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»Det mit die Manikure is ja sehr scheen, ick vatrajet aba nich, wenn mia een fremda Mensch immafort an die Finga polkt« – sagte Frau Lemke.
»Noch unanjenehma is't mit die Pedikure,« meinte Herr Lemke, »mia kitzelt det ville zu sehr, wenn mia eena an die Sohle faßt!«
»Na ibahaupt – und denn schneid ick mia meene Hiehnaoojen doch lieberst alleene ab«, stimmte Frau Lemke zu.
»Wat wollte denn Liesken vorhin von dia«, erkundigte sich Herr Lemke, während er mit einem gewissen Wohlgefallen seine polierten Fingernägel im Sonnenschein glänzen ließ.
»Liesken? – Jott, du weeßt ja, man wird nie kluj aus sie. Se kommt mit irjend wat an, wo man zuerst denkt, dettet die Hauptsache is und denn nachher merkt man imma, det se janz wat anners jewollt hat.«
»Woso?«
»Na heite zun Bleistift hat se mia immafort azehlt, det ick Eijenkleida trajen mißte!«
»Eijenkleida? Hast doch deene eijenen Kleida«, sagte Herr Lemke.
»Se war jestern in eenen Vortraj,« erklärte Frau Lemke, »und da hat eene die Behauptung uffjestellt, det die Frauen nur sonne Kleida trajen sollen, die aus die innere Ibazeujung entstanden sind!«
»Ick weeß schon, wodruff det jeht,« sagte Herr Lemke, »det sind die Reformweiba, aber – Anna – du kannst nich ohne Korsett rumloofen.«
»Det Eijenkleid vabessert aba die Fijur« – sagte Frau Lemke – »so, wie ick jebaut bin, is's bessa, wenn ick den Jurt iba die Hiften habe. Det nennt man jroßzüjij, weil et die Körpafülle vasteckt!«
»Det is janz vakehrt« – sagte Herr Lemke, »wo wird man denn wat vastecken, wenn man wat hat. Den Quatsch haben bloß die Majeren uffjebracht!«
»Willem, laß jut sind – aba du vastehst nischt von Mode,« lehnte Frau Lemke die weitere Unterhaltung über dieses Thema ab, »ick kann dia det noch nich so akleren, wie't mia Liesken klarjemacht hat. Seh ma', zun Bleistift, der Krajen derf nich bis an't Jesichte ranjehen, det is sonst wie sonne Buttablume, die jleich uff die Blätta druffsitzt und keen Stengel hat!«
»Oda wie'n Stuhl ohne Beene«, sagte Herr Lemke, um durch dieses andere Beispiel zu zeigen, daß er seine Frau sehr wohl verstanden habe. »Det heeßt doch aba nischt anners, als dette ausjeschnitten jehen willst – und det derfste nich, Anna – det is janz ausgeschlossen bei dia!«
»Det is noch nich jesajt« – Frau Lemke zuckte die Achseln – »wodrinne se aba janz recht hat, det is, det ick die Hautfarbe mit die Kleidafarbe bessa zusammenbringen muß. Ick derf keen Blau trajen, ick derf nur Rot trajen wejen meene Backen!«
»Du willst dia doch bloß wieda 'n neiet Kleed machen lassen« – sagte Herr Lemke – »det neie blaue Kleid, watte doch erst eenmal zu Fingsten anjehabt hast, is doch so scheen und die Fassong hat doch alleene so ville Jeld jekostet!«
»Sehste – Willem – so is det bei uns,« sagte Frau Lemke verdrießlich über die Wendung, die das Gespräch genommen hatte – »da wollen wia imma allst mitmachen und et soll so wat heeßen und denn merken die Leite doch uff'n ersten Blick, wie se mit uns dran sind!«
»Meenswejen laß dia ooch noch 'n jrienet machen« – sagte Herr Lemke – »mia kannet ja janz piepe sind, wennste dia selbst man jefällst.«
