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An Karl Daub

(1805)

Ihr Brief, lieber Daub, hat mir mehrere Stunden des peinlichsten Kampfes bereitet, aber verzeihen Sie mir, aus diesem ist die der Ihren entgegengesetzte Ansicht wieder neu und kräftig hervorgegangen. Ist das eine rechte Ehe, wenn zwei Wesen sich gänzlich verstehen und lieben, sich besitzen und besessen werden, wenn das innerste, heiligste Leben des Einen sich nur von dem Andern entzündet und nährt? und wenn das eine rechte Ehe ist, so ist die eine Sünde an der Natur, die zwei Gemüther, die sich einander nicht genügen, nicht verstehen und lieben, in eine peinigende Fessel schlägt, in welcher das Herz des Einen sich in unbefriedigter Sehnsucht qualvoll verzehrt; und warum, weil es sich einmal irrte, mag es verschmachten, wer fragt nach dem heimlichen Ächzen des gemisshandelten Herzens, wenn nur der Mensch nicht gleich darüber stirbt, so beruhigen sich alle, meinend, es werde sich schon geben; aber es gibt sich nicht, und viel schlimmer ist es, so leben als sterben. Können Sie glauben, die Frau würde nun glücklich sein wenn ich entsagt hätte? wahrlich es kann ihr nicht wohl sein im Bewusstsein, dass sie einen Mann zwinge, ihr zu bleiben, dessen ganzes Wesen sich weg sehnt von ihr, und selbst dann, wenn sie ihn so behaupten wollte, besässe sie ihn nicht, denn man besitzt nur, von dem man geliebt wird, oder sie besässe ihn wie der Kerker den Gefangenen; und wenn es so schwer ist, einen solchen Besitz aufzugeben, ihr, die doch noch einer andern schönen Zukunft in ihren Kindern entgegen sieht, muss da nicht das Herz zerbrechen, das dem Einzigen entsagen soll, das geliebt wird und liebt? Aber vielleicht würde er sie nachher wieder lieb gewinnen? – C. hat mir oft heilig versichert, dass schon lange ehe er mich gekannt habe, eine öde Leere, ein Sehnen nach einer Liebe, wie sie ihm gezieme, ihm bewusst gewesen sei; und nun, nachdem er die Liebe hat kennen lernen, nun sollte er lieben, was ihm vorher nicht genügte? – Es ist mir deutlich geworden, dass durch mein Entsagen keinem gründlich geholfen würde, wohl aber mehrere unglücklich würden.

Dass wir uns lieben mussten, wie wir uns kennen lernten, das war notwendig, ich mache mir keinen Vorwurf darüber; ich habe gefehlt, als ich ihm das erste Mal erlaubte zu hoffen; nun aber, da ich ihn und mich mit dieser Hoffnung so vertraut gemacht habe und Entsagen wäre keine gute Tat, wenn ich denn auch sündige, so will ich wenigstens gegen ihn rein bleiben, ihm leben oder sterben, ich lasse mir selbst keine andere Wahl mehr. Und wenn Hoffen so frevelhaft wäre, so würde er es nicht können; er hat den heiligsten Sinn, ich kann nicht vortrefflicher sein wollen, als er ist; tun was ihn erfreut, das ist mir Tugend, Pflicht und Recht, das gibt mir frohes Bewusstsein; aber tun was ihn quält, das ist ewiger Vorwurf und nagende Pein und würde mir den Himmel vergiften.

Sind Sie unzufrieden über mich, so lassen Sie es unsern Freund nicht entgelten, bleiben Sie ihm immer gut, man kann der Liebe und Freundschaft nicht würdiger sein als er ist.

Leben Sie wohl.


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