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Thomas Henry Hall Caine.

In unserer, so entsetzlich schnelllebenden Zeit ist gewöhnlich auch das Leben eines Buches arg begrenzt. Das Hasten und Hetzen unserer Generation gibt dem Einzelnen mit wenig glücklichen Ausnahmen nur geringe Muße sich ungestört einer Beschäftigung, einer Erholung zu widmen. Ein Ereignis drängt das andere, ein Geschäft treibt uns zum anderen, an frohe, selbstzufriedene Abgeschiedenheit ist kaum noch zu denken. Wir sind nervös geworden, hysterisch und stumpfen leider oft schnell ab gegen die feinen Empfindungen und Regungen unserer Seele. Genußsüchtig, materialistisch, oberflächlich, nach Sensationellem haschend, das sind die Symptome jener ansteckenden Krankheit des Jahrhunderts, an der wir alle leiden – oder der wir alle mehr oder weniger erliegen; trotz aller Ausnahmen, die auch hier nur die Regel bestätigen. Zum Glück gibt es jedoch auch gegen diese Epidemie Mittel zur Abwehr und zur Heilung. Die immer steigende Flut von Zeitschriften und Zeitungen hilft uns oberflächlich, geistig sozusagen naschhaft, träge und abhängig in unseren Gedanken und Anschauungen zu machen. Die sogenannten Dichter und Dichterlinge unserer Zeit sind Schwachköpfe oder überspannt oder krank an Leib und Seele, oder sie gefallen sich und dem »Publikum« im Schmutz zu wühlen, niedere Leidenschaften zu schildern oder zu erregen, und das Gute, was sie tun könnten, was manche auch zu tun beabsichtigen, verschwindet gegen das entsetzliche Unheil, das sie in den Herzen und Gemütern der Völker anrichten.

Wahre Dichter gibt es leider, so dünkt es uns und wohl ganz mit Recht, nur wenige heutzutage; wir sind oft auf die Klassiker angewiesen.

Daß wir nun aber nicht immer nur uns an die Geistesheroen vergangener Zeiten halten, daß wir auch der Gegenwart ihr Recht werden lassen, und daß wir uns den wirklichen, gottbegnadeten Dichtern unserer Tage zuwenden, das ist nicht nur recht und billig, nein, das ist auch unsere Pflicht. Wir sollen doch auf der Vorzeit mit der Gegenwart für die Zukunft leben, und da müssen wir auch unsere Geisteshelden kennen und würdigen. An enge Grenzen sind wir weniger und weniger gebunden, der Geist, der in uns lebt und niemals stirbt, geht über alle Welt, und seine guten Früchte sollen wir suchen und nehmen, wo auch immer wir sie finden mögen. Der Fortschritt unserer Zeit macht es uns immer leichter, und wir wären undankbar und verstockt, wollten wir davon nicht Gebrauch machen.

Unter den wirklich großen Dichtern und Geistesheroen unserer Zeit nun und unter denen aller Zeiten und Völker nimmt der Verfasser dieses Buches einen hohen, einen Ehren-Platz ein. Ein Meister der Sprache, machtvoll an Geist, Herz und Gemüt, voll von Leben, beseelt von dem aufrichtigen Wunsche zu nützen, zu helfen, aufzurichten, zu raten und zu trösten, begnadet mit göttlicher Gabe tiefer Menschen- und Lebenskenntnis, ernsthaft und immer bedacht, sein Bestes zu geben im vollen Bewußtsein seiner unendlichen Verantwortung und seiner großen Mission, das ist Hall Caine.

