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Endlich war zum letzten Male die Sonne gesunken und die Nacht angebrochen, die unsern Helden von der Erfüllung aller seiner Hoffnungen schied. In der Villa des Comes saß Jetta nachdenklich in ihrer Mädchenstube und legte die magischen Bücher zur Seite, die sie noch ein Mal über die Zukunft befragt hatte. Zu ihren Füßen saß Bissula mit der Zurüstung des rothen Hochzeitsschleiers beschäftigt und neben ihr stand jene bleiche, kränklich aussehende Matrone, Fulvia, die Gattin des schwermüthigen Centurio auf dem Rosenhofe, die Jetta seit dem Tode ihrer Mutter als Freundin geleitet hatte. Aber Jetta sah in diesem Augenblicke nicht ans wie eine glückliche Braut. »Alle werden sie wegbleiben?« fragte sie die ältere Freundin mit einem Ausdruck, in dem Zorn und Beschämung sich mischten. »Du weißt, theuere Jetta«, sagte die Andere, »wie sehr sie den Bischof fürchten. Er predigte in der Basilica über das Wort: ›ihr könnt nicht zu des Herrn Tisch treten und zu der Dämonen Tisch.‹ Die Folge war, daß sämmtliche Frauen beschlossen, sich den heidnischen Ceremonien fern zu halten.«
»Wenn ihnen ihr Priester mehr ist als ihre Freundin, so mögen sie gehen. Aber ich werde mich dessen erinnern, wer allein von allen Frauen den Flüchen des Mächtigen trotzte.« Und sie umschlang den Hals der bleichen Frau und küßte sie mit Leidenschaft. »Aber weshalb bleibt Justina aus? Sie macht sich doch sonst nichts aus des Bischofs Zorn?« fragte sie dann auf's neue. Fulvia zuckte die Achseln.
»Das kann ich dir sagen«, platzte Bissula heraus. »Du weißt doch die dumme Geschichte mit dem Helme, den der Kaiser verlor?«
Fulvia winkte ab, aber Bissula's Redestrom war nicht mehr zu bändigen, »Seit Valentinian den Helm sich von einem Germanen rauben ließ, glaubt Justina felsenfest, das Reich werde wieder an einen Barbaren fallen wie unter Maximinus Thrax oder Philippus Arabs, aber dieses Mal an einen Alamannen. Es muß Valentinian selbst so etwas geträumt haben.«
»Aber was hat das mit meiner Hochzeit zu thun?« fragte Jetta befremdet.
»Das ist es gerade, sie meint ja« ...
»So schweige doch mit den albernen Reden«, sagte Fulvia unmuthig, »und lasse die Thoren, die sich im Lager langweilen, ihre Märchen erzählen. Ein verlorener Helm bedeutet einen verlorenen Helm und nicht einen neuen Kaiser.«
Jetta war still geworden. Nach einer Weile fragte sie träumerisch: »So glaubst du nicht an Vorbedeutungen?«
»Ich glaube an die Vorbedeutung meiner Thaten«, erwiderte Fulvia. »Handle ich schlecht, so bedeutet das Unglück für die Zukunft. Andere Vorbedeutungen gibt es nicht.«
»Du redest, wie eine Christin«, erwiderte Jetta lächelnd. Sie war in tiefes Sinnen versunken. Fragte sie sich, ob Rothari und Jetta das Perlendiadem schlechter kleiden würde als Valentinian und Justina?
Inzwischen hatte Bissula den rothen Brautschleier vollends hergerichtet und mit sanfter Freundlichkeit nahm nun die bleiche Matrone der trüb lächelnden Braut ein Stück ihrer Mädchenkleidung nach dem andern ab, indem sie es, wie die Sitte verlangte, durch die entsprechende Frauentracht ersetzte. Die Mädchenkleider nahm die alte Phorkyas in Empfang, um sie mit dem Kinderspielzeuge, das sie für diesen Tag bewahrt hatte, zusammenzupacken und beides den Laren des väterlichen Hauses zu weihen. Es war eine traurige Feierlichkeit so ganz ohne die Schaar der neugierigen Freundinnen, die sonst dieser Ceremonie beiwohnten, jede den Gedanken im Herzen, wann die gleiche heilige Handlung einmal mit ihr selbst werde vorgenommen werden. »Wolltest du nicht auch die magischen Rollen hinzuthun?« fragte die bleiche Matrone sanft. Jetta schüttelte das Haupt. Aber die blasse Frau legte mütterlich ihre feine abgemagerte Hand auf Jetta's volle Schulter. »Bedenke, Jetta, diese Schicksalsstunde! Die verhängnißvollen Schwestern umschweben dich. Sie weben neue Fäden in das Gespinste deines Lebens. Wenn nun durch unsere Schuld der Einschlag schwarz wäre!« Sie trocknete sich die Augen, dann fuhr sie fort: »Der schwarze Faden kommt immer wieder zum Vorschein, immer wieder, bis schließlich die hellen Fäden ausgehn und er allein übrig bleibt – – du kennst mein Schicksal, laß dich warnen.« Und von ihrem Unglück übermannt begann sie laut zu schluchzen.
