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Im Osterlande war einmal ein edler Ritter, der besaß das lauterste und treueste Weib, das man zu ihren Zeiten finden mochte, und lebte mit ihr in Eintracht und Ehren. Da verblendete ihn Unheil, daß er zu seinem und der Frau Mißgeschick auf den Gedanken kam, ihre Treue zu erproben, um zu erfahren, ob sie ihm in Wirklichkeit so ergeben sei, wie sie sich gebahre. So bat er denn einen seiner Knappen, namens Hänslein, zu dessen Redlichkeit er das höchste Vertrauen besaß, er möge seiner Frau mit Bewerbungen nachstellen. Darob erschrak der Knappe: »Um Eurer Ehre Willen«, sprach er, »erlaßt mir solchen Dienst und wiederholt diese Bitte nicht mehr.« Aber der Ritter erwiderte: »Es bleibt dabei. Tust du, wie ich dich bitte, so wird es dein Schaden nicht sein. Weigerst du dich aber, so ziehe ich meine Hand von dir. Freilich mußt du mein Begehren recht verstehen: Wenn es dir gelänge, die Frau zur Liebe zu bewegen, und sie bäte dich insgeheim zu sich, so trete ich an deine Stelle. So wirst weder du noch sie Schaden dabei erleiden. Auch sollst du wissen, weshalb ich dies tue: ich will ihre Treue prüfen, von der, gleichwie von ihrer Schönheit, weithin im Lande die Kunde geht, und sie zwiefach hochhalten, wenn sie vor den Reden, die ich dir weise, besteht.«
Als der Knappe diese Worte vernahm und daß der seltsame Dienst, den jener forderte, niemand zum Schaden gereichen würde, da tat er, wie ein redlicher Diener tut, und sprach: »Es sei, Herr. Zwar wäre ich gerne solchen Auftrags ledig, aber um Eurer Huld willen mag ich's nicht verweigern.« Da ging er hin, war geschäftig in dem Dienste der Frau und hielt sich von Tag zu Tag immer mehr in ihrer Nähe. Einmal fügte es sich nun, daß sie eben aus der Kirche gehen sollte: Da ließ er es sich nicht nehmen, denn er stand wie immer am nächsten zu ihr, und führte sie galant hinauf, indem er bald an ihrer Seite, bald vor ihr herging. Dabei sprach er ihr mit den schönsten Worten, die er hatte, zu: »Vergebt, Königin«, sagte er, »wenn ich heute eine Rede beginne, die ich schon seit Langem mit mir herumtrage, laßt es Euch in Hulden von mir armen Knecht gefallen.« »Liebes Hänslein«, erwiderte die Frau, »willst du vielleicht Urlaub von mir nehmen? Warum sollt' ich just dir von meinen Knappen nicht zu reden gestatten? Sprich frei und sage mir von Herzen alles, was du mir mitzuteilen hast.« »Gnade, süße Frau«, sprach er, »Eure Schönheit und Güte hat mir Herz, Sinne und Gemüt bei meinen jungen Tagen so sehr gefangen und bezwungen, daß mein Leben schwinden muß, finde ich nicht Gnade für diese lieblichen Wahn, den ich mit treuen Augen schon lange heimlich wieder Euch im Herzen trage.« Da entgegnete die Frau mit Stolz: »Du scherzest allzu vorlaut, ich gebiete dir und will es nicht anders, als daß du deine Rede mäßigst, wenn dir dein Leben lieb ist.« »Gnade, Herrin«, rief er, »o Makellose, ich habe Leben und Leib Eurer Gnade übergeben und will leben und sterben, wie es Euch gefällt.« »Deine Bitte ist unsinnig«, erwiderte sie noch, »gib acht, daß es dein Herr nicht erfährt!« und ging rasch in das Haus.
Da eilte der Knappe zu seinen Herrn und erzählte ihm, was sie gesagt habe, auch verschwieg er nicht, daß sie ihn bei ihm verklagen wolle. »Beruhige dich«, entgegnete der Herr, »ich will ihr ihre Klage so bezahlen, daß sie weder öffentlich noch heimlich künftig davon Erwähnung tuen soll.« Als nun der Knappe seine Bewerbungen wie vordem fortsetzte, ging die Frau zu ihrem Herrn, klagte ihm bescheiden, was ihr widerfahren, und bat ihn, dem Jüngling solche Gesinnung zu verweisen. Aber er antwortete: »Frau, solche Dinge mögt ihr nicht wieder vor mich bringen! Ihr wollt nur, daß ich den Diener verliere und großen Schaden davon leide. Denn nie sah ich solch' treuen Knecht und würde es bald bitterlich bereuen, läge er tot, weil Ihr ihm's nicht anders gewollt.« Die Frau erschrak über diese Antwort, Leid erfüllte ihr Herz, und sie bedauerte, ihm davon geredet zu haben. »Süßer Gott im Himmelreich«, dachte sie, »hilf, daß keinerlei Not oder Schande über mich komme!«
Der Knappe aber hörte nicht auf, sie nach seines Herrn Wunsch immer wieder um ihre Liebe zu bitten und verfolgte sie hart mit mancherlei glühenden Reden und Worten. Sie wollte es ihren Verwandten klagen, da ihr Herr sie also im Stich gelassen, aber sie dachte, so würde der Jüngling von ihnen zu Tode geschlagen, daß ihr nichts als Jammer und Not daraus erwüchse. Tat sie es aber nicht, so würde Schande und Spott vor Gott und der Welt ihr Teil sein. In solcher Not bat sie die himmlische Königin, sie möge ihrem armen Kinde raten.
