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Wir sind auf dem Wege der Entwicklung der europäischen Gartenkunst dem Einfluß Chinas schon öfters begegnet, aber dieser Einfluß ließ im Beginn das Wesen des Gartenstils völlig unberührt. Er bezog sich nur auf die Kunst im Garten, den Gartenschmuck. Seit Ludwig XIV. sein Porzellan-Trianon erbaut hatte, war das Zeichen gegeben, chinesische Gebäude aller Art im Garten zu errichten, welche nach der wechselnden Kenntnis der chinesischen Architektur immer einzelne auffallende Züge der fremden Baukunst aufnahmen, die man aber sorglos mit den bekannten einheimischen Baugliedern verband. In jenen frühen Porzellanpavillons fühlte man sich schon an das Weltwunder, den Porzellanturm von Nanking, erinnert, wenn man nur die Außenwände eines Barockpavillons mit holländischen Fayenceplatten belegte und Vasen von gleicher Farbe in dem Garten davor aufstellte. Später waren es vor allem die geschweiften Dächer, die man, wie in Pillnitz, mit gutem Gewissen auf einen barocken Unterbau setzte Andreae, China und das XVIII. Jahrhundert: Grundrisse und Bausteine zur Staats- und Geschichtslehre, 1908, S. 147.. Dazu kamen dann chinesische Sonnenschirme, später auch chinesische Brücken, die alle vereinzelt mit der echt chinesischen Kunst zwar wenig zu tun hatten, die Europäer des XVIII. Jahrhunderts aber immer wieder an das bewunderte Land des Ostens erinnerten. Die Lust an solchen chinesischen Anlagen in den Parks des XVIII. Jahrhunderts wurde so allgemein, daß man von den größeren französischen und deutschen Gärten dieser Zeit wohl kaum einen nennen könnte, der nicht mindestens einen chinesischen Pavillon besaß. Oft aber, wie in dem schwedischen Lustschloß Drottningholm, in Wilhelmshöhe bei Cassel u. a., sehen wir ganze chinesische Dörfchen angelegt oder auch, wie in dem Rheinsberg Friedrichs des Großen, neben dem chinesischen Lusthause eine chinesische Fischerhütte und einen chinesischen Geflügelhof Andreae, a. o. O., S. 149.. Es ist schwer zu sagen, ob die Nachrichten von der Fülle der Gebäude in den chinesischen Gärten wirklich unmittelbar auf die immer wachsende Zahl der Bauten in den Parks dieser Zeit Einfluß geübt haben. Jedenfalls hatte der zu allen Zeiten rege Wunsch, im Garten sich besondere, kleine, intime Gebäude zu schaffen, im XVIII. Jahrhundert eine alles Maß übersteigende Stärke gewonnen. Der Hauptgrund aber muß in dem Geiste dieser Zeit gesucht werden, der gegen die pomphafte Öffentlichkeit des Lebens im Zeitalter Ludwigs XIV. in intimen, kleinen Kreisen, in denen sich mehr und mehr eine Sehnsucht nach Einsamkeit bemerkbar machte, Befriedigung und Überwindung der Langeweile suchte. Daß diese Langeweile trotzdem überall im Hintergrunde lauerte, beweist, daß das Bedürfnis nach variété eher noch gewachsen war, daß man es aber jetzt nicht mehr in dem Glanze geschmückter Bosketts, sondern in der Separatanlage solcher Einzelpavillons und Nebenschlößchen zu befriedigen suchte. Hier war China nunmehr aber doch nur eine begierig ergriffene variété; denn man holte sich alle Stilarten, je mehr, desto besser, herbei.
Diese Neigung zur Anhäufung von Nebengebäuden im Park hat also an sich mit der großen Stilumwälzung der Gartenkunst, an deren Schwelle wir jetzt stehen, nichts zu tun. Wir finden sie im XVIII. Jahrhundert gleichmäßig in beiden Gartenstilen. Man kann auch nicht einmal sagen, daß der malerische Garten sie von dem architektonischen übernommen habe; es ist eine Parallelentwicklung, die in beiden mit gleicher Stärke auftritt, wenn sie auch, wie wir sehen werden, in beiden anders begründet wurde. Der regelmäßige architektonische Garten, der, außer in England, in Europa in der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts seine unumstrittene Herrschaft behauptete, hat – dies ist in früheren Kapiteln zur Genüge dargelegt worden – zwar zu den alten Stilgesetzen keine wesentlich neuen Gedanken mehr hinzugebracht, doch war er keineswegs starr geworden. Er wußte sich den Bedürfnissen seines Jahrhunderts, besonders den eigenartigen deutschen Herrschaftsbedingungen, glücklich anzupassen. Ja, er war dehnbar genug, in sein Bild zuletzt auch allerlei Einflüsse des malerischen Gartens aufzunehmen, wie z. B. die Schlangenlinie, soweit auch sie sein Bedürfnis nach variété befriedigten und die festen unumstößlichen Grundlinien seines Stiles nicht zu sprengen drohten. Seltsame Irrungen und Mißverständnisse laufen den französischen Architekten wohl unter, so wenn ein Entwurf ein Parterre anglais vor das Schloß legt, um weiter die Bosketts regelmäßig zu zeichnen (Abb. 580). So können wir von einem Übergangsstile sprechen (Abb. 581); etwa in der Art, wie in dem großen Kampfe zwischen romanischem und gotischem Baustil der erstere seinen höchst reizvollen Übergangsstil sich geschaffen hat, um schließlich doch der großen gotischen Revolution zu weichen. In der Gartenkunst warf diese siegende Revolution die Grundsätze und Pfeiler des alten Stiles so über den Haufen, daß von Anbeginn der Sieg niemals durch Übergang und Konzession des einen an den andern hätte erreicht werden können, sondern nur durch ein vollständiges Zerstören des alten.
Wie nun aber steht es mit dem Einfluß Chinas auf den neuen Gartenstil, dessen Zusammengehörigkeit mit dem ostasiatischen, sobald es sich um den gemeinsamen Gegner, den architektonischen Garten, handelt, so klar auf der Hand liegt? Wir haben gesehen, daß die Kunde von einem neuen unregelmäßigen Gartenstil schon 1685 nach Europa gelangt war, so daß Sir William Temples tastende Blicke sich nicht ohne Sympathie auf China richteten, sich aber doch sofort wieder abwendeten, als von einer Aufgabe, die zwar nicht ohne Lockung, aber doch viel zu schwer sei. Und Sir William hatte vollkommen recht; niemals hätte sich auf diesem Wege einer vagen Nachahmung der Kunst eines wesensfremden Volkes ein wirklich lebendiger Stil entwickeln können; es wäre ein Zwitter geblieben, wie die vielen anderen chinesischen Nachahmungen auf dem Gebiete der Architektur und des Kunstgewerbes. Die Revolution gegen den alten Garten hat aus den chinesischen Nachrichten in ihrem ersten Stadium höchstens eine Art Bekräftigung gesogen, sie selber ist vollkommen von innen heraus geboren, das ist ihre große Bedeutung und für England auch ein Ruhmestitel, so sehr man jetzt auch dort geneigt ist, mit Verachtung auf diese ganze Bewegung herabzusehen. In ihren eigentlichen Anfängen ist sie eine rein geistige Bewegung; um ihre Wiege stehen Dichter, Maler, Philosophen und Ästhetiker. Sie ist das erste Kind eines neuerwachenden Naturgefühls, das sich in bewußten Gegensatz zu Form und Schranke setzt.
