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Am andern Morgen in der Frühe weckte mich die Reveille aus festem Schlafe und wenn auch bald darauf ein bißchen mehr Leben in den Gängen herrschte, als gestern Abend, so war doch immer noch ein großer Unterschied zwischen dem Leben hier und dem einer gewöhnlichen Kaserne. Eine lachende Sonne schien mir in's Fenster und als ich aufgestanden war und dasselbe öffnete, sah ich mit Entzücken in die weite Ebene vor mir, über welche die Thürme und Wälle der Festung etwas erhöht lagen. Dicht unter meinem Fenster befand sich ein breiter Festungsgraben mit einem schmalen Graben voll klaren Wassers, den man Diamant nannte. Rechts und links vor demselben war ein zierlich angelegter Gemüsegarten und unten sah ich ein paar Mann mit grauen Zwilchkitteln beschäftigt, welche frisch gepflanzten Kohl sowie hervorsprießende Gurken und Salat begossen. Hinter diesem Graben erhob sich eine breite Bastion, auf welcher die Wallgeschütze stand, die zum Exerciren benützt wurden. Auch da die größte Ordnung und Sauberkeit. Die eisernen Geschütze waren glänzend schwarz und die von Bronze so sauber geputzt, als ob sie eben aus der Gießerei kämen. Untadelhaft standen die Lafetten vor ihren Keilen, alles Holz und Eisenwerk mit verschiedenen Farben sauber angestrichen, ebenso die kleinen bedeckten Ständer, auf welchen die Wischkolben und Hebebäume lagen. Die Brustwehren und Traversen waren mit niedrigem, saftig grünem Rasen geschmückt, der aussah, als ob er häufig geschoren würde. Von ihm stachen die hellen Holzbettungen sowie der Fußboden des Platzes von gelbem Sand auf's Freundlichste ab, und alle Kugelhaufen, die sich zwischen den Geschützen erhoben, waren so symmetrisch aufgestellt, daß man überall nur scharfe, gerade Linien zu sehen vermeinte. Dazu waren die Geschosse blank geputzt, und an jedem Haufen war auf einer der glänzend schwarzen Kugeln Kaliber und Anzahl mit weißer Farbe bezeichnet.
Nachdem ich meinen Koffer ausgepackt und die Sachen in der Mauervertiefung aufbewahrt, kleidete ich mich so pünktlich als immer möglich an, um in der allgemeinen Ordnung, die hier überall herrschte, nicht unvortheilhaft abzustechen, und ließ mich darauf von meinem Burschen zum Feldwebel führen, um mich dort als angekommen zu melden. Der Feldwebel war ein ältlicher, ernster, aber wohlwollend aussehender Mann, der die letzten Feldzüge mitgemacht hatte, was man an den paar Medaillen sah, die er auf der saubern Uniform trug. Er sagte mir mit ein paar Worten, er freue sich, mich kennen zu lernen, und wie er hoffe, werde diese Freude keine vergebliche sein. Darauf steckte er seinen Degen in's Bandelier und nahm seine Dienstmütze, sowie die unentbehrliche Brieftasche, ohne welche sich ein Feldwebel nie öffentlich sehen läßt. Dann gingen wir auf das Zimmer, in welchem die Korporalschaft lag, die mir zugetheilt worden. Das Innere dieser Kasernenzimmer war ebenso freundlich und reinlich, wie alles Uebrige, die Wände schienen erst gestern geweißt zu sein, oben unter der Decke hin befand sich sogar etwas Malerei. Da sah man eine Guirlande von feuerspeienden Granaten, die durch ebenfalls gemalte sechspfündige Kugeln mit einander verbunden waren. Der Fußboden war blendend weiß gescheuert, die Waffengerüste mit einer Eichenholzfarbe angestrichen und an jedem hing ein zierliches Täfelchen, woran der Name des betreffenden Kanoniers zu lesen war. Das Lederzeug war von einer wirklich rührenden Reinheit, und die Messingverzierungen glänzten, als seien sie frisch vergoldet. Der Feldwebel stellte mir meine Leute einzeln vor, sowohl nach dem Namen als auch nach dem Gewerbe, welches sie früher betrieben, und dies, sowie die beigefügten Bemerkungen des Feldwebels, ließ mich einen weitern Blick thun in die eigenthümliche Organisation dieser höchst merkwürdigen Festungskompagnie.
