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So kam der Spätherbst, ich ließ Pflanzen und Bäume in die Gewächshäuser einräumen, und wenn ich dabei die schon halb verwüsteten Blumenbeete betrachtete, so dachte ich mit wahrer Traurigkeit an den Winter, wo hier der weiße Schnee liegen würde, wo dort droben im Hause kein Fenster mehr geöffnet sei und also auch kein Gesang in den Garten dringen könne. Dann hatte ich begreiflicherweise nicht viel da oben zu thun, und wenn mich auch die Gewächshäuser manche Stunde beschäftigten, so kam sie doch nicht mehr in den Garten, an der, ich gestehe es offenherzig, schon damals beinahe unbewußt mein ganzes Herz hing. Sie war die schönste der Blumen.
Zuweilen hatten wir noch heitere warme Tage, und an einem derselben saß Fräulein Elise in der Nähe des kleinen Springbrunnens, hatte den Kopf in die Hand gestützt und horchte, recht traurig, so schien es mir, wie sie aber öfters zu sein pflegte, auf das Plätschern des Wassers. Hie und da fielen dürre Blätter von den Bäumen, und wenn dieselben auf dem andern gelben Laub am Boden raschelten, so horchte sie auf, und dann flog ein recht trübes Lächeln über ihr schönes Gesichtchen. Auch sie dachte an den Winter, aber ganz anders als ich. Auch sie fühlte wohl, daß es Herbst würde, und daß sie Abschied nehmen müsse von der frischen und feinen Natur und dem Dufte der zahlreichen Blumen und daß auch für sie die Zeit des Winters käme, welche ihr, der armen Blinden, gewiß doppelt hart sein mußte.
Unterdessen war der Herr Hauptmann in den Garten getreten, ich hatte ihn schon vor kurzer Zeit in Uniform aus der Citadelle kommen sehen, er war aber in's Haus gegangen und kam jetzt von dort her in seinem grauen Sommerrocke, den Strohhut auf dem Kopfe, mit einer brennenden Cigarre, deren Duft er mit sichtlichem Behagen in die frische Herbstluft hinausblies; auch sang er halblaut vor sich hin, was nicht allzuhäufig bei ihm vorkam. Als er in der Entfernung vor mir vorüberschritt, gegen seine Tochter hin, rief er mir zu: »Sie sind ja ungeheuer fleißig gewesen, Wortmann!« Ich ließ nämlich gerade die kleine Orangerie einräumen und war fast damit fertig. »Wenn Sie vielleicht einen Augenblick abkommen können, so lassen Sie sich hier bei uns sehen.«
Hinter dem Hauptmann kam das Dienstmädchen aus dem Hause und trug einige Früchte, weißes Brod und eine Flasche Wein mit Gläsern in den Garten, welches sie Alles auf das Tischchen vor Fräulein Elisen niedersetzte.
Auch ich säumte nicht, mich da einzufinden; der Herr Hauptmann war sehr freundlich, wies auf einen Stuhl und bot mir eine Cigarre an, was er noch nie gethan. Als er mir dieselbe gab und ich mich ehrfurchtsvoll weigerte, sie anzunehmen, blickte Fräulein Elise in die Höhe, und auf ihrem Gesichte drückte sich ein kleines Erstaunen aus. Als ich meine Cigarre angezündet hatte, mußte ich mich niedersetzen und bekam ein Glas Wein. Wir sprachen über dies und das, über den Herbst, über Gewächshäuser und Frühbeete, auf einmal sagte der Herr Hauptmann, wohl anfänglich lächelnd, dann aber mit einem so ernsten Tone, daß ich ordentlich zusammenschrak: »Wissen Sie auch, Wortmann, daß Sie ein Heimlichthuer sind, ein tückischer, abgeschlossener Mensch?«
»Ich, Herr Hauptmann?« stotterte ich, in der That auf's Höchste erschreckt, »ich weiß wirklich nicht, was ich mir zu Schulden kommen ließ.«
Fräulein Elise war bei der seltsamen Rede ihres Vaters roth geworden und blickte stille vor sich nieder auf den Teller.
