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In einer eleganten Pension der Seestraße hatten Lemkes dann nach langem Suchen Unterkunft gefunden.
»Et sind sindhaft teire Preise, die Injebornen missen ja in kurze Zeit alle steenreich sind. Wat, Willem, wenn wia det frieha jewußt, hätten wia in die Seisong 'ne Filjalje hia uffjemacht.«
Das sagte Frau Lemke am Abend, als sie sich die Strümpfe auszog. »Kiek bloß mal, wat da for Sand 'rauskommt, als wenn man uff'n Kreizberj jewesen is!« Und dann seufzte sie: »Bist du eijentlich so bejeistert von die Jejend, Willem? Det Meer is ja janz scheen, bloß ick hätt's mia 'n bisken jrößa vorjestellt!«
»Jrößa kann't ja janich sind – et reicht doch bis an'n Horizont,« sagte Herr Lemke. »Aba haste Onkel Karrel jesehen, der hat ja beenahe jeweent!«
»Jloobstet mia nu, det der Mann ibahaupt nie nich uff die See jewesen is?«
»Er sajt, es is vor lauter Freide iba det Wiedasehen von die Wellen!«
»Der wird imma 'ne Ausrede haben, aba wa'm kostete er denn det Seewassa, ob's ooch wirklich salzij schmeckt?« fragte Frau Lemke. Dann, als sie sich das Haar aufmachte, wurde sie wieder ärgerlich: »Ick hatte jedacht, ick könnte hia mit meenen neien scheenen Hut rumloofen – is ja aba nich möjlich bei den vaflixten Wind! Eene Feda is schon jeknickt und die Haare sind so vazoddelt, det man sich se alle ausreißen muß – der Kamm jeht nich durch!«
Und nachher, als Herr Lemke gerade die ersten Schnarcher tat, weckte sie ihn noch einmal: »Ibrijens – allet, wat recht is – det Publikum is sehr fein hia! Lauta reiche Leite – und wat sie for jebildete Jespräche führen!«
»Ick werde mia abseits halten,« sagte Herr Lemke. »Onkel Karrel und ick – wia buddeln morjen ooch da unten an'n Strand, det haben wia uns schon vorjenommen. Wia bauen ooch sonne Burj wie die annern und machen 'ne Fahne druff!«
»Wollt ihr det nich lieba die Kin'na ibalassen« – meinte Frau Lemke. »Wenn ihr etwan denkt, det ick mia in sonne Kute 'rinsetzen und in'n Sand 'rumsiehlen werde, denn irrt ihr eich. Ick miete mia 'n Strandkorb – wenn schon, denn schon!«
»Und denn hat mia Karrel zu 'ne Seehundsjagd injeladen – er schießt und ick nehme die Hapuhne!«
»Blamiert eich man nich jar zu sehr vor die Leite« – sagte Frau Lemke verächtlich. »Ick jehe mit Herrn Fiedla uff die Rehünjong!«
»Wo is'n det?«
»Int Kurhaus – alle Mittwoche wird da in kleenet und Sonnabends in jroßet Jalla jetanzt!«
»Ach so« – sagte Herr Lemke enttäuscht, »nu vasteh ick erst! Det is so'n Kränzchenball – und ick dachte, det is hia wat Scheenet in die Jejend.«
»Na – nu wollen wia man schlafen, du bist ja schon so miede, dette die einfachsten Fremdwörta nich kennst,« sagte Frau Lemke unwillig. »Morjen essen wia an die Tablettote – mia jrault schon vor!«
»Mia ooch!« – – –
Auch Onkel Karl hatte – wie sich am andern Tag ergab, eine gewisse Abneigung gegen die Table d'hote und machte allerlei Vorschläge, auf welche Weise er sich sein Mittagessen zu verschaffen gedenke.
»Nee« – sagte Frau Lemke – »det jeht nu nich, du kannst hia nich irjendwo in eene Kutschakneipe jehen; det wirde uff uns zurückfallen.«
»Aba meen Majen is noch imma nich janz in Ordnung,« sagte Onkel Karl. »Als ick jestern Abend int Bette laj und die Oojen zumachte, kriejte ick noch mal die Seekrankheit. Det Bette jing, wie sonne Schaukel, imma uff und nieda – ick hatte die jrößte Mihe, det ick nich die Ballanze valor und iba Bort kullerte.«
»Is mia janz eejal,« sagte Frau Lemke, »ick dulde et uff keen Fall nich, dette hia wie son Wilda lebst. Wennste mit uns mitjejangen bist, denn mußte dia ooch füjen. Also zieh' dia jefälligst deen' schwarzen Rock an und natirlich ooch an'nere Schuhe – du kannst doch 'nich mit sonne Klamottenstiebeln unta die feine Gesellschaft kommen!«
»Na« – sagte Onkel Karl – »ick jloobe nich, dette jroße Freide an mia aleben wirst, aba mit die Wölfe muß man heilen – mitjejangen – mitjefangen – mitjehangen!«
Der Aufzug – Edwin und Fräulein Lieschen voran, dann Frau Lemke am Arm ihres Mannes und schließlich Herr Fiedler mit Onkel Karl – erregte beim Eintritt in den Speisesaal auch einiges Aufsehen.