Das überaus Seltsame und für den oberflächlichen Blick Überraschende ist hierbei, daß diese Bewegung gerade im Schoße des englischen Klassizismus entstand, daß ihre Erzeuger dieselben Menschen waren, die die Träger und Vollender des klassizistischen Ideals in der Literatur waren. Um dies ganz zu verstehen, muß man das Wesen dieses englischen Klassizismus begreifen, muß man wissen, wie gerade in diesem Volke die eine Strömung die andere niemals ganz hat verdrängen können. Der rationalistische Geist der damaligen englischen Gesellschaft war der regelfesten Formvollendung, die in Frankreich die sichere Herrschaft führte, entgegengekommen. Aber die Bewunderung für Boileau hinderte Addison durchaus nicht, der erste zu sein, der auf die wilde ungeregelte Schönheit der Volksballade mit Begeisterung hinwies. Sie ließ es zu, daß zu gleicher Zeit Shaftesbury sich von seinem optimistischen Theismus zu einer Vergötterung der unberührten Natur führen ließ, die gut an sich ist, wo kein fremder Einfluß sie hindert und verdirbt. Diese »extravagante Liebe« zur Natur beschönigt er mit dem Grundsatz, daß alle gesunde Liebe und Bewunderung Enthusiasmus ist Shaftesbury, The Moralists, 1790, Part III, sec. 2, p. 326.. Das leitet ihn ganz konsequent zu einer Bewunderung der freien Landschaft, gegenüber dem regelgebundenen Garten der Zeit. Er will der Liebe zu der Natur nicht länger widerstehen, »wo weder Kunst noch Witz noch Laune des Menschen die echte Ordnung verdorben und jenen ursprünglichen Zustand durchbrochen hat. Selbst die rauhen Felsen, die moosigen Höhlen, die unregelmäßigen natürlichen Grotten und gebrochenen Wasserfälle mit all der rauhen Anmut der Wildnis, die die Natur darstellen, werden mir reizend und prächtig erscheinen, weit mehr als die steife Geziertheit (formal mockery) fürstlicher Gärten«. Hier finden wir zum erstenmal mit einer bewußten Feindseligkeit den zurechtgestutzten Garten der unberührten Natur gegenübergestellt. Der Mensch des XVII. Jahrhunderts hat die sogenannte freie Landschaft wohl auch gekannt, aber sie war die Szenerie seiner Schäferpoesie, konventionell gebunden, traditionell anknüpfend an den Schauplatz der antiken und mittelalterlichen Liebesromane. Diese Landschaft vertrug sich auf das beste mit dem Garten, mit dem sie auch häufig ohne Änderung der Empfindung vertauscht wurde. Dasselbe, was kunstvoll im Garten der Mensch schuf, das bildete in der weiten Landschaft die »kunstwunderbare Natur«. Ja, mehr noch werden wir das vorausdeutende Verdienst Shaftesburys und seiner mitempfindenden Engländer zu schätzen wissen, wenn wir sehen, wie noch Jahrzehnte nach ihrem Auftreten außerhalb Englands überall das Naturempfinden von den ästhetischen Formationen des Gartens bestimmt wird. Es ist, wie gesagt, eine Lieblingsvorstellung, sich die Natur oder auch Gott als Gärtner zu denken. In dem gleichen Jahre, als Shaftesbury sein Bekenntnis ausspricht, singt ein deutscher Poetaster:
»Willst du die Gartenlust des großen Schöpfers schauen,
So sieh den grünen Strich, der schönsten Bäume Pracht,
Betrachte die Alleen, die bunt bemalten Auen,
Die Grotten, die er selbst mit eigener Hand gemacht«
A. J. Krieg, Hartzburgischer Malstein, 1709 (Vorwort); Kammerer, Zur Geschichte des Landschaftsgefühls, 1909, wo eine Fülle solcher Beispiele angeführt..
Die Reisenden werden selbst in fremdartigen Landschaften die Gartenvorstellungen nicht los. In Guinea schaut ein Reisender Wälder, »welche oben also eben sind, als wenn sie mit einer Schere geebnet und verschnitten wären« Kammerer, a. o. O., S. 20.. Ein anderer steht auf dem Brocken, »oben in der Höhe des Berges stehen Bäume in einem runden Circul, als wenn sie mit Fleiß also wären gepflantzet worden und wachset keiner außer der Ordnung weiter hinein.« Ein Schwarzwaldreisender sieht noch 1760 durchaus das Vorbild des Gartenideals der Zeit in der Natur. »Der Wald ist unvergleichlich; da kann man recht sehen, wie eine sich selbst überlassene und Jahrhunderte durch verschonte Holzung aussieht. Keine Verzierungen von Lustwäldchen, Alleen, Berceaux, Kabinetten können in einem Garten erdacht werden, von denen man hier nicht die Originale in ursprünglicher Schönheit findet. Vornehmlich ergötzen mich an einigen Orten die tausenderlei Gruppierungen der Nadelhölzer, die vom Erdreich bis an die Gipfel die vortrefflichsten Pyramiden darstellen.«
Shaftesburys Worte aber waren in England nicht ungehört verklungen; wenige Jahre darauf, am 25. Juni 1712, publizierte Addison im »Spectator« einen Essay, der, an Shaftesbury knüpfend, die freie Natur, die Landschaft, und die Kunst, den Garten, in ihrer gegensätzlichen Wirkung auf die Imagination beleuchten sollte. Addison geht durchaus nicht so weit wie Shaftesbury. Wenn er der Natur auch Größe und Erhabenheit zuschreibt, die die Kunst niemals erreichen kann, so »finden wir die Werke der Natur doch um so angenehmer, je mehr sie den Werken der Kunst ähneln«, und ebenso sicher können wir sein, daß Werke der Kunst den größten Vorteil durch ihre Ähnlichkeit mit der Natur erlangen. Steht Addison mit seiner ersten These noch ganz auf dem Boden des oben geschilderten künstlichen Naturempfindens, so vermag er dadurch, daß er die beiden Enden Natur und Kunst möglichst zusammenbiegt, doch den Boden für seinen Feldzug gegen den britischen Garten zu finden, der, anstatt die Natur zu unterstützen, alles getan habe, sich von ihr soweit als möglich zu entfernen. »Unsere Bäume erheben sich als Kegel, Kugel und Pyramiden. Wir sehen die Spuren der Schere an jeder Pflanze, jedem Busch.« Addison war lange auf dem Kontinent gereist; die italienischen Gärten waren um jene Zeit vielfach in einem vernachlässigten Zustande; dieser aber gibt einer solchen Gartenruine durch die üppige südliche Vegetation jenen malerischen Reiz, welchen das Auge, das sich müde gesehen hatte an der »steifen Geziertheit« der gut gehaltenen nordischen Gärten, wohl mit Entzücken im Gegensatz zu diesen empfinden mußte. Dazu kam, daß gerade England niemals viel von der Einwirkung des großen französischen Stiles gesehen hatte, und daß hier die holländische Sauberkeit, Beschränktheit und Zierlichkeit eben durch die nationale Verbindung damals in besonderer Gunst stand. So stellte Addison in diesem Essay ausdrücklich den italienischen und französischen Garten dem englischen gegenüber; er findet dort mehr Größe und »künstliche Wildheit«. Und fast gleichgeordnet diesen Gärten werden auch die Nachrichten aus China angerufen; die Reisenden erzählen, daß die Chinesen »unserer europäischen Pflanzungen, die nach Meßschnur und Linie angelegt sind, lachen, denn sie sagen, jeder kann Bäume in Reihen pflanzen und regelmäßige Figuren anlegen, sie erfreut es mehr, den Genius in den Bergen und der Natur zu finden und sie verbergen daher die Kunst, durch die sie geleitet werden«. Wie weit Addison trotzdem von jeder Ahnung des Wesens der Kunst der chinesischen Gärtnerei entfernt war, zeigt das Ideal eines Gartens, das er ein paar Monate später in einem zweiten Essay des »Spectator« aufstellt Addison, Spectator, N. 414 u. 477.: Ein Fremder, der sich in seinen Garten versetzt sähe, würde ihn als eine natürliche Wildnis ansehen, ein Durcheinander von Küchengarten und Parterre, von Obst- und Blumengarten nennt er ihn, wo an verschiedenen Stellen Blumen wachsen, die er aber so wenig um ihrer Seltenheit willen schätzt, daß er oft von Spaziergängen Feldblumen heimbringt, um sie in seinen Garten zu pflanzen. Es entzückt ihn, wenn er bei seinen Spaziergängen nicht weiß, ob der nächste Baum, den er antrifft, ein Apfelbaum, eine Eiche, eine Ulme oder ein Birnbaum sein wird; und die Quelle, die als kleiner wandernder Bach seine Pflanzungen besucht, hat er mit Sorgfalt so geleitet, wie sie in den offenen Feldern fließt, mit Veilchen, Himmelschlüsseln und Weiden am Ufer. – Schon den ersten Aufsatz hatte Addison mit dem Ausruf beschlossen: »Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Meinung allein stehe, aber was mich betrifft, so schaue ich lieber einen Baum in aller seiner Fülle und seinem Überfluß von Ästen und Zweigen, als ihn gestutzt und verschnitten in mathematischen Figuren zu sehen, und ich kann mir nur vorstellen, daß ein Obstgarten in Blüte unendlich köstlicher ausschaut, als die kleinen Labyrinthe und fein ausgeführten Parterres.«