»So weine doch nicht«, schalt jetzt Bissula. »Das gerade zieht das Unglück herbei.«
»Du glaubst ja nicht an Vorbedeutungen«, sagte Jetta sanft, indem sie Fulvia's Hand nahm. »Ich bin nun einmal anders als du. Auch ein schwarzer Faden wäre mir lieber als das einförmige Gewebe, das die Parze den meisten Frauen spinnt. Die tausend Nichtigkeiten, die ein Weiberleben ausmachen, wären nichts für mich. Meinst du, ich habe meine großen Pläne aufgegeben? Nicht um ein still zufriedenes Eheweib zu werden, nehme ich meinen Helden. Ihr sollt von Jetta noch hören.«
»Mögen die Götter alles zum Besten lenken«, sagte Fulvia mild, indem sie die Thränen sich trocknete. »Vielleicht weißt du heute noch nicht, wie glücklich die sind, denen die Göttinnen einen glatten Faden spinnen und wie es an unserem eigenen Herzen zerrt, wenn wir das Werk ihrer Hände verwirren. Der Weg ist lang zwischen den beiden Flammen, der Fackel Hymen's, die uns das tiefste Geheimniß menschlicher Beglückung zu erhellen verspricht und der Fackel des Holzstoßes, der all unserer Enttäuschung und Qual ein Ende macht. Mögest du nicht dereinst, wie ich, die Ruhe im Columbarium dir erflehen, den Frieden der Urne, auf der das letzte Trostwort steht: › sie war‹.«
»So lasse doch den Grabsermon«, zürnte Bissula auf's neue. »Bei einer Bestattung geht es heiterer zu als bei dieser Hochzeit.«
»Verzeihe«, sagte Fulvia. »Bissula hat recht. Es gibt Leute, die sich nicht mehr freuen können« – »und sich nicht mehr freuen sollen«, setzte sie nach einer Weile bitter hinzu. Die alte Amme aber raffte rasch den Bündel mit Mädchenkleidern und Kindertand zusammen und verschwand damit nach dem Heiligthum des Hausgötzen. Die Brautkleider, den mit verticalen Kettenfäden gewebten Rock, den wollenen Gürtel und den rothen Brautschleier neben sich, legte Jetta sich zur Ruhe. Die Freundinnen küßten sie noch. »Morgen küßt dich ein Anderer«, sagte Bissula in ihrer derben Weise.
»Nun, dann kannst du ja ganz unbesorgt sein für deinen Ausonius«, erwiderte Jetta lächelnd. Damit entfernten sich die Frauen nach unten.