»Kannst du dir wohl denken,« fuhr er nun fort, gegen seine Tochter gewendet, »was dieser Feuerwerker Wortmann treibt. Ich habe ihm eine englische und französische Grammatik gegeben und ich denke nun, er wird mich eines Tags um Rath fragen, wie er es anfangen müsse, um die beiden Sprachen gründlich zu erlernen. Gott bewahre! Da geht er hin, sucht sich einen Lehrer und treibt das Alles im Geheimen. Ist das nicht ein heimtückischer Mensch?«
Als mein Chef so sprach, konnte ich mich nicht enthalten, verstohlen das junge Mädchen anzusehen. Gott! und wenn ich mich nicht täuschte, aber man täuscht sich so leicht in dergleichen, so lächelte sie freundlich. Natürlicherweise sagte ich zu meiner Entschuldigung, ich hätte mich nicht unterstehen wollen, den Herrn Hauptmann mit dergleichen Kleinigkeiten zu behelligen; »ja,« setzte ich verlegen hinzu, »es würde mir auch das höchste Glück gewesen sein, auf einmal dem Herrn Hauptmann sagen zu können, das und das habe ich gelernt, aber,« setzte ich hinzu, »ich bin noch sehr weit zurück.«
»Das wollen wir morgen früh sehen,« erwiederte er mir lachend. »Morgen ist es Sonntag und nach der Kirche sind Sie zum Sprachexamen kommandirt. Fällt das nach Wunsch aus, so dürfen Sie bei mir zu Mittag essen.«
Wer war glücklicher als ich! War der Wein so berauschend oder die Cigarre so stark, genug, als ich mich dankend entfernte, taumelte ich ordentlich auf dem breiten Wege dahin und war dabei so blaß, daß mich mein Bombardier fragte, ob mir etwas Unangenehmes zugestoßen sei?
Den andern Tag fand ich mich erwartungsvoll bei meinem Examen ein. Daß Fräulein Elise dabei saß, machte mich anfänglich über alle Maßen verlegen, doch mußte der Herr Hauptmann mit mir zufrieden sein, denn, als wir fertig waren, sagte er zu seinem Bedienten: »Man solle drei Couverts auflegen, der Feuerwerker Wortmann ißt bei uns.«
Der machte große Augen.
Den Unterricht mit meinem alten Sprachlehrer setzte ich nun eifriger als je fort, ja ich fing bald darauf bei einem andern das Lateinische wieder an und brachte es durch eisernen Fleiß so weit, daß ich in nicht gar zu langer Zeit meinen Cornelius Nepos gehörig verstand.
Unterdessen bedeckte der Schnee die Wälle und Graben der Citadelle und unsern kleinen reizenden Garten. Der Premierlieutenant konnte nun die Kompagnie keinen strengen Dienst thun lassen und so hatte ich Zeit genug, mich mit all den Wissenschaften wieder zu beschäftigen, die ich seit meinem verunglückten Examen ziemlich vernachlässigt.
Der Hauptmann v. Walter hatte mich liebgewonnen, das sah ich. Er war mehr mein väterlicher Freund, als mein Vorgesetzter. Um seinen Gewächshäusern bei Tag und Nacht näher zu sein, hatte er mir auf der kleinen Orangerie zwei Zimmer eingeräumt, und daneben war noch ein anderes, wo die vier besten Leute meiner Korporalschaft wohnten, was des beständigen Heizens und Lüftens wegen nothwendig war. Auch hatte er mir eine förmliche kleine Bibliothek geliehen, und in den langen Winterabenden war ich so unbeschreiblich glücklich, häufig in sein Wohnzimmer kommen zu dürfen, wo ja auch Fräulein Elise war, und wo er uns förmliche Vorträge über Geschichte und Geographie hielt. Oefters mußte ich vorlesen, deutsch, französisch oder englisch, und das kam später dann auch wohl vor, wenn er am Tage ausgegangen war und sich Elise mit ihrem Dienstmädchen allein in ihrem Zimmer befand. Ach! für die Aermste gab es ja keinen Tag und keine Nacht, und die ewige Finsterniß, welche sie umgab, war wohl hauptsächlich Schuld daran, daß sie so liebevoll, freundlich und dankbar zuhörte, wenn ich ihr vorlas. Dabei las ich mich aber förmlich um meine Ruhe, und wenn ich, wie Elise so freundlich war, zu sagen, gut las, so kam das wohl hauptsächlich daher, weil ich das Gefühl, welches ich für sie im Herzen trug, in meine Worte ausströmen ließ.