Da endlich kam sie auf einen listigen Gedanken, der ihr helfen sollte. Als der Knappe das nächste Mal zu ihr kam, um sie heimlich mit schöngefügten Worten zu betören und zu betrügen, hieß sie ihn sitzen und sprach: »Ich sehe deine Ausdauer und daß weder meine Bitten noch meine Ratschläge, weder Flehen noch Drohung dich davon abzubringen vermögen. So bleibt mir denn keine Wahl, ich muß mich der Ehre abtun und dir gewähren. Vernimm, was ich dir sage: dieser Tage beabsichtigt dein Herr fortzureiten, da sollst du spät vor meine Kammer kommen, du weißt, durch das kleine Gärtlein, so will ich selber dich hereinlassen.« Da dankte ihr der Knappe, stellte sich froh, eilte heimlich zu seinem Herrn und verkündete ihm die Märe. »Ach«, rief dieser, »sagt' ich dir's nicht immer, schwach ist der Frauen Mut und ihre Beständigkeit dauert nicht länger, als bis einer kommt und Leib und Liebe von ihnen begehrt.« Indessen aber traf die Frau ihre Vorbereitungen: eines Tages ging sie heimlich mit ihren Jungfrauen und einem alten Kammerweib in ihre Kemenate, befahl, die Tür zuzusperren und sprach: »Helft mir, Jungfrauen, daß ich meine Ehre behalte und in Treuen altern mag.« »Sagt an, Herrin, wie dies geschehen soll«, erwiderten sie, »wir sind gern dazu bereit.« Als sie ihnen nun erzählt hatte, wie der Knappe sie unaufhörlich bedränge, sprach sie also: »Sonntags spät in der Nacht soll er vor meine Kemenate kommen. Da will ich ihn einlassen, wie ich ihn's geheißen habe. Ihr aber sollt bei mir sein.« »Wenn er nun herinnen ist«, wandte sie sich an die Alte, »so sieh zu, daß du indessen drei kräftige Spitzhölzer und drei Ruten aus recht zähen und festen Zweigen hereingebracht hast, damit wir ihm damit die Haut zerbläuen. Welche die Stärkste von uns ist, die soll am nächsten an ihn heranbringen und ihn bei den Haaren fassen und auf den Estrich werfen, daß dem Narren Rücken und Rippen bersten. Währenddes schlagen ihn die andern mit den Gerten und Stöcken um die Schultern, daß er nach Wasser schreien soll. Wir wollen ihm schon Öl ins Kraut tun, laßt mir nur nicht ab, und was immer ich sprechen mag, haut zu, was Ihr vermögt.«
Indessen machte der Herr sich bereit, an Stelle des Knappen zu der Frau zu gehen. Als der Abend gekommen war, schlich er sich heimlich vor ihre Kammer und klopfte leise. Da sagte die Frau: »Wer mag wohl da sein?« »Herrin, ich bin's, das Hänslein«, antwortete der draußen, »Euer alter Diener und treuer Knecht.« »Du wirst es wohl sein«, entgegnete sie, »Gang und Stimme kenn' ich ja.« In der Kammer brannte kein Licht, nur ein kleines Kerzlein hatte man fern in einen Winkel gestellt. »Komm nur herein«, sagte die Frau, öffnete ein klein wenig die Tür, aber nicht zu weit, und ließ den Mann ein. Im selben Augenblicke sprang auch schon die Stärkste aus dem Dunkel hervor, fuhr ihm mit beiden Händen in die Haare und schwang ihn auf den Estrich, daß er purzelte und ihm die Rippen im Leibe krachten. Indessen waren auch die drei Jungfern und das Kammerweib zur Hand und zerschlugen ihm mit den Ruten und Knütteln den Balg, daß kein Landstreicher, der beim Stehlen erwischt wird, je übler zugerichtet wurde. »Gnade«, rief er, »Frau, ich bin es ja!«, aber je mehr er schrie, desto besser ward es ihm gegeben, daß die Späne flogen.
Als der Mann nun windelweich geschlagen war, fragte ihn die Frau, ob er es abschwören wolle, wenn ihm sein Leben lieb sei. Dazu war er mehr als mit Freuden bereit und schwur hoch und teuer, daß er nie etwas tun werde, was ihr unlieb sein möchte. Da erhub man rasch das verdeckte Licht und sah ihm ins Antlitz: wie aber erstaunte die Frau, als ihr eigener Mann vor ihr stand! Unmutig fragte sie ihn, was ihn auf solche Weise hierher geführt habe? Da antwortete er zähneklappernd: »Unheil hat mich auf diesen Weg getrieben, helft, daß ich wieder zu Kräften komme. Mein dummer Wahn hat mich betrogen.« Und sagte ihr alles an, wie er seinen Knappen Hänslein gebeten und was daraus erwachsen sei. Da entgegnete sie: »Pfui über dich ungetreuen Mann, stünde mir's nicht übel an, ich ließe dich, krank wie du bist, hier liegen, denn dir ist recht geschehen. Aber was immer du mir angetan hast, ich will dir bessere Treue erweisen, als du mir erzeigst.« So ließ sie denn am nächsten Morgen einen weisen Mann kommen, der ihn mit einer guten Salbe bestrich, so daß er bald wieder genas.