Die meisten der Leute meiner Korporalschaft, es waren ihrer im Ganzen vierundzwanzig, waren Bauernsöhne und Taglöhner, welche in Feld und Garten gearbeitet; drei waren Gärtnergehülfen, zwei Feldmaurer, zwei Anstreicher, einer Blecharbeiter und ein Andrer sehr geschickt in Anfertigung künstlicher Drahtarbeiten. So war denn in meiner Korporalschaft eine förmliche Gärtnerei vertreten und dazu sahen die Bursche so freundlich, willig und wohlgemut aus, daß mir das Herz im Leibe lachte, wenn ich mir dachte, mit diesen Kräften in einem tüchtigen Garten arbeiten zu dürfen. Soviel ich bemerken konnte, mißfiel ich den Leuten ebenfalls nicht, nur als sich die Thüre hinter uns schloß, hörte ich Einen sagen: »Verdammt jung sieht der Feuerwerker aus.«
Der Feldwebel war so freundlich, nach dem Besuche meiner Korporalschaft mich auch zu den übrigen zu begleiten, und mich dort mit meinen Kameraden bekannt zu machen.
Der zweite Feuerwerker war ein kräftiger, untersetzter Mann, vielleicht zehn Jahre älter als ich, der eine ebenso starke Korporalschaft kommandirte, und bestand diese aus Leuten, die mit Pferden und Vieh umzugehen wußten, auch die Ackerwirthschaft verstanden, namentlich aber aus allen möglichen Handwerkern. Die Korporalschaften der übrigen Unteroffiziere waren kleiner und nicht auf so eigenthümliche Art zusammengesetzt; doch waren auch hier die Leute ausgesucht, man sah keinen mit nachlässiger Haltung, und ein Schmierfinke war, glaub' ich, in der ganzen Batterie nicht zu finden. Ein schmutziger Kerl konnte aber hier unmöglich gedeihen, denn wo man hinsah, überall war das Bild der Ordnung und Reinlichkeit. Hatte doch sogar jedes Zimmer seine Spucknäpfe, die mit weißem Sand gefüllt waren, und war ich doch Zeuge, wie mein Kamerad Feuerwerker einen Bombardier anließ, der aus seiner Pfeife absichtslos etwas Asche auf den Boden niederstreute.
Nachdem wir sämmtliche Zimmer der Kaserne durchwandert, sagte mir der Feldwebel lächelnd: »Jetzt haben Sie unsere militärischen Einrichtungen gesehen und werden zugeben müssen, daß Sie Alles bei uns in keinem schlechtern Zustande angetroffen haben, als bei irgend einer andern Kompagnie. Wie ich mir denken kann,« fuhr er nach einer Pause fort, während welcher er freundlichst meine Ausbrüche des Entzückens über alles Gesehene anhörte, »haben Sie aber auch schon erfahren, daß unser hochverehrter Chef der Herr Hauptmann v. Walter, mit dem Nützlichen das Angenehme zu verbinden pflegt, und werde ich Ihnen nun auf Befehl des Herrn Hauptmanns jene Seite der Kompagnie und der Citadelle zeigen, welche man vielleicht unmilitärisch nennen könnte, auf die wir aber,« setzte er mit erhobenem Kopfe hinzu, »alle Ursache haben, stolz zu sein und auch wirklich sind. Ehe wir aber unsern Gang antreten, werde ich mich meiner Brieftasche und meines Degens entledigen; denn statt der kriegerischen haben wir es nun mit lauter friedlichen Anstalten zu thun.«