Dabei mußte ich mich aber sehr zusammennehmen, denn ein Blick, ein Wort konnte mich aus der Fassung bringen, und ich dann roth werden, wie es sich eigentlich nicht für einen Feuerwerker schickte. So weiß ich, daß eines Tages der Herr Hauptmann zurückkam, und freundlich sagte: »Nun, Kinder, was habt ihr gelesen?« Dies Wort machte mich so verlegen, und trieb mir das Blut so stark in's Gesicht, daß ich mich vor mir selber schämte, so daß ich nachher, als ich allein war, mich heftig ausschalt.
Eines Tages, es fing schon an, Frühjahr zu werden, der Schnee war geschmolzen, von den Bastionen herab floß das Wasser in kleinen grauen Bächen in die Gräben und über die Ebene strömte zuweilen ein ahnungsvoller warmer Windhauch, so daß Fräulein Elise ihre Fenster häufig öffnen konnte, ließ mich der Herr Hauptmann in sein Zimmer rufen und gab mir einen Brief meines Vaters, der, wie er sagte, durch Einschluß an ihn gekommen sei. Vater Wortmann schrieb mir in seiner gewohnten Kürze, daß sich die ganze Familie wohl befinde, und daß es ihn außerordentlich freue, mich in einer so vortrefflichen Kompagnie zu wissen, daß er sich aber namentlich auf's Höchste geehrt fühle durch den Entschluß meines Herrn Hauptmanns, für meine Zukunft so glänzend sorgen zu wollen.
Nachdem ich das gelesen, sowie das nie fehlende Postscriptum meiner Mutter, welche mir schrieb, daß meine älteste Schwester die Braut des weisen Vogels sei, der ein hübsches kleines Landgut geerbt, blickte ich fragend meinen Hauptmann an, da ich das, was mein Vater von meiner glänzenden Zukunft sagte, nicht verstand. Es durchzuckte mich wohl ein süßer Gedanke, aber der war ja so thöricht, daß ich ihn gleich wieder verwarf.
Der Hauptmann ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, dann blieb er vor mir stehen und sagte: »Sehen Sie, mein lieber Wortmann, ich habe allerdings an Ihre Zukunft gedacht, und Ihrem Vater geschrieben, ob er mir völlig freie Hand über Sie lassen will. Zu gleicher Zeit gestehe ich Ihnen offenherzig, daß ich mich durch meinen Freund, den Generalsteuerdirektor, nach Ihrer Familie erkundigte; dessen Antwort ist vollkommen befriedigend ausgefallen, was mich außerordentlich freut. Offizier können und wollen Sie nicht werden. Sie sind jung, haben einen guten Kopf, auch schon recht viel gelernt, deßhalb will ich Ihnen einen Vorschlag machen: Ich habe schon die nöthigen Schritte gethan, Sie als Zögling erster Klasse in die Forstakademie nach C. zu bringen. Dort können Sie Ihre landwirthschaftlichen Studien fortsetzen, sie beendigen und haben dann später die Wahl, ob Sie irgend ein Gut bewirthschaften wollen oder in das Forstfach übergehen. Wenn Sie fleißig sind und Ihre Aufführung tadellos bleibt, wie bisher, so werde ich, nachdem Sie Ihre Studien beendigt, mit wahrer Freude auch später für Sie sorgen.«
Ich stand sprachlos da über das ungeheure Glück, welches sich meinen Augen zeigte. Eine Forstakademie besuchen, ein vollkommener Landwirth werden, darin hatten von jeher meine kühnsten Wünsche bestanden, aber wie konnte ich an so etwas denken? Ich war mittellos und die Studien, die ich noch zu machen hatte, sehr kostspielig.
Als ich mich einigermaßen gefaßt, schämte ich mich durchaus nicht, meinem freundlichen Wohlthäter mit Thränen in den Augen zu danken. Er drückte mir freundlich die Hand und sprach liebevoll zu mir, wie ein Vater zu seinem Sohne. So stattete er mich auch in jeder Hinsicht aus, und als nach wenigen Wochen der Augenblick gekommen war, wo ich von der Kompagnie im Allgemeinen, von meiner Korporalschaft insbesondere, vom Feldwebel und der lieben, lieben Citadelle Abschied nahm und nun zum letztenmale vor den Herrn Hauptmann und Elise trat, war der alte Herr selbst außerordentlich gerührt, und als ich ihm weinend wie ein Kind wiederholt auf's Herzlichste dankte, sagte er mit feuchten Augen lächelnd: »Seien Sie ruhig, lieber Wortmann, ich bin ein Egoist. Was ich vielleicht an Ihnen thue, ist ein Kapital, von dem ich dereinst schöne Zinsen erwarte.«
Und Elise! –
Sie reichte mir zum Abschied ihre beiden lieben Hände, die ich mich nicht enthalten konnte, innig zu küssen und dabei war ich so überaus glücklich, einen leisen, leisen Druck derselben zu empfinden.
