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Onkel Karl hatte zugesehen, wie Herr Krause Feuer anmachte und Wasser aufsetzte – nun stand er wieder an Tante Mariens Bett und hörte zu, was sie ihm da – vorsichtig flüsternd und immer nach der Küche lauschend – erzählte.
»Wie scheen hätte det allst sind können, wenn ick bei Lemkes jeblieben wäre –« seufzte sie. »In den da« – sie deutete nach der Tür – »haben wia uns alle jrindlich jeteischt!«
»Ick nich –« sagte Onkel.
»Du ooch, Karrel, denn du hast ja keene Ahnung nich, wie er sich entpuppt hat. Man scheeniert sich ja, so wat allet zu azehlen, und ick will ooch janich drieba reden, aberst ...« Vor Schluchzen vermochte sie nicht weiterzusprechen.
»Bums hat se jesajt und denn is se jesterbt – nu jestehstet also endlich in –« sagte Onkel, »wa'm haste nich frieha Vatrauen zu mir jehabt, wat soll ick nu noch machen, woste schon halbtot bist?«
»Seh 'mal, Karrel, an Lemkes selje Witwe jloobst du doch ooch?« fragte Tante Marie und suchte ihrer Stimme Festigkeit zu geben.
»Det kommt janz druff an« – sagte Onkel, »ick halte et im alljemeinen nich jrade for jut, sich mit Jespensters inzulassen.«
»Et is keen Jespunst nich, Karrel, et is der ruhelose Jeist von die abjeschiedene Urjroßmutta«, sagte Tante Marie und richtete sich erregt im Bette auf.
»Wo da der Unterschied ist zwischen Jespenst und Jespunst, det werd' ick woll nie kapieren! Ick weeß nua det eene mit absolute Sichaheet, det – wenn eena bei Lemkes wat durchsetzen will, denn nimmt er die selje Witwe for sich in Anspruch!«
»Aba ick – Karrel – ick weeß's bessa, denn durch all die Jahre hindurch hab' ick et ja jespürt: wenn irjend een Aeignis bevorstand, denn hat sich die Selje bemerkbar jemacht!«
»Ick will mia da mit dia nich streiten, denn ick jebe dia zu, det wat d'ran is an die Jeschichte« – sagte Onkel Karl – »aba woso kommste denn plötzlich uff die Selje?«
»Karrel, mia is sie wieda aschienen« – sagte Tante, zog die Schultern hoch und schüttelte sich vor Grauen. »Da in die Ecke hat sie jestanden, jenau so, wie dunnemals, in die Ackastraße, und wieda mit det Umschlajetuch!«
»Also hat det wat zu bedeiten – sozusajen«, meinte Onkel Karl unangenehm berührt.
»Und et bedeitet ooch wat, paß uff, Karrel, die Selje is imma jekommen, wenn se eenen uff'n Pick jehabt hat!«
»Mit mia soll se nich anfangen,« sagte Onkel Karl drohend, »wennste ihr noch 'mal sehst, bestell' ihr det man!«
»Ick werd' mia hiten, det saj se man alleene! Aba uff wen wird det nu jehen diesmal? Sehste, und der da draußen« – Tante machte eine Kopfbewegung nach der Küche, wo man Herrn Krause mit den Töpfen rumoren hörte – »der da, der streitet allet rundwej ab. Und weeßte noch, wie er dunnemals in die Landsberja Straße mit seene Traum- und Punktierbicha jekommen is? Da hat er doch imma jetan, als ob er mit die Jespensta uff du und du stände – und nu macht er sich sojar lustij drieba.«
»Laß ihn, den es ja nich zu helfen!«
»Er sajte, er is Freijeist jeworden, aba destawejen broocht er mia doch nich zu quelen«, schluchzte Tante jäh auf.
»Denn saje mia, wat ick tun soll und womit ick dia helfen kann. Wennste willst, jeh' ick noch 'mal 'raus und schüchtere ihn in!« erbot sich Onkel Karl.
»Nee, det läßt er ja dann nachher an mia aus«, wehrte Tante ab. »Aba villeicht sprechste 'mal mit Willem seene Frau drieba for den Fall, dettet hia jar zu schlimm werden sollte.«
»Ach – – die hat ooch den Kopp so voll –« sagte Onkel Karl, »die läßt sich 'n kinstlijet Jebiß insetzen und det soll keen Mensch nich wissen und da hat se lauta Heimlichkeeten. Heite is se wejjejangen, ohne sich ibahaupt zu aklären, wat se vorhat!«
»Ja, ja, et is eben allens an'ners jekommen, a's wir jedacht haben«, seufzte Tante entmutigt.
»Na, nu mußte aba ooch nich jleich so vadattert sind,« sagte Onkel Karl ein bißchen ärgerlich, »seh zu, dette wieda aus det Bette rauskommst, und det ibrige wird sich schon finden. Und nu will ick jehen, denn ick kann doch nich hia beistehen, wenn er dia abseeft. Und wenn er noch 'mal mit seene Petroljumschmiere kommt, hau ihn eene Knallschote, det ihn die Perrücke von Kopp fliejt. Adje – ick werd' mia nich erst von ihn verabschieden. Broochste etwan Jeld?« Er holte das Portemonnaie aus der Tasche und tat, als wollte er etwas herausnehmen, aber Tante wehrte ab.