Dicht bei meinem Zimmer stiegen wir eine Wendeltreppe hinab und traten unten aus dem Thurme in den Graben, den ich heute Morgen schon gesehen. Das war nun in der That ein förmlich und gut angelegter Garten; und wie wir weiter und immer weiter um die innere Ringmauer schritten, schloß sich ein Gemüsebeet an das andere; alle Pflanzen auf denselben mit militärischer Genauigkeit gesetzt, es war eine Freude, wie genau Kohl und Erbsen gerichtet waren. An den Mauern, die aus dem Graben aufwärts führten und den warmen Strahlen der Sonne zugänglich waren, standen die herrlichsten Aprikosen- und Pfirsichspaliere. Die breiten Gänge, die hinan zu den Bastionen und Wällen führten, waren auf beiden Seiten mit Zweigbäumen der edelsten Obstsorten bepflanzt und diese waren mit einer Pünktlichkeit zu Pyramiden ausgebrochen, daß man nichts Gleicheres und Schöneres sehen konnte. Als wir die Citadelle fast umschritten hatten, stiegen wir von der andern Seite auf die Exercirbastion vor meinem Fenster, traten an die Brüstung und dort ließ mich der Feldwebel einen Blick auf das Glacis thun, welches, statt einfach mit Birken und Eschen angepflanzt zu sein, einem kleinen, zierlichen Parke ähnlich sah, durch welchen Wege von hellgelbem Sande liefen, hübsche Laubparthieen umgebend, aus denen die vielfarbigsten Blüthen hervorglänzten. Ueber das Glacis hinaus, auf der Seite, wo wir uns befanden, sah ich eine Menge unserer Kanoniere in grauen Zwilchkitteln auf einem anstoßenden großen Felde beschäftigt. Dort häufelten sie Kartoffeln und banden Erbsen an kleine Pfähle. »Das ist unsere Kornkammer,« sagte der Feldwebel, »und zu ihr gehört noch jenes große Getreidestück bis an die Chaussee, die Sie dort sehen.«
»Das ist ja eine wunderbare Landwirthschaft!« rief ich aus, worauf mir der Feldwebel entgegnete: »Ja, mit Kräften, wie wir sie haben, läßt sich unter tüchtiger Leitung schon was erreichen.«
Hinter der Exercirbastion lag eine Lünette, mit weiten kasemattirten Räumen, zu welchen wir nun hinabstiegen. Dort befand sich eine herrliche Stallung, mit zwanzig Stücken Vieh, sowie sechs prächtige Ackerpferde und hier regierte mein Kollege, der andere Feuerwerker. Es war eine Lust, zu sehen, mit welchem Stolz und welchem Wohlgefallen er zwischen den glänzenden, blankgeputzten Thieren umherspazierte. Hier war aber auch jede Kuh gestriegelt und geputzt, wie ein herrschaftliches Pferd im besten Stalle, und unter Lachen und Scherzen thaten die Leute ihren Dienst. Auf der andern Seite der Lünette befand sich ein Backofen, wo von dem Getreide, das draußen wuchs, ein vortreffliches und feineres Zulagebrod für die Kompagnie gebacken wurde.
»Rathen Sie einmal,« sagte mein Führer, der Feldwebel mit einem eigenthümlichen Lächeln, »zu was dieser Raum früher benützt wurde?«
Das konnte ich begreiflicherweise nicht wissen, und statt in's Blaue hinein zu rathen, sah ich ihn fragend an.
»Hier war früher das Arrestlokal,« belehrte mich der Feldwebel, wobei er den Kopf sehr hoch hob und mich stolz anblickte. »Ja das Arrestlokal, jetzt ist es Backstube und Backofen.«
»Und wohin ist jetzt das Arrestlokal verlegt?« fragte ich schüchtern, obgleich ich die Antwort ahnte, die er mir geben würde.
