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… Jenseits des blassen und brüchigen Dünenzuges – dem welligen Friedhof für ungezählte Tote und angetriebene Güter – pressen wuchtige Gezeiten den Sand zu festem Gestein zusammen und lecken die braune Böschung hinauf, bis sie glänzt. Wenn der Südostwind die Wasser des Golfs auftürmt, strömen die riesigen Wogen in großartigem Aufruhr zur Küste, in unabsehbaren grünen Herden, um sich vom Vließ ihres Gischtes zu befreien. Aber in den Sommertagen, wenn die sanften warmen Brisen von der Küste wehen, schlummert die See in öliger Ruhe, – kaum ist ein flüsterndes Plätschern zu hören, – Riesenkrebse kriechen aus sahnigen Schaumstreifen hervor, – opalisierende Flossen kräuseln den Wasserspiegel wenige Schritte von der Küste. Und wenn die Nacht ihre violette Unendlichkeit entfaltet, entflammt sich der Schaum, – die kleinen Wellen leuchten auf, – eine in die See geschleuderte Muschel entzündet Feuerkreise – und die Krebse, die aus der warmen Flut krabbeln, gleichen höllischen Spinnen …
Manchesmal, wenn die Winde veränderlich sind und Brecher in langen Winkeln über die Schaumstreifen laufen, sind seltsame Dinge zu sehen. Unbekannte Gefahren des Abgrundes, geheimnisvolle Schrecken treiben ganze Völker von Fischen zur Flucht aus der Tiefe, und in dichten Schwärmen rasen sie den Klippen zu, – und selbst zur Küste, – gefolgt von Legionen Feinden. Dann beginnt das gigantische Massaker einer ganzen Bevölkerung, – die Vernichtung einer unzählbaren Rasse. Verfolger und Verfolgte springen hoch ins Tageslicht; – Millionen schimmernder Geschöpfe springen wahnsinnig vor Furcht weit hinaus auf den Sand, – während hinter ihnen die Armeen der Tümmler und Haie wild und lautlos schlachten. Und dort über der See, wo sie mit den scharfen, von den Seeleuten gefürchteten Flossen dicht besät ist, – über dem fürchterlichen, schäumenden und gischtenden Wogen des Schreckens schweben triumphierend die Mordgeschwader der Luft, – Schwadronen kreischender Möven und kreisende Adler und Fischweihen und Fregattvögel, mit scheußlichen Klauen und riesigen Schwingen. Scharfäugige Möven stürzen schnell wie der Blitz aus der Sturmwolke schlagender Flügel herab und tauchen und packen und zerren und steigen wieder auf, um zitternde Silberleben zwischen Sonne und See zu zerreißen. Aber schon sind Raubvögel über ihnen, die hart erkämpfte Beute ihnen abzujagen, und im strahlenden Glanz des blauen Lichts braust die Jagd. Bald ist den Strand entlang ein so riesiges Mahl gebreitet, daß die Vögel sich am Überfluß krank fressen können; – sie picken nur die Augen aus, von den meisten Opfern nur eines, zu träge, den flachen Körper herumzudrehen. Unfaßbares Gemetzel! – Entsetzliche Grausamkeit! – Schreckliches Symbol der großen Kämpfe des menschlichen Lebens, in dem die Wildesten, Stärksten und Schnellsten Sieger bleiben, um das rätselhafte und erbarmungslose Gesetz der Natur zu bestätigen. – Symbol des Scheiterns von tausenderlei Ehrgeiz in dem schrecklichen Wettlauf um Reichtum, des Strandens unzähliger Leben auf dem Sande der Illusion, – Symbol auch für den Verlust zahlloser kostbarer Dinge, die verzweifelt schwer gewonnen wurden, nur um dem Gewinner wieder brutal entrissen zu werden von überlegener Kraft und List und Wildheit in dem ewigen Kampf um Erfolg, in dem Herzen nichts gelten …
… Mengen und Mengen silberiger Körper mit ausgepickten Augen; – alles überschattende Wolke von Schwingen und Klauen und kreischenden gefiederten Kehlen!! … Die Luft ist schwer vom Geruche des Fleisches. Und doch welch schwacher Abglanz des ganzen Dramas der Natur, – der Kräfte, welche die unendlichen Entwicklungen der Form hervorgebracht haben! Der schwache Wurm härtet seine Haut gegen Schlag und Biß, hüllt sich in Panzer und wird ein kriegerischer Krebs; – Jahrhunderte unaufhörlicher Furcht haben den Fisch gelehrt, aus seinem Element herauszuspringen, bis er am Ende Schwingen entwickelt und selbst ein Räuber wird. Wunderbar sind in der Tat die Resultate, so grausam auch die Ursachen sind, die sie gezeitigt haben. Welch unendliche Folgen von Todeskämpfen, von Metzeleien, von fleischfressender Raserei, von Kannibalismus haben vielleicht die Entwicklung zur Menschheit von heute geführt, – nicht nur zum denkenden Hirn, zur Wissenschaft, die sich zu den Sternen erhebt, auch zur berauschenden Schönheit, zur unwiderstehlich anziehenden Anmut, zum unaussprechlichen Zauber des Weibes, – eben dem Zauber, den ich jetzt verspüre, als des alten Franzosen Tochter, so geschmeidig und zart und schlank, vorübergeht.
