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Alten Weibes List

(Konrad von Würzburg)

In der ehrenwerten Stadt Würzburg im Frankenland wohnte einst ein Weib, das sich um Geld mit allerlei Liebeshändeln abgab und manches verliebte Paar heimlich und auf geschickte Art zusammenzubringen wußte. Eines Tages fügte es sich, daß gerade schlechte Zeiten für sie waren und sie müßig zu Hause saß, so daß ihr schwer zu Mute wurde. Denn Pfingsten stand vor der Tür und sie wußte nicht, wie sie sich's über die Feiertage behaglich machen sollte. Eines Morgens wollte sie zur Messe gehen und blieb in der Hoffnung, vielleicht einen Fang zu tun, mit einigen Weibern schwatzend vor dem Münster stehen. Dabei gedachte sie ihres großen Kummers und blickte eifrig nach allen Seiten aus. Da sah sie einen der Chorherrn, den Dompropst Heinrich von Rothenstein, schön geschmückt und in reichem Gewände durch das Münster gehen. »Mit dem fang' ich's an«, dachte sie, ging ihm nach, zupfte ihn am Mantel und bat ihn um Gottes willen still zu stehen. »Zwar bin ich nur ein schwacher Bote Eurer Tugend gegenüber«, sagte sie, »aber wenn ich Euch ansagen soll, um wessentwillen man mich hergesandt hat, so wollet mir zuerst versichern, daß Ihr es ohne Zorn vernehmen mögt.« »Nun, redet nur weiter, ich will Euch gern zuhören«, entgegnete er darauf. »So will ich Euch denn sagen, daß ich zu Euch gesandt bin, um Euch Liebe und Gruß von einer schönen Frau zu überbringen, die mit Sinn, Herz und Leib auf das schmerzlichste für Euch entbrannt ist. Wollet die Botschaft in Gnaden aufnehmen und ihrer nicht verschmähen.« Er wurde rot wie Blut und fragte sie, ob dies ihr Ernst sei? Als sie ihm aber versicherte, daß sie die Wahrheit rede, wurde er gar fröhlich und sprach: »Liebe Mutter, ich stelle alles dir anheim, und wenn du dich der Mühe nicht verdrießen lassen willst, so sollst du es nicht zu bereuen haben.« Damit griff er in seinen Säckel, zog so viele Pfennige heraus, als er gerade zu fassen bekam, drückte sie ihr in die Hände und sagte: »Führe es zu Ende, dann sollst du noch mehr davon haben«, und ging weiter.

»Es soll alles geschehen, wie Ihr mir befehlt«, rief sie ihm nach und betrachtete vergnügt ihre vollen Hände: »Hei, laß sieden und braten! Der Anfang war gut.« Da sah sie, daß eben eine schöne Frau gar lieblich des Weges daherkam. »Das trifft sich wohl«, dachte sie sich, »da will ich auch einmal meine Haken einschlagen. Laß sehen, ob ich ihr's nicht mit List abgewinnen kann. Ist sie aufgelegt zu dergleichen Späßen, das will ich bald heraushaben.« So lief sie denn schnell zu ihr hin und grüßte sie, indem sie scherzhaft dabei lachte, um ihre böse Absicht darunter zu verbergen. Die Frau schwieg zu dem Gruße, neigte nur ihr Haupt und wollte weitergehen. Da sagte die Alte: »Liebe Frau, wollet doch ein wenig verziehen, lasset mich zwei Wörtlein mit Euch reden.« »So sagt denn, was wollt Ihr von mir?« »Ach, der redlichste Mann wird noch um Euretwillen verderben! Er läßt Euch in Treuen sagen, daß ihn die Liebe zu Euch so sehr verwundet hat, daß er ihrer nicht mehr genesen mag, es wäre denn, Ihr selber wolltet sein Arzt sein.« »Das ist mir leid«, erwiderte die Frau. »Aber wenn ihm durch mich Kummer wird, ich bin wahrlich ohne Schuld daran. Er möge sich schützen, wie er es eben vermag.« Dabei aber war ihr eine dunkle Röte in die Wangen geschossen, ihr roter Mund zuckte merklich, bis sie denn auch wirklich in ein liebliches Lachen ausbrach. »Nun will sich's machen«, dachte die alte Krücke, »jetzt heißt es achtsam sein.« Die Frau wollte nun nicht länger stehen bleiben und meinte, was sie noch zu bereden hätten, könne sie ihr ja nachher sagen. Damit ging sie weiter, in die Messe. Die Alte überlegte indessen mancherlei Listen, wie sie es beginnen solle. »Wer gewinnen will«, dachte sie, »muß alles wagen, und wer wagt, gewinnt. Wirf die Wurst nach der Speckseite, so fallen alle beide herunter.« Sie ging in einen Kramladen, kaufte ein seidenes Gürtlein und einen hübschen Säckel dran, und stellte sich damit wieder vor dem Münster auf. Nicht lange danach, als die Messe zu Ende war, kam auch die Frau wieder heraus. Da ging die Alte auf sie zu und sprach: »Ich bin noch einmal hier, seht, herzliebste Frau, was mein Herr Euch da zum Geschenke sendet. Er sagt, wenn Ihr's in Güte annehmen möchtet, er wollte Euch noch mehr solche Kleinode geben, daß Ihr Zeit Eures Lebens reich daran wäret.« »Es soll mir genug sein«, entgegnete die Frau mit Züchten. »Aber ich will es ihm gern entgelten, wenn ich dazu imstande bin, daß er nichts daran verlieren soll. Hier nimm, das ist für dich!« Sie gab ihr drei Schillinge und ging weiter. Hei, da war die Alte froh: »Nun laß blühen Weizen und Korn!« dachte sie. Dann schlich sie sich nach Hause wie ein Dachs und beriet ihre Küche wohl, als ob es gleich zehn Feiertage gewesen wären. »Wenn die Krähe still sitzt«, sagte sie, »dorrt ihr Schnabel und Klaue. Wer sich nicht umtut, muß in Sorgen leben.«

