Hans Freiherrn von Hammerstein
Mangold von Eberstein
Hans Freiherrn von Hammerstein

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Das Verhör

In der Kriegsstube des Rathauses zu Nürnberg hinter einem langen, schweren Eichentisch mit dem Rücken gegen das hohe, dreiteilige Fenster zu, das die Stube von einem Binnenhof her erleuchtete, saßen Andreas Tucher und Christoph Kreß, beide Ratsherren zu Nürnberg, und neben ihnen die Schreiber Johann Kirchhammer und Jörg Herl. Andreas Tucher war ein würdevoller Mann in den Fünfzigern, groß und schwer von Gestalt mit ernstem Antlitz, das ein brauner Vollbart rahmte, sorgenvoller Stirn und sinnendem Blick. Er trug eine schwarze Samtmütze und eine Schaube, breit mit Zobelpelz verbrämt, über dunklem Wams. Der Kreß mochte noch nicht vierzig sein, war schlank und spannkräftig in der Haltung, bartlosen, hageren Gesichts und zeigte in kriegerischem Anzug, daß er Hauptmann der Nürnberger Langspießer war. Das Schwert zwischen den Knien, die Hände über dem Knauf gefaltet, und in den hohen Sessel zurückgelehnt, hörte er aufmerksam der Vernehmung zu, die der Tucher mit einem Mann des Handwerkerstandes pflog, der ihm gegenüber vor dem Tisch zwischen zwei Stadtknechten stand, während die beiden Schreiber die Aussagen des Einvernommenen zu Protokoll brachten. Akten, die auf dem Tisch lagen, ließen erkennen, daß es sich um eine Sache handle, die schon seit einiger Zeit geführt werde. Der Ratsschreiber Johann Kirchhammer, ein blasser, älterer Mann mit düsterem Blick hinter Brillengläsern, war damit befaßt, die oft unklaren und verworrenen Angaben des Zeugen in Stil zu bringen und dem jungen Kanzlisten mit halblauter Stimme zu diktieren. Er selber zeichnete nur manchmal die ihm sonderlich bemerkenswerten Angaben auf oder machte auch, in den Akten zurückblätternd, Randnotizen zu früheren Protokollen.

»Dein Nam, Gewerb und Wohnung zuvor,« sprach Herr Andreas Tucher.

»Hans Pürkl bin ich genannt,« antwortete der Handwerker. »Schneider dahier auf dem Roßmarkt gesessen.«

Der Tucher: »Bürger zu Nürnberg?« 30

Der Pürkl: »Ja, erber, wohlweiser Herr.«

Der Tucher: »Also bei deim bürgerlichen Eid und Pflicht, damit du einem hohen Rat verwandt, sag, wie dir geschehen, und nichts, dann die lautere Wahrheit, so gut du's gedenken magst, als lieb dir dein Leib und Leben.«

Der Pürkl begann: »Als ich gestern drei Wochen am Freitag hier ausgeritten, gen Forchheim benacht und am Samstag früh mit meinem Gefährten . . .«

Der Tucher, ihn unterbrechend: »Wer war das?«

Der Pürkl: »War der Hans Henn, auch ein Schneider dahier von der langen Gassen.«

Der Tucher zum Ratsschreiber: »Der ist schon vernommen, nit wahr?«

Der Schreiber: »Wohl, Herr, dahier ist die Schrift.« Er legte ihm aus den Akten ein Protokoll vor.

Der Tucher, es ihm zurückreichend: »Vergleicht es, derweil ich frag.« Zum Pürkl: »Sprich weiter.«

Der Pürkl erzählte nun wie folgt, und nach jedem Satz hieß ihn der Ratsschreiber ausharren und sagte dem Kanzlisten vor, was er zu schreiben habe. »Alsdann am Samstag fruh seind wir, ich und der Henn, von Forchheim ausgeritten und gen Bamberg in des Bürstenbinders Haus gekommen, da geessen und ungefährlich über drei viertel Stund nit allda geblieben, haben auf Staffelstein reiten wölln zun vierzehn Nothelfern und haben ein schriftlich Gleit genommen.«

Der Tucher: »Wo hast du den Gleitsbrief?«

Der Pürkl: »Der ist uns genommen worden samt der Taschen und allem anderen, so darin gewest.«

Der Tucher: »Auf wen war das Gleit gestellt?«

Der Pürkl: »Dasselb Gleit ist auf mich und den Henn selbander zu Roß gestanden und hat der Ottelmann, auch der Bürstenbinder gesehen.«

Der Tucher sah den Ratsschreiber fragend an.