… Papa, voila le monsieur qui arrive! Ihre Stimme ist hell und süß wie eine Altarglocke. Welche Kraft der Anziehung in ihr wohnt! – Welch ungekünstelte Anmut, von der schimmernden Locke an ihrer Stirn bis zu dem nackten Fuß, der aus geschmeidigem Elfenbein gebildet scheint! … Besucher dieser abgelegenen Fischerstation nehmen selten die Gastfreundschaft dieser verwetterten Hütte in Anspruch, die – mit ihrem einzigen deckähnlichen Zimmer, ihren Bettreihen, den herumhängenden Netzen und Tauen, der Schiffsuhr, die über dem großen, feiernden Kompaß in der Ecke tickt, – eher an ein gestrandetes Schiff als an Haus und Wohnung gemahnt. Daher werden mir ungewöhnliche Höflichkeiten erwiesen. Aber der Versuch einer Unterhaltung hat nur teilweise Erfolg; – Gedanken drängen mit Macht heran – undeutlich und verschwommen … Ich denke an die Grazie des jungen Mädchens, wie sie hierhin und dorthin schwebt, – sie bringt Gläser, sie befreit den kleinen runden Tisch von seiner leichten Bürde heiliger Bücher, – eines davon ist, wie ich sehe, in hebräischen Lettern gedruckt. Das Sonnenlicht spielt einen Augenblick über die Rundung ihrer Wangen hin und ruht auf der goldenen Glätte ihrer Kehle: – und sein Glanz wird tiefer auf ihrer leuchtenden Haut; und der Klang ihrer Stimme, silberrein, schien in jeder Zelle meiner Adern mitzuschwingen, als ich sie mit ihrem Vater in einer fremden und phantastischen Sprache reden hörte, die ich nicht erkennen konnte.