Addison wußte wohl, daß er mit seiner Meinung mindestens nicht lange allein bleiben würde, war er es doch, der als erster wagte, durch seine Zeitschriften öffentliche Meinung in England zu machen und diese unbedingt zu beherrschen. Der erste, der ihm eilig zu Hilfe kam, war Pope. Auch er kleidete die neuen Gedanken Shaftesburys und Addisons in eine vermittelnde Form: »Ich glaube, es ist keine falsche Beobachtung, daß Menschen von Genie, die in der Kunst begabtesten, am meisten die Natur lieben; denn diese empfinden besonders stark, daß alle Kunst Nachahmung und Studium der Natur ist« Guardian, Sept. 1713, N. 173.. Wieder ist hier ein Losungswort der Romantik, Genie und Natur, zuerst von einem Klassizisten zusammengestellt worden. Freilich mußte der Inhalt dieser Worte erst ein anderer und neuer werden, um auch der Dichtkunst einen neuen Impuls zu geben. Die Natur aber suchte auch Pope zunächst im Gegensatz zu der Gartenkünstelei. Mit all seinem witzigen Spott überschüttet er die »Gartenschneider «, die Baum und Strauch in Menschen- und Tiergestalt zwingen. Er berichtet von einem Koch, der seinen Landsitz mit einem Krönungsmahl in Grün verschönte und fügt einen höchst witzigen Katalog eines Gärtners über seinen Warenvorrat hinzu. Er findet dort unter andern angepriesen: »Adam und Eva in Taxus, Adam, ein wenig beschädigt durch den Fall des Baumes der Erkenntnis im letzten großen Sturme; Eva und die Schlange kraftvoll wachsend, St. Georg in Buchs, sein Arm noch kaum lang genug, doch wird er im nächsten April in der Verfassung sein, den Drachen zu töten; ein grüner Drache aus gleichem Material, einstweilen mit einem Schwanz aus kriechendem Efeu (NB. diese beiden können nur zusammen verkauft werden); verschiedene hervorragende Dichter in Lorbeer, etwas ausgeblichen, können für einen Heller losgeschlagen werden. Eine Sau von frischem Grün, die aber zu einem Stachelschwein aufgeschossen ist, da sie letzte Woche in regnerischem Wetter vergessen war u. a. m.«
Pope aber war gewillt, mehr zu tun, als nur zu spotten. Er wollte ein Beispiel geben, und als er wenige Jahre darauf (1719) seine Villa in Twickenham an der Themse bezog, unternahm er es, dort in seinem Garten die »ungeschmückte Natur nachzuahmen«. Soviel auch von diesem Musensitze in des Dichters Briefen und Dichtungen die Rede ist, so war das ganze Grundstück doch viel zu klein, als daß er mehr als eine Negation des Alten darin hätte zum Ausdruck bringen können: Kein Verschneiden der Bäume mehr, keine Symmetrie, das war der erste Ruf gewesen, und mit Stolz nannte Pope zwei Trauerweiden zur Seite des Hauses, von dem sich ein Rasen zum Flusse niederzog, die schönsten des Königreiches. Seine vielgenannte Lieblingsschöpfung aber war seine Grotte, eine Art von unterirdischem Tunnel, der von dem Vordergarten unter der Heerstraße durch nach dem Hintergarten führte. Mit rührend kindlicher Freude arbeitet der Dichter in den Sommermonaten an diesem Lieblingsstück, die Freunde senden ihm seltene Mineralien, die er an den Wänden und Decken anbringt, allerlei Lichteffekte und Ausblicke auf den Fluß kann er nicht genug rühmen, die Schilderungen, die er seinen Freunden gibt, klingen an die Szenerien eines Feenmärchens an, und doch war es nur eine Grotte, wie sie in unendlichen Variationen alle früheren Gärten gehabt haben. Sein Gärtner hat von ihr und dem Garten das Bild, »wie es bei seinem Tode war«, aufbewahrt A Plan of Pope's Garden, as it was left at his Death with a Plan and Perspective View of the Grotto. All taken by J. Learte his Gardener, London 1745.. Beim Eintritt der Grotte nach dem Garten sind Steine durcheinander geworfen, um eine alte Ruine nachzuahmen. Der spottsüchtige Pope hätte zu anderer Zeit vielleicht selbst darüber gelächelt, wie er sich über die Kleinheit des Gartens einmal lustig macht: »Nebukadnezar würde ihn am ersten Tage, als er Ochse wurde, ganz abgegrast haben.« Gewiß, Pope war kein praktisches Genie, und die Bedeutung von Twickenham kann nur die eines ersten tastenden Versuches sein, in einer Zeit begonnen, als man trotz mancher Geneigtheit für die Ideen dieser Vorkämpfer des neuen Stiles doch noch Jahrzehnte den alten nicht zu verlassen wagte, weil es durchaus an Vorbildern fehlte.
Auch England hat seinen Übergangsstil, aber während die andern Länder den Plan des alten Gartens in seinen Grundzügen festhielten und innerhalb dieses Rahmens nur allerlei Konzessionen an den neuen Stil machten, so rüttelten in England seltsamer-, aber begreiflicherweise, die neuen Gedanken zuerst an dem Grundplan, während man im einzelnen noch lange aus Mangel an Vorbildern beim Alten bleiben mußte. In einer Beschreibung des Gartens von Stowe aus dem Jahre 1724, der auch von Pope aufs höchste bewundert wurde, heißt es: »nichts ist unregelmäßiger im ganzen, nichts regelmäßiger in den einzelnen Teilen, welche vollkommen voneinander verschieden sind«, und zum Schluß: »Was zu der Schönheit dieses Gartens beiträgt, ist, daß er nicht von Mauern umschlossen ist, sondern von einem A-ha, was den Ausblick in eine schöne waldige Gegend offen und darüber im Ungewissen läßt, wie weit die Gartenwege sich ausdehnen« Amherst, History of Gardening, p. 251/52.. Der Gärtner Bridgeman, der den Plan von Stowe in dieser Zeit gemacht hatte, gilt als der Erfinder dieser neuen und überraschenden Umfriedung; sie bestand entweder in einem Graben, der dem Auge erst sichtbar wurde, wenn man dicht davor stand, und der seinen technischen Namen von dem überraschten Ausruf des getäuschten Spaziergängers »A-ha« erhielt, oder auch in einem in eine Vertiefung versenkten Zaune, der den gleichen Zweck erfüllte, die Grenze zwischen Garten und freier Landschaft zu verwischen. Horace Walpole, der ein halbes Jahrhundert später zuerst die Geschichte dieser Gartenrevolution schrieb, sah mit Recht in dieser Erfindung einen Hauptfaktor für den Sieg der neuen Bewegung. Die Mauer gab dem architektonischen Garten einst seine eigentliche Stütze und Berechtigung, sie schloß ihn von der umgebenden Landschaft ab und aus, so daß er sich als eine Welt für sich fühlen und entwickeln konnte, und auch in dem großen französischen Stil war dieser Gedanke festgehalten, so sehr man den Ausblick als Vedute für den Endpunkt der Alleen liebte. Jetzt aber gab es für das Auge nirgends mehr einen Rahmenabschluß, der Garten war nunmehr nur noch der Vordergrund für die weite Landschaft dahinter.
Diese heimische nordische Landschaft aber hatte der Engländer zu dieser Zeit gerade in seiner Dichtung entdeckt. Schon in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts war eine Gattung von Gedichten entstanden, die Dr. Johnson später »local poetry« nannte. Es waren beschreibende Gedichte, die den Versuch machten, eine bestimmte, lokal begrenzte Landschaft dem Leser lieb zu machen; Walker, Denham, Cowley hatten sich darin versucht, schon ehe Pope 1712 seinen »Windsor Park« schrieb. Wie gering auch Naturgefühl im Sinne der Romantik daraus spricht, man hatte doch gelernt, charakteristische Züge einer bestimmten Landschaft zu beobachten und nachzubilden. Einen Riesenschritt machte nach diesen Versuchen Thomson mit den »Jahreszeiten«. Die Begeisterung, mit der diese Gedichte aufgenommen wurden, zeigte, daß der Schotte Thomson nicht mehr der einzige war, der spazieren ging und im Wandern mit offenen Augen die Schönheit der Natur genoß. Er empfindet besonders den ihr eigenen nordischen Charakter, und es ist gewiß charakteristisch, daß er mit dem Winter beginnt, der nur im Norden seine ganze Macht und Schönheit entfalten kann. Eifrige Spaziergänger waren die Engländer schon früher gewesen, darum legte man schon am Ende des XVII. Jahrhunderts die Wege im Garten mit besonderer Rücksicht auf das Wanderbedürfnis an. Aber es ist bemerkenswert, daß zuerst der Garten als ein Ort zum Spazierengehen empfunden und bezeichnet wurde. Als nun die Schranke fiel, die den Garten von der umgebenden Natur trennte, da empfand man mit doppelter Ungeduld den Gegensatz aller Künstelei innerhalb zu der Landschaft draußen, dort sah man buschumrahmte Wiesen, die von dem schlängelnden Lauf der Bäche und Flüsse durchzogen waren, den prächtig entfalteten Einzelbaum oder eine Gruppe malerischer Gehölze, und umfaßte das mit frohen Augen und liebendem Herzen. Pope, der immer bereit war, für die neue Sache zu kämpfen, gab diesem Gefühl des Überdrusses in seiner Epistel an Lord Burlington 1730 Ausdruck, wo er die »Villa des Timon«, die prunksüchtige Geschmacklosigkeit eines regelmäßigen Gartens, in Versen geißelte, die bald als geflügelte Worte in aller Mund waren.
»On every side you look, behold the wall.«
»Grove nods on grove, each alley has a brother
And half the platform, just reflects the other.«
»The suffering eye inverted nature sees,
Trees cut to statues, statues thick as trees ...
Here Amphitrite sails through myrtle bowers,
There Gladiators fight or die in flowers«
Pope, An Epistle to .... Earl of Burlington .... 1731..
Und etwas später schreibt er: »Alle Regeln der Gartenkunst lassen sich auf drei Punkte zurückführen: Kontrast (wozu er die malerischen Effekte von Licht und Schatten rechnet), Überraschung und Verbergung der Umzäunung.«
Lord Burlington aber hat, vielleicht gereizt durch Popes Spott, gerade in seinem Garten als einer der ersten allerlei Experimente gemacht, die die ganze Unsicherheit jener Jahre verraten. Der Plan (Abb. 582) zeigt ähnlich wie in Stowe nichts mehr von regelmäßiger Geschlossenheit, überall versucht man ihn aufzulösen, ohne doch im einzelnen über eine verkehrte Schlangenlinie hinauszukommen. Erst mußten noch Hilfstruppen aus anderem Lager kommen, um Richtlinien und Vorbilder zu schaffen.