Thomas Henry Hall Caine Sprich Haoll Keen. ist ein Kind jener kleinen Welt in der irischen See, der Isle of Man. Wenn er auch nicht dort geboren war, so lebten doch seine Vorfahren lange Jahrhunderte dort, und sein Vater sah das Licht der Welt in jener kleinen Fischerhütte unten am Strande, zu Füßen von Schloß Greeba, das jetzt der Sitz des Sohnes ist. Seiner Mutter Sippe war nordischen Ursprungs, sein Vater ein echter, rechter Kelte. Beide hatten hart zu arbeiten; sie gehörten dem gesunden, kernigen Stamm des Volkes an. Daß in ihnen aber der erbliche Keim besonderer Geistesgaben ruhte, das sollte uns die Bedeutung ihrer Kinder zeigen; denn nicht nur ihr Sohn Thomas Henry (Hall war der Mutter Mädchenname), sondern auch die Tochter, Lily, und der andere Sohn, Ralph, haben Bedeutung gewonnen, die Tochter auf der Bühne, und Ralph als fesselnder, begabter Schriftsteller. Nordischer Ursprung läßt sich jetzt auch noch in den klaren, gut entwickelten Gesichtszügen und dem ehemals rötlichen Haupt- und Barthaar erkennen, ebenso in der Körperform, die unwillkürlich den Eindruck erblicher Widerstandskraft und Zähigkeit macht, wenn auch Hall Caine selbst keinesfalls ein großer, starker Mann genannt werden kann. Sein Geist ist voll von den Sagas und Sängen und der Phantasie der alten Kelten; und wenn man den großen Kopf mit den scharfen Zügen, dem zurückliegenden Haar, der hohen, breiten, glatten Stirn, den warmen, klugen, scharfen Augen, in denen ein lebendiges Feuer brennt, und mit dem, um ein schmaler werdendes Gesicht spitz zugeschnittenen Bart betrachtet, so ist man sofort betroffen von der auffallenden Ähnlichkeit mit den uns am besten bekannten Bildnissen Shakespeares.

Der alte Caine war zuerst Hufschmied zu Ramsey, bis er später Arbeit beim Schiffsbau in Liverpool fand, und er wohnte zur Zeit von Thomas Henrys Geburt am 14. Mai 1853 zu Runcorn in Lancashire, einer recht wenig romantischen Stadt. Zehn Tage nach der Geburt ging die Familie nach Liverpool, und schon als ganz junges Kind kam Thomas Henry in seines Großvaters kleines Gutshaus »Ballavolley«, Ballaugh im Norden der Isle of Man. Daher sind auch seine ersten Erinnerungen, die ja immer im Leben eines jeden Menschen eine große, wenn auch oft unbewußte Rolle spielen, mit dem Manxland verknüpft, und haben sich die Weisen und Eigentümlichkeiten gerade dieser schönen Inselwelt in die junge, freie Kinderseele eingegraben. Es ist drum auch dem Manne, selbst auf der Höhe seines Ruhmes trotz weiter Reisen durch die schönsten Städte und wundervollsten Länder der Welt, durch Amerika, Italien, Rußland, Island, Frankreich, Schweiz, Marokko, nichts so schön, so eigenartig, so lieb und traut, wie diese kleine Insel, deren Erde ihn und seine Vorfahren genährt hat, und in der er jetzt als Landbesitzer eine Stellung einnimmt, wie vor Zeiten zum Teil seine Vorfahren. Eine Reihe großer Güter gehören dem Herrn von Greeba Castle, von denen eins sein Vater verwaltete, und der Heimatinsel sich ganz zu widmen ist wohl sein stiller Wunsch.

Jeder Besucher wird sich dieses schwer zu erklärenden Reizes bewußt, der ihn dann durchs ganze Leben verfolgt. Die Schönheit, die Frische, der Duft der Luft selbst sind so eigenartig; die Höhen von Snaefell und Baroule, die Glens von Sulby und Dhoon sind wie durchdrungen von diesem geheimnisvollen Wesen. Und was den Reiz so ungemein erhöht, das ist das Gefühl in einer in sich und für sich schaffenden und lebenden, kleinen Nation zu sein, deren Traditionen Jahrtausende weit zurückgehen, deren alte Sagen und Lieder die Luft erfüllen, deren Stärke und Schwächen, deren Herz sozusagen auf ihrem Antlitz stehen.

Die alte Großmutter mußte dem früh aufgeweckten Jungen all die alten Volksmärchen von Gnomen und Feen, Königen und Rittern, guten und bösen Bischöfen und Gutsherren und Handelsleuten erzählen, abends beim flackernden Torffeuer, wenn die Nacht das Land zu Füßen des Hauses dem Blick verhüllte, wenn Regen aufs Strohdach tropfte und der Wind in den Bäumen rauschte.