Hiermit ist eigentlich die Geschichte des Feuerwerkers Wortmann, die ich dem geneigten Leser versprochen, zu Ende; denn Uniform und Titel und auch sonst noch Manches ließ ich in der Citadelle zurück, um aber gegen die, welche vielleicht Antheil an meinem Schicksal genommen, nicht undankbar zu sein, will ich noch hinzufügen, daß ich drei Jahre auf der Forstakademie blieb, daß ich auch recht fleißig war und endlich mit Zeugnissen entlassen wurde, die mich nicht nur zu einer höheren Forststelle berechtigten, sondern mir sogar gestatteten, mich zu einer Lehrerstelle bei einer der landwirthschaftlichen Anstalten des Staates zu melden, und diese letztere Aussicht machte mich ganz unbeschreiblich glücklich; denn mein Wohlthäter, mit dem ich begreiflicherweise viel korrespondirte, hatte mir vor einem halben Jahre brieflich angezeigt, er habe sich endlich entschlossen, seine liebe Citadelle zu verlassen und zwar, weil ihm durch die Gnade Seiner Majestät das Direktorium einer der größten landwirthschaftlichen Anstalten des Landes übertragen worden sei. – Das hatte mich innig gefreut, aber schmerzlich hatte es mich berührt, daß er zu gleicher Zeit von einem andern erfreulichen und wichtigen Ereignisse seiner Familie schrieb. Gewiß hatte sich ein Bewerber um Elise gefunden, das sagte mir mein Herz tausendmal und machte mich recht, recht traurig.
Der Weg von der Forstakademie zum nunmehrigen Aufenthalte meines ehemaligen Chefs, der mir befohlen, sogleich zu kommen, führte über die kleine Festung I., und Herr v. Walter hatte mir geschrieben, ich solle mich auf dem ehemaligen Schauplatz unserer Thaten ein bißchen umsehen. Daß er hinzusetzte: »Man muß sich an den Wechsel alles Irdischen gewöhnen,« begriff ich damals nicht recht.
Ich erreichte die Festung an einem schönen Frühlingsmorgen, diesmal zu Wagen und vom Postgebäude ging ich gleich nach der Citadelle. Der Unteroffizier am Thor war mir ein völlig fremdes Gesicht; ebenso der Feldwebel, bei dem ich um Erlaubniß bat, die Werke sehen zu dürfen. – Und diese Werke, wie waren sie verwandelt! Mir war zu Muthe, als sei hier früher ein Zaubergrund gewesen, der mit dem Verlassen des guten Genius wieder seine traurige ehemalige Gestalt annahm. Verschwunden waren Felder, Anlagen und Gärten; auf sämmtlichen Bastionen standen die stillen verdrießlichen Geschütze, von unserem ehemaligen Garten war keine Spur mehr zu sehen und wo unsere Blumen geblüht, vor dem kleinen Kommandanturgebäude, war jetzt ein nüchterner glatter Kiesplatz, wo nach Zählen Rechts- und Linksum gemacht wurde, eine für Körper und Geist gleich angenehme Beschäftigung, der übrigens der jetzige kommandirende Artillerie-Kapitän mit großer Befriedigung zuschaute. Es war das eine lange dürre Gestalt mit sehr gebogener Nase und tief herabfallendem blondem Schnurrbart. Ich grüßte ihn höflich, und da er mich fragend ansah, so erlaubte ich mir, ihm zu sagen, ich hätte die Citadelle in früheren Jahren gekannt, und dem Wunsche nicht widerstehen können, sie nochmals zu sehen.
