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In weit höherem Maße, als es gemeinhin der Fall zu sein pflegt, hat der Name Lafcadio Hearn sich von Persönlichkeitsvorstellungen losgelöst und ist Inbegriff des Werks geworden. Er steht über dem kühnen Versuch eines abendländischen Menschen, sich an die Seele eines morgenländischen Volkes ganz zu verlieren, um sie ganz zu gewinnen. Welche Kräfte, welche Schicksale haben diesen sensiblen Geist, dieses wache Auge, dieses zarte und starke Herz geschaffen und geformt?
Der Vater ein Anglo-Ire, die Mutter aus griechischem und italienischem Blut, der erste Atemzug und die frühesten Eindrücke auf der Insel Leukadia – vom jonischen zum japanischen Archipel, welch ein Weg! Erziehungs- und Lehrjahre in England, zwei schwere arbeitsreiche Dezennien in Amerika, lange Studienaufenthalte in Westindien liegen dazwischen.
In der Amerikazeit – mit 19 Jahren kommt Hearn in die Staaten, als Vierzigjähriger geht er nach Japan – sind die Aufsätze, Erzählungen und Legenden entstanden, die in diesem Bande vereinigt sind. Es ist das Amerika der siebziger und achtziger Jahre; der Kontinent ist noch auf dem Wege zu seiner heutigen Form. Aus einem bunten Nebeneinander von Nationalitäten bildet sich eine Nation; Asien schickt seine gelben Sendlinge vor, die afrikanische Primitive lebt in den großen Zentren mit Liedern und Zauberriten fort; patriarchalische Institutionen werden von der neuen sozialen Ordnung verdrängt, der Atem einer ungeheuren industriellen Energie fährt durch das Land; alles ist im Fluß. Der Schriftsteller steht inmitten, spürsam, unbefangen, ganz nur Auge und Nerv; er schreibt aus dem Tag für den Tag, und absichtslos wird der Feuilletonist zum Kulturphilosophen, der Erzähler zum Soziologen. Reisen nach den westindischen Inseln fordern zur Beschäftigung mit Rasseproblemen auf, Fahrten zu den Malayensiedlungen im Golf bringen die erste Berührung mit buddhistischer Kultur und Legende.
Zwanzig Jahre nach dem Tode Lafcadio Hearns hat der Amerikaner Albert Mordell die in Zeitungen und Zeitschriften verstreuten und schon vergessenen Arbeiten aus diesen Jahren gesichtet und veröffentlicht. Wir haben den Versuch gemacht, das Typische, das kulturell und national Interessierende auszuwählen. Auf das System chronologischer Gruppierung wurde verzichtet, weil die Zusammenfassung der innerlich verwandten Stücke zu losen Gruppen das Lebendige unmittelbar wiederzugeben versprach. Das aber ist es, was dieses unruhvolle, aller Orten fremde, jede Fremde zur Heimat werbende Herz immer gesucht hat: das Lebendige.
Berlin, im Herbst 1925
Franz Fein