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San Onofrio.

1. Tasso's Gemach.

Im letzten Abendschimmer,
Wie kahl und öd' dein Zimmer:
Nach einem Sonnentraum
Ein nackter Zellenraum!

Dein Krucifix, das bleiche,
Die Mask' von deiner Leiche,
Der Stuhl, in dem du starbst
Und endlich Ruh' erwarbst,

Sonst nichts; doch dir zu Füßen
Mit ihren Palmengrüßen
Die Stadt der Christenheit,
Die dir den Kranz geweiht!

Wenn deines Weh's Gespenster
Dich hetzten, sprach dies Fenster:
»Sieh deines Ruhmes Dom –
Jerusalem und Rom!«

Ferrara's schnöde Bande,
Dein Weh und deine Schande,
Sie wurden oft zu nicht',
Vor dieses Trostes Licht!

In Christi Wunden tauchte
Dein Lied, dein Herzblut rauchte
Für ihn, drum zog er dich
Vom Kreuz empor zu sich!

2. Seine Gruft.

Und abwärts schreit' ich nun mit scheuem Zagen
Zur Klosterkirche, d'rin in Frieden ruht
O Tasso, was nach sturmbewegten Tagen
Der Tod uns ließ von deiner Qual und Gluth.

Vor meinen Blicken wächst mit hehrem Prangen
Dein Sarkophag empor mit Schwert und Schild,
Und die mit dir den Weg zur Gruft gegangen,
Sie nennt und weist uns treu des Künstlers Bild.

Rom's Priester alle waren dein Geleite,
Colonna und Corsini trugen dich,
Mit Kränzen schritt die Jugend dir zur Seite
Und Roma's Lorbeerhelden neigten sich –

Ja, du warst groß! Und als dein Aug' geschlossen,
Dein Mund erstarrt, durchlaufen deine Bahn,
Erkannten reuevoll Italia's Sprossen
Dein heilig' Weh und was man dir gethan!

Vom Glorienschein des Ruhmes stolz umgeben,
Um's bleiche Haupt des Lorbeers ew'gen Kranz,
Blickst du, wie anders nun, als einst im Leben,
Herunter jetzt auf ihren Mummenschanz.

Kein Bettlerkleid deckt heute deine Rippen
Wie damals, als der Wahnwitz dich entflammt,
Zu einem Lächeln zwang man deine Lippen,
Doch herber hat kein Lächeln noch verdammt! –

3. Die Tasso-Eiche.

Nach Jahren wilder, unerhörter Qualen
Dein stiller Platz im Schatten dieses Baum's,
So nah der Sonne deiner Ruhmesstrahlen,
So fern der Stätte deines Seelentraum's!

»Ferrara« und »Lenore« – ach, die Namen,
Die in der frommen Mönche düst'rem Kreis
Verschämt nur über deine Lippen kamen,
Hier schriest du sie vielleicht noch bang und heiß!

Hier durfte unbelauscht dein Herz verbluten,
Und wenn dein Weh in Thränen sich ergoß,
Verklärten sie die reinsten Sonnengluthen –
Hier war dein Schmerz kein sündiger Genoß!

Dann schwanden Roma's wirre Häusermassen
Wie Nebel, und nur eines sah dein Blick:
Ferrara's marmorschimmernde Terrassen
Und jener Tage blumiges Geschick!

Nun schlummerst du, entrückt dem Qualbereiche,
Das wärmste Herz im Bann des kühlsten Raum's,
Doch noch umsäuseln mystisch jene Eiche
Die Schauer deines unerfüllten Traum's!

Ich fühlte sie … und grünt ihr auch zur Seite
Der bitt're Lorbeer – hier gebeut er nie,
Nur Sehnsucht reißt die Seele in die Weite,
Und Liebeszauber ranken sich um sie;

Vor deiner Gruft erstirbt jed' eitles Wähnen,
Hier thront dein Ruhm in majestät'scher Ruh',
Doch wo der Mensch gelitten, fand ich Thränen,
Und schluchzen, träumen dürft' ich hier wie du!


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