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Ihr, die Ihr nur ihr Äußeres gesehen habt, ihre goldgelbe Haut, ihre Gesichtszüge, halt und leidenschaftslos wie das Bildnis Fo's – selten lächelnd, niemals weinend – Ihr kennt nicht das Herz der Chinesen! … Lauschet also dieser schwachen Übertragung einer kleinen Elegie, geschrieben, ehe die moderne Zivilisation geboren war, – geschrieben, unter der Dynastie Thang, von irgendeinem vergessenen Trauernden, der geliebt und verloren hatte …
… Es war in der fünften Wache am ersten Tage des Jahres, – es war in der Zeit, da der Winter gestrenge regiert, daß mein geliebtes Weib starb. Ich glaube nicht, daß es in der ganzen Welt noch jemand gibt, der so unglücklich ist wie ich.
»Oh, wärst Du noch am Leben geblieben, ich hätte Dir ein neues Kleid zum neuen Jahr geschenkt … aber, ach! Du bist hinabgestiegen in das finstere Reich, das die Gelbe Quelle bewässert! Doch daß ich Dich wiedersehen kann, Du Zarte, besuche mich, o geliebter Schatten, in der Mitte der Nacht, – komm zu mir in der Zeit der dritten Nachtwache, auf daß ich die süßen Schwärmereien der Vergangenheit wieder zum Leben erwecken kann!«
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Um den zweiten Mond, in der Zeit, da der Frühling geboren wird, verweilt die Sonne länger am Himmel; und alle Familien waschen ihre Gewänder und Kleider im reinsten Wasser. Dann erfreuen sich die Gatten, die noch ihre sanften Gefährtinnen besitzen, daran, ihre Schönheit mit neuen Gewändern zu schmücken …
Aber ich, der ich mein Gemahl verloren habe, ich fühle nur den Kummer, der an mir nagt, und die brennende Pein, die mich verzehrt! Weit von meinen Augen habe ich die kleinen Pantoffel verborgen, die gewohnt waren, ihre zierlichen Füße zu umschließen … Dann und wann habe ich daran gedacht, mir eine neue Gefährtin zu erwählen. Aber wo könnte ich je eine zweite finden, schön, klug und so voller Liebe?
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In die Zeit des dritten Mondes fällt die Periode genannt Tsing-Ming. Dann entfaltet der Pfirsichzweig all seine zarten Blüten; und die Weiden fangen an, ihre grünenden Kätzchen auszuhängen. Dann gehen die Männer, die noch Gattinnen haben, mit ihnen fort, die Gräber ihrer Eltern zu besuchen.
Aber ich, der ich die meine verloren habe, wandre allein, nur ihr Grab zu besuchen; – und wenn ich den Platz sehe, wo ihre Asche ruht, strömen die heißen Tränen meine Wangen herab. Ich bringe ihr die Totenopfer dar; – ich verbrenne Bilder aus Goldpapier für sie. – »Süßes Weib,« rufe ich ihr mit tränenerstickter Stimme, »wo bist Du? – Süßes Weib, wo bist Du?« Aber, ach! sie kann meine Worte nicht hören; – ich sehe nur die einsame Grabstätte, – ich kann mein Gemahl nicht erblicken.
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In der Zeit des vierten Mondes, in der Periode genannt Mang-Tchong, ist die Luft klar, strahlt die Sonne in all ihrem Glanz. Wie viele undankbare Gatten hängen jetzt ihrer Lust nach, ohne einen Gedanken für die sanfte Gefährtin, die sie verloren haben!
Mann und Weib sind gleich zwei Vögeln desselben Waldes, – wenn die verhängnisvolle Stunde naht, fliegt jeder seinen eigenen Weg … All die wonnige Schönheit, all die grenzenlose Liebe entschwand mir für immer in der kurzen Spanne eines einzigen Morgens. Ach! warum konnten zwei so innig einander vereinte Gatten nicht zusammen durch die Jahre gehen, bis ein mildes Alter ihre Scheitel bleicht? Ich gleiche einem Mann, den ein zauberischer Traum mit süßester Gaukelei umschmeichelt; – erwachend sucht er vergeblich nach dem schönen und unsterblichen Wesen, das die Augen und die Ohren des Träumenden entzückte; und er findet um sich nur Leere und Einsamkeit und Schweigen!
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In der Zeit des fünften Mondes, in der Periode genannt Touanyang, durchfurchen die drachenhäuptigen Schiffe die Wasser. Die edlen Weine reifen; die köstlichsten Früchte werden in Körben gehäuft.
Jedes Jahr um diese Zeit ergötzte ich mich daran, mit meiner Frau und meinen Kindern die unschuldigen Freuden dieser Festtage zu teilen. Aber jetzt bin ich unruhig und unglücklich; ich bin die Beute bitterster Pein. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weine ich, – und vom Abend bis zum Morgengrauen; immer ist mir's ums Herz, als müßte ich in meinem Gram vergehen.
Ach! ich muß die Augen schließen – frohe Kinder spielen vor meiner Tür! Ich kann ihre Seligkeit verstehen; haben sie doch eine Mutter, die sie an ihr Herz drückt! Liebe Kinder, geht weiter! Euer fröhliches Spiel tut mir nur weh …
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In der Zeit des sechsten Mondes, in der Periode genannt Sanfo, lastet die Glut des Tages unerträglich über der Erde. Dann hängen arm und reich ohne Unterschied ihre Gewänder zum Trocknen hinaus.