Lang lag die allein Gelassene noch in ihren Gedanken, die ruhelos hin und hergingen zwischen der hellen Vergangenheit und der dunkeln Zukunft und allen Schlaf verscheuchten. Nach einer Weile erhob sie sich leise und zündete eine Lampe an. Mit derselben setzte sie sich zu den Rollen, die noch immer auf dem Tische lagen. Sie zählte, sie schrieb, sie zählte wieder. Die Rechnung schien nicht zu stimmen und sie begann auf's neue. Mitternacht war nahe, als sie das Licht endlich löschte und zu ihrem jungfräulichen Lager zurückkehrte. Jetzt schlief sie wirklich ein. Als der Tag aber graute, schritt sie in früher Morgenstille in den Garten hinaus, um sich selbst die Blumen zum Brautkranze zu pflücken, wie die Sitte es vorschrieb. An der Ecke der obersten Terrasse fand sie die alte Amme, die mit ihrem einen Auge starr nach dem Himmel schaute, welcher Vogel zuerst auffliegen werde und von welcher Seite? Aber es zeigte sich nichts Ersprießliches. Nur am Waldabhange hörte man das unablässige Schreien eines jungen Habichts, der sich vom Neste verirrt nach demselben zurücksehnte. Als Jetta mit dem Pflücken der Blumen geendet und es noch immer still blieb, schlich auf Phorkyas' Wink ein Sklave nach dem Taubenhause und öffnete die Lucken. So flatterten Aphrodite's heilige Vögel zuerst von der Glücksseite her über das bräutliche Haupt. Jetta hob lächelnd den Finger: »Phorkyas, Phorkyas! Solche Omina gelten nicht. Sieh zu, daß nicht die Göttin sich räche.«
»Oh, es war ein großes Zeichen am Himmel, als die Sonne sich hob«, flüsterte die Alte. »Ein Adler stieg senkrecht in die Höhe und nahm den Flug nach Süden gegen Rom! Dein Herr wird Kaiser, sonst hätte der Pfeil im Walde ihn getroffen.«
»Thorheiten, alte Phorkyas, du siehst Krähen für Adler an, wenn es dir paßt. Seit zwölf Jahren wohne ich am Rhenus und noch niemals sah ich einen Adler.«
»Um so sicherer hat ihn Jupiter gesendet, mein Töchterlein!«
»Schweig«, sagte Jetta streng. »Der heutige Tag ist zu ernst für solche Possen.« Damit begab sie sich zum letzten Male nach ihrer Mädchenstube, um sich von den beiden Freundinnen und den weinenden Mägden schmücken zu lassen. Sie legte die Frauentunica an und den wollenen Gürtel mit schwer zu lösendem Knoten. Fulvia ordnete ihr das Obergewand in schöne Falten und setzte ihr den Kranz auf's Haupt. Dann wurde das Oberkleid aufgenommen und leicht über den Hinterkopf gesteckt und über die Schultern der flammend rothe Brautschleier geworfen.
Inzwischen war es im Atrium bereits laut geworden. Man hörte die Stimme Arator's, der seine Gäste empfing und die Glückwünsche der Kameraden für Rothari. Bissula lief jedesmal lauschend nach dem Vorplatz, horchte hinunter und meldete der unter Beklemmungen lächelnden Jetta, was unten vorging.
Als Jetta endlich mit jungfräulich geneigtem Haupte, aber festem Schritte, von ihren Frauen gefolgt, aus ihrer Thüre hervortrat, begrüßten leise gesprochene Segenswünsche und halb unterdrückte Rufe der Bewunderung die Kommende. In der Haltung einer Königin kam sie die Treppe herab. »Sieht sie nicht aus, als ob sie aus dem Marmorfriese des Parthenon herausgetreten wäre, wo sie den Zug der Jungfrauen anführte?« fragte Gratian seinen Nachbar. »Wie die Priesterin der Pallas, die die Stufen des Minervatempels herabsteigt«, bestätigte der Angeredete. »Herab, ja herab« – murmelte einer der eleganten Vettern des Hauses.