Bald darauf (1732) begann Joseph Spence seinen »Polymetis«, der, die Grenzen zwischen den Künsten aufhebend, besonders die nahe Verbindung von Malerei und Dichtkunst zum Grundsatze erhob. Spence war selbst ein leidenschaftlicher Gärtner und brachte alle seine Freistunden in seinem geliebten Garten zu, auch der plötzliche Tod ereilte ihn einst bei dieser Arbeit. Ihm war die Gartenkunst ein natürlicher Zweig der Malerei, und daher ist auch dem Gartenkünstler gestattet, in Gartenszenen zu dichten.
Die immer wachsende Abneigung der ganzen Zeit gegen das Regelmäßige, und damit mehr und mehr gegen alles Symmetrische, spricht sich scharf und klar auch in der Ästhetik aus, die hier seltsamerweise die dogmatische Richtung der Zeit benutzt, um aller Regelmäßigkeit den Krieg zu erklären. Schon im Jahre 1745 hatte Hogarth auf die Palette seines Selbstbildnisses eine undulierende Linie gezeichnet, die er später in seinem theoretischen Werke »Die Analyse der Schönheit« als die monumentale Schönheitslinie bezeichnete Hogarth, The Analysis of Beauty, 1753.. Hogarth versuchte nachzuweisen, daß die Schönheit nicht ein »je ne sais quoi«, sondern eine klar und fest bestimmbare Eigenschaft der Dinge sei. Die sichtbare Formel für die höchste Schönheit ist eine fest bestimmte undulierende Schlangenlinie, sie zeigt die reichste Abwechslung, da sie in keinem Punkte gleich ist, vor der Kreislinie aber den Vorzug hat, die Einbildungskraft zu beschäftigen, da sie dem Auge verschwindet und wiederkehrt. Edmund Burke nahm bald darauf diesen Gedanken Hogarths auf. Dieser hatte schon die Symmetrie und Regelmäßigkeit nicht wie die Ästhetik bisher als wesentliche Eigenschaft der Schönheit angesehen, sondern sie nur unter Bedingungen zugelassen. Burke erklärt nun der Symmetrie völlig den Krieg. Weder sie noch eigentliche Regelmäßigkeit gehören der Schönheit als solcher an. Sie finden sich in der Natur nicht, der Mensch nur hat die unglückliche Neigung, seine Ansichten in diese hineinzutragen. Das beste Beispiel hierfür bietet ihm die alte Gartenkunst. »Weil die Menschen sahen, daß ihre Häuser am bequemsten regelmäßig gebaut waren, so übertrugen sie das auch auf den Garten, verwandelten die Bäume zu Pfeilern, Pyramiden, Obelisken, die Hecken zu grünen Mauern, legten die Plätze zu Drei- und Vierecken von genauester Symmetrie an; sie dachten, wenn sie auch die Natur nicht nachahmten, so verbesserten sie sie doch und lehrten sie ihr eigenes Geschäft. Endlich aber ist die Natur ihren Fesseln und ihrer Zucht entwachsen, und unsere Gärtner sehen ein, daß mathematische Figuren kein treues Maß für Schönheit sind« E. Burke, A Philosophical Enquiry into the Origin of our ideas of the Sublime and the Beautiful, 1756.. Statt solcher Mißverhältnisse findet Burke, daß »smoothness«, sanfte Glätte, die allbestimmende Eigenschaft der Schönheit sei, so sehr, daß er nichts Schönes kenne, das nicht zugleich »smooth« ist. Burke hatte nicht umsonst an die Gartenkunst appelliert, sie zuerst mußte von dieser Seite den bestimmenden und, zu bald, auch verflachenden Einfluß erfahren.
Aus all diesen geistigen Strömungen der Zeit wuchs nun ganz organisch der Landschaftsgarten empor. Der erste, der praktisch die reife Frucht zu pflücken unternahm, war William Kent, ein Maler, der, so wenig er auch auf dem Gebiete dieser Kunst zu leisten vermochte, doch nach den Vorbildern zu sehen wußte, die der neue Stil brauchte, um sich ganz von den Fesseln des alten zu befreien: der Landschaftsmalerei. England selbst war es allerdings doch nicht vergönnt, die Landschaft, die es in seiner Dichtung entdeckt hatte, auch in der Malerei nachzubilden. Da war ihm der Kontinent vorangegangen mit seinen großen Landschaftsmalern, den Claude Lorrain, Salvator Rosa, Poussin für den Süden, den Everdingen, Ruysdael und den andern Niederländern für den Norden. In England aber begann man mit großem Eifer diese Werke zu studieren. Wenn man vorerst Poussin und Claude vor den Nordländern bevorzugte, so lag das daran, daß die prächtige, wohlgepflegte, stilisierte Landschaft dieser Maler dem Zeitempfinden mehr entgegenkam, nach Addisons Ausspruch, daß die Natur am erfreulichsten sei, die der Kunst am nächsten käme. Kent selbst, der ursprünglich Kutschenmaler war, ehe sein Patron, der Earl of Burlington, auf ihn aufmerksam wurde und ihn nach Italien schickte, lernte im Süden wenn auch nicht malen, so doch sehen und vergleichen. Wie schon vor ihm Addison, fiel ihm besonders auf, daß die italienischen Gärten in ihrem Stil längst nicht so aus dem Charakter ihrer Landschaft herausfielen, wie das im Norden der Fall war. Er sah, wie die bewunderten Landschaftsmaler des Südens sich häufig gerade die Gärten als Motive für ihre Bilder ausgesucht hatten; das Verdienst von Kent ist, daß er, erfüllt von diesen Eindrücken, nun nicht wieder zu einer neuen Nachahmung schritt; sondern, nachdem er sich nach seiner Rückkehr eine höchst autoritative Stellung in Sachen des Geschmackes erworben hatte, begann er als erster Gärten in einem freien, malerischen Stile anzulegen, wozu er seine Motive aus der umgebenden Landschaft nahm. Kents Grundsatz war: »die Natur verabscheut die gerade Linie«. Wie sehr dies Wort nicht nur dem Grundplan, sondern auch jeder Einzelgestaltung des alten Gartens den Krieg erklärt, versteht sich von selbst. Die geraden Wege mußten auf das ängstlichste vermieden werden, alle Wasserkünste, selbst Springbrunnen, waren verpönt, nur der See mit unregelmäßigen Ufern und der Fluß, der sich durch das Gelände schlängelt, wurden zugelassen. Das malerische Motiv des Lichtes und Schattens wurde durch Bäume und Gebüsch ausgedrückt, das sich zwar völlig frei entfalten sollte, aber nach der von Pope verlangten Regel des Kontrastes gepflanzt wurde. Wie auf dem Landschaftsbilde mußte es die Perspektive bestimmen und im Garten zugleich zu einem zweiten oder dritten Blicke hinleiten. Der Rasen, der von je im englischen Garten eine große Rolle gespielt hatte und nicht selten als ein tiefgrünes, von keinem Wege durchschnittenes Viereck sich dicht vor den Fenstern des Wohnhauses hingestreckt hatte – von Bacon bis zu den Theoretikern des frühen XVIII. Jahrhunderts finden wir diese Vorschrift – dehnt sich nun als Teppich und Farbenkontrast gegen die Büsche und Baumgruppen aus.
Neben und nach Kent erwarb sich ein anderer Gartenkünstler, Lancelot Brown, um die Mitte des Jahrhunderts einen großen Namen. Brown wurde von einer wahren Leidenschaft getragen, die in den vierziger Jahren des Jahrhunderts das sonst so bedächtige, konservative Volk ergriff, mit dem »naturwidrigen Ungeschmack« der alten Gärten aufzuräumen. Die alten schönen Gärten, deren Bild in Kips', Atkyns' und anderer Sammlungen aufbehalten ist, wurden in den nächsten 20–30 Jahren vollkommen umgestaltet, so daß heute besonders in Mittel- und Südengland wirklich alte Gartenanlagen kaum zu finden sind. Brown war der eigentliche Förderer der undulierenden Schönheitslinie, die er überall in seinem Garten einführte. Das Terrain sogar mußte eine sanft wellenförmige Bewegung haben; eigentliche Terrassen wurden als ganz unnatürlich abgeschafft. Die Wege, die um die einzelnen Bilder führten, waren wahre Muster der Schönheitslinie, besonders der Weg, der den ganzen Park an der Peripherie umlief, der den Namen Gürtel, »belt«, trug, mußte dem Besitztum durch seine zahlreichen Windungen ein vergrößertes Ansehen geben. Die Gestaltung des späteren Gartens von Stowe (Abb. 583), der hauptsächlich ein Werk Browns war, ist ein Musterbeispiel dieser Entwicklung. Browns größte Stärke aber lag in der Wassergestaltung; er zuerst gab dem See jene später tausendfach wiederholte gewundene Bewegung, die die Abwechslung der Ufer in Buchten und Krümmungen hervorbrachte; ähnlich wurde auch der Fluß behandelt. Einst war Brown so entzückt über eine seiner Flußuferanlagen, daß er die Themseufer übertroffen glaubte und ausgerufen haben soll: »O Themse, Themse, du wirst mir nie verzeihen.« Spötter gaben ihm den Namen »Capability Brown«, da er in seinem Gartenterrain immer von den Fähigkeiten sprach, seine Eitelkeit scheint aber diesen Namen gerne angenommen zu haben.