Der Schreiber in der Aussage des Henn nachlesend: »Es stimmt.«

Der Tucher nach einer Pause: »Könnt Ihr darauf einen Eid zu Gott und den Heiligen schwören?« 31

Der Pürkl: »Wohl, Herr, den will ich schwören, und der Henn auch.«

Der Tucher: »Ihr werdt schwören müssen. Itzt red weiter.«

Der Pürkl: »Und als wir nun aus Bamberg und für Güßpach geritten, haben wir den Main auf der linken Hand und den Weg auf der rechten Hand auf Staffelstein zu geritten, und bei der Krümm an den Weingarten, da man den Weg gebrücket, sein uns drei Reuter entgegen kommen, die zween gespannt Armbrüst oder Stachel geführt, und der, der Mehrer unter ihnen, hat nit gespannt gehabt und gefragt, ob wir bambergisch wären, haben wir geantwort: »Ja.«

Der Tucher: »Warum habt Ihr das gesagt?«

Der Pürkl, mit der Hand hinters Ohr fahrend: »Ei, wohlweiser Herr, das ist mir nun selber nit mehr so wissend. Mich bedünkt, es hätt uns das Herz also reden heißen, dieweil es auf den Straßen kein gar guter Paß ist, so man nürnbergisch. Dann alle Schnapphähnlein und Buschklepper gehn auf die Nürnberger, als die Raben auf den Schelm.«

Der Kreß schmunzelnd: »Da sagt er recht!«

Der Tucher nickte mit einem Seufzer und deutete ihm fortzufahren.

Der Pürkl: »Also sagten wir: ja, und also haben die Reuter umgewendet und mit uns geritten und wollen wissen, wie wir heißen und ob wir von Bamberg seien. Darauf ich geantwort: Will die Wahrheit sagen, wir haben Gleit und sein von Nürnberg, dieweil ich nun die Reuter für Freund und bambergisch gehalten. Als wir aber also ein gut Weil geritten, bis der Weg breit worden ist, hat der Mehrer unter den Reutern das Armbrust vom Sattel genommen und zu mir gesagt: Du wirst gefangen sein! und mich genott, daß ich ihm globen und die Hand geben müssen, wiewohl ich mich des am ersten lang gewehrt und das Gleit angezogen. Haben aber umb das Gleit nit geben wollen und nur gelacht, und hat der Mehrer gesagt, des Bischofs Gleit gelt ihm nit mehr dann ein Arswis. Und die beiden andern Reuter haben den Henn auch zu globen genottet und uns genott, von statt mit ihnen zu reiten und durch den Main getracht auf Zapfendorf zu und sich gestellt, als wollten sie auf Pantz abwenden, haben 32 aber nachfolgend den Kopf gewendt auf das Hennebergisch und die Puechen zu. Also haben wir müssen reiten, daß wir Koburg und viel Schlosser gesehn.«

Der Tucher: »Koburg? Habt Ihr das wohl gekennt?«

Der Pürkl: »Wohl, Herr, kenn es gar gut, bin bei dreimalen dort gewest, dieweil ich einen Schwager da hab, und habs auch gesehn, so ich gen Leipzig geritten.«

Der Tucher: »Gut. Verzähl weiter und so genau, als du's nur irgend gedenken magst, den Weg.«

Der Pürkl: »Ist Koburg uns gen Mitternacht blieben auf ein viertel Meil, und ist uns der Weg dann fremd worden, weil ich da nie gewest, und hab ich auch nimmer gar viel gesehn, weilen es bald Nacht worden. Eh es aber Nacht worden, haben die Reuter gehalten unter eim Berg bei eim Wasser zu tränken, und liegt ein alt, prochen Bergschloß oben und ein Dörflein nahent bei am Wasser, weiß aber nit, wie's heißt. Hab ich unter Wegen zu mehreren Malen gesagt: Weß wollt Ihr uns zeihen? Nehmt die Pferd und die Zehrung, oder laßt uns reiten! Haben die Reuter gesagt. Wir haben mit den von Nürnberg nichts zu tun, sunder mit Bamberg, wir wollen euch wohl zu rechter Zeit reiten lassen. Aber ich halt sie für bambergisch und acht dafür, daß wir zu Bamberg verkundschaft worden. Dann als wir durch den Main geritten . . .«