… Mein ehrwürdiger Freund hat eine eigenartige Laufbahn hinter sich: erst Kleriker, dann Soldat in irgendeiner algerischen Legion, dann Kolonialhändler in Blidah, – Blidah, »die kleine Rosenstadt«, – die einmal durch ein Erdbeben zerstört wurde, in Erhörung der Gebete eines heiligen Marabouts, dem die üppigen Sünden ihrer Einwohner ein Ärgernis geworden waren. Dort erwarb und verlor der ehemalige Soldat ein kleines Vermögen im Handel mit den berühmten M'zabiten, dem schönsten und schlauesten der Stämme des Landes, der vielen als die Nachkommenschaft der aus Spanien vertriebenen Mauren gilt. Zwischen den Seiten einer riesigen Familienbibel holt der Alte ein geheimnisvolles vergilbtes Stück Papier hervor und weist es mir als Zeugnis für die Wahrheit seiner Erzählung. Es ist ein Schuldschein, arabisch und französisch, datiert Bazar des Divans, 15 Septembre 1845, und trägt die Unterschrift von Mohammed ben Moustafa in gleich Krummsäbeln geschwungenen Charakteren … Und wie auf Rücken schneller Kamele trägt uns die Phantasie über die weiten Ebenen von Mitidja und über die Berge des Atlas und weit, weit nach Süden in das Gebiet der verschwundenen Seen, – in Wüsten, geisterhafter als die Öden des Monds …
Die Sonnenscheibe senkt ihren Rand in die See, das stahlblaue Licht wird zitronengelb, und das Gelb wieder wird zu flammendem Purpur, – die Wolken in Glanz tauchend und die Dünen rötend, – und die Sterne blühen auf im dunkelnden Azur; und noch immer erzählt mein grauhaariger Wirt von der unermeßlichen Wüste und ihren dunkelfarbigen beutegierigen Männern, von den knochenbesäumten Wegen der Karawanen und von den glühenden Einöden, über die einzig der Schatten von Geierflügeln streicht. Und während er spricht, erscheinen mir die rötlichen Hügel der Dünen wie die Wellen der Sahara, und die Trümmer des Strandguts sind die ausgedörrten Rippen von Kamelen; und in den Augen des Soldatenkindes suche ich den Blick der arabischen Mädchen, – suche ich die Augen der Wüstenschönheit, die Augen der Gazelle … Aber ihre Augen sind grau gleich denen des Adlers.
Keine Französin! … Das Fremdartige ihrer Schönheit offenbart den Typus eines vergessenen Volkes, – diese barbarische und geschmeidige Grazie ist ein Erbteil, über Epochen getragen, deren Geschichte nur in der steinernen Chronik der Natur geschrieben steht, – auf den vergrabenen Tafeln der Hügel, – in den Gräbern der geologischen Schichten. Alt war ihr Volk schon, noch ehe die Rasse, der ich angehöre, existierte: und seine Sprache ist es, in der ich sie reden hörte, – Wort und Gebärde einer prähistorischen Rasse, – die Sprache der Urmenschheit. Kontinente sind verschwunden, Ozeane haben sich miteinander vermählt, seit zum erstenmal Männer um Schönheit solcher Artung miteinander kämpften. Und in der feinen Zeichnung ihres Kopfes, – den strengen, scharfen Umrissen ihres Gesichts, – den langen, edlen Linien ihrer festen Gestalt sehe ich irgend etwas Unbestimmbares, in seiner Noblesse Faszinierendes, das mich unwiderstehlich an eines der einzigartigsten Kapitel aus dem Roman der Wissenschaft erinnert, – die Osteologie der primitiven Rassen …
Sie ist Baskin …
… Der Gischt wirft silberne Flocken und blitzende Lichter auf: Wogen, riesig und wie geschmolzener Malachit, stürmen unter dem uferlosen Licht in endlosen Staffeln die Küste hinan. Die braunen, in der Brandung spielenden Kreolenjungen sind ihre Brüder. Ihre Körper lassen an Statuen aus glänzendem Metall denken, die unter dem Einfluß von Regen und Tau nachgedunkelt sind, – so gebräunt sind ihre Gesichter und Schultern und Rücken von der südlichen Sonne; – ihre Glieder sind biegsam wie die Leiber von Aalen; – sie schlagen Purzelbäume auf dem Sand, lassen sich in die Brandung rollen, springen in den Gischt, tauchen, schwimmen spanisch – Hand über Hand – kreischen und lachen. Welch spielerische Grazie die kleinen Kerle haben! – Wie Epheben ringen sie! Hätte sie Kinder, sie wären schön und kräftig wie diese.