Das erste Buch, dessen sich Hall Caine erinnert gelesen zu haben, behandelte die Reformation und Luther, Melanchthon und andere Männer, für deren Schaffen sich das jugendliche Gemüt begeisterte. Schon frühzeitig lernte er, wie herrlich, wie nötig es sei, an seine Nächsten zu denken, für sie zu streben, an sich selbst zu arbeiten, um anderen nützen zu können; wie schön die Welt ist und wie gütig Gott der Allmächtige. Für die wilden Jugendspiele, für das, was wir jetzt Sport nennen, war der Junge nie zu haben; er zog Bücher vor, besonders auch populäre Theologie, Geschichte, Folklore und Parlamentsreden. Die Schulzeit begann auf Man und wurde vom zehnten Jahre an in Liverpool fortgesetzt. Sie war nicht zu lang, er machte sich aber einige seiner Kameraden, später bedeutende Männer, ebenso wie Lehrer durch sein Wesen und seine Tätigkeit zu lebenslänglichen Freunden. Mit dreizehn Jahren vollendete der Autor des »Verlorenen Sohn« sein erstes Werk – es war klein und verriet nicht den zukünftigen großen, beliebtesten Schriftsteller seiner Zeit, es war – eine Karte Englands für ein Schulbuch, das sein Lehrer geschrieben hatte. Mit vierzehn kam Hall Caine in die Lehre zu einem Landvermesser und Verwalter. Später ging er als Assistent zu einem Baumeister, und während dieser Zeit traten, trotzdem er seine geschäftlichen Pflichten nicht vernachlässigte, seine literarischen Anlagen und Bestrebungen mehr und mehr hervor und nahmen den Hauptplatz in seinem ganzen Leben ein.

Er wurde zunächst ein beliebter, begeisterter und begeisternder Redner vor Versammlungen von Leuten aller Klassen und vor Arbeitern, im Anfang meistens in Verbindung mit der Baptistenkirche in Myrtle Street in Liverpool, und vor allem über soziale oder literarische Themata. Als er sechzehn Jahre alt war, erschienen im Mona Herald seine ersten journalistischen Arbeiten, in denen sich schon neben dem großen Literaten der nie erschlaffende, ungemein gründliche und außergewöhnlich begabte Forscher der religiösen und sozialen Verhältnisse der Völker und der menschlichen Natur offenbarte, wie wir es in immer steigendem Maße in seinen großen Romanen, im »Manxman«, »Bondman (Leibeigene)«, »Sündenbock«, in der »Ewigen Stadt« und am gewaltigsten wieder im »Verlorenen Sohn« sehen.

Diese Artikel und Vorträge waren von Versuchen in Poesie und von Plänen in bezug auf die Gründung von literarischen Zeitschriften begleitet. Die Zeitschriften (»Stray Leaves«, und »The Rambler Magazine«) hatten aber nur sehr kurzen Bestand, was den jungen Mann wohl enttäuschte, aber nicht entmutigte. Er arbeitete fleißig weiter, studierte Shakespeare und andere Klassiker, las soviel er nur konnte und wurde Mitarbeiter am Liverpooler »Town Crier« und »Argus«. Immer und überall fanden seine Arbeiten willige Abnehmer, er gewann täglich neue Freunde, so zum Beispiel Ruskin, Matthew Arnold, Lord Houghton, Henry Bright und andere Berühmtheiten, und seine Beliebtheit stieg stetig. Poesie und das Drama wurden sein Ehrgeiz neben journalistischer Tätigkeit.

Sehr bedeutungsvoll wurde es für ihn, daß er im Jahre 1878 die Gedichte Dante Gabriel Rossettis kennen lernte, die ihn dauernd beeinflußten und die ihm schließlich zu der für seine literarische Entwicklung so ungemein wichtigen Bekanntschaft und Freundschaft mit diesem feinsinnigen Geiste verhalfen. Im Juli 1879 schrieb Rossetti, schon damals schwer leidend und nur noch ein flackerndes Licht, das doch noch oft zu hellen Flammen aufstrahlte, seinen ersten Brief an Caine. Er bezog sich auf einen sehr erfolgreichen Vortrag über Rossetti und sein Werk, und schließlich folgte Hall Caine Rossettis Aufforderung zu ihm zu kommen. Im Jahre 1886 zog Hall Caine aus Cumberland, wo er sich ausruhen wollte, zu ihm und war sein junger Genosse und Pfleger, bis der große Maler und Dichter in seinen Armen in Birchington-on-Sea 1882 verschied. Einen Teil dieser zwei Jahre verlebten beide in Chelsea-London, einen anderen Teil in Weltabgeschiedenheit in Cumberland, wo Hall Caine die schwere Verantwortung, den geistig mehr und mehr sinkenden Rossetti zu pflegen, besonders fühlte.