Blumen haben besonders in der ersten Zeit der Entwicklung in diesem Lustgarten keine Stätte gefunden, sie zogen sich, wie ja schon früher einmal im englischen Garten, ganz in die Obst- und Küchengärten zurück, die auch meist, selbst in der Zeit der wildesten Zerstörungswut, ihre alte Umfriedung mit hohen Ziegelmauern um ihre regelmäßige Beeteinteilung behalten haben, so daß man dort auch heute noch wertvolle Reliquien wirklich alter Anlagen findet. Unter diesen Umständen mußten die Grenzen zwischen Lustgarten und Parkgelände sich mehr und mehr verwischen. Die Gartenschriftsteller und Ästhetiker haben zwar noch lange hinaus einer gewissen Zierlichkeit, die noch die Kunst verraten durfte, unmittelbar um das Haus das Wort geredet, aber da die Grenzen fehlten und der Übergang allmählich sein sollte und mußte, wurde man darin immer unsicherer und infolgedessen auch geschmackloser. Dagegen fand zum ersten Male wieder in diesem Gartenstil die einzelne Baumgestalt ihr Recht und ihre volle Entfaltung. Es ist höchst charakteristisch, zu beobachten, wie mit dem Vordringen des malerischen Stiles eine plötzlich einsetzende und wachsende Einfuhr amerikanischer Holzarten in England gleichen Schritt hält. Noch übt die botanische Wissenschaft als solche nicht den bestimmenden Einfluß auf den Gartenstil aus, erst im XIX. Jahrhundert sollte jene zu dessen eigentlicher Führerin werden. Wie sehr aber die Akklimatisation dieser neuen Bäume und Sträucher mit ihrer Schönheit des Laubes, dem vornehmen stolzen Wuchse, der mannigfachen Verästelung, in unmittelbarer Gefolgschaft des neuen Stiles stand, zeigt ihre Verbreitung. Hartnäckig beschränkte sich diese bis über die Mitte des Jahrhunderts allein auf England und springt dann erst plötzlich mit dem Eindringen des malerischen Gartenstiles auf den Kontinent über G. Kraus, Der Botanische Garten der Universität Halle, 1894, S. 127.. Aber auch die englische freie Landschaft nahm im Laufe des XVIII. Jahrhunderts immer mehr einen Charakter an, den wir heute parkartig nennen. Die sogenannten »enclosures«, d. h. eingezäunte Felder und Wiesen, die, allmählich aus der Gemeindewirtschaft ausgelöst, festes Privateigentum wurden, waren meist mit Gräben und Hecken an den Rändern ausgesondert. Statt der sehr geringen geschlossenen Waldbestände dienten als Ersatz einzelne, dann aber in dem feuchten Klima prächtig entwickelte Bäume. Allerdings waren die Engländer noch im ganzen XVIII. Jahrhundert ein Ackerbau treibendes Volk; aber die einzelnen Ackerfelder waren meist klein und von Weiden unterbrochen. Diese starke Annäherung vom Garten an den Park und vom Park an die freie Natur drängte gar bald den Gedanken auf, ein ganzes Besitztum, ein Gut zu »verschönen« und es den Prinzipien einer ordnenden Gartengestaltung zu unterwerfen, ohne es der Nutzbarkeit zu entziehen.
Eine wichtige Rolle auf dieser Stufe des englischen Landschaftsgartens spielt der Dichter William Shenstone, der im Jahre 1745 sein väterliches Besitztum, die Leasowes, ein Name, der Hirtenfelder oder Weide bedeutet, im neuen Stile anlegte. Dr. Johnson nennt dies das Lebenswerk Shenstones, der als Dichter zu den frühen Vorläufern der romantischen Bewegung gehörte. Alsbald begann Shenstone, wie Johnson erzählt, »die Ausblicke herauszuheben, die Oberfläche mannigfach zu gestalten, die Wege verschlungen zu ziehen, die Wasser zu schlängeln; dies tat er mit so viel Urteil und Phantasie, daß sein kleines Besitztum zum Neide der Großen und zur Bewunderung der Geschickten wurde; eine Anlage, die von Reisenden besucht und von Zeichnern abgezeichnet wurde« Samuel Johnson, Life of William Shenstone: Works ed. R. Synam, 1825, IV, p. 329.. Kaum von einem Gartengelände – so müssen wir diese Schöpfung wohl bezeichnen – besitzen wir eine solche Fülle von Schilderungen, wie von den Leasowes. Der Dichter, der den größten Teil seines Vermögens in diese Anlage steckte, hat sich auch selbst theoretisch über die Grundsätze dieser Gartenkunst in einem Aufsatze »Unzusammenhängende Gedanken über Gartenkunst« geäußert, der aber erst nach seinem Tode 1764 veröffentlicht wurde. Shenstone scheint der erste gewesen zu sein, der das Wort Landschaftsgärtner gebraucht hat, und zwar um dadurch die nahe Verwandtschaft zum Landschaftsmaler zu besiegeln. »Ich habe das Wort Landschaftsgärtner gebraucht«, sagt er, »weil entsprechend unserm heutigen Gartengeschmack jeder gute Landschaftsmaler der geeignete Zeichner von Gärten ist« W. Shenstone, Unconnected Thoughts on Gardening; The Works in Verse and Prose, 6 1791, vol. II, p. 124.. Halten wir dies Wort zusammen mit Shenstones anderem Ausspruch: »Kunst sollte niemals einen Schritt in das Herrschaftsgebiet der Natur setzen dürfen«, und jenem noch weit klareren unseres deutschen Vorkämpfers Hirschfeld: »Der Gartenkünstler arbeitet am glücklichsten, wenn er fast überall das Gegenteil von dem tut, was der Baumeister beachtet« Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst I, S. 138., so werden wir den ganzen Gegensatz des Stilempfindens des malerischen zu dem architektonischen Garten erkennen. Die Bedeutung der Leasowes besteht darin, daß Shenstone hier den Gedanken ganz durchgeführt hat, daß »Der Garten nicht mehr beschränkt ist auf den Ort, von dem er seinen Namen borgt, sondern auch die Anlage und Verschönerung eines Parks, einer Farm und der Fahrwege seinen Regeln unterwirft«. Die Beschreibungen führen uns durch dunkle, waldige Täler auf freie aussichtsreiche Höhen, über Viehtriften und Kornfelder zu einem verstecken Bootshaus und rauschenden Wasserfall, einem gewundenen See- oder Flußufer. Selbst dicht um das Wohnhaus lagen diese rein ländlichen Szenen, bei denen Kontrast und Abwechslung die leitenden Grundsätze waren. Whatley, einer der bedeutendsten Theoretiker dieses Stiles Thomas Whatley, Observations on Modern Gardening (1. Ausgabe 1770, anonym), 5 1793., tadelt es wohl, daß die Farm sich zu nahe an das Wohnhaus heranwage, da sich der Eigentümer so von dem Pächter nicht mehr unterscheide. Doch bewundert er aufs höchste die Erfindung der sogenannten »ornamented farm«, die alle, auch die rein der Nutzbarkeit gewidmeten Felder mit gärtnerischem Schmuck umschließt und verschönt. Er schildert Woburyfarm in Surrey: überall trifft man auf den Spaziergängen schöne stimmungsvolle Plätze, mit Gebäuden aller Art geschmückt; auch die Kornfelder sind von Rosenhecken umgeben und mit allerlei kleinen Blumenanlagen an den Ecken geziert. So geschmückt und gartengleich aber auch die verschiedenen Teile sind, alle sind dem Gebrauch der Farm offen, überall grast das Vieh, blöken die Schafe, die Felder werden bestellt und geerntet – etwas zögernd muß Whatley freilich zugeben, daß bei all dieser reichen Zier doch der rein ländliche Charakter der Farm wieder verloren geht.
Die Engländer jener Tage waren sich durchaus bewußt, nicht nur auf dem Gebiete der Gartenkunst zum erstenmal etwas ganz Originales geleistet zu haben, sondern überhaupt damit in den bildenden Künsten, deren Leistungen sie damals selbst noch schmerzlich bei sich vermißten, die ersten Schritte vorwärts getan zu haben. »Die schönen Künste«, sagt der Ästhetiker Home, »sind bei uns noch weit von der Vollkommenheit entfernt; sie sind aber in einem Fortschritt begriffen, doch außer der Gartenkunst gehen sie noch mit langsamen Schritten vorwärts« Home, Sketches on the History of Man I, 5, 2.. Whatley weist der Gartenkunst »einen bedeutenden Rang unter den bildenden Künsten« zu, stellt sie über die Malerei soweit als »eine Wirklichkeit über einer Nachahmung steht« Whatley, a. o. O., Introduction, p. 1.. Der Dichter Gray schreibt ebenso: »Der einzige Beweis, daß wir in bezug auf die Kunst Originaltalente haben, ist unsere Geschicklichkeit, Gärten anzulegen, aber dieses ist auch keine geringe Ehre für uns, weil weder Italien noch Frankreich jemals den geringsten Begriff davon gehabt haben, und weil sie es nicht einmal verstehen, wenn sie es auch sehen. Es ist sicher, daß wir bloß die Natur zu unserm Vorbild hatten. Diese Kunst ist unter uns geboren; und es war nichts ihr Ähnliches in Europa, und von chinesischen Gärten war uns damals gar nichts bekannt« Thomas Gray, The Poems and Letters, ed. Mason, 1820, p. 384.. Die Entwicklung der Bewegung, wie wir sie bisher aufwachsen sahen, bestätigt vollkommen Grays Worte. Sie ist ein Kind der geistigen Bildung der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts in England und war sich ihres Wesens völlig bewußt geworden, ehe im Jahre 1747 Pater Attiret seinen Bericht mit der Schilderung von Yuen-ming-yuen, des chinesischen Kaisers wunderbarem Lustschloß, nach Frankreich sandte. Die Chinamode mit ihren zahlreichen Ausstrahlungen auf das Kunstgewerbe des XVIII. Jahrhunderts hatte in England vielleicht weniger heftig gewirkt als in andern Ländern, jedenfalls läßt sich das auf dem Gebiete der Gartenkunst deutlich verfolgen. Daß man Notiz genommen hatte von den Nachrichten über unregelmäßige Gärten der Chinesen, wissen wir schon von Sir William Temple; wenn dann Addison diese vagen Nachrichten als Hilfstruppen in seinem Kampfe gegen den alten Stil benutzt, so lag ihm doch jede Nachahmung fern. Und in den Schilderungen sowohl des Übergangsstiles wie der ersten Anlagen Kents und Browns finden sich nirgends chinesiche Pavillons erwähnt, obgleich von andern Häusern in beiden sehr viel die Rede ist. Wenn nun doch plötzlich seit der Mitte des Jahrhunderts das Schlagwort »englisch-chinesischer Garten« überall gehört wird, so erklärt sich das durch das Eingreifen Frankreichs.