Die Basken sind Katholiken. Das ist der Grund, weshalb sie einen Heiligennamen hat, einen alltäglichen Namen. Marie klingt gut, aber mir wäre ein älterer, ein heidnischerer Name lieber für sie, – ein primitiver Name, dessen Bedeutung vergessen, dessen Etymologie nicht zu enträtseln ist, – ein Name, überliefert von Generation zu Generation durch zweihunderttausend Jahre …
… Arme tote Vögelchen! – Schmerzenstropfen kommen unter den kleinen Lidern hervor, die sich nie mehr öffnen werden, die Sonne zu sehen – blutbespritzt die flaumige Brust, die zarten Flügelchen! So viel Schönheit, die durch Jahre so zahlreich wie die Sterne am Himmel langsam geschaffen worden ist, zerstört in dem Bruchteil eines Augenblicks! … Maries Bruder, – der mit den großen grauen Augen, die den ihren gleichen, – hat sie getötet. Ich kaufe sie von ihm, nur weil er der Bruder ist und ich ihm gefällig sein möchte. Er macht sich mit seiner altmodischen Flinte davon, – und verspricht, noch mehr zu töten; und ich mache nicht einmal den Versuch, ihn von dieser nutzlosen Schlächterei abzuhalten. Feigheit des Herzens, vielleicht …
Und den ganzen langen Heimweg kreisen große Fliegen mit durchdringendem Summen um die toten Vögel, – begierig, ihr Teil am Werk der Auflösung zu beginnen.
… »Geist und Wind, – Seele und Atem,« erzählt mir der Vater, »sind dasselbe in der alten Sprache der Schrift;« und die tote Sprache scheint auf seinen Lippen wieder aufzuleben, während er sich in seine Studienzeit zurückversetzt und den Originaltext vorträgt: – » Es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über den Wassern« … Der Tag ist stürmisch, die Wogen dunkeln unterm Nordost in unheildrohendem Grün. Und während ich auf die Unendlichkeit der Wasser und der Winde hinausblicke, – und alles, soweit das Auge reicht, in unaufhörlichem Wechsel der Farben, gehorsam dem gewaltigen Unsichtbaren, mit donnergleichem Getöse ruhelos sich regt, wachsen die alten Worte und füllen sich mir mit neuem und tieferem Sinn, mit unsagbarer Erhabenheit und Größe …
Menschen, die plötzlich dem Zwang des Stadtlebens entrissen werden, können leicht seiner eintönigen Vergnügungen entraten, können sich von seiner Unrast befreien; – sie können Schönheit an wüsten Orten finden; – die Einsamkeit macht ihnen das Ewige sichtbar, weil sie das Unendliche fühlen. Und ich, wie liebe ich die sammelnde gedankenträchtige Stille großer Einöden, – die reine heftige Freude, der Natur nahe zu sein, – die Wonne kräftiger Seewinde, – die Herrlichkeiten des Sonnenaufgangs und Untergangs, – den Donnergesang langer Wellen, – das Licht lebendiger Wasser. Wenn man nur immer hier leben könnte, – in diesem großen blauen Licht, – im reinen Atem dieser Lüfte. Aber …
… » Maiteya,« Geliebte; » ene maiteya,« meine Geliebte: das sind die einzigen Worte der baskischen Sprache, die ich kenne, – die ich immer behalten werde, weil ihre Lippen mich gelehrt haben, sie auszusprechen.
… Der Wind bläst mir ihr langes offenes Haar ins Gesicht, als ob er mich auffordern wollte, ihren Duft einzuatmen. Herrlicher, unbeschreiblicher Duft der Jugend! Welcher Blumengeist, in Kristall eingeschlossen, hat so köstliche Zauber wie Du? Unzählbar sind die Lieder, die den Atem der Blüten feiern, den Balsam der Gärten, – doch welche Blütenseele, welcher Blumenzauber vermag die Sinne zu entzücken wie der Duft von Frauenhaar, wie das frische und köstliche Arom der Jugend? …
… Nur das große langsame Schlürfen der See unter den Sternen, – die Stille ist grenzenlos wie das Schweigen der Offenbarungen. Was alle Kreatur ängstet und beglückt, es verwirrt mir das Herz, – es singt in meinen Adern, – es zittert auf meinen Lippen, – es zerrt mit Macht an dem schwachen gestrafften Bande, an dem der Wille es halten möchte. Noch scheint sie zu warten … sogar die Sterne scheinen zu warten, und die Wellen und der Wind, der mit ihren Haaren spielt! Und morgen wird es zu spät sein. Aber ich kann es nicht sagen!