Rossetti war für Hall Caine ein väterlicher Freund und Berater geworden und hatte ihm viel gute Ratschläge gegeben, die der junge Schriftsteller dankerfüllt und getragen von enthusiastischer Bewunderung zu seinem Vorteil auch befolgte. Rossetti hatte ihm den rechten Weg gezeigt, er hatte richtig erkannt, wo Caines Stärke und Zukunft lag: in aufrichtig ernsthafter, von edler Leidenschaft und hohen Zielen getragener Prosa, in der er seine reifende Meisterschaft der Sprache und Seelenkenntnis und seine Macht, zu den Herzen von Millionen zu sprechen, zur Geltung bringen konnte.

Nach Rossettis Tode veröffentlichte Hall Caine zunächst seine » Recollections of Rossetti« und widmete sich dann für achtzehn Monate eifrig journalistischen Arbeiten. Schließlich zog er sich jung verheiratet nach dem lieblichen Sandown in der Insel Wight zurück, um dort seinen ersten Roman zu Papier zu bringen, den er schon lange geplant und den er schon mit Rossetti eingehend besprochen hatte. Wie der Autor selbst zugab, war es ein hartes Stück Arbeit, es kostete ihm viel Herzblut und saure Stunden, manchen Tropfen Schweißes trieben ihm Seite auf Seite auf die Stirn. Er setzte sein ganzes Können ein, seine ganze Kraft; Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit haben ihn ja immer ausgezeichnet. Als das Manuskript fertig war, und Freunde ihm empfahlen es umzuarbeiten, war er nicht entmutigt; er zerstörte den größten Teil und begann von neuem. Und nochmals dasselbe Los: jetzt riet ihm John Lovell, der bedeutende Herausgeber des Liverpool Mercury, die Umarbeitung an; nochmals schrieb er den größten Teil von neuem, dann aber fand er auch sofort einen Verleger und » The Shadow of a Crime«, das Erstlingswerk des großen Romancier, war ein entschiedener Erfolg und legte einen tiefen, weiten Grund zu Hall Caines Ruhm, der sich jetzt über die ganze Welt erstreckt. Pekuniär war für den Autor der Erfolg freilich nicht enorm und er mußte sich wieder seiner Tätigkeit als Journalist und als literarischer Beirat zuwenden. Inzwischen arbeitete er aber ebenso gewissenhaft und keine Mühe schonend an seinem nächsten Romane, den er 1886 beendete; jedoch brachte » A Son of Hagar« Hall Caine nur wenig neuen Ruhm. Der Hauptgewinn für ihn war die Freundschaft R. D. Blackmores. Im gleichen Jahre vollendete er seine Biographie Coleridges, die ihn als einen der feinsinnigsten und sorgfältigsten Kritiker bekannt machte.

Hall Caine fing nun an etwas zu schwanken, ob Rossetti recht gehabt hatte, ob er sich wirklich dem Roman widmen sollte. Er entschied sich einen dritten und letzten großen Versuch zu machen, und er tat weise daran. Nach sechs Monaten harter Arbeit, wie wenn es sein erstes Werk gewesen wäre, war » The Deemster« druckfertig, in dem jede Seite den Genius offenbarte, und mit diesem großen Erfolge stieg der Autor sofort auf in die ersten Reihen der größten Schriftsteller aller Zeiten und Völker, deren Werke dauernden Wert behalten. Von da an ging es schnell und stetig bergan. Am 14. Mai 1888 wurde im Princeß Theatre in London sein erstes Drama aufgeführt: » Ben-My-Chree« (manxisch, auf deutsch: »mein Herzensmädchen«), das vor allem in den Provinzen und in Amerika großen Erfolg hatte.

