun?«
»Ich kann mir nicht denken, daß Sie die Wahrheit sprechen, aber ich mische mich nie in fremde Angelegenheiten.«
»So? Ich bitte Sie, zu bedenken, daß Sie nicht mehr von fremden Angelegenheiten sprechen können – wenn Sie es überhaupt je konnten. Von dem Augenblick an, in dem Sie wissen, wie die Sache steht, und nichts tun, sind Sie an allen Konsequenzen mitschuldig.«
»Ah, ah! Lieber Herr Möbius, Sie würden mich wirklich erschrecken, wenn ich glauben würde, daß man je die Konsequenzen irgendeiner Handlung berechnen kann. Was sieht unschuldiger aus als die Handbewegungen, mit denen wir ein Spiel Karten mischen? Und welche Konsequenzen können sie nicht haben? Ruin für den einen, Reichtum für den andern. Aber kann das dem zur Last gelegt werden, der das Spiel gemischt hat? Unmöglich. Er hat das Recht, seine Hände in Unschuld zu waschen – wieder eine Handbewegung, die unberechenbare Folgen haben kann.«
Möbius hörte die Sophismen des Dicken mit einem flüchtigen Gefühl des Staunens, daß sie aus seinem Munde kamen. Aber er war nicht in der Laune, sich so abspeisen zu lassen. Er stampfte auf den Boden und rief:
»Sie spielen mit Worten, um sich selbst einzureden, daß Sie für die Machenschaften gewissenloser Personen nicht mitverantwortlich sind. Ich will nicht weiter über die ethische Seite der Sache sprechen, aber Sie nennen sich Direktor. Ich weiß nicht, ob Sie es sind …«
»Ich versichere es Ihnen! Alles, was ich Ihnen gesagt habe, trägt den Stempel einer geradezu phantastischen Aufrichtigkeit. Mein Name ist Hoff-Jensen, und ich bin Direktor.«
»Ich nehme Sie beim Wort. Sie sind Direktor der einen oder andern Unternehmung und sehen bei Handlungen durch die Finger, die, abgesehen von ihrem ethischen Charakter, direkt gesellschaftauflösend, zerstörend, destruktiv sind. Ich …«
»Lieber Herr Möbius, ich habe bisher nur eine wirklich destruktive Tätigkeit kennengelernt, und das ist die der Wäscherin. Jedesmal, wenn ich meine Hemden von meiner Wäscherin zurückbekomme, sehe ich dies von neuem bestätigt. Ich habe aufgehört, sie auch nur mehr zu untersuchen. Aus Gottes und meiner Wäscherin Hand empfange ich nunmehr alles unbesehen.«
»Ich verstehe, daß es hoffnungslos ist …«
»Ich verstehe, daß Sie mich nicht verstehen wollen. Lassen Sie uns doch so reden, daß wir einander begreifen. Lassen Sie uns wie Leute reden, sagte der Papagei. Sie sind Pastor – na, Theologe. Glauben Sie, daß der Wille frei ist?«
Möbius starrte den Dicken an. Trotz der Haarspaltereien, die er ausgestreut hatte, setzte die Frage ihn in Erstaunen. Endlich sagte er:
»Ja, aber …«
»Das heißt, Sie glauben es nicht?«
»Doch. Wenn Sie es wissen wollen, so glaube ich, daß wir die Fähigkeit haben, zu wählen. Aber je öfter wir falsch wählen – ich meine Möglichkeiten derselben Art wählen, desto unfreier wird der Wille, und schließlich …«
»Nun, aber Sie glauben an einen freien Willen, an Versuchungen, ihre Ueberwindung und den ganzen Klimbim?«
Möbius machte noch einen Schritt zurück. Das war die letzte Frage, die er sich von dieser Seite erwartet hatte. Er richtete sich auf. Er wollte sein Bekenntnis ablegen. Der Mann vor ihm würde ihn verhöhnen; er mußte sich darein finden. Trotz allem, was sich am Vormittag in Roskilde begeben hatte, stand sein Glaube fest – ja, was in Roskilde geschehen war, hatte ihn nur in seinem Glauben bestärkt. Mit fester Stimme sagte er:
»Ja, ich glaube nicht nur an einen freien Willen, der in Versuchungen erprobt werden muß, um wirklich frei zu werden – sondern, um das zu beweisen, habe ich diese Reise unternommen. Aus diesem Grunde befinde ich mich jetzt hier, wo ich mich wenigstens nicht mit äußerer Freiheit brüsten kann.«
Er sah zu den vier Generationen auf wie Stephanus, wie um die vier Geschlechter zu Zeugen anzurufen. Der Koloß öffnete den Mund, aber schloß ihn wieder und sah Möbius mit jenem erstaunten Mißtrauen an, das man einem Menschen zeigt, der sich freiwillig für geistesgestört erklärt hat. Schließlich räusperte er sich und sagte kurz:
»Wir sind nicht derselben Ansicht. Ich glaube nicht, daß irgendein Mensch tun kann, was er will, oder werden kann, was er will, deshalb – nun, auch aus andern Gründen – fällt es mir nicht ein, mich in andrer Leute Angelegenheiten zu mischen, und ebensowenig in ihre Ansichten. Vielleicht gelingt es mir, Sie zu meiner Ansicht zu bekehren, solange Sie hier wohnen.«
Möbius erwachte.