Der Ratsschreiber: »Wo?«

Der Pürkl: »Dort bei Zapfendorf. Als wir da geritten, sein von fern drei ander gegen uns gerannt, hat der Mehrer gesagt: Sie tun uns nichts, weiß wohl, wer sie sein.«

Der Tucher: »Hast du die nahent auch gesehen?«

Der Pürkl: »Nein. Sie sind immer auf etlich hundert Gäng ab blieben, acht, daß ihr Hinterhut sei gewesen, und hab auch die Nacht allweg Pferd hinter uns gehört. Und als die Nacht kummen, haben sie des Hennen Halfter genommen und mich gebunden und uns bei den Pferdzäunen am Zügel geführt, die Nacht über Berg auf und ab und durch Gesträuß seltsam Weg, und haben an etlichen Orten Unterschleif gesucht, man hat sie aber nit einlassen wollen, und haben reiten müssen bis ein Stund vor Tag.« 33

Der Tucher: »Was für Ort sein das dann gewest, wo sie Unterschleif gesucht?«

Der Pürkl: »Einmal ists meines Bedünkens ein Schloß gewest mit einer Brucken über ein trocken Graben und ein Turm davor. Da hat der Mehrer mit dem Wächter, so auf dem Turm gestanden, geredt, hab aber nichts verstanden, dieweil uns die zween Reuter hinten gehalten, bis der Mehrer ist zurück kommen. Dann wars ein einsam Häuslein in eim Tal und Wald und Wasser bei, acht ein Mühl oder Wirtshaus, hat ihnen aber niemand aufgemacht. Ein andermal ist einer von die Reuter ab und zu eim Dörflein oder Städtlein geritten, weiß nit, wie groß es gewesen, da es gar finster gewest, und nur etlich Lichtlein han gesehn am Weg. Und haben derweil gehalten im Holz, und ist der Reuter wieder kommen, hat gesagt, sie wollen nit einlassen, und haben uns weiter geführt.«

Der Schreiber erbat eine Pause, um die Aussagen zu fassen und mit denen des Henn zu vergleichen. Andreas Tucher sprach, während der Schreiber den Pürkl manches wiederholen ließ, leise mit dem Kreß.

Dann fuhr der Pürkl in seinem Bericht fort: »Des morgens früh sein wir kummen zu einem Wasserhaus, da hat man die Pferd heraußen in ein alten Stall getan und uns, die Gefangenen, zu Fuß in das Wasserhaus geführt und uns zu essen und trinken geben und nachfolgend in die Gefängnuß, ein Wasserturm, ebes Fuß gien müssen, doch hat die Gefängnuß zwee Staffel Eintritt.«

Der Tucher: »Itzt sag uns recht nach deinem Wissen, wie das Schlößlein ausschaut.«

Der Pürkl besann sich eine Weile und sagte dann, mit Zeichen auf dem Tisch die Beschreibung verdeutlichend: »Es ist davor ein tiefer Weg und von der Brucken, gleich am tiefen Weg, an der linken Seiten am Hineinreiten steht ein klein weiß Häuslein, dabei liegen auch bei sechs Häuslein, und gegen dem weißen Häuslein über hat man ein Häuslein mit Stroh gedeckt. Und als wir über die Brucken hinein kummen, sind wir auf der linken Seiten im Viehehof durch ein klein Tor in ein Viehestall geritten und in demselben 34 langen Stall abgesessen. Darnach sind wir aus solchem Stall zu Fuß geführt über ein Schlagbrucken auf die linke Seiten in ein öd Ding, darein ein Gefängnuß ist in eim Gewelb im Turm. In dieser Gefängnuß bin ich gewest siebzehn Tag, bis ich mit der Schatzung gelöst; desgleichen der Henn, bis er nach der Schatzung gezogen. Und in der Gefängnuß hat man mich und den Hennen jeden miteinander und jeden mit eim Fuß eingeschlossen und uns beide zusammenkuppelt. Wenn einer auf ein Ort gerücket, so hat der ander mit hoschen müssen. Und ist ein lausig und flochig Stroh und Heu im Turm gewest, also daß ich vermeint, sollt ich länger gelegen haben, so müßt ich gestorben sein.«