Des andern Morgens früh machte sie sich wieder auf die Reise. Sie hatte wohl überlegt, wie sie es anstellen müsse, daß der Mann und die Frau einander sähen und beide in Liebe entbrennen sollten. Wie sie so noch in Gedanken dastand, kam der Dompropst eben vorbei. Er begrüßte sie und fragte, was sie hier so früh zu schaffen habe? »Ei, ich warte hier auf Euch«, erwiderte sie: »Seit gestern habe ich nicht geruht, wie ich Eure Sache wenden möchte, auf daß Euer Herz und der Frau Herz, die Euch liebt, Lust und Freude gewännen. Ich will das Leben nicht haben, wenn sie Euch nicht noch besser bedienen wird, als Ihr Euch träumen mögt. Wenn Ihr es Euch nicht verdrießen lassen wollt und die Gelegenheit nützt, sie zu sehen, so wird da vielleicht ein Wild erjagt, das Euch behagen soll.« Kaum war das Wort ausgesprochen, so sahen sie auch schon die liebreizende Frau des Weges daherkommen. Sie hatte sich auf das Beste geschmückt, denn sie wollte sich sehen lassen, und trug alles, was sie daheim an Seiden und Gold besitzen mochte, dem Manne zuliebe, dessen Herz sie so sehr verwundet. »Seht her, da kommt sie!« rief die Alte. »Wie? Ist es dieselbe, von der Du mir sprachst?« fragte der Dompropst. »Just dieselbe, Herr«, erwiderte das böse Kuppelweib. Da erbebte sein Herz vor Freude. Rasch lief nun die Alte zu der Frau und zeigte ihr den Mann als denjenigen, dessen Herz ihr so heftig zugeneigt sei. Die Frau ließ ihre Blicke hinüberschleichen, da entbrannte auch sie von süßester Liebe, so daß ihnen beiden Gleiches geschah, kaum daß sie einander gesehen hatten.

Die Frau senkte das Haupt, das sie zuvor so hoch erhoben getragen hatte, und ging zur Messe. Aber sie bemerkte kaum, was in dem Münster rings um sie her geschah: ihr Gebet war verwirrt und sie so sehr aller Sinne benommen, daß sie gar nicht mehr wußte, wo sie sich befand. Als die Messe zu Ende gesungen war, kam nun wieder die Alte auf sie zu und sprach: »Liebe Frau, vernehmt, was ich Euch sage: Heute Nachmittag, wenn Ihr gegessen habt, mögt ihr Euch schön anziehen und schmücken, so will ich Euer warten, daheim in meinem Häuslein. Ich heiße Frau Metz die Kauflerin und wohne bei dem Spital; dicht neben dem gemalten Hause, das dort steht. Wenn Ihr mich lieb habt, so tut es um meinetwillen, und laßt Euch freundlichst geladen sein.« »Gut, ich will dich also in deinem Hause besuchen«, erwiderte die Frau. Auf dem Heimwege und zu Hause gingen ihr gar vielerlei Gedanken durch den Sinn. Als man sich zu Tische setzte, aß und trank sie nur wenig, kaum aber hatte man sich erhoben, als eine heftige Unruhe sie ergriff, wie sie sich zu dem Gange vorbereiten sollte. Sie rief ihre Dienstmagd, die sie als treu und verschwiegen kannte, hieß sie ihr hübsches Kleid anziehen und befahl ihr, sie an einen Ort zu begleiten, wohin sie diesen Morgen eingeladen worden. Nachdem sie sich beide gefällig gekleidet, gingen sie zu Frau Metz der Kauflerin, von der sie auf das freundlichste empfangen wurden: »Ei, solch werte Gäste hatt' ich doch noch nie in meinem Hause«, rief die Alte ihnen entgegen, »Herrin, seid mir Gott willkommen.« Die Frau erwiderte ihren Gruß auf das beste und bald saßen sie alle in einer Kemenate beisammen, wo Stühle zum Sitzen hergerichtet waren. Die Alte holte von ihrem guten Wein, setzte ihn ihr nicht ohne heimliche Absicht vor und sprach: »Meine Kaiserin, wollt Euch ein klein Weilchen ohne mich behagen lassen und trinkt indes nur fleißig von dem Weine! Es ist um mich geschickt worden, da will ich nur rasch einmal hinüberspringen, nehmt mir's nicht übel auf!«