»Wir haben keins mehr,« entgegnete er mit einem unbeschreiblichen Lächeln; »seit sechs Jahren hat der Herr Hauptmann nicht nöthig gehabt, einen Arrest zu dictiren, ja nicht einmal eine Strafwache.«
»Und es kommen also gar keine Unordnungen, kein Vergehen und dergleichen vor?« fragte ich mehr und mehr überrascht, worauf nur der Feldwebel entgegnete:
»Das will ich gerade nicht behaupten; aber wenn dergleichen vorfällt, so machen das die Korporalschaftsführer, besonders aber die Kameraden unter sich aus.«
Im Weitergehen erzählte er mir noch Einiges von der Organisation dieser höchst eigenthümlichen Kompagnie, und gab zu, daß im Allgemeinen und Großen ein solcher Zustand nicht durchzuführen sei. »Dem Herrn Hauptmann v. Walter,« sagte er, »dem man höheren Ortes sehr wohl will, wurde es gestattet, diese seine Idee zur Ausführung zu bringen. Ja man unterstützte ihn, indem man ihn hier auf der alten Citadelle beläßt, ein Posten, der früher von seinen Herren Kameraden nicht gesucht war. Auch wird es ihm leicht, sich überall her gute Leute kommandiren zu lassen, sowie ein wirklich unverbesserliches Subjekt auch bei uns nie lange aushält, sondern meistens zu einer sehr scharfen Kompagnie geschafft wird. Inspicirt werden wir wohl mehr, als jede andere Kompagnie,« setzte er lächelnd hinzu, »und daran ist, unter uns gesagt, ebenso gut die Neugierde der höheren Herren Offiziere schuld, als auch der Gedanke, bei der Bauernkompagnie, wie sie uns häufig zu nennen beliebten, das Militärische sehr vernachlässigt zu finden. Aber dem ist nicht so, das kann ich Sie versichern. Was Propreté und Dienst anbelangt, da kann unser letzter Kanonier ein Muster für jede Batterie abgeben. Anfänglich hat es dem Herrn Hauptmann wohl Mühe gekostet, die Sache in Gang zu bringen, es wird Sie gewiß interessiren,« unterbrach er sich selber, wobei er mich fragend ansah, »das in ein paar Worten zu vernehmen.«
»Dafür bin ich Ihnen auf's Höchste dankbar,« erwiederte ich, und so fuhr denn der Feldwebel fort:
»Weßhalb sich der Herr Hauptmann v. Walter hieher zurückzog, das wissen wir nicht, thut auch nichts zur Sache. Genug, er war ein großer Garten- und Blumenfreund, und als er das Kommandanturhaus hier übernahm, mit einem verwilderten Fleck Erde, den man Garten nannte, da ging er mit einer wahren Lust an's Geschäft und hatte in kurzer Zeit schon sehr viel sauber gemacht. Nun war dazumal die Kompagnie in einem nicht minder verwahrlosten Zustande, als der Garten; und da aufzuputzen und zu säubern war schon schwerer. Doch ging auch das gut von Statten und schon nach einem Jahre kannte der inspicirende Oberst die Festungskompagnie gar nicht wieder. Anfänglich aber war Kompagnie und Gärtnerei scharf getrennt und was hier oben gearbeitet wurde, geschah durch Taglöhner aus der Stadt. Nun wissen Sie aber selbst aus Erfahrung, daß die Kanoniere, wenn sie ihre Zeit eintheilen und fleißig sind, eine Menge Freistunden haben.
Da standen sie nun in diesen auf der Exercirbastion und schauten nach dem Garten des Herrn Hauptmanns herüber, wie aber Alles so schön grünte und blühte, und Manche, die sich zu Hause auch mit Feld und Pflanzen abgegeben, baten um Erlaubniß ein bißchen helfen zu dürfen. Das wurde aber nur den ordentlichsten Leuten zugestanden, und da diese stolz darauf waren, so meldeten sich nach und nach immer mehr und gaben sich auch Mühe, durch Pünktlichkeit im Dienst die Erlaubniß zu erhalten, mit in dem Garten arbeiten zu dürfen. Nach und nach dehnte sich dies auch auf das Glacis aus und wurde dort der kleine Park angelegt, den Sie gesehen, dann ging es an die Festungsgräben, und als da erst einmal Kartoffel, Kraut und Salat wuchsen, Alles zum Besten der Menage, da hätten Sie einmal sehen sollen, mit welchen Riesenschritten sich die Landwirthschaft vergrößerte. Da schaffte der Herr Hauptmann aus eigenen Mitteln Kühe an und der Ertrag war wieder für die Kompagnie, und vom Ueberschuß, der sich bald ergab, nahm er draußen die Felder in Pacht, die Sie gesehen. Freilich sind das nur zehn Morgen, aber bei dem Eifer und dem guten Willen der Mannschaft könnten wir ein paar hundert Morgen bearbeiten. Ja, wir könnten einen Ertrag erzielen, wie das größte Herrschaftsgut. Einer der Leute will dem Andern nicht zurückstehen, und so spornt Einer den Andern an. Ich versichere Sie, wir haben Bauernsöhne, die sich zu Hause zu gut dünken und zu vornehm, um einen Wagen auf's Feld zu führen, und die hier bei uns im Stalle arbeiten, wie zu Hause ihre letzte Viehmagd.«
»Und Freiwillige haben Sie nicht?« fragte ich.