Der Kreß lachte. Auch der Tucher lächelte, und über die düstere Miene des Schreibers huschte es ein wenig heller. »Stimmt,« sagte er, zu den Akten herabgebeugt, durch die Brille lesend. »So hat der Henn auch ausgesagt: in ein Gewelb geführt, darein sie in großer Unlust des Unziefers liegen müssen.«

Der Pürkl fuhr fort: »Und hat man uns alsbald angesprochen umb Schatzung und hart bedroht, uns mit Pein anzugreifen. Haben wir unser Armut und daß wir Handwerkersleut angezeigt und doch zu unser Entledigung gesagt, wir wollen Freund und Feind anrufen um 200 Gulden, uns zu losen. Aber das war ihnen wenig, haben gesagt, sie haben erfahren, daß ich ein Fetter, hab Tuch feil, sei reich, und am ersten 2000 Gulden gefordert. Und mein, wenn sie gewüßt, daß ich eim Rat hie verwandt gewesen, es wär mir nit wohl gangen. Haben wir dann geboten 400 Gulden, aber keine gütige Antwort bekommen mögen, als Händ und Füß abhauen und eim wohlweisen Rat zu schicken. Also ist der Mehrer und ein ander, so ein grün Kappen gehabt, weggeritten, und mögen vielleicht mehr Leut nach ihnen gehabt haben und sein vom Montag danach außen blieben bis über acht Tag, wieder kommen und aber Schatzung begert und uns dahin bedroht, daß wir 600 Gulden geboten. Und alles unser Armut anzeigen hat nit helfen wollen, sondern haben die ersten 2000 Gulden aber gefordert, sind wir im End dahin kommen auf 1200 Gulden. Und vermein, ich hätt auch 35 2000 gesagt, ob ichs gleich nimmermehr im Leben hätt aufbringen mögen, dieweil das Unziefer mich schier an Tod bracht. Als erst haben sie unser Gefängnuß gelindert, mir ein Ketten an ein Bein und dem Henn ein Ketten an ein Arm gelegt und uns nachfolgend oben auf diesen Turm zwo Stiegen hinaufgeführt und uns in ein Stuben gelegt, darin die Fenster verstopft gewest. Der Turm aber ist ein Sibeller Turm und nit hoch, wie die Turmlein im Stadtgraben mochten sein. Unten aber im Gewelb haben wir die Roß hören füttern und oben ein Glocken läuten, aber solch Geläut ist in eim ander Dorf von diesem Schloß gewest, weiß nit, wie weit. Diesselb Schloß hat kein fließend Wasser, sondern ein stehend Wasser und davor ein Wassergraben, der ist aus Pachenstein gemauert und hat davor ein lichten Zaun. Dazwischen und dem Graben ist gar ein schöner Hirß gangen, den haben wir wohl gesehn, und wann die Bauern Gült bracht, haben sie oft von Mörstadt geredt, das haben wir wohl gehört. Item in solchem Schloß ist auch ein alter Narr, der hat zu Zeiten fast sehr geschrien und eine grobe Stimm gehabt. Aber ich weiß nit, wo wir gelegen, auch nit, wer die Reuter sein. Acht nit, daß ein namhaft Edelmann darunter sei, wiewohl der Mehrer unter ihnen ist ein geschickter Reuter. Im Schloß ist allein ein Voit, acht, das Haus gehör den deutschen Herren zu, dann als wir uns geschatzt und die Reuter Schreibzeug gebracht und Papier, da hab ich den Schreibzeug angesehen, ob der nit Wappen oder Wahrzeichen hätt, und daran gefunden, daß ein Schild auf dem Schreibzeug und darin ein Schild also«, er machte Zeichen auf den Tisch, »ein Kreuz. Und im Gewelb oben an dreien Orten haben wir auch solche Zeichen gesehen.«

Der Tucher schüttelte den Kopf.

