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Tiberius.

1.

Still lag das Meer; die Höh', die wir erklommen
Erstrahlte in des Abends satter Gluth
Und durch die Lüfte kam ein Hauch geschwommen,
Geheimnisvoll erregend Hirn und Blut –
Narzissenduft … und vor mir die Ruinen
Tiber's, d'rin Haß und Wollust einst gehaust,
Vom letzten Glanz des Tages mild beschienen,
Vom Donnergruß des Meer's wie einst umbraust.
Noch leuchtet bunt der Mosaik der Fliesen,
Noch hebt sich hier und dort ein Säulenstumpf,
Zerschmettert, einem hingestürzten Riesen
Vergleichbar; doch die Luft geht schwül und dumpf,
Beklemmend – und ein räthselhaftes Grauen
Beschlich mit einem Mal mir Herz und Sinn,
Als gält's, ein Fürchterliches hier zu schauen,
Als trät' der Schrecken plötzlich vor mich hin,
Und lachte gell, und schüttelte die Locken,
Und säh' mich an, medusenhaft und stier,
Daß in den Adern mir die Pulse stocken – –
»Da bin ich, Menschlein – nun, Du riefst nach mir!«
Doch still blieb es um mich; und träumend lenkte
Die Schritte ich der Felsenbrüstung zu:
Schon war die Sonn' erloschen, Dämm'rung senkte
Sich flaumig auf der Wogen glatte Ruh';
Geräuschlos strich die Möve hin und wieder,
Und kühl umwehte mich des Abends Hauch,
Aus einer Barke klangen Fischerlieder,
Fern kräuselte sich eines Dampfers Rauch …
Da hört' ich hinter mir ein seltsam Rufen –
So spöttisch-hell … scheu ging mein Blick umher –
Dann wandt' ich mich – und vor mir, auf den Stufen
Der Eremitenklause stand – Tiber!

2.

»Ich habe dich erwartet!« und hernieder
Schritt lächelnd er und griff nach meiner Hand –
Entsetzen fuhr mir lähmend durch die Glieder,
Und Aug' in Aug' hielt ihm mein Grauen stand.
»Was schüttelt dich die Angst in meiner Nähe?
Ich bin nur Einer aus der Riesenzahl!«
Und freundlich grinste er – mir war, als sähe
Ich dieses Grinsen nicht zum ersten Mal …
»Du siehst, ich kreuz' nicht unhold deine Wege,
Sonst hätt' ich deiner dort geharrt, wo schwül
Die Zauber der Vergangenheit noch rege –
Doch hier ist's frei – und menschennah – und kühl –
Nicht hat Tiberius das Licht zu scheuen,
So lang' ein Menschlein noch im Staube kreucht!
Nichts blieb ihm zu beweinen, zu bereuen,
Als etwa … doch, tritt hieher! Sieh, mir däucht,
An jener Stelle wär' einst Blut geflossen!
Ein holder Knabe war's: blondlockig, keck …
Auf jedem Pfad blüht's hier von Purpur-Rosen
Um mich – sieh dorthin nur! Welch' schöner Fleck!«
Mein Herz stand stille; nur ein dumpfes Brausen
Und Hämmern dröhnte quälend mir im Ohr –
Sein Auge letzte sich an meinem Grausen,
Dann nickte er, hob meine Hand empor
Und sprach: »Ihr habt das Kreuz auf euch genommen,
Und schändet, mordet, haßt und schwelgt nicht mehr –
Ihr? Haha! und dürft nun schaudern kommen
Und aufseufzen: ›Hier wüthete Tiber!‹
Ihr? Hahaha!« und von den Felsen gellte
Und sprang sein Hohngelächter schrill zurück:
Es war, als ob ein Stein daran zerschellte,
Ein spitzer Stein – abbröckelnd Stück für Stück …
»O wie ich euch veracht'! Wie ich euch immer
Verachtet habe!« und sein Augenpaar
Durchflog ein irres, grünliches Geflimmer,
Im Winde flatterte das nächt'ge Haar. –
»Ihr seid – dieselben noch! noch ist die Lüge
Ein Gottesdienst und Dünkel der Altar –
Einfraß in euer Hirn, in eure Züge
Sich ihrer Nothzucht Schandmal! Nichts ist wahr
Am Menschen, als die Frechheit, ihr zu dienen!
Verdammt ihr noch den blutigen Tiber,
Deß' Gräuel diese traurigen Ruinen
Erzählen, ragend über Land und Meer –
Dann wißt: er floh hieher, um nicht zu scheinen,
Was er nie war! Der bess're Mensch hat hier
Gehaust, gewüthet … einer eurer »Reinen«
Warf hier die Maske ab und ward – ein Thier!
Und wälzte sich wie ihr im geilen Bade
Der Lust – nur zeigte er auch seinen Schmutz –
Und haßte, würgte, ohne Wahl und Gnade –
Nur bat er nicht wie ihr um Gottes Schutz
Dazu! Nur heuchelte er nicht Erbarmen,
Wo schadenfroh sein Herz auflachte – nur
Zwang er sich nicht, den Gegner zu umarmen,
Wenn er den Tod ihm wünschte, und Natur
Zu leugnen, wenn sie ihre Bestientatzen
In's Fleisch ihm grub mit wollüstigem Schmerz –
Ihr zeigt stets weiche Hände, glatte Fratzen –
Die Tigerkrallen wuchsen euch in's – Herz!
Ich war Tiber und hatt' den Muth, es bleiben
Zu wollen! Dies allein ist's, was uns trennt –
Ich war ein adlig Thier … mein Schwelgen, Treiben
Vermacht' ich euch, daß ihr einst schaudern könnt
Und – mir nach-wüthen in geheimen Stunden,
Wenn euch kein And'rer sieht, als euer Gott …
Ich neid' ihm nicht das Volk, das er gefunden!«
Und wieder grinste er – satan'schen Spott
Und Hohn im tigerhaften Angesichte;
Dann wies er siegreich über Land und Meer
Und rief: »Er lebt nicht nur in der Geschichte,
In jeder Menschenbrust lacht ein Tiber!«


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