Frankreich hatte sich bisher ganz abwartend verhalten und ruhig nicht nur seinen Barockgarten im eigenen Lande den Bedürfnissen des Rokoko angepaßt, sondern seinen gewaltigen Einfluß über Europa unbestritten ausgeübt. Die wenigen Stimmen, die sich etwa gegen Versailles erhoben, wie die von Saint-Simon, waren doch nur Abneigungen gegen den Geist Ludwigs XIV. Der erste, der eine entschieden feindselige Haltung dem regelmäßigen Stile gegenüber zeigte, war der Architekt Laugier in seinem »Essai sur l'architecture«, der im Jahre 1753 erschien. Pater Attirets Bericht, 1747 in Frankreich erschienen, wurde erst um diese Zeit, 1752, ins Englische übersetzt. Er hatte genügend Zeit, seine Wirkung in Frankreich auszuüben und mit den aus England herüberflutenden Ideen verglichen zu werden. Da sah man mit Staunen die große Übereinstimmung der leitenden Gedanken, kein Wunder, daß man hier im Zentrum der Chinabegeisterung gar nicht daran zweifelte, daß England die ganze Idee dieses neuen Gartens nur aus dem gelobten Lande entnommen haben konnte. Und Frankreich begann den neuen Stil bei sich unter dem Namen »Anglo-Chinois« einzuführen. Ganz grundlos blieb diese Bezeichnung für die zweite Hälfte des Jahrhunderts nun nicht; eine bedeutende Strömung des malerischen Stiles begann sich bedenklich dem chinesischen zu nähern, kein Wunder, denn des Pater Attiret Schilderungen wurden bald durch die Anschauung unterstützt, der Kaiser von China ließ nicht nur seine europäisch angelegten Gärten stechen, sondern sandte auch Blätter seiner andern Gärten an den französischen Hof; Reisende brachten andere mit nach Europa, diese Blätter wurden nun von geschickten französischen und belgischen Griffeln mit erstaunlichem Stilgefühl gestochen und als Vorbilder in die Welt gesandt. Eine große französische Publikation, »Le Jardin Anglo-Chinois«, die in den Jahren 1770–87 erschien, bringt neben vielen europäischen über 100 ausgezeichnete Stiche chinesischer Kaisergärten, die teils aus dem Besitz des französischen Königs stammen, zum großen Teil aber von dem schwedischen Gesandten Cheffer herübergebracht wurden (Abb. 584); sie sind ausdrücklich bestimmt »zum Fortschritt der Gartenkunst zu dienen, da jedermann weiß, daß die englischen Gärten nur eine Nachahmung der chinesischen sind«.
Die Stecher dieser Blätter hatten jedenfalls ein sichereres Stilgefühl für ihre echten Vorlagen als die Herausgeber der ganzen Sammlung; denn in den 16 Heften findet sich ein buntes Gemisch aller Stilarten, das von der großen Unsicherheit, mit der man in Frankreich damals herumtastete, ein Zeugnis ablegte. In einem schien man nur einig, sich in einer wachsenden Anhäufung von Gebäuden im Garten zu gefallen. Ein kleines Büchlein, »Livre des trophées chinoises« Peyrotte, Livres des trophées chinoises, um 1740 erschienen. betitelt, brachte Vorbilder für den neuen modischen Schmuck in den Gärten, in einem verschnörkelten Geschmack, den man chinesisch zu nennen beliebte. Solche Vorlagenhefte erschienen dann auch in England, wo sich zwei Brüder Halfpenny, die sich selbst Schreinerarchitekten nennen, hervortaten W. J. Halfpenny, Rural Architecture in Chinese Taste, 1755.. Wenn man diese Hefte durchblättert, so begreift man freilich, daß man damals chinesisch und gotisch so gerne zusammentat, denn von beiden Stilen hatte man nur eine schwache Ahnung. Die Neigung für die gotische Architektur, die vorher jahrhundertelang als der äußerste Ungeschmack verschrieen war, zeigte sich in England schon ziemlich früh. Schon im Jahre 1747 war ein anonymes Vorlagebuch »Gotische Architektur« in 62 Tafeln ohne weiteren Text erschienen. Aber die »Schirme, Portikus und Pavillons, die das Ende eines Prospektes ausmachen«, sehen den chinesischen der Halfpennys (Abb. 585) verzweifelt ähnlich. In beiden Stilen hatte man eine Vorstellung von verschnörkelten geschweiften Linien, die man überall in Dächern, Balkons, Fensterumrahmungen und Verzierungen anbrachte. Noch Goethe nennt im »Triumph der Empfindsamkeit« die künstlichen Grotten des englischen Gartens »chinesisch-gotisch«.
Der eigentliche Einfluß jedoch, den der Landschaftsgarten in England durch den chinesischen erfuhr, knüpft sich an den Namen Sir William Chambers. In jungen Jahren war Chambers im Dienste der schwedisch-ostindischen Gesellschaft in China gewesen. Dort hatte er eine Reihe von Skizzen chinesischer Gebäude, Trachten usw. entworfen, die er dann im Jahre 1757, schon in der Absicht, den pseudo-chinesischen Vorlagen etwas Echtes entgegenzusetzen, veröffentlichte. Nach seiner Rückkehr nach Europa reiste er lange in Italien, um sich für seine Architektenlaufbahn vorzubereiten; dort sah er die italienischen Gärten und konnte sich, wie Addison und Kent, ihrem Reize nicht entziehen. Chambers war als Engländer zu sehr von dem neuen Gedanken beherrscht, als daß er nicht den alten Stil prinzipiell hätte ablehnen sollen, aber er verglich den Reichtum, den die südlichen Gärten des Kontinents einerseits und die wirklichen oder durch Schilderungen verschönten Gärten Chinas anderseits der Phantasie boten, mit der immer größer werdenden Einförmigkeit des neuen Stiles in seiner Heimat. Vieles mußte hier zusammenkommen, um die neuen Gärten öde erscheinen zu lassen, einmal die Neuheit der massenhaften jungen Anlagen, die, weil gerade auf der Schönheit des Pflanzenwuchses der Haupteffekt des Bildes beruht, anfangs meist dürftig und leer ausschauen mußten; dann aber waren entfernt nicht genug wirklich erfahrene Männer da, die der schwierigen Aufgabe gewachsen waren, nach malerischen Prinzipien einen Garten anzulegen. Der hilfreiche architektonische oder plastische Schmuck des alten Gartens war bis auf Gartenhäuser, Brücken und ähnliches völlig verbannt. So weit war damals der Garten in England von chinesischer Überladung mit Gebäuden entfernt, daß Chambers seinen vielberufenen Aufsatz »Die orientalische Gartenkunst« gerade gegen die Verödung der Gärten seiner Heimat schrieb: »Sowohl Künstler wie Kenner scheinen mir einen zu großen Nachdruck auf Natur und Einfalt zu legen. Sie sind der beständige Ruf jedes halbgebildeten Schwätzers, der Refrain jedes Liedes, der Takt, mit dem ihr euch unversehens in Trägheit und Abgeschmacktheit einlullen laßt. Wenn Ähnlichkeit der Natur ein Maßstab der Vollkommenheit wäre, dann müßten die Wachsfiguren in Fleetstreet alle Werke des göttlichen Buonarotti übertreffen« W. Chambers, On Oriental Gardening, 1772.. In einem englischen Garten, führt die Abhandlung weiter aus, weiß ein Beschauer oft nicht, ob er auf einer gewöhnlichen Wiese oder in einem Lustgarten wandert, so genau ist die Natur nachgeahmt. »So wenig Abwechslung und solch ein Mangel an Urteil in der Wahl der Gegenstände findet sich dort, solch eine Armut der Einbildungskraft, daß der Besucher sich sterblich langweilt, die Schönheitslinie verflucht, bis er, von Müdigkeit übermannt, von der Sonne halb geröstet, denn es fehlt immer am Schatten, und halb tot aus Mangel an Unterhaltung, beschließt, nichts mehr zu sehen. Ein vergeblicher Entschluß! Es gibt nur einen Pfad, auf diesem muß er entweder sich zu Ende schleppen oder den gleichen ermüdenden Weg, den er kam, zurückgehen. Und um dies zu erreichen, haben alte schöne Gärten in Masse fallen müssen. Die Axt hat oft an einem Tage den Wuchs von Generationen zu Boden gelegt«. Doch will Chambers damit nicht dem alten Stil das Wort reden, besonders die holländischen Gärten verfolgt er mit allem Spott, nennt sie »cities of verdure«, grüne Städte. Was not tut, ist vielmehr das Vorbild eines Landes wie China. Auch die Chinesen nehmen die Natur als Muster und bilden ihre schönen Unregelmäßigkeiten ab. Der Hauptgrund ihres Erfolges aber beruht darauf, daß sie von ihren Gartenkünstlern ein ausgedehntes Studium verlangen, daß der Einfluß ihres Geschmackes für Lustgärten auf die allgemeine Kultur zu spüren ist, während in Europa auf dem Kontinent Gartenanlagen eine Nebenbeschäftigung der Architekten seien und man in England sie den Küchengärtnern überlasse. Die Chinesen aber haben in ihren Gärten alles Herrliche gesammelt, sie mit Reichtum und Schönheit überschüttet, und sind doch nur die treuen Diener der Natur geblieben. So verlangt er auch von dem englischen Garten, daß er vor allem Abwechslung bringe. »Der Zuschauer muß amüsiert werden, seine Aufmerksamkeit muß beständig wachgehalten werden, seine Neugierde erregt, und sein Geist durch eine große Abwechslung entgegengesetzter Leidenschaften bewegt werden.«