»Wir brauchen nicht über Philosophie zu debattieren, wir haben über andres zu sprechen. Ich habe Ihnen gesagt, auf welche Weise ich hergekommen bin. Gedenken Sie, mich loszulassen?«
»Lieber Herr Möbius, wir sprachen ja eben davon, was für unberechenbare Konsequenzen die einfachste Handlung haben kann. Die Konsequenzen dessen, daß ich Sie hinausließe, könnten so unübersehbar werden, daß ich schaudere. Bis auf weiteres …«
Möbius unterbrach ihn. Er fühlte etwas Wunderliches unter den Augenlidern.
»Sie gedenken, mich hier zu behalten,« stammelte er, »obwohl Sie wissen, daß … daß es ungesetzlich ist …«
»Lieber Herr Möbius, das ganze Haus ist nicht so unerfreulich wie Ihr Schlafgemach. Ich bedauere, daß man Ihnen nichts Besseres zu geben hatte. Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen die übrige Wohnung zu zeigen. Ich bin ein passabler Führer, und ich bin billig. Ich nehme nicht einmal fünfzig Oere.«
Möbius wurde blutrot. Die Anspielung war unmöglich mißzuverstehen. Hatte er noch daran gezweifelt, daß der redselige Direktor im Einverständnis mit den Einbruchsdieben war, so war von diesem Augenblicke an jeder Zweifel ausgeschlossen. Die Einbrecher hatten sich das Vergnügen gemacht, von seinem Fall am Tage vorher zu erzählen. Er fühlte sich von Scham und Hilflosigkeit überwältigt. Er starrte stumm zu Boden. Und gerade da geschah etwas.
Eine Stimme erhob sich in der Stille, eine Stimme, die eine Zeitlang geschwiegen hatte, von artikulierteren Stimmen übertönt, aber die sich absolut nicht darein zu finden gedachte, für alle Zeiten unterdrückt zu werden – die Stimme seines Magens. Die dachte nicht mehr daran, sich als Stimme des Gewissens zu maskieren; sie sprach ihre eigene Sprache; sie entsandte ein Knurren, so heiser und langgedehnt, daß der dicke Direktor erstaunt einen Schritt zurückwich. Es fiel ihm offenbar schwer, den neuen Redner zu lokalisieren. Dann glättete sich seine Stirne, er betrachtete Möbius mit dem Ausdrucke lebhaftester Sympathie und rief teilnahmsvoll:
»Nein, so etwas! Hat man so schlecht für Sie gesorgt? Schmach, unauslöschliche Schmach treffe Frau Zingels Pensionat. Gestatten Sie mir, gutzumachen, was gefehlt wurde! Dort unten steht das Frühstück und wartet auf mich, wollen Sie mir Gesellschaft leisten?«
Möbius stand am Rubikon, und er wußte es. Sagte er jetzt nein – und es war seine Absicht, das zu tun – dann konnte er seinen Gefängniswärtern trotzen; sagte er ja – was ihm nie einfallen konnte –, nahm er etwas von ihnen an, dann war er ihnen verpflichtet. Sagte er nein, dann mußten sie Respekt vor ihm bekommen – aber wie, wenn sie das nicht bekamen? Wenn sie ihn ganz einfach sitzen ließen, ohne sich weiter um ihn zu kümmern? Stunde für Stunde einsam in diesem grün gestrichenen Gefängnis … Was würde die Folge sein? Schließlich mußte er essen, wenn er keinen Selbstmord begehen wollte. Und das wollte er ja doch nicht. Nun öffnete Hoff-Jensen einen Spalt der Tür. Eine leise Duftwelle strich die Treppe herauf und fand den Weg zu Möbius' Nasenlöchern.
