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Sie haben sich grausam zerstritten
Und sind sich doch täglich so nah,
Die schmucksten der schmucken Modelle
Vor Santa Trinità;
Er pfaucht in der Tracht der Campagna
Gewuchtigen Schritt's auf und ab;
Sie lacht zur Piazza di Spagna
Mit süßem Mund hinab.
Er fühlt es, doch will es nicht sehen –
Sie merkt es und quält ihn noch mehr,
Und möcht' doch vor Sehnsucht vergehen,
Denn ach! sie fühlt wie er …
Kein Kosen, kein Winken, kein Nicken
Wie sonst – o gepeinigtes Herz!
Wie qualvoll, so frostig zu blicken,
Wie grausam dieser Scherz!
Da schlendert vom Pincio herunter
Ein Maler und hält vor ihr ein –
»Du stehst mir noch heute! Sei munter,
Ein schöner Preis ist dein!
Solch Lärvchen just sucht' ich schon lange –
Doch sag mir, wo find' ich dein Paar?« –
Er fragt es und streicht ihr die Wange,
Das schwarze, sammt'ne Haar …
Sie nestelt verlegen am Tuche –
Giuseppe! – nun hat er's geseh'n!
Schon naht er mit zornigem Fluche –
Sein Dolch – gleich ist's gescheh'n – –
»Signor!« doch er lacht nur, der Fremde:
»Beim Himmel! Just frug ich nach dir,
Bandit du, im bauschigen Hemde,
Ich male dich mit ihr!
Doch dürft ihr so trotzig nicht blicken,
Ich brauch' heut' ein zärtliches Paar!«
Sie kichert – er lächelt – sie nicken
Und treten aus der Schaar.
»Y–a! Y–a!« »Maledetto –
Willst du endlich?« doch er steht,
Trotzig weit die Beine spreizend,
Hoch die Nüstern aufgebläht.
Schläge? Pah! sein täglich Futter –
Kaum noch fühlt sie Fleisch und Haut;
Aber eine Meinung hat er,
Und die sagt er Allen laut!
Boshaft lacht das graue Auge,
Höhnisch zuckt das schiefe Maul –
Wund der Rücken – doch was thut es?
Ihm behagt's und – er ist faul!
Stück für Stück rollt das Gemüse
Aus den Körben, die er trägt;
Schöne Waare – soll zu Markte –
Doch wie auch der Führer schlägt,
Tobt und wüthet, rast und zetert –
Beppo steht, ein ganzer Held,
Schwitzt und blutet, weil's nun einmal,
Seiner Thorheit so gefällt;
Weil die besten seiner Ahnen
Diesen Brauch auf ihn vererbt:
Fromme Esel-Überlief'rung,
Heilig, wenn auch oft gegerbt!
Mitleidvolle Seelen aber
Sammeln sich im Kreis ringsum
Und beseufzen heut' wie immer
Blödsinn als Martyrium!
Horch! Geschrei und wüstes Toben –
Weitauf fliegt die Schenkenthür,
Faust und Knüttel hoch erhoben
Wirbelt's zornentbrannt herfür:
Eseltreiber, Straßenfeger
Und zum Schluß der schmutz'ge Wirth,
Während sich ein Zeitungsträger
Noch bei Zeiten klug salvirt.
Wuthgeheul und Flüche schallen,
Flammen sprüh'n aus jedem Blick,
Hageldicht die Püffe fallen –
Ach, die leid'ge Politik!
Da – ein hell' Gekreisch – die Weiber!
Rasend fliegen sie heran:
Straßenfeger, Eseltreiber,
Jeder ach, ist – Ehemann!
An der Tapfern Schöße klammern
Die Verzweifelten sich fest,
Und sie keifen, und sie jammern,
Und ihr Weinen thut den Rest!
Würdevoll auf hag'rer Mähre
Sprengt nun auch vom Corso her
Keuchend der Carabiniere –
Aber sieh, der Platz ist leer!
Nur zertret'ne Calabreser
Trauern stumm auf weiter Flur,
Prügel und zerschlag'ne Gläser
Künden ihm des Schlachtfeld's Spur;
Weh'nde Schürzen, bunte Tücher
Weisen ihm der Sieger Bahn,
Und er ist des Friedens sicher,
Denn auch er war – Ehemann!
»
Guide« und Fernrohr unter'm Arm
Schreitet er mit hagern Beinen
Durch des Volkes lauten Schwarm –
Englands' Sohn – ich will es meinen!
Bleibt an jeder Ecke steh'n,
Um getreulich nachzulesen,
Und notirt im Weitergeh'n
Pünktlich: »Ich bin dagewesen!«
Daß ein Raphael gemalt,
Nimmt er würdevoll zur Kenntnis,
Denn des Genius Kunst bezahlt
Er mit seinem Kunst – »Verständnis«!