»Laß man, Karrel, du bist 'n juta Mensch, aba det Jeld broochste alleene, det haste dia mühsam zusammenjespart!«
»Jott – na ja, aba man jibt's doch jerne hin« – meinte er – »und wie jesajt, et steht zu deene Vafüjung!«
Da er das Portemonnaie jedoch schon wieder eingesteckt hatte, schüttelte Tante den Kopf. »Jewiß doch, Karrel, aba behalt's man!«
»Also – denn jute Besserung!« Er schüttelte ihr die Hand und ging, nachdem er sich die weiße Weste vor dem Spiegel glattgezogen.
Da er nach seiner Ansicht eben »'ne janze Masse jespart hatte«, bestieg er am nächsten Droschkenhaltestand wieder einen Wagen und gab dem Kutscher Anweisung, auf dem kürzesten Wege und im schnellsten Tempo nach dem Fischerviertel zu fahren. »Sonne Inspeksjonsfuhren jeben den besten Ibablick«, hatte er hinzugesetzt und war sehr befriedigt von dem Eindruck, den diese geheimnisvollen Worte auf das Gemüt des Kutschers gemacht hatten.
Für die altmodische Fischerstraße mit ihren kleinen Häusern und dem holperigen Pflaster war Onkel Karls Einfahrt geradezu eine Sensation. Seit Jahrzehnten war hier kein derartig feuriges Droschkenpferd gesehen worden, und die Straßenjungen dieser Gegend waren sich völlig einig darüber, daß dieses Pferd »früher bei die Feuerwehr jewesen sein müsse«.
Der imponierende Eindruck, auf den Onkel Karl bei seiner Verwandtschaft gerechnet hatte, blieb jedoch völlig aus: Weder Onkel August noch Tante Liese wurden oben hinter den Fenstern sichtbar.
»Amende sind se janich za Hause –« dachte er, aber als er dann die Klingel an der Entreetür gezogen hatte, wurde nach einem Weilchen doch geöffnet.
»Ick bin's, laß mia man 'rin, Aujust«, sagte Onkel Karl, als ihn der Fischermeister in der Dunkelheit nicht gleich erkannte.
Onkel August war so überrascht, daß er kein Wort sagte. Er öffnete nur ganz mechanisch die Tür nach der guten Stube und ließ den Besuch dort eintreten.
»Et tut orentlich wohl, wenn man so herzlich bejrießt wird –« sagte Onkel Karl, den weißen Überzug vom Sofa ziehend. »Du jestattest doch, det ick platze?«
August starrte ihn noch immer an, und Onkel Karl nickte ihm zu und sagte: »Nu seh dia man satt an mia – villeicht rufste ooch deene Jattin, damit ihr eich in det Vajniejen teilt.«
»Wat is denn passiert?« fragte Onkel August mit einer Stimme, die Karl gar nicht kannte.
»Woso und weswejen?«
»Also is nischt passiert?«
»Ick wüßte nich – wenn du nischt weeßt«, sagte Onkel Karl gedehnt.
»Na, denn is ja jut –« der Fischermeister atmete erleichtert auf.
»Du tust ja, a's wennste uff 'ne Sprungfeda sitzt und jeden Momang hochjehen wolltest«, sagte Onkel Karl und stand wieder auf. »Was is denn ejentlich los?«
Onkel August machte eine abwehrende Handbewegung.
»Na – denn entschullje man jietijst, det ick eich jestört habe. Nu will ick man wieder jehen!«
Onkel August schien nichts dagegen zu haben. Als sie aber schon an der Tür waren, sagte er plötzlich, als erinnere er sich an etwas: »Karrel, det Klavia könnt ihr eich nu abholen!«
»Et is woll aus'n Leim jejangen?«
»Nee, et is een Unjlicksklavia!«
»Denn wundere ick mia bloß, det ihr so lange Jahre det Unjlick jeduldij jetrajen habt!« meinte Onkel Karl.
»Et rächt sich eben allet uff Erden –« sagte Onkel August, »ick hab't schon tausendmal bereut, det wia det Ding bei uns jenommen – –«
»Und nich bezahlt habt –« ergänzte Onkel Karl.
»Ach –« machte Onkel August ärgerlich, »von meenswejen hättet ihr die paar Talers an denselbichten Taj kriejen können, wo ick det Klavia aus die untaird'sche Tante abholte!«
»So?«
»Du broochst ja nich so hehnisch zu tun, et is so, wenn ick's dia saje!«
»Und wenn ick denn mit die Träjer komme, wird Tante Liese wieda Sperenskens machen!«
»Det wird se nich –« sagte Onkel August.
»Nee?«
»Nee – denn sie is ja wej aus's Haus!«