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In wenigen Tagen konnte ich die Bewohner des Rancho kennen lernen.
Nachdem die Gauchos, die zum Helfen gekommen waren, sich verabschiedet hatten, nahm das Haus wieder sein gewöhnliches Leben auf.
Wir Männer saßen in der Küche. Da war zuerst Don Candelario, der Hausherr. Dann Fabiano, der Mensual, und Numa, ein häßlicher Bursche meines Alters. Doña Ubaldina, die Frau des Hausherrn, bediente uns; sie teilte uns das Brot aus und Teller, die wir aber selten gebrauchten, da wir meist nur das Messer benutzten. Wenn wir uns ein Stück Fleisch abgesäbelt hatten, schnitten wir uns die einzelnen Bissen gleich auf das Brot.
Außer beim morgendlichen Mate, war dies die einzige Stunde, in der wir alle beieinander waren.
Der Vorwerker war freundlich, aber ein Mann von wenig Worten. Er fragte mit sanfter Stimme und begleitete die Antworten mit Ausrufen der Bewunderung, wie: »Ach, das ist aber fein!« oder »Nicht zu sagen!« »Ahaha!« Dabei öffnete er die Augen weit und hob die Augenbrauen, um seine Überraschung zu zeigen. So schuf er ein Gegengewicht zu dem gleichgültigen Ausdruck seiner spärlichen, niederhängenden Bartspitzen.
Wenn man mit ihm sprach, hatte man immer das Gefühl, etwas ganz Außergewöhnliches gesagt zu haben. Er fragte zum Beispiel:
»Ist wohl ein schöner Kamp bei Ihnen dort hinten?«
»Sehr schöner, ja, Señor. Prachtvolle Weiden.«
»Hör' mal einer an!« (Seine Äuglein waren voller. Verwunderung.)
»Aber sie leiden oft unter der Trockenheit.«
»Ist es die Möglichkeit!«
»Ja, wenn so eine regenlose Zeit kommt, muß man das Vieh forttreiben.«
»Denk einer an!«
»Und oft genug muß man auf dem Wege noch die Tiere abschlachten.«
»Wie grauenhaft!«
Doña Ubaldina war ganz in ihrem eigenen Fett begraben, eine gewaltige China, witzig und gern fröhlich. Ihre Scherze pflegte sie mit derben Ausdrücken zu pfeffern, die sie dann wie einen Kürbis in einen Korb voll Eier, mitten in unser Gespräch hineinwarf.
Fabiano, der nie ein Wort redete, lachte dann wie ein Kind und blickte sie an wie ein Hund das gefallene Schlachtvieh. Ja, seine Begeisterung verführte ihn öfters sogar dazu, sich voll lärmender Freude mit der Faust aufs Knie zu schlagen und auszurufen: »Gib's ihm! Au, ist das ein Jux!« Und die meisten stimmten in seine Lachsalven ein.
Numa war ein Tölpel mit grobem Gesicht. Er wußte von nichts, und wenn er schwerfällig wie ein friesisches Füllen daherkam, verlor er seine Hanfschuhe nur nicht, weil er vergaß, sie zu verlieren.
Außer diesen Leuten waren da noch die drei Töchter des Hauses, von denen Paula scherzhaft gemeint hatte: »Wenn Sie die erst sehen, werden Sie an ein so armes und gottvergessenes Wesen wie mich kein Wort mehr verlieren.«
Wenn der liebe Gott sich jemals dieser Geschöpfe erinnert hatte, dann wohl nur an einem besonders schlechten Tag. Es waren drei trockene, mürrische Vogelscheuchen, die ihr Zimmer nie verließen. Wenn man sie einmal in der Tür überraschte, wo sie wie Eulen vor ihrem Baumloch saßen, versuchten sie schnell zu entwischen, oder erwiderten den Gruß mit erschreckter Miene. Sie aßen in einem Winkel, und Paula aß mit ihnen. Aber Paula kam nachher wieder heraus; immer heiter, immer tätig. Wenn sie, sich in den Hüften wiegend, vorüberging und ihre Grüße, Scherze und Erwiderungen austeilte, streute sie Freude über den ganzen Patio des Hauses. Daß Paula und die anderen Frauen gleicherweise zum weiblichen Geschlecht gehörten, war eine Tatsache, die mir nicht in den Kopf wollte.