Der Kreß: »Vom Deutschen Orden ein Raubhus? Das ist wunderlich!«

Der Tucher, die Achseln zuckend: »Heutzutag ist alles möglich. Vieleicht aber ist das Haus verkauft oder verpfändet. Nun sag uns, Schneider, wie haben die Reuter ausgesehen, die Euch gefangen?«

Der Pürkl: »Der Mehrer oder Junker, so es einer gewest, 36 hat geritten ein Fuchs, gemutzt Pferdgemutzt – verstümmelt, d. h. Wallach. mit schlappen Ohren, groß, stark Pferd, und angehabt ein schwarzen, weiten, fliegenden Kittel, ein rote Kappen und ein groben Hut, und in der Kappen die bambergisch Farb, Zotten blau, rot, weiß und gelb. Der ander ein groben Rock und ein grün Kappen und ein groben Hut wie der erst, und geritten ein braun gemutzt Pferd. Der dritt, der ein Knecht, hat ein schwarzen fliegenden Kittel, eine rote Kappen, groben Hut und die Farb wie sein Junker, die bambergisch Farb blau, rot, weiß, gelb, und geritten ein schwarz Langschwanz mit Aftergereit.«

Der Tucher und der Ratsschreiber lasen in früheren Protokollen Beschreibungen von Personen nach.

»Und haben die Reuter nit gesagt, wes Gefangene Ihr wärt?« fragte der Tucher dann.

Der Pürkl: »Wohl, sie haben gesagt, wir müssen sein der Odhammerin und ihrer Tochter gefangen. Es hab ein Schreiber von Nürnberg, heißt der Graff, nit gehalten, was er zugesagt, darumb wollen sie nit mehr trauen, wann ich sie hätt angemut, mich reiten zu lassen nach der Schatzung und meinen Gesellen zu behalten, das sie nit tun wollen.«

Der Ratsschreiber: »Also sinds die gleichen, die den Graff und den Durmeyer bei Rot gefangen.«

Der Tucher: »Wir wollen dann nachschauen. Itzt sag uns noch, wie seid Ihr davon kommen?«

Der Pürkl: »Als sie den Henn ausgeschickt umb die Schatzung, haben sie ihn geführt bei Nacht bei drei Meil Wegs und ihm gesagt: ›Reit auf dem Weg, so kümstu gen Schweinfurt‹. Doch dem Henn einbunden, nichts zu sagen. So er also gen Schweinfurt gekommen, hat er weiter gefragt, bis er hinkommen, doch nit auf Bamberg zu, und ist dem Hennen einbunden, nichts zu sagen, damit man ihn nit aufhalte, und wo er sich offenbare, müß ich sterben. Und haben ihn geheißen, die Schatzung bringen auf ein Städtlein zu, heißt Ebenhausen. Und bei dem Städtlein ist ein Kapellein, heißt zum heiligen Kreuz, ist eine halbe Meil von dann, ist auch nit weit von Schweinfurt, darin soll man auf den Mittwoch warten um 37 Mittag. Daselbst ist hinkommen der, der Edelmann oder Mehrer unter ihnen ist, und der in der grün Kappen. Derweil sie aber, der Henn und die andern, so die Schatzung bracht, mich nit gesehn, haben sie die Schatzung nit ausgeben wollen, also daß die Reuter weggeritten und die Schatzung in der Kapellen lassen verharren. In der Nacht haben sie mich bracht und ein Hinterhut gehabt und ein Feuer ausgeschlagen und Geld gezählt und uns ledig gelassen. Ich acht, daß es drei Meil vom Wasserhaus bis dahin. Darnach haben wir unsern Weg genommen auf Schweinfurt und nachfolgend gen Nürnberg.«

Der Ratsschreiber, in der Aussage des Henn lesend, nickte: »Dergleichen hat der ander auch gesprochen.«

»Nun gut,« sagte der Tucher. »Und wolltest du wohl das Wasserhaus, wo ihr gelegen, wieder finden?«

Der Pürkl nachdenklich: »Ich acht, daß ich es wohl finden sollt mit dem Hennen. Aber, wohlweiser Herr, so mich die Reuter dabei fangen und hören, daß ich da geoffenbart, da möcht meines Lebens nit länger sein.«

Der Tucher: »Es soll dir nichts geschehen, und sollst auch guten Lohn dafür haben, wann du einen Mann dahin führst, daß er das Schloßlein erkenne. Itzt magst du gehn, und so wir dich brauchen, laß ich dichs wissen.«

Der Pürkl: »Und die Schatzung, Erber, Wohlweiser? 600 Gulden hab ich zahlen müssen, die muß mir die Stadt wieder geben, dann ich bin ein armer Handwerksmann und hab kein Fehd mit der Odhamerin. Habs müssen zu Leih nehmen, und muß es zahlen. Wovon soll ich fürder leben?«

Der Tucher seufzend: »Der Rat wirds bedenken und beschließen. Itzt hast du Urlaub.«

»Einen guten Abend, Ihr Herren!« sagte der Schneider mit einer tiefen Verbeugung und ging von den Stadtknechten geleitet hinaus.