»Und du – Willem – du tust lange nich jenuj for dia, seh mal, wie Onkel Karrel sich rausjemausert hat!«
»Is doch nischt« – wehrte Herr Lemke ab, »wenn schon, denn schon! Wie't Karrel aba macht, det is nich det richtje: Der kooft billij wo in und denn macht er sich alleene nach, wat er bei die annern jesehen hat, wie jetz mit die bunten Kravatten.«
»Aba er schafft's doch! Det is een janz Schlaua, da hat er die Miß Thomson kennenjelernt – na, wenn die Heirat zustande kommt, denn is er Minenbesitzer und braucht sich det Jold bloß ausbuddeln zu lassen!«
»Und ick saje dia, det nimmt een janz schlimmet Ende mit den. Mia hat Edwin azehlt, wie er sich neilich in Zappalotschen uffjefiehrt hat – mitten unta die feinste Gesellschaft – bis se'n rausjeschmissen haben!«
»Mia hat Liesken die Jeschichte ooch azehlt,« sagte Frau Lemke, »aba da hat's janz anners jeheißen. Karrel soll sich sehr mutij benommen haben, und die Miß Thomson, seit sie det mit anjesehen, soll janz varickt nach ihn jeworden sind ...«
Während das Ehepaar so die Angelegenheiten der letzten Tage besprach und die Equipage – von dem heute zum Zugtier degradierten Schimmel gezogen – den Kurfürstendamm hinunter nach Halensee rollte, saß Onkel Karl, trotz des schönen Nachmittags, in seiner Stube und brütete düster vor sich hin.
Heute früh, gerade als er seinen Morgenritt gemacht, war – wie ihm das Dienstmädchen erzählt – ein Herr dagewesen, der ihn in dringender Angelegenheit zu sprechen gewünscht hatte.
»Er sah sehr fein aus« – hatte Minna berichtet – »aba et war een eklicher Kerl, der sich so uffspielte, als wenn er hia wat zu sajen hätte. Und denn schien er't janich jloben zu wollen, det Sie nich za Hause sind, und denn soll ick Sie bestellen, det er heite um viere wiedakommt und det Sie denn bestimmt dasind sollen.«
»Det wird een Ajent sind, der mia wieda wat andrehen will,« hatte Onkel Karl gesagt, »aba lassen man rin, den schmeeß ick selba 'raus!«
Gleich nach dem Essen aber, bei dem Onkel zugeknöpft und ernst gewesen war, hatte er sich in seine Stube zurückgezogen. Mit prüfenden Blicken hatte er die Einrichtung gemustert, da und dort eine der Trophäen in vorteilhaftere Beleuchtung gebracht und sich dann einer echt hausfraulichen Beschäftigung, der Anfertigung einer Näharbeit hingegeben. Was unter seinen kunstfertigen Fingern entstand, war ein ziemlich großer Sack aus schwarzem Zeug, den er dann über einer Stuhllehne drapierte. Hierauf schnitt er zwei lange, schmale Papierstreifen, von denen er einen mit einem Totenkopf bemalte. Als Modell diente ihm dabei die Zeichnung auf dem Etikett einer alten Medizinflasche. Schließlich entnahm er einem Wandschränkchen eine Whiskyflasche und zwei Gläser, stellte sie auf den Tisch und setzte sich in den amerikanischen Schaukelstuhl, den er am letzten Weihnachtsfest von Herrn Lemke geschenkt erhalten.
Punkt vier Uhr hörte er, wie im Korridor die elektrische Klingel schrillte, wie Minna träge aus der Küche nach der Entreetür schlürfte, dort dann eine kleine Verhandlung stattfand und sich nun jemand seiner Tür näherte.
Minna steckte den Kopf herein und sagte: »Hia is der Mann! ...«
»Rin mit ihm«, sagte Onkel Karl, den Schaukelstuhl in Schwung bringend.