Beefsteak. Beefsteak mit gerösteten Kartoffeln.
Hoff-Jensen drehte sich um.
»Worauf warten Sie?«
Möbius kreuzte die Arme und sah ihn an, blaß vor Hunger und Seelenkämpfen.
»Gehen Sie,« sagte er.
»Ja, du lieber Gott, was ist denn los?«
»Gehen Sie nur und essen Sie Ihr Frühstück. Ich komme nicht mit.«
»Was sind das für Dummheiten? Sie können doch nicht leben, ohne zu essen.«
»Ich wünsche nicht, mit Ihnen zu essen.«
Hoff-Jensen zuckte die Achseln. »Gott bewahre uns, so lasse ich Ihnen das Essen heraufbringen.«
»Danke, ist nicht nötig. Ich gedenke nicht von Ihnen oder sonst jemand im Hause Essen anzunehmen.«
»Auch nicht von Vera?«
»Vera!« durchzuckte es Möbius, »heißt sie Vera?« Er fixierte den Dicken, ohne zu antworten, mit einer Miene, die deutlich besagte, daß Vera für ihn ebenso abstoßend war wie die andern im Hause.
Der Dicke wandte sich ihm zu. Die skeptische Miene, die er angenommen hatte, als sie die Freiheit des Willens diskutierten, war verschwunden; jetzt, wo es sich um Essen handelte, war er todernst.
»Hören Sie mal,« sagte er. »Sie können nicht leben, ohne zu essen, nicht wahr? Wie vollkommen Sie auch sein mögen, ohne zu essen, können Sie nicht leben.«
»Ich bin überaus weit von der Vollkommenheit entfernt,« sagte Möbius bitter. »Aber ich will in diesem Hause nichts zu essen annehmen.«
»Aber Menschenskind …«
»Sie brauchen sich nicht anzustrengen, Sie hören, was ich sage …«
Der dicke Direktor ließ vor Erstaunen die Türklinke los, die Tür ging auf …
Möbius sah ein Treppenhaus mit gemalten Glasfenstern, aber keinen Menschen außer dem Dicken. Eine wilde Hoffnung tauchte in ihm auf, und vor seinen Augen wurde es schwarz. Den Koloß fortschleudern, die Treppe hinabstürzen, die Tür aufreißen, und die Freiheit … Er hatte ohne die stumpfen Tintenfischaugen gerechnet. Herr Hoff-Jensen ließ seinen Bauch in die Türöffnung fallen; der versperrte die Passage wie ein Felsblock.
»Damit Sie nicht vom Laufen über die Treppe Herzklopfen kriegen,« sagte er, »will ich Ihnen verraten, daß das Haustor verriegelt ist, und daß Nero es behütet. Sie haben Nero noch nicht gesehen? Soweit ich beobachtet habe, beißt er den stärksten Knochen durch, ohne Zahnschmerzen zu kriegen. Na, leisten Sie mir Gesellschaft?«
Möbius kniff den Mund zusammen. Auf halber Höhe der Treppe richtete sich ein ungeheurer schwarzweißer Bulldogg in die Höhe, mit einem Brustkorb wie der Bug eines alten Wikingerschiffes und ließ ein warnendes Knurren hören. Im nächsten Augenblick befand sich der fette Direktor auf dem obersten Treppenabsatz. Die Tür des grün gestrichenen Gefängnisses war geschlossen worden, aber nicht vom Direktor Hoff-Jensen. Von drinnen kam ein Knurren, als Antwort auf das des Bulldoggs. Ein müdes, mißmutiges Knurren, das wie ein Seufzer klang. Es kam von dem Organ, das früher am Tage die Stimme des Gewissens nachgeäfft hatte, aber nunmehr diese Stimme über alles auf Erden haßte.