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Nach Heinrich Spoerl
Der Dichter Emil Rabenaas saß in seiner Stube, in der es ziemlich kunterbunt aussah.
Klothilde, die Tochter des angesehenen Tierarztes, saß bei ihm.
»Hast du keine Angst, Klothilde?« fragte der Dichter. Sie verneinte leichtfertig. »Frechheit«, sagte Emil Rabenaas und knutschte sie ab.
»Warum ist es am Rhein so schön?« fragte unvermutet Klothilde.
»Es ist dort nicht schöner als in andern deutschen Gauen«, sagte Emil Rabenaas.
»Aber warum spielen dann alle deine Romane hier in dieser Gegend?«
»Das ist wegen der Wirkung des Kölner Dialekts im Tonfilm. Ich schreibe meine Bücher doch so, daß sie gleich verfilmt werden können. Alles Überflüssige lasse ich weg. Naturbeschreibungen liest ja sowieso kein Hund. Philosophische Betrachtungen liefern die Fachleute besser. Meine Romane sind eigentlich fertige Tonfilm-Manuskripte.«
»Du solltest nicht soviel für den Tonfilm schreiben, Rabenääslein«, sagte Klothilde, »es verdirbt deinen Ruf.«
»Was soll ich machen?« sagte der Dichter. »Meine Bücher werden erst dann gekauft, wenn sie verfilmt waren …«
In diesem Augenblick betrat Heinrich Himmelheber, der Vieharzt, den Raum.
Angstvoll flatterte Klothilde hoch und zerschmiß eine Kaffeetasse. Emil Rabenaas grinste.
»Was wollen Sie von meiner Tochter?« fragte der Vieharzt. Die Enden seines formtreuen »Es ist erreicht«-Bartes zitterten.
»Kinder«, sagte der leichtfertige Dichter.
Der Tierarzt ergriff einen Stuhl. Klothilde zitterte hörbar im Hintergrund. »Lassen Sie«, sagte Emil Rabenaas. »Es führt zu nichts. Ich bin bereit, zuvor alle Schritte zu tun, die Sie wünschen. Standesamt, Kirche …«
»Aber Sie sind ein Nichtskönner und Habenichts, und aus was für einer Familie Sie sind, möcht ich nicht wissen …«
»Sie sollen es aber nun wissen: ich bin der Sohn des Ohren-, Nasen- und Halsarztes Professor Rabenaas in Sigmaringen …«
Der Vieharzt blähte die Nüstern. »Ist es möglich?« schrie er. »O, junger Mann – Ihr Herr Vater hat mir das Leben gerettet, er hat meine Nasenscheidewand-Verbiegung mit Eleganz behoben … Aber sagen Sie mal, ist das fair? Den ganzen Roman hindurch hat es den Anschein, Sie seien arm wie eine Kirchenmaus … und nun … Auf der vorletzten Seite entpuppen Sie sich als satisfaktionsfähig!«
»Sie kennen die Gesetze des Tonfilms nicht«, sagte Emil schlicht.
Selbdritt gingen sie in die Weinstube zum grünen Halbmond. »Du sagst ja gar nichts«, sprach der Vieharzt zur Tochter.
»Ich kann nicht sprechen. Mir ist, als trüge ich einen Maulkorb«, sagte Klothilde.
»Du Engel!« sagte Rabenaas.
Sie tranken mancherlei durcheinander. Klothilde begann zu singen, der Dichter schmunzelte, der Vieharzt fiel unter den Tisch. Von dort rief er: »Ich gebe euch meinen Segen.«
»Ein Segen von unten, das ist mal etwas anderes«, lachte Rabenaas und drückte Klothilde, die immer noch sang, an sich.