»O ja,« erwiderte der Feldwebel. »Wir haben sogar viele Freiwillige; nur keine von denen, die man mit dem Namen Offizierspflanzen belegt. Unsere Freiwilligen sind Handwerker, die wir brauchen können, meistens aber Bauernsöhne und Gärtnerburschen, und wenn wir Alle nehmen wollten, die sich melden, so könnte die Kompagnie viermal so stark sein. Der Herr Hauptmann ist darauf bedacht, alle neuen praktischen Erfindungen, die Landwirthschaft betreffend, hier bei uns einzuführen. Daraus lernen die Leute nun viel Gutes, was sie zu Hause bei ihrer eigenen Wirtschaft nun wieder mit großem Nutzen anwenden.«
Unter diesen Gesprächen waren wir durch die Gräben verschiedener Lünetten und Bastionen um die kleine Festung herumgewandelt und fast wieder an dem Thurme angekommen, wo ich meine Wohnung hatte. Ehe wir ihn aber erreichten, zeigte mir der Feldwebel ein weiß angestrichenes Gitterthor auf der Höhe einer Rampe, an der wir hinaufstiegen, um hier in einen der reizendsten Blumengärten zu schauen, den ich in meinem ganzen Leben gesehen. Hier duftete und blühte es wunderbar. Die reinlichen Wege waren mit fast weißem Sand bestreut und umgaben die frischesten Rasenplätze oder Rabatten und Blumenkörbe, in denen die seltensten Pflanzen standen. Hie und da erhoben sich kleine Gruppen von Orangen und Granaten in weißangestrichenen Kübeln, namentlich in der Nähe des kleinen Hauses, welches in diesem weitläufigen Vorwerke lag und die Wohnung des Herrn Hauptmann v. Walter war.
»Da dürfen wir jetzt nicht hinein,« sagte mein Führer, »das wird Ihnen der Herr Hauptmann selbst zeigen. Und somit haben wir unsern Spaziergang beendigt.«
Als wir zurückgingen, dankte ich ihm auf's Freundlichste für alles Schöne, was er mir gezeigt, ja, ich war recht gerührt darüber und ließ auch mit einfließen, wie sehr ich mich bestreben würde, ein tüchtiges und würdiges Mitglied der Kompagnie zu werden, worauf er mir lachend erwiederte: er hoffe das selbst, und ich hätte alle Ursache, mich anzustrengen, denn es sei eigentlich etwas Seltenes, so jung schon Feuerwerker zu werden, aber ganz unerhört, in meinen Jahren Feuerwerker bei der Festungskompagnie in I. zu sein. Das sah ich denn auch wohl selbst ein und man kann sich denken, mit welch guten Vorsätzen ich in mein Thurmgemach hinaufstieg, ebenso aber, daß ich eine Stunde nachher mit wahrem Herzklopfen zum Appell hinabstieg.
Hier sah ich nun die ganze Kompagnie versammelt und im Anzug, in der Haltung, sowie in den zufriedenen, wohlgenährten Gesichtern jedes einzelnen Kanoniers machte sie auf mich denselben guten Eindruck, wie die einzelnen Korporalschaften, die ich gesehen.