… Und mir träumte:
Ich stand auf einem flachen Strande, der von einem unermeßlichen Meer bespült ward, dessen Wasser lautlos rollten; und das Licht war grau, denn die Sonne war eine Geistersonne, von der nur ein Dämmern ausging; und auch ich schien ein Phantom zu sein. Und Marie war da; sie saß auf dem angetriebenen Stamm eines mächtigen Baumes; und ich wollte zu ihr sprechen, aber stumm blieb mein Mund wie diese gespenstische See. Dann wollte ich sie küssen, aber ein Schatten, eines Weibes Schatten trat zwischen uns, ganz plötzlich und ohne Laut, ich wußte nicht woher. Und das Gesicht war das Gesicht einer, die lange tot ist; doch ich kannte dieses Gesicht! – die Augen waren nur Höhlen voll Finsternis; doch ich kannte diese Augen! – das Lächeln war das Lächeln der Sphinx, deren Geheimnisse niemals verraten, deren Rätsel nie gelöst werden, – das Lächeln, das ein ewiger Hohn zu sein scheint auf Liebe und Haß, auf Hoffnung und Trostlosigkeit, auf Glaube und Zweifel, – das allumfassende Lächeln des Todes, wenn die Maske des Fleisches gefallen ist …; und doch kannte ich das Lächeln! Und ich sah das Totenantlitz an, das da lächelte, und ich fühlte, wie die Knochen der kleinen toten Hände nach mir griffen, mich fortzuziehen aus dem fahlen Licht, in die ungeheure mondlose Finsternis da hinten, – und ich erzitterte in namenloser Furcht. Da wollte ich den Namen Mariens rufen, aber ich mühte mich vergeblich. Und es war, als fühlte sie es nicht: ihre großen grauen Augen starrten unverwandt auf die dunkle See, wie die Augen einer, die weder Haß noch Mitleid kennt …
… Noch kann ich die Umrisse ihrer Gestalt gegen die große goldene Scheibe sehen – »in der Sonne stehende Frau« – während sie unserem weißen Schiff nachsieht, das kleiner und kleiner wird und gegen Westen zu verschwindet. Genau so werde ich sie im Traume wiedersehen, umstrahlt vom Glanze des Morgens, im Licht der aufgehenden Sonne, – viele, viele Male; und Erinnerung wird mir den Duft ihrer Haare wieder zutragen, – und die Nacht wird mir erträumte Liebkosungen bringen von Lippen, die ich niemals küssen kann, den Zauber von Augen, deren Blick niemals wieder dem meinen begegnen wird … Nun sind die vielkantigen Felsen verschwunden, der schmale grünleuchtende Saum, die ganze lange Linie des Eilands mit ihrem weißen Schaumkranz! – es ist nur noch Himmel und See da, und die Sonne, die jetzt wohl das zarte Gold erschimmern läßt, die liebe Sonne, die mir ihre Schönheit geoffenbart hat, – die Sonne, die in diesem Augenblick auf uns beide scheint, – die über uns beiden leuchten wird, wenn Meere zwischen uns liegen werden, – die ihr Gold über unsere Gräber gießen wird, wenn all unser Leiden und Hoffen, unser Lieben und Gedenken zu nichts geworden sein wird, als wäre es nie gewesen …
O seliges blaues Licht! O süße reine Luft! Ihr wehenden Winde und wogenden Wasser, wie schön seid ihr, wie göttlich erscheint ihr mir beim Abschied! Daß man vergessen könnte! … Aber lange, lange Nächte werden kommen, da wird die Stimme gespenstischer Winde mich rufen, wird der Glanz unwirklicher Wasser um mich sein; und ich werde im Traume den Saum einer flachen Küste entlang gehen, um die Eine zu treffen, die im Licht der Träume steht, gegen diese geisterhafte Sonne, die keine Wärme gibt, die keinen Schatten wirft; – und ich werde erwachen, um mich in Schweigen und Einsamkeit zu finden, – um mit täuschenden Gesichten und übermächtigen Erinnerungen zu kämpfen, – um von Gram und Reue überwältigt zu werden, so verzehrend, so hoffnungslos wie Tränen um Tote, wie Bitten um Vergebung an einem Grab …