»Lasse man kieken,« sagte Onkel Karl, »denn essen se nich so ville und wia kriejen det meiste.«
Und dann saßen sie wie die übrigen da, reckten die Hälse, wenn ein Kellner in die Nähe kam und fühlten sich unbehaglich.
»Wat heeßt eejentlich Tablettote?« fragte Onkel Karl in die feierliche Stille hinein, in der Hoffnung, sich durch ein belehrendes Gespräch die Zeit etwas zu verkürzen.
»Spscht« – machte Frau Lemke.
Herr Fiedler, an den die Frage gerichtet war, wagte deshalb nicht zu antworten, und sah Onkel Karl nur mit flehenden Blicken an, daß er die Konversation wieder abbrechen möchte.
»Edwin – du hast doch Jriechisch und Lateinsch uff deen Jimnasium« – wandte sich Onkel, stolz auf die Tafelrunde blickend, an den jungen Lemke – »aus welche Sprache kommt det Wort nu?«
Aber Edwin saß kerzengrade und rührte sich nicht.
»Denn werd ick dia det sajen: Tablettote bedeitet eene Art Prunkmahl – wenijstens aklär' ick mia det so« – bemerkte Onkel Karl gelassen – »obschonst mia eia Jebahren mehr an een'n Leichenschmaus arinnert,« setzte er etwas ärgerlich hinzu.
»Spscht« – machte Frau Lemke nochmals drohend – »sei doch bloß stille!«
»Woso – wo is da wat Unanständjet?« sagte Onkel Karl gekränkt, »wenn ihr eich mit mia scheeniert, denn nehmt mia doch andermal nich mit!«
Zum Glück wurde die Suppe aufgetragen und Onkel Karl dadurch abgelenkt. Er hatte die Serviette nicht eher entfaltet, als bis er genau wußte, ob er den Zipfel in den Kragen oder in das Knopfloch stecken sollte. Nun machte er es wie die andern, legte sie einfach in den Schoß und bemerkte nur unwillig: »Wat det nu forn Zwerj haben soll – de Weste bekläckert man sich ja doch!« Dann kostete er – kostete nochmals und sah sich nach dem Kellner um. »Wat soll det for Suppe sind,« fragte er streng, als er ihn herangewinkt. »Hiehnasuppe –?« wiederholte er erstaunt, »na, denn schmeeßen Se man andermal 'n paar Schwanzfedern 'rin, det man't merkt!«
Der Ärger kochte in ihm, denn er hielt sich für betrogen, zumal es ihm vorkam, als säße er mit lauter Halbverhungerten zu Tisch, die jetzt auf eine Mastkur ausgingen.
»Nehmen Se sich man jleich feste 'runta,« sagte er zu Herrn Fiedler, »zu'n zweetenmal kommt die Schissel ja doch nich mehr 'rum – ick nehme mia jetz so ville, als ick ibahaupt streiten kann. Lieba den Bauch varrenken, als'n Wirt wat schenken!«
Und dann aß er nach seiner Methode, nachdem er zu der Überzeugung gekommen war, »det doch keena weeß, wie't ejentlich richtij is.« Zuerst, als er noch bei jedem Handgriff gräßliche Blamagen gewittert, hatte er heimlich aufgepaßt, wie es gemacht werden müsse, und sich dann stets der Mehrzahl angeschlossen. Mit Grandezza hatte er, nach dem Muster des alten, steifen Gentleman gegenüber, den Löffel mit der Spitze in den Mund gesteckt und die andern verachtet, die an der breiten Seite schlürften. Dann aber, als er sah, daß der alte Elegant den Spargel mit den Fingern anfaßte und in den Mund gleiten ließ, hielt er ihn plötzlich für ein »Schwein« und seine Verachtung steigerte sich noch, als der alte Herr auch das Geflügel mit – wie Onkel dachte – »die nackten Finga in die Kehle stoppte«.
»So wat is mia noch nich vorjekommen, der Kerl führt sich jradezu schamlos uff.« Und demonstrativ suchte Onkel zu zeigen, wie man in anständiger Gesellschaft essen müsse und zog mit virtuoser Gewandtheit die Messerklinge durch die Mundwinkel. Nur das Kompot machte Onkel Schwierigkeiten – er wußte nicht recht, wie er die Kirschkerne mit Anstand wieder aus dem Mund bekommen sollte und half sich dadurch, daß er die linke Faust so lange als Spucknapf benutzte, bis nichts mehr hineinging. Dann legte er das Gesamtresultat verstohlen neben die Kartoffeln auf seinen Teller und sah höhnisch zu, wie Frau Lemke sich bemühte, es den andern gleichzutun und die Kerne mit dem Löffelchen auf den Teller befördern wollte.
»Se wird sich noch eenen von ihre falschen Zähne ausschlajen, denn is een Tala wej, denn so ville kost't son kleena Dreck,« dachte er.