Chambers hatte wohl hauptsächlich Pater Attirets Briefe als Grundlage seiner Schilderungen genommen, die er nun aber mit lebhaft tendenziöser Phantasie bereichert. Seiner Bemühung aber gelang es, in England, wenn auch nur vorübergehend, eine größere Belebung der Landschaft mit Gebäuden zu erzielen. Er selbst wurde 1758-59 leitender Architekt im Kewgarden. Die Kronprinzessin Augusta, die Mutter Georgs III., hatte sich eine Villa in Kew erbaut und suchte einen Architekten, der ihrem Garten, den sie dort malerisch anlegen wollte, die nötige Staffage gäbe. Chambers wollte nun hier zeigen, was er konnte. Hirschfeld tadelt an dem Garten von Kew, daß er zu eng angelegt, daß alles auf den einen Mittelsee konzentriert sei und von der schönen Umgebung der Themselandschaft kein Gebrauch gemacht werde Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst I, S. 55.. Chambers entschädigt dafür durch die hohe achtstöckige Pagode, die einen weiten Umblick gestattet (Abb. 586). Hier in dieser »wilderness« umfaßt ein Blick außer der Pagode noch eine Moschee und ein maurisches Gebäude, Alhambra genannt. Eine Reihe von griechischen Tempeln, auf deren spezifische Bauart der gelehrte Chambers sich viel zugute tat, eine römische Ruine (Abb. 587) und andere kleinere Denkmäler schützten diesen Garten vor der von ihm so gefürchteten Langeweile W. Chambers, Plans, Elevations Sections, and Perspective Views of the Gardens and Buildings at Kew, 1763.. Kewgarden hat später oft den Vorwurf der Überfülle an Gebäuden hören müssen, und doch ist das Übermaß lange nicht so groß, wie wir es in manchen kontinentalen Gärten antreffen werden. Die Bedeutung dieses Gartens, der von Anbeginn mit fremdländischen Pflanzen, besonders mit amerikanischen Laubbäumen und Koniferen, reich versehen war, trat ganz erst im XIX. Jahrhundert, als er zum ersten botanischen Garten Europas wurde, hervor.
Chambers hatte vor allem einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dem englischen und chinesischen Garten übersehen. Der Engländer will in seinem Garten wandern, er will auf möglichst weitläufigen Wegen von Aussicht zu Aussicht geführt werden; die notwendig kleinen zusammengedrängten Bilder, die der Chinese in seinem Garten sitzend genoß, hätten ihm unannehmbar erscheinen müssen. Kein Wunder, daß Chambers' Ausführungen von Anfang an mit lebhaftem Protest aufgenommen wurden. Dazu kam, daß, als der Essay über die orientalische Gartenkunst im Jahre 1772 erschien, die eigentliche Chinamode auch auf dem Kontinent im Abnehmen begriffen war. In England erhoben sich sofort Stimmen des Widerspruchs; unter diesen stand der Dichter William Mason im Vordertreffen. Er hatte schon 1767 ein Gedicht über die Gärten begonnen, das er in mehreren Büchern im Laufe des nächsten Jahrzehnts herausgab. Er fühlte sich als der Herold und Dichter des neuen Stils, als ein Kämpfer für die Rechte der Natur. »Sie lacht der Fesseln und duldet keine Schönheit, die fremd dem Boden ist, den sie dir gibt, um ihn zu schmücken« William Mason, The English Garden, a Poem, 1803. Er begann das Gedicht schon 1767 nach dem Tode seiner Frau, gab es aber erst 1772 heraus.. Bei dem Maler soll der Gartenkünstler lernen. »Die Zeichnung ist eine ausgedehnte Provinz – die Gartenkunst einer ihrer Distrikte«, beginnt er einen gleichzeitigen Essay über »Zeichnung in der Gartenkunst«. Die Gartenkünstler haben der Natur ihr Schönstes abgelauscht, darum soll auch ihre Kunst erlernen, in fließenden Kurven wiederzugeben, was gerade, winklig oder parallel läuft, oder, wie es an anderer Stelle heißt: »Die Schlangenlinie, die Grazie und Schönheit ihr eigen nennt, es ist die Linie der Natur.« Wohl verlangt auch er Abwechslung – dies war ja schon seit den Tagen des französischen Gartens im alten Stil der beständige Ruf – aber die Häufung der Bilder und des Schmuckes, wie sie Chambers' Essay vorbildlich anführte, erschien ihm sofort affektiert und dem Ideale der Natur gefährlich. Mason, im vollen Einverständnis mit Walpole, antwortete mit Popeschem Spott in einer heroischen Epistel an Sir William Chambers, die eine ganze Reihe von Auflagen erlebte. So war der erste Streit im eigenen Lager ausgebrochen, dessen Feldgeschrei »zu wenig oder zuviel Kunst« hieß. Dieser Streit begleitet in England unter verschiedenen Formen die ganze Entwicklung des Gartens bis in den Anfang des neuen Jahrhunderts. Zu vielseitig waren die Prinzipien, aus denen die Bewegung emporgewachsen war, wenn es auch nur verschiedene Richtungen der von allen anerkannten Nachahmung der Natur waren. Ganz besonders heftig entbrannte der Streit, als 1794 eine Schrift von Uvedale Price: »Essay über das Malerische, verglichen mit dem Erhabenen und Schönen«, erschien. Schon der Titel zeigt, daß er sich in erster Linie gegen Burke wendet, dem er hauptsächlich die Torheit zuschreibt, die unter dem Namen »improvement« geht, da er es gewesen sei, der so verführerisch Sanftheit und allmählichen Übergang als Eigenschaften der Schönheit hingestellt habe. Brown ist ihm kein Verbesserer mit dem ewigen Einerlei von »Klumpen« (Baumgruppen), Gürteln (die um den Garten laufenden Schlängelpfade) und dem künstlichen See. Er will nun endlich ernst machen mit der Nachahmung der Maler wie Claude und Salvator Rosa, jeden Zug des ersteren möchte er in den Garten übertragen haben, vor allem das teilweise und ungewisse Verbergen der Hauptgegenstände, der Gebäude, die Vielgestaltigkeit des Wassers, »im Kontrast darf nicht nur Wildheit, sondern auch Häßlichkeit in das Gemälde gebracht werden«. Sein Freund R. P. Knight, dem er von seinem Plan erzählte, faßte sofort den Entschluß, ihn mit einem Gedichte zu unterstützen Richard Payne Knight, The Landscape, a Didactic Poem, addressed to Uvedale Price, 1794.. Praktiker, wie der damals vielbeschäftigte Gartenbaumeister Repton, antworteten auf diese Angriffe, ohne die Ärmlichkeit vieler der neuen Anlagen zu beschönigen, war er doch der erste, der sich gegen die übertriebene Ähnlichkeit der Malerei und Landschaftsgärtnerei verwahrte. Er legte den Finger auf die Verschiedenheit, die in dem fortwährenden veränderten Standpunkte des Beschauers und in dem Wechsel der Beleuchtung im Garten läge. Weit wichtiger ist ihm das Zusammengehen des Architekten mit dem Gartenkünstler, denn das Haus sei für den Garten die notwendige Voraussetzung. Repton hat zweifellos in den letzten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts den bedeutendsten Einfluß auf die Gartengestaltung in England ausgeübt. Er war unermüdlich, das Wesen der gegebenen Landschaft zu studieren, um dann auf dieser Grundlage seine Verschönerungen anzubringen. In seinen zahlreichen Büchern wirkte er pädagogisch anschaulich, indem er erst die ungeschmückte Natur oder wohl auch einen alten Garten abbildete, und darüber ein Blatt seiner Verschönerung in gleichem Maßstab brachte. Er legte das, was er seine »roten Bücher« nannte, für alle seine Schöpfungen an und veröffentlichte später eine Sammlung derselben Repton, Observations on the Theory and Practice of Landscape Gardening, 1805. Diesem Werke gingen schon mehrere kleine Abhandlungen voraus..