Sie wollte nämlich schnell zu dem Pfaffen, um den Handel sogleich zu Ende zu bringen. Das alte Bockfell konnte noch laufen, als ob der Teufel selbst sie fangen und binden wollte, und ruhte nicht eher, als bis sie in dem Kreuzgang angekommen war. Bald sah sie denn auch den Herrn, winkte ihm mit der Hand und sagte: »Geht mit mir, ich habe einen Gast für Euch in mein Haus geladen, der, denk' ich, Euch nicht schlecht behagen soll.« »Meinst du die Frau, die ich heute Morgen sah?« »Ei freilich, just dieselbe.« Da sprang er vor Freude auf: »Mutter«, rief er, »dafür will ich dich belohnen, daß du es mir Zeit deines Lebens danken sollst.« Aber wenn der Teufel Schande braut, so ist es an Gott, Schande abzuwenden. Kaum wollte der Dompropst mit dem alten Weibe nach Hause, da traten vier Chorherren zu ihm herein, in Begleitung eines Schreibers. »Wo wollt ihr hin?« fragten sie. »Ich muß ein wenig fort«, entgegnete er. »Herr, wir brauchen Euch, wenn Ihr Schaden für uns Alle vermeiden wollt.« »Ich will aber nicht bleiben«, sagte er, »ich muß einen Freund besuchen.« »Nein, Herr«, erwiderten sie, »wir müssen das Insiegel haben, um dieses Schriftstück fortzuschicken, dazu Eure Unterschrift zur Beglaubigung. Es möchte Euch ein Schaden wohl von hundert Mark sein, ginget Ihr nicht mit uns, und Euer Freund wird wohl so lange nicht sterben, als diese Sache hier beredet wird.« Damit zogen sie ihn ohne weiters mit sich fort.

Der Kobold mag wohl teuflisch dreingesehen haben, als ihr Anschlag so zerrann, und schied kochend vor Wut von dannen. Da begegnete sie auf dem Wege einen hübschen und wohlgestalten Mann, er mochte so etwa dreißig Jahre zählen oder wenig mehr. Da dachte sie: »Ist mir der eine entgangen, so will ich den andern nehmen. Ich denke, es müßte ihm wohl behagen, mit einer schönen Frau Kurzweil zu treiben.« Da ging der alte Hadersack hin, wünschte einen guten Tag, verneigte sich und sprach: »Was wollt Ihr mir geben, wenn ich Euch ein schönes Weib verschaffe? Ihr seht danach aus, als ob Ihr mit Frauen wohl umzugehen verstündet. An Kurzweil soll es Euch nicht fehlen.« »Gut«, sagte er, »ich will's Euch gerne lohnen.« Sie ging voraus, er hintennach, so eilten sie beide nach ihrem Hause. Indessen saß dort die Frau an einem Fenster und dachte des Geliebten. Da sah sie plötzlich das Weib daherkommen und hinter ihr niemand anders, als ihren eigenen Mann. »O weh, o weh!« rief sie, »hätte ich nur den schändlichen Gang mit dem Weibe nicht getan! O weh, wie wird es mir ergehn! O weh, daß ich je geboren wurde, wie hab' ich Leib und Ehre verloren.« Dabei lief sie hin und her, sah sich nach allen Seiten um, wußte nicht, wohin, noch was sie sonst beginnen sollte. Die Magd erschrak heftig, als sie die Not der Frau sah, durch die jene schier irre geworden schien, und fragte, was ihr geschehen sei. »O weh, dein Herr kommt hierher!« »Das sei Gott vor, wo ist er?« »So lug doch, wie er da mit dem Weibe hergeht!« »So will ich Euch, in Christi Namen, einen Rat geben, der Euch nützen soll«, sagte die Magd: »Wenn er zur Tür hereinkommt, besinnt Euch nicht lange, fallt ihm ins Haar und schreit: »Also ist es wahr! Das sind also Eure Schwüre!« In diesem Augenblicke trat aber auch schon der Mann in die Stube. Schnell gefaßt, rief sie ihm entgegen: »O Ihr falscher Dieb! Wer hätte das gedacht, daß Ihr bei andern Weibern liegt? War ich Euch etwa nicht schön genug?« Dabei gab sie ihm einen Backenstreich, daß ihm die Wange blutrot davon wurde. »Pfui«, schrie sie, »Ihr böser Schalk!« Da sagte er: »Habt Geduld, um Gottes willen, und vernehmt meine Unschuld. Nicht genug, daß Ihr mich um die Freude bringt, bin ich auch noch ohne mein Verschulden dazu gekommen.« »So gebt mir Euer Wort, daß es nie wieder geschehen soll, dann möge denn in Gottes Namen wieder Freundschaft zwischen uns bestehen wie ehedem.« Da gab er ihr das Wort, daß es ihn gereue und nie wieder geschehen solle. Das alte Weib aber war, als sie sah, daß die Frau ihren Mann an den Haaren riß, schleunigst aus dem Hause geflohen.


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