In majestätischer Selbstbeherrschung trat Jetta in den festlich geschmückten Raum und ließ ruhig ihre dunklen Augen über die Versammelten hingehn. Wenige Frauen und Jungfrauen, doch viele Freunde Arator's waren erschienen. Etliche, die Jetta gern gesehen hätte, fehlten, denn alle Christianer hielten sich von dem heidnischen Theile der Feier fern. Daß Ausonius den Muth gefunden, den kirchlichen Satzungen zu trotzen, lohnte Jetta mit einem ihrer lieblich freundlichen Blicke. Auch Gratian reichte sie die Hand, der sich stolz neben seinen glücklichen Freund gestellt hatte. Rothari war zu Jetta's Freude ganz in römischem Kleide und sah auch in der Toga aus wie ein Held. Sein blonder Bart fiel wohlgeordnet um die freundlichen Lippen und seine blauen Augen strahlten hell von Glück und innerer Seligkeit. Er konnte es nicht lassen, zuweilen einen Schritt zurückzutreten, um sich immer wieder in stillem Entzücken an Jetta's adeliger Schönheit zu weiden, während sie stolz auf seine Liebe, im frohen Vollgefühle ihres Werthes, ihm gegenüber stand. Auch sie schaute ihn strahlend an und in diesem Blicke lag so viel Ehrerbietung für ihren Helden, so viel Stolz auf ihre Wahl, daß er an sich halten mußte, um seine Ruhe zu bewahren. Endlich war der Ehecontract vollzogen, Jetta ward durch den Vater vor Rothari gestellt und sprach mit fester tiefer Stimme die bindende Formel: »Wo du Herr bist, will ich Herrin heißen, wo du Hausvater, bin ich Hausmutter.« Darauf nahm Fulvia als Brautführerin ihren Arm, führte sie an Rothari's Seite und legte ihre Hand in die seine. Die ganze Hochzeitsgesellschaft, das junge Paar voran, schritt nun zum Lararium, vor dem die Brautleute Hand in Hand sich auf zwei Stühlen niederließen, die mit einem gemeinsamen Schaffließe überdeckt waren. Freunde und Freundinnen traten hinzu und stellten kleine Körbchen mit Früchten und weißem Brote auf dem Altare auf und opferten Weihrauch, dessen blaue Wölkchen das Haus mit Wohlgeruch füllten. Arator selbst sprach hierauf die Formeln des Gebetes, die alle Götter der Ehe anriefen. Juno, die himmlische Herrin, erwähnte er zuerst. Auch Tellus, den Grund und Boden nannte er, darauf das neue Haus sich gegründet, auch Picumnus und Pilumnus, die Götter der Fruchtbarkeit. Während er sprach, erhob sich das junge Paar und wandelte nach rechts hin um den Altar, während Gratian lächelnd eine verdeckte Kiste mit den Symbolen des Hausstandes ihnen vorantrug. Arator hatte geendet und nun schallte der Zuruf: » feliciter« in hellem Jubel durch die Hallen. Pfeifen und Zinken ertönten fröhlich vom Viridarium her. Die Vermählten nahmen die guten Wünsche aller Einzelnen entgegen und die Gesellschaft zerstreute sich plaudernd durch die Räume des Hauses, um sich zur Stunde der Mahlzeit im Triclinium wieder zusammenzufinden. In Gestalt eines Hufeisens waren Tischchen mit je zwei Polstern aufgestellt und auf dem mittleren ließ das junge Paar sich nieder. Der Vorhang des Speisegemachs war zurückgezogen, so daß die Gäste über die Blumenbeete nach der plätschernden Fontaine sahen und der Blick darüber hinaus durch alle Gemächer des Hauses schweifte. Bald erfüllte eine Mischung von Weindunst und Blumenduft, von Glanz der strahlenden Gewänder und Blumenkränze das festliche Haus und betäubte die Sinne. Die Unterhaltung der Gäste rauschte, die Flöten tönten aus der Vorhalle. Ab und zu wandelte ein Paar, dem es drinnen zu heiß ward, die Hallen des Peristyls auf und nieder. Junge Sklaven in glänzenden Gewändern und Epheukränze auf dem Haupte eilten mit silbernen Schüsseln und rothen Krügen heraus und herein. Drinnen ward eifrig gezecht, Scherze, doch minder freie als sonst bei solcher Gelegenheit, flogen hin und wieder. Von dem Allem aber hörte der germanische Held nur wenig. Er war bräutlich versunken in sein Glück und sein Auge hing an dem Kameenprofil seiner Gattin, die mit hellem Geiste und der ihr eigenen Grazie jeder Ansprache, auch der unziemlichen, schlagfertig Bescheid gab. Als aber die Freuden der Tafel die jungen Häupter erhitzten, wurde die Unterhaltung stürmischer. Jetta's Vettern, der dicke Statius und der abgelebte Nasica, die Rothari bis jetzt keiner Beachtung werth gefunden, hatten mehr Wein in sich geschüttet als sie vertragen konnten und fingen an dem benachbarten Tische an, zu bramarbasiren und durch große Worte die Barbaren zu Paaren zu treiben. Lang hörte es Rothari mit Gleichmuth an, als aber die Reden immer herausfordernder wurden, schleuderte er einen Zornesblick nach den jämmerlichen Burschen. »Ja, blicke nur, Barbar«, rief der betrunkene Statius. »Wir werden eure Könige wieder, wie der vergötterte Constantin es that, im Amphitheater den Löwen und Bären vorwerfen« ...