Der Tucher erhob sich und begann hinter dem Tisch auf und nieder zu schreiten. »Nun seht nach,« sprach er zum Schreiber, »wie die ausgesehn, die den Graff gefangen.«

Der Schreiber las: »Item der Reuter, so sich Mangold genennt, hat einen gemutzten starken Hengst geritten, 38 Fuchsfarb, der hat auf dem vordern rechten Fuß auf dem Saum ein weiß Plätzlein gehabt. Er hat ein groben Rock okaley Farb, grün zerschnitten Hosen, ein schwarzen Hut und ein Federlein und ein ganz rote Kappen mit gelben Zottlein und daran vier silbrine, vergulte Pilder geführt und kein Harnisch anders dann Panzer und Koller angehabt. Ist ein pauchets Männlein, schön und glatt von Angesicht, falbe Wimpre und gro Augen habende.«

Der Kreß: »Das ist nit der Mangold von Eberstein, der hat sich falsch genennt.«

Der Schreiber: »So hab ich auch gesagt.«

Er blätterte in den Akten zurück. »Da ist des Rumers, genannt Hörauf, Ansag, der hat auf dem Brandenstein lang gelegen, der sagt: Der Edelmann sei ein geroniger (schlanker) Mann, ernstlich mit einer schneidenden Red und wohl beredt. Und so«, er blätterte weiter zurück, »eine Vermerkung über des Ebersteiners Kleidung: grab Rock, rot Kappen mit grün Zottlein und ein Wagen, Wag grün, darein genäht, auch rot Hosen mit der grün Wag.«

Der Tucher: »Wer also hat dann die zwei da, den Pürkl und den Henn, gefangen?«

Der Schreiber: »Ich acht, der Rosenbergischen einer.«

Der Tucher: »Die aber haben kein Schloß bei Mörstadt oder Schweinfurt, sitzen in Uttenhofen, Poxberg und Gnotzberg.«

Der Schreiber: »Der den Gerichtsschreiber Grafen und den Durmeyer, des Grafen Substituten, gefangen, das war nit der Ebersteiner, das war der Kunz von Rosenberg, wie später ward ausgewiesen, und vom Grafen hat der Junker dahier im Wasserhaus geredt, daß er ihm nit Wort gehalten und sich nit getägt.«

Der Kreß: »Aber die Beschreibung ist eines andern.«

Der Schreiber: »Rot weiß gelb Farb tragt der Zeisolf von Rosenberg, des Kunzen Bruder, und reit oft ein Fuchsen mit schlappen Ohren.«

Der Tucher ärgerlich und sorgenvoll: »Bald ist es der, bald jener und zumeist ist nit zu erraten, wer es gewesen. Die ganz fränkisch Ritterschaft ist ein Diebsklüngel, das ganz Reich eine Räuberhöhl worden.« 39

Der Schreiber mit der flachen Hand fast liebevoll über die Akten streichend und mit einem schlauschiefen Blick den Tucher von unten her ansehend, sprach gewichtig: »Laßt mich nur machen, Herr Rat. Ich kriegs Euch nach und nach aufs Haar heraus, wer die Räuber sind, und all ihre Häuser dazu.« Er putzte gemächlich die Brille mit einem großen Nastüchlein. »Es ist nur als ein Geduldspiel mit bunten Steinen. Da hat man einen, da den andern, da ein Stücklein, da ein End und weiß nit, wie sie zusamm gehören mögen. Aber,« er setzte die Brille umständlich wieder auf das Nasenbein und ruckte sie vor den Augen hin und her, »nur Geduld und immerzu vergleichen, was der oder jener angehabt, ob die Kappen rot oder grün, und was Farb Zotten und Zwickeln darein gewest, ob er Schwert oder Kolben getragen, ob einen Fuchsen oder Braun geritten . . .«