»Ja, mein Lieber,« sagte er mit schnarrender Stimme, »da werden Sie viel verändert finden. Es hat mir auf Ehre Mühe genug gekostet, die schauderöse Wirtschaft hier in Ordnung zu bringen. War das ein Anblick, als ich kam! So was habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen! Nun wir haben gründlich aufgeräumt, das kann ich Sie versichern. – – – – Guten Morgen! Aufgepaßt, Feuerwerker Schlatterich, da unten. Der dritte Mann vom Flügel tritt ja mit dem rechten Fuß an; Donnerwetter auch, wozu hat er denn den linken?«
Ja, gründlich hatten sie aufgeräumt, und als ich die Bastion umschritt, fand ich nichts mehr von unserem ehemaligen Garten, als zwischen den Rädern des ehemals so blanken Vierundzwanzigpfünders ein kleines Tropäolum, das sich dort trotz Kies und Schaufel kümmerlich aus einem zurückgebliebenen Samenkorn entwickelte. Auch die lebenden Wesen, meine Kameraden, mit denen ich hier so glücklich gewesen, waren in alle Welt zerstreut, theils mit dem Herrn Hauptmann v. Walter, theils nach Hause gegangen, theils in die Civilcarriere eingetreten. Selbst der Premierlieutenant hatte sich so an die Blumen gewöhnt, daß er die nackten Wälle nicht mehr sehen konnte, doch hatte er beim Abschiede geflucht: »Hol' mich der Teufel! wie bin ich hier verdorben worden!«
Von der Rampe, wo sich kein weißes Gitterthor mehr befand, niedersteigend, hörte ich sie droben noch kommandiren und zählen: Eins – zwei – – Einundzwanzig – zweiundzwanzig. – – Verflogen war unser wunderbarer Blumentraum; aber es machte mich nicht traurig, viel schmerzlicher hätte es mich berührt, wenn ich Alles droben gefunden hätte wie ehedem, grünend und blühend – ohne Elise!
Nach einigen Tagen erreichte ich die zwischen Feld und Wald an einem kleinen lieblichen See gelegene prachtvolle landwirthschaftliche Anstalt. Mein Wohlthäter empfing mich wie einen Sohn, den man lange Jahre nicht gesehen – und Elise? Das freudige Familienereigniß hatte allerdings sie betroffen, doch war sie nicht vermählt, vielmehr durch die Hülfe der Aerzte sehend geworden.
Lächelnd führte mich der Vater an ihr Zimmer und ließ mich leise eintreten. Sie sah mich erstaunt an mit ihren großen, glänzenden Augen, die aber nicht mehr starr und seltsam blickten, sondern in welchen sich jetzt ihre ganze schöne Seele spiegelte, aus denen ein tiefinniges Gefühl strahlte.
Wie ängstlich schlug mein Herz! – Ob sie mich erkannte? Darauf schien auch ihr Vater gespannt; er hielt sich still hinter der Thür. – Als sie mich eine Sekunde angeschaut, überflog eine dunkle Gluth ihre schönen Züge. Sie eilte mir entgegen, und ich weiß nicht genau, ergriff ich ihre Hände und küßte dieselben oder umging ich diese Förmlichkeit und wagte es, sie fest an mein Herz zu drücken. – Wer kann das in solchen Augenblicken, die nur einmal im Leben kommen, genau wissen. Genug, der Vater trat einen Augenblick nachher zu uns und sagte: »Kinder, ich habe nichts dagegen.«
Schreiben der Madame Wortmann an ihren Sohn.
Nein Dießmal muß ich den Hauptbrief schreiben und wenn Dein Vater noch etwas hinzufügen will so kann er dießmal die Nachschrift machen was wir glücklich sind daß Du Professor geworden und eine so schöne reiche Frau bekommen das kann ich Dir gar nicht sagen ich habe eine große Kaffeegesellschaft gegeben und es dabei den Damen meiner Bekanntschaft angezeigt ebenso, daß Deine Schwester, die Frau Vogel, einen ganz gesunden Buben hat also bin ich Großmutter und hoffe es noch mehr zu werden apropos, die Frau Hammer lebt noch, doch ist sie schon recht alt neulich war sie bei uns und da haben wir die ganze Geschichte nochmals abgesprochen als Du damals auf die Welt kamst und wie drunten der Unteroffizier sagte, jetzt kommt der Major weißt Du auch wohl, mein lieber Sohn daß das noch in Erfüllung gehen kann mir hat der Zollinspektor gesagt, wenn Du einmal später was wohl vorkommen könnte selbst ein Direktor würdest so hättest Du den Titel als Major aber das wär' eine Freude für Deine
Dich getreu liebende Mutter.«
So schrieb die gute Frau, und wenn sie es auch nicht mehr erlebte, daß ich ein Direktor der Anstalt wurde, so geschah das doch, freilich nach vielen Jahren, und damit ging auch die Prophezeiung der Madame Hammer in Erfüllung: daß aus mir noch etwas Rechtes werden würde.