»Nieder auf die Kniee müssen sie, wie die neun Alamannenkönige vor Probus«, lallte der schwächliche Nasica.
»Sieh nur du, daß du aufrecht bleibst«, rief Rothari dem Gecken zu, »wenn du noch weiter trinkst, wirst du bald selbst den Boden küssen.«
Mahnend legte Jetta ihre schöne Hand auf Rothari's Schulter.
»Wie deine Vettern vor Julian«, rief Statius zurück, denn der hochmüthige Geselle verfluchte die Heirath Jetta's mit einem Germanen. Rothari wollte aufspringen. »Laß sie, mein Held, sie sollen dir morgen abbitten«, flüsterte Jetta.
»Ich will aber nicht sitzen, wo nebenan Schweine sich wälzen und meine blanke Ehre bespritzt wird«, sagte Rothari und er erhob sich.
»Was hat das alamannische Torfschwein gegrunzt?« lallte der betrunkene Nasica.
»Laß es, es sucht ein Versteck«, rief der Dicke. »Fahr wohl, du Held im Schafsfell und dem Panzer von Roßhaut.« Da stand Rothari bereits hinter ihm, ergriff den Lästerer an der Tunica, hob ihn mit mächtiger Faust in die Höhe und setzte ihn mitten auf dem Tische nieder. Dann kehrte er sich ruhig zur Thüre, wohin Jetta sich bereits geflüchtet hatte. Mit ihr schritt er stolz hinaus, während sie drinnen weiter tobten und lärmten.
»Das geht ja zu wie bei der Hochzeit des Pirithous«, hörte Rothali hinter sich Ausonius sagen, der sich eilig von dem Schauplatz des Kampfes zurückzog. »Das kommt dabei heraus, wenn Lapithen und Centauren sich sippen.« Auf's neue stieg Rothari die Zornröthe in's Angesicht. Also selbst diesem befreundeten, gutmüthigen Gallier war er nach wie vor ein Centaur. Inzwischen war Arator herbeigeeilt und brachte mit strengen Worten die jungen Leute zur Ruhe. Im Garten hatten sich nun, nachdem alle heidnischen Uebungen vorüber waren, auch die übrigen Freunde des Hauses versammelt und Jetta begrüßte sie der Reihe nach mit vornehmem Gleichmuth, als ob sie nichts Anderes erwartet und niemanden vermißt hätte. Aber die häßliche Scene, obwohl nur wenige sie mit angesehen, ward doch flüsternd von Ohr zu Ohr gesagt und es wollte keine rechte Feststimmung mehr aufkommen. So waren alle froh, als endlich der Tag scheiden ging und es möglich wurde, die Hochzeitsfackel zu entflammen. Aus den Armen der Matrone Fulvia, die die Mutter vertrat, entführten Rothari's Freunde, von Gratian geführt, mit vielem Lärme die junge Gattin. Der Zug ordnete sich, um das glückliche Paar nach seinem eigenen Hause zu geleiten. Draußen lag eine Schaar von Nachbarn und entfernten Bekannten, die sich nun alle herzudrängten. Die Flötenspieler stimmten die oft gehörte fröhliche Weise an und Fackelträger gingen zur Seite. Jetta hatte zwischen Statius und Nasica einhergehen sollen, da das Recht der Verwandtschaft den Vettern diesen Platz zutheilte. Aber der Dicke hatte für gut gefunden zu verschwinden. Jetta zuckte unmuthig die Schultern und bat Gratian, ihn zu vertreten. Hocherfreut nahm der junge Augustus diese Ehre an, obwohl auch er sich nicht ganz sicher auf den Beinen fühlte. Rothari war froh, als er aus dem lärmenden Hause hinaustrat in die feierliche Stille der nächtlichen Flur. Wie stimmte diese laue, milde Sommernacht zu seiner eigenen weichen Seligkeit. Das Rauschen des Stroms in der Ferne und die flimmernden Sterne oben schienen dasselbe, nur in einer andern Sprache zu sagen, was auch sein Herz bewegte. Wie tief empfand er in diesem Augenblicke, als sie das Haus mit seinen Fackeln, Dienern und trunkenen Gästen hinter sich ließen und die Herrlichkeit einer Sommernacht über der Ebene des Rhenus sich vor ihnen aufthat, daß nur die Natur Feste zu geben verstehe, die auch das höchste Glück noch verklären und die nie ein Mißton entweiht. Eine ähnliche Empfindung war es, die aus Jetta's mildem Blicke sprach. Ein lieblicher Knabe trug der Braut die Fackel voran, während zwei Jungfrauen ihr Rocken und Spindel nachführten. Dem Bräutigam hatte man eine Tasche mit Nüssen, Confect und kleinen Gaben zugesteckt, die er rechts und links den lärmenden Knaben zuwarf. So ging es den Weg am Bergabhange hin und fröhliches Lärmen, Singen und der Zuruf talasse tönte hinaus in die abendlich schweigende Ebene. Als das Haus des jungen Paares am Hügel auftauchte, und die Fackeln sich schimmernd im Nicer spiegelten, wurde Catull's beliebtes Hochzeitslied angestimmt:
Hügelwohner am Helicon,
Holder Sohn der Urania,
Der zum Manne die zarte Braut
Reißt, die bebende, Hymen o,
Hymen o Hymenäus.