Hoch vom Palatin aus späht
Stolz er, wie einst Cäsar nieder
Und als Purpur wallt der – Plaid
Feierlich um seine Glieder …
Im Museo kokettirt
Er mit jedem Marmorreste
Und sein Rücken ignorirt
Höflichst all' die andern Gäste;
Steif betritt er Saal um Saal,
Um noch steifer fortzugehen –
Ach! und international
Denkt er nur von fremden – Zehen!
Wack'rer Mann! Schon früh am Morgen
Öffnet er die Ladenthür,
Räumt, als trüg' er schwere Sorgen,
Keuchend sein Geräth herfür:
Erst den Dreifuß, dann die Zange,
Ahle, Schusterkneip und Zwirn,
Oft auch steht und sinnt er lange,
Oder reibt sich ernst die Stirn;
Endlich sitzt er – doch die Hände
Ruhen müßig noch im Schooß;
Denn am linken Straßenende
Ist ein schlimmer Handel los:
Frühbezechte Eseltreiber
Prügeln sich dort blau und wund,
Und der Chorus ihrer Weiber
Übt behende Faust und Mund.
Durch verächtliche Geberden
Sagt der Meister, was er denkt,
Bis ein Stiefel, noch im Werden,
Seine Blicke abwärts lenkt.
Heut' noch wird er ihn vollenden –
O gewiß, er schwört's bei sich!
Dreht ihn zwischen kund'gen Händen
Und holt aus zum ersten Stich.
Da – ein Ruf, ein flüchtig Grüßen –
Hastig schießt's an ihm vorbei –
»Euer Blatt!« und ihm zu Füßen
Liegt die Zeitung. – »Nun es sei!«
Vorerst will er sich berathen,
Was dem Vaterlande noth,
Welches Bündnis, welche Thaten –
Traun, noch ist man Patriot!
Spät erst, doch mit stolzen Blicken
Nimmt er seinen Stiefel auf,
Zwischen ihm und Rom's Geschicken
Hastet sein Gedankenlauf,
Bunt sich kreuzend hin und wieder:
»Afrika« und »Crispi« – »Zwirn«
»Mehr Soldaten« – auf und nieder
Rast es so in seinem Hirn,
Bis der Schweiß in hellen Tropfen
Von der biedern Stirn ihm fällt
Und die Hand mit ihrem Klopfen
Leise bebend innehält.
Da – ein helles Fensterklirren
Über ihm – sein Athem stockt –
»Sie!« und seine Blicke irren
Sehnend aufwärts: Schwarzgelockt
Nickt ein Köpfchen ihm von oben
Flücht'gen Dank auf seinen Gruß,
Während er, das Haupt erhoben,
Nachstarrt, bang und voll Verdruß …
Nun tritt sie heraus, nun schreitet
Lächelnd sie dem Corso zu –
Aus den braunen Händen gleitet
Ihm zum letzten Mal der Schuh …
Im grauen Nachbarhause
Sonnt sich tagaus, tagein
Auf schmalem Fenstersimse
Ein Kätzchen, schmuck und fein.
Es putzt die weißen Pfoten
Und blinzt mir in's Gemach,
Am liebsten aber flög' es
Den grauen Spatzen nach.
Die zwitschern in der Rinne
Und streiten um ein Korn,
Es gellt die halbe Straße
Von ihrem lauten Zorn.
Zwei Mönche wandern bettelnd
Und müd' von Haus zu Haus:
Hier schmäht man sie, dort schreiten
Sie fromm bedacht heraus.
Die Eseltreiber nicken
Auf ihren Karren ein,
Und nur die Brunnen schwatzen
Im lieben Sonnenschein;
Und nur die Tauben flattern
Erregt von Dach zu Dach –
Da ruft Kanonendonner
Die Mittagsglocken wach.
Ringsum zerfallende Reste,
Zerbröckelnd und morsch Gestein,
Und drüber hangende Äste,
Und fluthender Sonnenschein …
In Diocletian's Thermen
Ein prächtiges Gotteshaus,
Am Corso Hasten und Lärmen,
Der Weltstadt erregt Gebraus!
Und melancholisches Schweigen
Am Ufer des Tiberstrom's –
Gespenstisch wachsen und steigen
Aus ihm die Geschicke Rom's:
Gigantisch winkt, aber traurig,
Das Grab der Vergangenheit,
Von seiner Zinne droht schaurig
Der Engel im Schuppenkleid.
Und dort – Sankt Peter – der prächtig
Das leuchtende Haupt erhebt –
Die Gegenwart, die noch mächtig
Nach Schönheit und Täuschung strebt;
Dieweil die Zukunft schon düster
In Lumpen die Stadt durchirrt –
O Grauen, wenn ihr Geflüster
Zum Schrei des Frohlockens wird!
Noch einmal, Rom, wirst du fallen,
Wie einst das Kreuz dich gefällt –
Die Wahrheit ruft ihr: »Weh' Allen!«
Dann über die ganze Welt …