Der Premierlieutenant, den ich ja schon von meiner Wache her kannte, befand sich vor der Front, ernst, fast finster, wie er gewöhnlich war. Er nahm die Meldung, daß ich da sei, mit einem steifen Kopfnicken auf und verwies mich an die beiden Secondelieutenants, zwei noch ziemlich junge Leute, die, als ich mich ihnen vorstellte, auch nicht anders thaten, als die Hand für einen Augenblick an ihre Dienstmütze zu legen. Obgleich dieser Empfang nicht geradezu unfreundlich war, so bemerkte ich doch, daß man gegen mich zurückhaltend war, was ich auch Niemanden verdenken konnte. Man mußte ja erst sehen, wie ich, ein so junger Mensch, mich in der neuen, ziemlich wichtigen Stellung benehmen würde.
Nach dem Verlesen der Kompagnie erschien der Hauptmann. Er war mit dem Feldwebel draußen bei der Parade gewesen und brachte den Kommandanturbefehl über Wachen und dergleichen, die wir zu stellen hatten. Dann wurde das Exerciren für morgen geordnet, überhaupt nur streng militärische Befehle gegeben und dann trat die Kompagnie aus einander. Mir winkte der Hauptmann auf die Seite und als ich vor ihm stand, betrachtete er mich lächelnd von oben bis unten und sagte: »Ich hoffe, daß ich mich nicht in Ihnen geirrt habe.« Meine ehrerbietigen und eifrigen Versprechungen, sowie die Hoffnung, die ich aussprach, daß er gewiß nie bereuen solle, mich zu seiner Kompagnie gezogen und damit zum glücklichsten Menschen gemacht zu haben, nahm er freundlich auf und bestellte mich um drei Uhr in seine Wohnung, um mir dort Einiges zu zeigen, was mich interessiren würde.
Ich konnte die Zeit bis dahin kaum erwarten, doch hatte ich auch noch mein erstes Kompagniediner mitzumachen, auf das ich ebenfalls sehr gespannt war. Um zwölf Uhr rief uns das Hornsignal in einen untern Raum neben der Küche, wo sich drei große Tafeln befanden, die sogar mit weißen Tischtüchern bedeckt waren. Ehe ich in diesen Speisesaal trat, konnte ich mich nicht enthalten, durch die Küche zu gehen und den Kontrast zu bewundern, den ich hier im Vergleich mit andern derartigen Anstalten fand. Einer der bärbeißigsten Unteroffiziere von der Batterie hatte hier die Aufsicht und machte es nicht, wie es gewöhnlich mit dergleichen Beaufsichtigungen geht, wo sich der Betreffende nicht darum bekümmert, sondern während des Anrichtens befand er sich an einem Nebentische und trug dort in ein Buch ein, was verabreicht wurde oder wer von der Mannschaft nicht da war, um so im Stande zu sein, den Fehlenden auch draußen auf der Wache oder wo sie gerade waren, das Gehörige zukommen zu lassen.
Die Geräthschaften in der Küche waren blank und sauber geputzt, und statt daß bei meiner früheren Kompagnie ein paar der unordentlichsten Kerle zu Küchenkalfaktern kommandirt waren, deren schmierige Uniformen Einem von vornherein allen Appetit benahmen, arbeiteten hier ein paar reinliche Leute in den sauberen bekannten Zwilchkitteln. Dazu war das Essen vortrefflich, obgleich es nur im irdenen Geschirr aufgetragen wurde; wir hatten eine gute Gerstensuppe mit einem großen Stücke kräftigen Rindfleisches, das aber später zu Gemüse und Kartoffeln gegessen wurde; und welche Portionen waren von Allem vorhanden und wie war Alles zubereitet! Das Brod war das gewöhnliche, wie es geliefert wurde, denn das Zulagebrod wurde Morgens zum Kaffee gegeben, sowie Nachmittags zum Vespern. An den beiden langen Tafeln saßen die Kanoniere, an jeder unten die Bombardiere, oben an der Seite die Unteroffiziere, und vor den Tischen hatte an einem mein Kamerad Feuerwerker seinen Platz, ich an dem andern. Den Leuten schmeckte es prächtig, doch was ich schon auf dem Korridor und in den Zimmern bemerkt, auch hier war kein Lärmen zu hören, Geschrei oder Lachen, wie sonst wohl in den militärischen Speisesälen.