Blumen wind' um die Schläfe dir
Würzigtduftenden Majorans,
Nimm das Flammengewand und komm,
Komm daher mit dem Silberfuß
Auf gerötheten Sohlen.
Zieht vom Thore die Riegel weg:
Komm, o Braut! wie so freudig, sieh,
Schwingt die Fackel ihr Flammenhaar!
Schamhaft zögert die Gute noch,
Weint wohl, weil sie nun gehen muß.
Weine nimmer! du darfst ja Aurunculeja
befürchten nicht
Daß ein schöner geschaffnes Weib
Aus dem Meere den jungen Tag
Sah in Strahlen heraufgehn.
Also hebt in des reichen Herrn
Blumenbuntestem Gartenbeet
Eine Prachthyacinthe sich.
Doch du säumst; es vergeht der Tag;
Schreite vor, o Verlobte!
Schreite vor, o Verlobte, wenn
Dir's gefällt, und vernimm den Ruf
Unsrer Stimmen. Es schüttelt hell,
Sieh! die Fackel ihr güldnes Haar,
Schreite vor, o Verlobte.
Nie verworfner Buhlerin
Schnöde Fährte bewandelnd wird
Sinnesflatterig dein Gemahl
Deiner liebebewegten Brust
Fern zu liegen begehren;
Sondern fest wie der Rebe Drang
Anerwachsenen Baum umstrickt,
Wird er dir in die Arme sich
Stricken; doch es vergeht der Tag,
Schreite vor, o Verlobte.
Unter solchem Sang war der festliche Zug an der untern Pforte der Villa angekommen, wo das junge Paar von nun an wohnen sollte. Fulvia reichte Jetta eine Schale mit Oel, mit der sie den rechten Pfosten des Thores salbte. Eine zweite Matrone gab ihr eine wollene Binde, die sie um den andern Pfosten schlang. Die Thüre öffnete sich und Gratian und Nasica faßten die Braut in zärtlichem Umschlingen und trugen sie über die Schwelle. Bis zur Thüre des Hauses selbst folgten die näheren Freunde und hoben die Braut auch hier in das Haus. Das Erste, was Jetta sah, war der junge Wolf, der in der Grotte des Haushunds, an neuer funkelnder Kette gebunden, mit dem Schweife wedelte und vor Freude heulend an Jetta emporzuspringen versuchte. Scherzend liebkoste ihn die neue Herrin, während Rothari Gratian die Hochzeitsfackel aus der Hand nahm, um sie an dem hohen dreifüßigen Candelaber zu befestigen, der am Eingang des Atriums stand und sinnig mit Myrte und Lorbeer umwunden war. Die rothe Flamme verbreitete ein mildes Licht, an das das Auge sich nach dem hellen Fackelglanze draußen erst gewöhnen mußte, um an der Wand zur Linken den Thalamos zu gewahren, der nach altem Brauche hier aufgeschlagen war. Vor der Thüre aber, durch die Gratian sich entfernt hatte, lärmten die Jünglinge weiter:
Auf! zum Glück in die Pforte denn Ueberschlüpfe den Schwellensteg
Dein Goldfüßchen und strauchle nicht! Hymen o Hymenäus o Hymen o Hymenäus.
Sieh, wie drinnen am Tyrer Pfühl Hingelehnt der Geliebte rings Dich umfassende Blicke zielt, Hymen o Hymenäus o Hymen o Hymenäus.