Bald genug war ich mir darüber klar geworden, daß Numa meine Schöne verliebt umflatterte. Welch' ein Nebenbuhler! Das Ganze war ja einfach lächerlich. Ich ärgerte mich über Paula, daß sie einem solchen Taugenichts den Kopf verdreht hatte. Überall umstrich sie dieser Dummkopf und sah sie mit bittenden und zärtlichkeitsfeuchten Augen an wie ein im Lasso verfangenes Kalb.
Wir trafen uns, wo wir im Rancho ein- und ausgingen. Jedesmal, wenn wir um eine Hausecke bogen, begegneten wir uns. Ich bat Paula, diesen lästigen Mosquito fortzuscheuchen, erntete aber nur tadelnden Spott.
»Selbst auf das, was Ihnen nicht gehört, sind Sie eifersüchtig.«
Sie hatte schon recht. Aber warum dann diese Findigkeit, mich unter den Paradiesbäumen zu treffen, wenn der Abend herniedersank? Warum denn wiegte sie sich wie eine Blume im Winde, wenn ich ihr über ihre Anmut eine Schmeichelei sagte? Warum diese Vorwürfe, wenn ich aus Vorsicht vermied, allzu lange mit ihr zusammen zu sein?
»Sie sind ungebärdig wie ein alter Karrengaul. Vielleicht vermissen Sie die Schöne Ihrer Heimat und verfassen nun auf diese Weise die Briefe, die Sie ihr nicht schreiben können.«
Die schöne Frau ist kokett und aufreizend; das weiß jeder Gaucho. Aber manchmal pflegt sie sich beim Fallenstellen selbst zu fangen.
Um die Wahrheit zu sagen: ich bildete mir ein, daß Paula mich nicht ungern sah.
Ich armes Waisenkind aber trank das Gift wie Weihwasser. Nach und nach gewann ich einen Einblick in unbekanntes Land, und mein Herz wurde von Schwindel erfaßt über all die Dinge, die ich bis dahin nur vom Hörensagen kannte, als da sind Frauenliebe, das Glück, immer nur Liebesgedanken in sich zu bewegen und während dieser langen Ruhepause der Genesung sonst nichts tun zu müssen.
Was kann ein Mann in dieser Lage anfangen? Und wozu taugt ein Gaucho, der durch eine Liebschaft weich wird? Hinter diesen Dingen sah ich meine Freiheit, meine Kraft auf mich warten. Trotzdem entschuldigte ich mich vor mir selber mit den Umständen. Es war unmöglich, vor meiner Genesung abzureisen. Jede Arbeit endete bei meinem Zustand nur mit neuen Qualen. Schlaflose Schmerzensnächte schwächten mich. Mir träumte, man steckte mich in eine Grube wie einen Pfahl aus Quebrachoholz; die Rippen krachten, und der Atem ging mir aus.
Die alte Heilkünstlerin kam, wie sie versprochen hatte, am dritten Tage wieder. Sie brachte mir eine große Erleichterung dadurch, daß sie meine Bandagen lockerte, wodurch mein Körper mehr Spielraum gewann. Aber wie wenig taugt ein Einarmiger für die Liebe! Er kann sich nicht einmal eine Umarmung ohne das folgende »Au!« des Schmerzes erdichten. Trotzdem träumte er von lauter Umarmungen, wenn er mit Paula hinter dem Rancho plauderte.
Am zehnten Tage dieser Behandlung war ich gesund am Körper und krank am Herzen. Immer noch war ich von den Zügelleinen, die mir als Verband dienten, umwunden. Bei unserem Spiel des Gebens und Nehmens brauchten Paula und ich schon große Worte. Die Feindschaft zwischen Numa und mir aber wuchs, so daß sie wie unter einem Peitschenhieb zu platzen drohte.
Und das kam dann auch plötzlich zur Lösung.
Ich konnte nicht daran zweifeln, daß meine Einarmigkeit Numa Mut machte. Dieser aufgeblasene Wichtigtuer wagte zu lachen, wenn er mich ansah, wenn ihm auch kein Witzwort zu Hilfe kam. Er sah mich einfach an und lachte.