Seine anderen Werke folgten dann stetig und ohne Überhastung, wie wir es in der unten folgenden Bibliographie sehen. Gewissenhaft wie Hall Caine immer gewesen ist, studierte er alles, was mit seinen Werken in Verbindung kam, aufs eingehendste und an Ort und Stelle, selbst bis zum persönlichen Unterrichten taubstummer Maurenknaben in Marokko und bis zur Geschichte taub und blind geborener Kinder. Wie wenige andere, große Schriftsteller ist er ein glänzender Schilderer der Natur; er hat ein ungemein feines Empfinden, einen wortreichen Sprachschatz und die Gabe, seine Empfindungen und Gefühle so auszudrücken, daß sie, von tiefstem, aufrichtigstem Herzen kommend, tief zu Herzen dringen bei hoch und niedrig, jung und alt, Mann und Frau. Seiner Romane wegen bereiste und lebte er längere Zeit mit Frau und Kind in Island (1889), dann in Marokko und in Rom. Sein Heim hatte er 1889 noch in Aberleigh Lodge, Bexley Heath, Kent, ehe er im selben Jahre nach dem geliebten Cumberland zog, nach Castlerigh Cottage, Keswick. Erst einige Jahre später siedelte er von dort ganz nach der Isle of Man, in die alte Heimat, über. Beliebt und hochgeschätzt, wie er in aller Welt, besonders in England ist, so ist er ein Abgott seines Volkes im engeren Sinn: der Bewohner der Insel Man, in deren Mitte er seit 1894 Greeba Castle bewohnt, wenn er nicht auf Reisen ist. 1892 ging er auf Einladung der Russischen Judenkommission nach Rußland zum Studium der Lage der russischen Juden und der Judenverfolgungen, die nach seinen Erfahrungen jedoch weniger aus religiösen als vielmehr aus ökonomischen Motiven entsprangen. 1895 reiste er nach Kanada und machte sich um die Verlags- und Autorenrechtsgesetzgebung verdient. Seine zweite Reise nach Amerika im Jahre 1898 galt den Vereinigten Staaten und besonders der Aufführung des »The Christian«, seines zweiten Dramas, das weniger Erfolg in London gehabt hatte, dagegen in Amerika mit einem langanhaltenden Sturm des Enthusiasmus und Beifalls aufgenommen wurde. Ein Besuch von Greeba Castle gehört seitdem noch heute mit ins Programm eines jeden, sich selbst achtenden Amerikaners, der die »große Tour« macht. Besonders mit Ehrfurcht wird dann immer von den guten Leuten in Greeba den Fremden Hall Caines Arbeitsraum gezeigt: ein altes Bauernhaus, das etwas oberhalb des Schlosses liegt und das im Innern in einen einzigen, großen Raum umgewandelt worden ist, in dem unser Dichter ungestört arbeiten kann.

Hall Caine überstürzt sich nicht, wenn er auch eine sehr flinke, gefügige Feder führt; er arbeitet systematisch und, wie öfter gesagt, mit nie ermüdender Gründlichkeit. Er ist sich gewiß seiner Fähigkeiten bewußt, aber gerade deshalb ist er besonders peinlich sein Bestes einzusetzen und zu geben. Er betrachtet sein Werk als eine hohe Mission und er führt es in diesem überzeugungsvollen Bewußtsein aus. Je mehr sein Ruhm gestiegen ist, je mehr seine Werke gelesen werden, je mehr weiß er, welchen Schaden er mit unrechtem Worte, unausgereiften Ansichten und Ideen der Menschheit tun würde. Und deshalb hat er sich stets gehütet viel zu schreiben, ist stets bereit gewesen zu lernen, Rat zu hören und sich überzeugen zu lassen. So hat ihm zum Beispiel »Die Ewige Stadt« jahrelange, angestrengte Arbeit gekostet, so hat er auf den »Verlorenen Sohn« Jahre von Denken und Forschen und Sinnen verbracht. Seit Jahren zum Beispiel hält er ein Manuskript für ein »Leben Christi« in seinem Pult und kann sich noch nicht entschließen, es zu veröffentlichen; es ist ihm noch nicht reif genug, und er weiß, daß Millionen es lesen und sich davon beeinflussen lassen werden, wenn es einmal erscheinen sollte. Welche Verantwortung!

Was sein nächstes Werk sein wird, darüber ist er sich selbst noch im unklaren. Zunächst will er sich unter seinen Landsleuten, die ihn wieder bei seiner letzten Rückkehr wie schon früher im Triumph empfangen haben, ausruhen, um von neuem sein ganzes, von Gott begnadetes Können einzusetzen.

Eine Dramatisierung des »Verlorenen Sohn« ist zu erwarten, es ist aber anzunehmen, daß Hall Caine im großen Ganzen beim Roman verbleiben wird; es ist dies sein eigentliches Feld, und er ist es seinen Mitmenschen schuldig. Nur bei wenig Schriftstellern läßt sich soviel Sympathisches, soviel Mitgefühl mit der Menschheit, soviel wahre Menschenkenntnis, soviel seelenvoller Ausdruck, und so eine Macht der Sprache finden wie bei Thomas Henry Hall Caine.

London, 23. Oktober 1904.
H. A. L. Degener.

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Bibliographie

Druck von August Pries in Leipzig.

 


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