»Und bis solches Geduldspiel eine Figur gibt,« fuhr unwirsch der Tucher drein, »ist unser Handel dahin und Nürnberg eine arme Stadt!«

Der Kreß drauf schmunzelnd: »Wegen der paar Schnapphähn muß Nürnberg noch keine arme Stadt werden.«

Der Tucher ernst: »Wegen der paar Schnapphähn? Als ein Ring sind sie mit ihren Raubhäusern umb die Stadt gelagert; trittst du aus unsern Toren, bist du in Feindesland. Bald bei Roth, bald bei Altdorf, bei Erlangen, Bamberg, Schweinfurt wird der Nürnberger angefallen, und hinter Würzburg im Spessart und in der Puchen – da kommt überhaupt gar keiner mehr ungeschoren hindurch.«

Der Kreß: »Nu – und was erwischen sie? Einmal ein paar Wagen, zehnmal einen Schneider. Ich wollt kein Staudenhecht sein, ist ein mühsam Gewerb und ein Würfelspiel, wie das Fangen solcher Gesellen ein Geduldspiel.« Es hatte sich erhoben und stand mit verschränkten Armen vor dem offenen Fenster. »Da geh ich lieber in Sold zu Reichsstädten oder großen Herren.«

Der Kirchhammer drauf in die Akten schauend: »Schlechten Fang, den beklagen die Strauchdegen gar oft, als hier der von Rosenberg, so sich für den Mangolten von Eberstein ausgeben, den Gerichtsschreiber Grafen gescholten: Ey! 40 Der Teufel hat mich mit Schreibern betrogen und mich an eim bessern geirrt! – Und des weitern meint er, die großen Federhansen in den Städten wären lüstig und ihm zu geschickt. Wann sie über Land zugen, nehmen sie zehen oder zwölf Pferd mit ihnen, sie zu begleiten; damit wären sie ihm zu stark, konnte nichzid mit ihnen schaffen, wollte aber Glücks warten, damit sein viel Reiten und Halten nit vergebens wäre.«

Der Tucher: »Wart nur, Christopher, bis sie einmal einen Ratsherrn fangen, was sie da Schatzung begehren werden! Und freilich, vierhundert Gulden oder sechse, das ist nit viel vor Einen; aber du hasts ja gehört, wie ein jeder Bürger die Stadt schuldig macht vor das, was ihm geschehn. Das kommt zusammen, sinds gleich nur Wespenstich.«

Der Ratsschreiber: »Muß die Stadt es zahlen? Was kann die Stadt davor? Den Landfrieden hat der Kaiser zu versehen, der solls zahlen.«

Der Tucher ärgerlich lachend: »Der Kaiser? Und woher nimmt der das Geld? Von den Städten, von den Kaufleuten! Der Kaufmann soll das ganze Reich erhalten, Geld wider die Schnapphähn, Geld wider die Türken aufbringen, und die Wahlkosten und Reichstäg zahlen dazu.«

Der Ratsschreiber: »Item, de jure – ich acht, die Stadt hab keine Pflicht zu zahlen, was ihren Bürgern geraubt wird.«

Der Tucher: »De jure mag sein, de facto forderts der kleine Mann, und wie itzund Stadt und Land voll Aufruhr, was bleibt zu tun, als nachgeben?«

Alle drei schwiegen eine Weile. Der Schreiber Herl bat um Urlaub und empfahl sich. Herr Andreas Tucher schritt gesenkten Hauptes mit den Händen auf dem Rücken hin und her.

»Es muß halt alleweg ein Geleit von Reisigen mitgehen, so die Wagen auf Frankfurt zur Meß oder sonsten auf einen Platz fahren,« begann der Kreß.

»Heiliger Gott!« versetzte der Tucher. »Da muß die Stadt ein Heer halten, wies der Kaiser nit aufbringt. Haben ohnedem alle paar Jahr Krieg mit dem Markgrafen und der 41 Ritterschaft, und hat uns erst der Handel mit dem Götz von Berlichingen genug kost, und ist zu unserm Schaden vertragen worden. Dir wärs freilich recht, so die Stadt noch ein paar tausend Langspießer mehr halten müßt.«

»Freilich wärs mir recht,« lachte der Kreß, »und so ich gnug Leut hätt, und die Stadt mir Exekution schafft vom Reichsregiment, ich höb euch alle Raubnester aus, eh dann ein Jahr vergangen.«.