Ein noch junger, elegant gekleideter Herr trat ein, schloß die Tür, blieb dort stehen, machte eine sehr gemessene Verbeugung und nannte seinen Namen.
»Olletreit. – Uat wünschen von mir?« sagte Onkel Karl.
Der Herr schien in Zweifel zu geraten, ob er auch an die richtige Adresse gekommen sei und erkundigte sich deshalb, ob der dort im Schaukelstuhl wippende Herr mit jener Person identisch wäre, die neulich mit seinem Freunde, dem Dr. von Straditzki im Zoologischen Garten das Renkontre gehabt habe.
»Uill – ick seien der Mista« – sagte Onkel.
Der fremde Herr sprach daraufhin seine Verwunderung aus, daß sein Freund bis heute nichts von Onkel Karl gehört habe.
»Joddam – Karte verloren – serr unanjenehm! Pließ – platzen Se« – er wies auf einen Stuhl – »kleena Whisky jefällij?«
Der Herr blieb steif und gemessen stehen und wünschte eine Erklärung darüber, ob Onkel Karl bereit sei, seinem Freunde Abbitte zu leisten – andernfalls sei er beauftragt, ihm dessen Forderung zu überbringen.
Onkel Karl hielt darauf den Schaukelstuhl an, stand auf, ging nach dem Tisch und goß sich ein Gläschen Whisky ein. »So« – sagte er, als er es ausgetrunken – »nu will ick mal deitsch mit Sie reden. Wenn ick den Herrn meene Karte jejeben hab', denn jeschah't, det er meene Adresse nich vajeßt. Jeden Taj ha' ick nu awartet, det er hia antanzen und mia – vastehen Se – mia – um Vazeihung wejen seine Lümmeleien bitten werde. Det is aba nich jeschehen, und nu haben Sie ooch noch die Traute, hiaher zu kommen und frech zu werden! Det jeht mia denn doch iba die Hutschnur, da muß ick mal wahhaftij een Exempel statuieren. Ihren Freund können Se von mia bestellen, det er in meene Oojen een Fatzke is, und mit Fatzkes jeb ick mia nich lange ab, die hau ick 'n paar hinta die Horchlappen, wenn se mia dumm kommen. Sie aba – junga Mann – lange ick mia jetz, for Sie wird die Jeschichte kritisch – ick fordere Ihnen hiamit zu een amerikanischet Duell raus!«
»Ich halte Sie für betrunken, und mit einem Betrunkenen kann ich natürlich nicht verhandeln« – sagte der Herr, machte kehrt und wollte hinaus.
»Hiajeblieben«, donnerte Onkel Karl, ergriff rasch die beiden Papierstreifen, stopfte sie in den schwarzen Sack und hielt die Öffnung dem Herrn hin: »Ziehen Se – wenn Se det Los mit den Totenkopp kriejen, missen Se sich bis morjen um finfe aschießen, wenn't aba in'n Sack bleibt, denn muß ick mia abmurksen. Na, nu imma traute, keene Bange nich nich!«
»Sie sind in meinen Augen ein kompletter Idiot, dem wir viel zuviel Ehre antaten, daß wir Sie ernst nahmen!«
»Det kann jeder sajen« – meinte Onkel Karl – »wat ick mia dadraus schon mache! Ick könnte Ihnen ebensojut for'n Schaute akleren, aba det tu' ick nich, sowat nehm' ick janich in'n Mund. Na nu jehen Se man bei Ihren Freind, sonst werd' ick noch handjreiflich, 'n Mensch, der nich mal uff'n amerikanischet Duell injeht, is in meene Oojen übahaupt nich sattisfaktjonsfähig. Stoßen Se sich nich, et is 'n bißken duster in Korridor, und wenn Se denn mit'n Kopp wo anschlajen, heeßt et amende, det ick Ihn'n blaue Oojen jehau'n habe – adje!«