Eines Abends machte er es schlimmer als sonst, und ich nahm es ihm mehr als gewöhnlich übel; einfach aus Überdruß. Ich sagte ihm, er solle in die Küche gehen, um zu lernen, wie man Wachteln rupft.
So ein Erzdummkopf macht seine Sache niemals gut. Numas Gesicht nahm einen noch viel ekelhafteren Ausdruck an. Er trat einige Schritte auf uns zu:
»Bin ich in der Schule, daß Sie mir Stunde geben wollen? … Bin ich etwa auf dem Gymnasium? He! Bin ich etwa auf dem Gymnasium, daß Sie mir Stunde geben wollen?«
Diese Redensart schien ihm so gut getroffen, daß er sie bis zur Ermüdung wiederholte. Da mußte ich trotz Paulas Ängstlichkeit laut herauslachen. Numa wurde wütend. Was meine Einarmigkeit ihm doch für einen Mut einflößte! Er zog sein Messer und kam geradeswegs auf mich zu. Ich trat einen Schritt zur Seite. Das verwirrte ihn; denn er brauchte einige Zeit, um seine Richtung zu ändern. Dreimal wiederholte sich dies Manöver. Da fing es an, auch mir klar zu werden, daß dieses Spiel leicht blutig enden könne. Aber Numas Blödigkeit war mitleiderregend, so ungeschickt stach er daneben.
Drohend sagte ich: »Jetzt gibst du aber Ruhe! Steck das Messer weg!«
Auch Paula schrie ihm zu; aber bei diesem Kampfesmut verfing schon nichts mehr. Ich konnte mir denken, was geschehen würde; denn Numa umkreiste mich immer dichter.
Ich ließ ihn nahe herankommen. In dem Moment, als er von unten her einen bösgemeinten Dolchstoß nach mir zückte, zog ich mein Messer und zeichnete ihm, während ich meinen Oberkörper zur Seite bog, von links nach rechts eine Schramme über die Stirn, um ihn einzuschüchtern.
Und so war es auch. Numa ließ sein Messer zu Boden fallen und blieb breitbeinig mit gesenktem Kopfe stehen, um sein Schicksal zu erwarten. Zuerst zeichnete die Wunde sich eine Weile als weißer Strich ab, dann füllte sie sich wie eine Quelle und begann zu tropfen; schließlich floß das Blut reichlich von ihr nieder. Der Unglückliche war so weiß wie Papier. Dann gurgelte ein Angstschrei aus ihm hervor, als wolle er sein ganzes Eingeweide ausspucken. Die Hände um den Kopf geklammert, wandte er sich zum Rancho. Er ging langsam. Mechanisch stöhnte er sein idiotisches »Ay! Ay!«, während eine rote Spur den Weg bezeichnete. Paula ging mit ihm.
Ich blieb allein zurück, ohne zu wissen, wie dies alles wohl enden würde. Ich empfand ein wenig Reue; aber war es denn meine Schuld gewesen? War denn nicht sein wütender Angriff auf einen vermeintlichen Invaliden eine Feigheit? Und wieder erwachte mein Grimm am Ende meiner Überlegungen. Man hatte mir den Dolch in die Hand gezwungen; und auch Paula war nicht ohne Schuld. Warum hatte sie die Klette nicht abgestreift? »Wenn es ihr Spaß macht, mit diesem Krammetsvogel auf dem Rücken herumzulaufen«, sagte ich mir, »alsdann viel Vergnügen!« Mit dem Entschluß, schnell zu handeln, ging ich in die Küche, wo die erwachsenen Männer sein mußten.
Als ich bei dem Zimmer vorbeikam, in dem ich die erste Nacht geschlafen hatte, sah ich das Weibsvolk sich darin drängen. Also war der Verwundete wohl dort. Ich ging weiter zur Küche, wo ich Don Candelario und Fabiano traf. Letzterer war just der Mann, den ich brauchte.
»Guten Abend«, grüßte ich.
»Guten Abend«, antworteten beide.