Auch ich hole dann jenes seidene Gewand hervor, es in der Sonne aufzuhängen. Auch die gestickten Schuhe der, die mein Weib war, stelle ich in die Sonne hinaus. Sieh, dies ist das Kleid, das sie an festlichen Tagen zu tragen pflegte! Schau die zierlichen kleinen Schuhe an, die sich um ihre süßen Füße schmiegten! …
Aber wo ist sie, die Herrin? – Wo ist die Mutter meiner Kinder? … Oh! mir ist, als schnitte eine Klinge aus eisigem Stahl mein Herz entzwei!
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In der Zeit des siebenten Mondes, in der Periode genannt Ki-kiao, kann ich den Tränen nicht wehren, die mir die Augen füllen. Denn es ist die Zeit, da Nieou-lan sein teures Weib Tchi-niu im Himmel besucht.
Auch ich hatte einst ein teures Weib; aber ich habe es auf ewig verloren! Unaufhörlich sehe ich vor meinen Augen das Liebesangesicht, vor dessen Anmut sich die Blumen neigten. Ob ich gehe oder stehe, – ob ich sitze oder liege, – der Gedanke, sie verloren zu haben, höret nimmer auf, mein Herz zu zerreißen. Gibt es einen einzigen Tag, da ich nicht an die Verlorene gedacht hätte? – ist da eine Nacht gewesen, in der ich nicht um sie geweint hätte bis zum Morgenrot?
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Am fünfzehnten Tage des achten Mondes, um die Zeit, da seine Scheibe am größten ist, bringen sie den Göttern Opfer dar, Melonen und Kuchen so rund wie das Gestirn der Nacht. Die Männer und die Frauen gehen zwei und zwei in das Land hinein, über die Felder zu wandeln und sich zu erfreuen am sanften Licht des Monds.
Aber die leuchtend gerundete Scheibe erweckt mir einzig die Erinnerung an das Weib, das ich verloren habe. Manchmal gieße ich mir schweren Wein in die Schale, meinen Kummer zu verscheuchen; – manchesmal nehme ich meine Laute, aber die Saiten wollen nicht klingen unter meiner erschlafften Hand. Meine Verwandten und meine Freunde, alle kommen sie der Reihe nach, mich zu Gaste zu laden; aber mein Herz, mein verbittertes Herz verwehrt mir den Weg in ihre fröhliche Gemeinschaft.
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In der Zeit des neunten Mondes, in der Periode genannt Tchong-yang, erschließen alle Chrysanthemen ihre goldenen Becher, und all die Gärten atmen balsamischen Duft aus. Wie fröhlich ginge auch ich, ein Sträußchen der eben erblühten Blumen zu sammeln, wenn ich noch eine Gattin hätte, die sie ins Haar steckte.
Wieder gehen mir die Augen über; meine Hände sind geballt in Elend und schlagen meine fleischlose Brust! Ich gehe in das Zimmer, in dem mein Weib lebte. Meine beiden Kinder folgen mir und kommen traurig, meine Knie zu umfangen. Jedes nimmt eine meiner Hände und ruft meinen Namen mit erstickter Stimme. Sie fragen mich nach ihrer Mutter mit ihren Tränen, ihren kleinen Gebärden, ihrem Schluchzen!
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Am ersten Tage des zehnten Mondes beschenken arm und reich, in gleicher Weise, ihre Frauen mit Winterkleidern.
Aber ich, der ich kein Weib mehr habe, wem soll ich ein Winterkleid geben? Wenn ich an die Süße denke, die mein Lager teilte, deren anmutiges Haupt auf einem Kissen neben meinem ruhte, verbrenne ich Bilder aus Goldpapier für sie; und meine Tränen fließen ohne Ende. Ich bringe ihr diese Opfer dar, ihr, die jetzt an den Ufern der Gelben Quelle weilt. Ich weiß nicht, ob diese armseligen Totengaben dem Schatten der, die nicht mehr ist, etwas bedeuten; – aber wenigstens werde ich ihr den Tribut der Liebe und Trauer gezahlt haben.
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In der Zeit des elften Mondes, wenn ich den Winter begrüßt habe, rufe ich viele Male vergeblich nach meinem schönen Weibe. Ich schrecke vor dem Rande meines kalten Bettes zurück; ich wage nicht, ein Glied zu rühren; und die seidene Decke zittert über einem leeren Platz. Ich schluchze und rufe gen Himmel; ich flehe die Götter an, sich des armen Gatten zu erbarmen, der die Nacht in Einsamkeit und Trauer verbringt. Um die dritte Wache erhebe ich mich und weine bis zum Morgengrauen.
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In der Zeit des zwölften Mondes, inmitten der Fröste des Winters, rufe ich vergeblich nach meinem Weibe. »Wo bist Du?« rufe ich ihr, – »wo bist Du? All die langen Tage habe ich an Dich allein gedacht, – doch ich kann Dein Antlitz nicht sehen!«
Aber in der letzten Nacht des Jahres erscheint sie mir im Traume. Sie nimmt meine Hand zwischen ihre Hände und lächelt mich an mit Augen feucht von Tränen; – ihre zärtlichen Arme umschlingen mich wieder und wie in früheren Tagen erfüllt sie mich mit verzückter Seligkeit … » Ich bitte Dich, Geliebter,« flüstert sie, – » quäle Dich nicht mehr in Gedanken an mich! Künftig will ich jede Nacht in Deinen Träumen zu Dir kommen.«