»Es muß was geschehen,« sprach der Tucher sinnend. »Es ist Not, daß man dem Adel einen Ernst zeige. Die paar Edelleut, die man gefangen und gerichtet, die tun keinen Schrecken mehr. Der Adel wird immer kecker und hält immer besser zusamm. Jedwedes Schloß steht allen offen für Unterschleif, einer hilft dem andern, Vettern und Schwäger sind sie alle mit einander, und leidergotts halten die mehreren Fürsten auch zu den Junkern, die Geistlichen voran.«

Der Kreß: »Man hört, der Kaiser will einen strengen Landfrieden aufrichten und hat den Reichstag schon ausschreiben lassen auf Worms.«

Der Tucher: »Wer weiß, wann der zustand kommt! Derweil verzieht der Kaiser noch in Spanien. Und dann, wer wird den Landfrieden halten und wer ihn ausführen? Im heiligen römischen Reich geht alles gar langsam. Bis da eine Exekution in Schwung kommt, ist der Schuldige lang dahin. Das ist so, als wann die Schildbürger ausziehn, den Wolf zu fangen. Nein, es muß zuvor was geschehn, und die Stadt muß sich selber helfen. Ich habs hin und her erwogen und bin zum Schluß kommen, ich mach mich auf und fahr auf Mainz zum Erzbischof, der hat Macht und ist denen in Franken nit gar grün, und nach Fulda zum Fürstabt, der hat auch oft Unlust von dem fränkischen Adel seiner Güter wegen bei Hammelburg. Die zwei Fürsten möchten uns vielleicht helfen, daß wir die Raubhäuser in der Puchen zumindest, da wo die Helfershelfer der Odhamerin und die sich ihrer ungerechten Forderung annehmen, sitzen, daß wir die von dreien Seiten fassen und etwan ein paar ausheben und verbrennen möchten. Schick ich Boten oder Brief, so kriegt man auch nur wieder Antwort, wie die vom Grafen Jörg zu Wertheim, die uns 42 gar schimpflich gewest. Man muß selber zum Schmied gehen, so der Gaul gut beschlagen sein soll. Und vielleicht kommt der Kaiser nach Worms bis dann und ich kann ihn selber sprechen.«

Es klopfte. Auf das Herein! des Tucher streckte ein junger Bursche den zierlich gelockten Kopf durch die Tür.

»Vater, ob ihr bald fertig seid? Sind schon viel Gäst da,« sagt er.

»Ich komm gleich!« war die barsche Antwort.

»Da möcht ich dir raten,« sprach der Kreß, »bis auf den Winter zu warten. Sommers ist schlimm reisen durch Franken, sind alle Junker auf den Straßen. Im Winter ist mehr Ruh, halten sie sich in den Schlossern. Es sei dann, du nähmst ein starkes Geleit.«

Der Tucher: »Wird ohnehin Herbst werden, bis ich dazu komm.«

Der Schreiber: »Und dann, Herr Endres, lasset nur ja nichts verlauten von solcher Reis, nit auf der Straßen und nit im Haus. Vor allen Euren Leuten macht ein Geheimnis draus. Ich sag Euch, die Junker haben Vertraute überall und verkundschaften gar alles.«

Der Tucher: »Will mich fürsehen. Da tät ich der Stadt einen üblen Dienst, so ich mich fangen ließ. Doch nun kommt, ihr Herren, ich hab ein kleines Fest daheim: wollt ihr mittun, soll es mir eine Freude sein.«

Der Kreß: »Was für ein Fest?«

Der Tucher: »Ach, du weißt, in meinem Garten, den ich an der Stadtmauer hab, will ich ein Häuslein bauen lassen nach neuer italienischer Mod. Nun ist heut der Grundstein gelegt worden, und meine Weiber haben sichs nit wollen nehmen lassen, ein Fest darüber zu machen. Denen ist ja nit wohl ohne Spektakel.«

»Es ist der Frauen Beruf, uns Feste zu bereiten,« versetzte der Kreß. Damit gingen die drei zur Türe hinaus. Auf dem Vorplatz wurden sie vom jungen Tucher und zweien seiner Freunde, einem Ebner und einem Schürstab, schon mit Ungeduld erwartet. 43

 


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