Da sagte ich zu Fabiano: »Ich bitte Sie um einen großen Gefallen, Schwager! Bringen Sie mir doch meine Pferde her. Bei Gelegenheit hoffe ich, Ihnen einen gleichen Dienst erweisen zu können.«
Mit einem Zeichen der Zustimmung ging der schweigsame Fabiano hinaus, und ich blieb mit Don Condelario allein.
»Nehmen Sie Platz«, sagte dieser und reichte mir einen Mate.
»Ich möchte Sie wegen des Vorgefallenen um Verzeihung bitten«, fing ich an. »Man hat mich in diesem Hause überaus freundlich gepflegt, und nun vergelte ich das mit einem Ärger. Schlimm genug, gewiß …, aber, Gott steh' mir bei! ich habe den Streit nicht gesucht …«
»Lassen Sie's gut sein«, unterbrach Don Candelario mich mit sanfter Stimme. »Wollen Sie fort?«
»Ja, Señor, sogleich. Ich habe Ihr Haus beleidigt und möchte, daß Sie mich so schnell wie möglich vergessen.«
»Aber da Sie doch keine Schuld an der Sache haben!«
»Einerlei, Don. Man muß auslöffeln, was man sich eingebrockt hat. Gottlob bin ich wieder gesund.«
Entschlossen zerschnitt ich mit dem Messer die Zügelriemen, die meinen Arm festhielten. Vorsichtig versuchte ich einige Bewegungen und merkte, daß es ging. Kopfschüttelnd sah Don Candelario mir zu, dann sagte er:
»Jeder Mensch geht seinen vom Schicksal vorgeschriebenen Weg. Wenn Sie denn gehen müssen, so wird es wohl Gottes Wille sein. Was mich anbetrifft, so können Sie gern bleiben, wenn Sie wollen. Niemand soll von meinem Hause sagen, daß ich nicht dem, der ein Unglück hat, alles was mir gehört, anzubieten wüßte. Ich bin älter als Sie, junger Mann; und ich kann Ihnen nur den Rat geben, sich davor zu hüten, für ein Weibsbild das Messer zu ziehen.«
»Sie haben recht«, schloß ich das Gespräch, da ich keine weiteren Erklärungen geben wollte.
Da trat Doña Ubaldina ein:
»Guten Abend.«
»Guten Abend.«
Sich an ihren Mann wendend, sagte die dicke Vorwerkerin:
»Wir haben ihn verbunden. Er blutet nicht mehr. An solcher Kleinigkeit wird er nicht sterben.« Dann sah sie lächelnd zu mir hinüber: »Noch wird er deshalb davon ablassen, Weiberröcken nachzulaufen.«
Plötzlich kam mir der Gedanke, daß dieses dumme Abenteuer für Paula ein häßliches Gerede nach sich ziehen könnte. Ich ließ den Kopf hängen; Gott verzeih mir's; mir war tieftraurig zu Mute.
Ich ging auf den Patio hinaus, um mit ihr zu sprechen, wenn sie vorüberkäme. Wenn ich sie doch hätte mitnehmen können! Ich glaube, ich hätte nicht einen Augenblick gezögert. Ich war drauf und dran, alles zu vergessen. Schließlich huschte sie in einigen Metern Entfernung an mir vorbei.
»Paula, ich möchte mit Ihnen sprechen.«
»Ich wüßte nicht, wovon«, antwortete sie, ohne den Schritt aufzuhalten.
So wollte sie sich also auch die Komödie vormachen, daß ich der allein Schuldige sei? War ich denn ein Verbrecher, weil ich mich verteidigt hatte?
Schlecht gelaunt ging ich wieder in die Küche. Hätte ein Mann so grobes Geschütz wie Paula aufgefahren, dann wären wir gleich wie zwei Kampfhähne aufeinander losgegangen.
Nach einer Weile kam Fabiano wieder herein.
»Ihre Pferde sind da.«
»Vielen Dank, Schwager.«
Dann half mir Fabiano Kleider und Sattelzeug zusammensuchen und das Pferd satteln.
Wie einsam kam die Nacht mir vor, in die ich nun hinausreiten sollte! Immer hatte ich bis jetzt meinen Paten bei mir gehabt und mich an seiner Seite sicher gefühlt. Bis ich ihn auf einem Vorwerk, wo er arbeitete, erreichen konnte, mußte ich mich sieben oder acht Wegstunden lang all den traurigen Überraschungen dieser gottverlassenen Gegend allein anvertrauen.
Ich ging wieder zurück. Wir aßen unser Abendbrot. Nur Numa war nicht dabei. Zusammen mit dem Braten würgte ich meine Erbitterung, die ich niemand merken lassen wollte, hinunter.
Nach dem Abendbrot verabschiedete ich mich von den Anwesenden. Don Candelario begleitete mich hinaus. Am Frauenrancho schlug er mit der Faust ein paarmal gegen die Tür:
»Der junge Mann geht fort und möchte sich verabschieden!«
Da traten die drei dürren Vogelscheuchen mit Paula heraus, und ich gab jeder die Hand und sagte: »Adios«. Paula war die letzte. Ich sagte zu ihr:
»Der Vorfall tut mir leid; ich habe Sie nicht beleidigen wollen.«
»Ich mag die Leute nicht, die so schnell mit dem Messer bei der Hand sind«, bäumte sie auf.
»Ebensowenig«, antwortete ich, »mag ich die Frauen, die armen Leuten Flausen in den Kopf setzen.«
Das sagte ich hauptsächlich in bezug auf Numa und ein wenig auch auf mich. Da ich aber keinen Wortwechsel anfangen wollte, fügte ich schnell hinzu:
»Ich bitte Sie, meinem Freunde Patrocinio die besten Grüße von mir zu bestellen.«
»Wird geschehen«, erwiderte sie trocken.
Schon bei meinem Pferde, verabschiedete ich mich von Don Candelario und Fabiano, die mir alles Gute wünschten.
Ich schwang mein Bein über die Kruppe meines »Picazo«. Wie schön war es doch, gut beritten und frei zu sein! Wenn mein rechter Arm auch noch taub war, so konnte ich ihn doch schon wieder brauchen. Man hatte mir den Weg gezeigt. Ich pfiff der Leitstute Garúa und lenkte die anderen Pferde hinter sie. So wie immer. Aber noch nie war es so sehr Nacht um mich gewesen.
Trotz der langen Wegstrecke, die mich von dem Vorwerk trennte, in dem ich meinen Herrn Paten finden sollte, ließ ich meine Pferde Schritt gehen. So würde ich gerade beim Morgengrauen ankommen. Was tat's? Ich wollte Nachdenken oder auch nicht nachdenken; sicherlich aber wollte ich diese letzten Begebenheiten in mir zur Ruhe bringen. Außerdem wollte ich meinen Arm, den ein tolles Ameisenkribbeln durchrann, nicht mißbrauchen.
O wie elend wandert man mit bedrücktem Herzen und mit Gedanken dahin, die in Trübsal verloren sind! Ich dachte an die Ungerechtigkeit des Schicksals, als ob dieses sich um jedermanns Grillen kümmern könne. Der wahre Gaucho denkt nicht mehr an seine Schwächeanwandlungen; er macht den Buckel krumm gegen die Unannehmlichkeiten des Lebens und stellt sich dem Schicksal, das ihn erwartet, mit dem ganzen Vertrauen auf seine eigne Unerschrockenheit. »Werde hart. Junge!« hatte Don Segundo eines Nachts zu mir gesagt und mir dazu mit der Peitsche eins über die Schulterblätter gegeben. An seiner Stelle versetzte mir jetzt das Leben mit demselben Ratschlag einen Peitschenhieb. – Aber was war denn das für ein Schlag, der mir den Willen bis ins Mark erschütterte und in mir die Vorstellung aufsteigen ließ, wieder umzukehren und eine intrigante Frau um Liebe zu bitten!
Um meine Schwäche zu überwinden, sah ich fest geradeaus.
Ich überquerte ein paar weinerliche Bächlein, die wer weiß was unter den Hufen des Pferdes wimmerten. Auch der Dreck hängt sich dem, der gehen will, an die Füße.
Armer Kamp, leidender Kamp; du unter diesem Himmelsstrich, bist genau so arm an Liebe und so verwaist wie ich. Trägst das Antlitz des Todes.
Die Nachtkühle umklammerte meinen Körper.
Und da waren soviele Sterne! Sie fielen mir in die Augen wie Tränen, die ich gern in mich hineingeweint hätte.