Als dieser Streit in England die Gemüter erregte, war die ganze Bewegung längst über die Grenzen hinausgeflutet. Auch in Frankreich war der »Jardin Anglo-Chinois« nur eine Strömung, die dem neuen Stil zum Siege half. Weit mächtiger, weit tiefer war die Wirkung, die von Rousseau ausgegangen war, der die Gedanken Englands durch sein Evangelium von der Glückseligkeit des Naturzustandes gleichsam in ihrer reinsten, abstraktesten Form gefaßt hatte. Der berühmte Garten, in den Héloise den einstigen Geliebten Saint-Preux führt Rousseau, La Nouvelle Héloise, 4 e partie, Lettre X., ist eine köstliche Wildnis, in der mit höchster Kunst jede Kunst, ja jede Spur der Menschenarbeit, verborgen wird. Die Blumen wachsen wie an ihrem eigentlichen Standort regellos in der Wiese und am Rande des Bächleins, das sich überall durchschlängelt, oder im natürlichen Fall über Steine schäumt. Die gewundenen, unregelmäßigen Alleen sind mit Schlingpflanzen bekränzt; die Vögel sind hier nicht Gefangene, sie werden nur durch Vogelhäuser und Futterplätze aller Art gelockt, sich hier anzubauen, und ihr tausendfältiger Gesang entzückt den Eintretenden. Das alles hatte auch schon Addison in seinem Wildnisgarten gefordert, und Rousseaus Gemälde ist zweifellos auch im einzelnen von dorther inspiriert. Rousseau mußte sich selbstverständlich gegen den chinesischen Garten wenden, denn wenn man dort auch danach strebe, mit aller Kunst die Kunst zu verbergen, eine Forderung, die er an den guten Geschmack überhaupt stellt, so wären dabei doch viel zu viel kostbare Anlagen gehäuft, um einen natürlichen Eindruck zu machen. Rousseau läßt in seinem Naturgarten gar keine Gebäude zu, nichts soll ja die Menschenhand verraten. So tiefgreifend die Wirkung Rousseaus auf den Garten auch war, so konnte man sich in der Praxis doch dieser Forderung nicht fügen. Weit verbreiteter war die Neigung, die sich, wie schon Shenstone schreibt, »eine ländliche Szene ohne ein Gebäude nicht denken konnte«. Auch der Park, den der Freund und letzte Beschützer Rousseaus, der Marquis de Girardin, sich zu Ermenonville anlegte, sollte zwar ganz nach den Ideen Rousseaus Gestalt erhalten – eine der Szenen des Parkes stellte das berühmte Elysium Juliens in Clarens dar – doch war auch er nicht ohne Gebäude. So fand sich auch hier ein den Philosophen geweihter Tempel, und selbst in der Wildnis, »die den Aufenthalt St. Preux' zu Meillerie nachahmt«, steht auf dem Gipfel eines hohen Felsens eine kleine Hütte, an seinem Fuße breitet sich ein schöner See; in dem Felsen findet man hin und wieder die Namen von St. Preux und Héloise eingegraben. Weiter sieht man den Turm der schönen Gabriele (Abb. 588), der Geliebten Heinrichs IV., in tiefer Waldeinsamkeit, »ganz im alten Geschmack, eine kleine Wendeltreppe führt zu verschiedenen Kabinetten ... Die Spaziergänge in diesem Garten sind nicht bloß für das Auge, sondern auch für das Ohr reizend. Denn Herr von Girardin unterhält eine Anzahl geschickter Tonkünstler, die nicht bloß im Hause, sondern auch bald in den Wäldern, bald an den Ufern der Gewässer, bald auf den Wassern selbst einzeln oder vereinzelt sich hören lassen.« Die Krone und der Stolz der Anlage aber war das Grabmal Rousseaus; ein Sarkophag auf einer pappelumstandenen Insel erhebt sich im See, »und der Gedanke: hier ruht Rousseau, enthält alles, was die rührende Feierlichkeit dieses Auftritts vollenden kann« Hirschfeld, Theorie V, S. 259 ff. u. II, S. 59. (Abb. 589). Hirschfeld, der diesen Park nach Girardins eigener Schilderung wiedergibt, beschreibt in diesem »reinen Muster einer verschönten Natur« wirklich zugleich ein Musterstück eines sentimentalen Parkes jener Tage.
Eine ebenso große Berühmtheit erlangte damals ein anderer Park Frankreichs, ihn hatte sich der Vater Louis Philippes, Philippe von Orléans, damals Herzog von Chartres, um 1780 angelegt Hénard, Les Jardins et les Squares de Paris, 1911, p. 116 ff.. Der Park Monceau führt seinen Namen nach einem kleinen Dörfchen südlich von Paris (Abb. 590).
Carmontelle, auch ein Maler, hatte den Plan entworfen. Der Hauptpavillon, in dem der Herzog galante Feste feierte und wo er seine Freimaurerversammlungen abhielt, ist von einem regelmäßigen Stück, Parterre und Boskett, umgeben. Das durch Kunst sehr wellig gestaltete Terrain des großen malerischen Parkes zeigte alle damals erforderte Abwechslung: neben ländlichen Wiesen, Weinbergen und Bächen Kioske und Schneckenhügel, neben gotischen Ruinen das Prachtstück im Nordwesten, die Naumachie: ein großer ellipsenförmiger Teich war mit griechischen Ruinen in malerischer Anordnung umgeben (Abb. 591), überragt von einem hohen Obelisken. Die merkwürdigste Anlage boten die Farbengärten, kleine regelmäßige Blumengärten, die in der Mitte des ganzen Parkes als blauer, roter und gelber Garten einen runden Platz umgaben. Leider ist über diese Bepflanzung nichts Näheres mitgeteilt.
Es braucht hier nicht wiederholt zu werden, daß der sentimentale Park nicht die Vorliebe für die einzelnen kleinen Gebäude im Garten geschaffen, ja man kann nicht einmal sagen, sonderlich unterstützt hat, da eine ausgesprochen abgeneigte Richtung sich immer wieder behaupten konnte; aber die Bedeutung dieses einzigen Schmuckes, den er von dem alten Stil übernahm, wurde unter dem neuen Einfluß eine völlig andere. Im alten Stile waren die Gebäude noch bis zuletzt mehr oder minder ein Sammelpunkt der Geselligkeit gewesen oder ein Obdach vor Wetterunbill und Sonne, jetzt aber kam nicht mehr der Besucher, sondern weit mehr der Beschauer in Betracht. Das Gebäude war zur Staffage der Landschaft geworden, als ein Hauptfaktor, um eine bestimmte Stimmung, die das Bild ausdrücken sollte, zu unterstützen. Stimmung aber gab damals dem Leben Reiz und Schwung, sie war das leitende Motiv der Sentimentalität, ein eigenartiges Gemisch aus Empfindung und Reflexion. Aus der Verbindung, die der Rationalismus mit dem Gefühlsüberschwang eingegangen, ist recht eigentlich die Sentimentalität entsprungen. Jeder Eindruck war sofort bereit, sich in Empfindung umzusetzen, doch mußte man sich selbst fortwährend Rechenschaft und eine gewisse Rechtfertigung der Empfindung geben. Am leichtesten fand man dies in dem sogenannten belebten Naturbilde. Es versteht sich für jeden Menschen des ausgehenden XVIII. Jahrhunderts von selbst, daß er beim Anblick einer Ruine melancholisch wird, daß eine Einsiedelei zu schweigender Abgeschiedenheit, ein griechischer Tempel zu heiterer Lebenslust anregt. Und wenn das noch nicht ausreichte, so half sicher eine auf diese Stimmung bezügliche Inschrift nach. Das Merkwürdigste dabei ist, daß man durchaus nicht einsam zu sein brauchte, sondern sicher war, auch gemeinsam in großer Gesellschaft unfehlbar von einer solchen von außen hervorgerufenen Stimmung ergriffen zu werden.
In beschränktem Maße kennt auch der Rokokogarten Staffagegebäude, zu diesen gehören vor allem die Ruinen, sie sollen »den Verstand täuschen«, wie die schöne Ruine des antiken Tempels in Schönbrunn. Die Sentimentalität wendet sich von solchen Effekten ganz ab, es ist interessant, diese beiden Strömungen gleichzeitig vollkommen unvermischt zu beobachten. »Soll eine Ruine eine gotische oder eine griechische Gestalt haben?« fragt der Ästhetiker Home in den gleichen Jahren, als die Schönbrunner Ruine erbaut wurde – »die erstere, denke ich, denn sie macht den Triumph der Zeit über die Stärke offenbar; ein melancholischer, aber nicht unangenehmer Gedanke; eine griechische Ruine läßt eher den Triumph der Barbarei über den Geschmack ahnen, ein trauriger und entmutigender Gedanke« Home, Elements of Criticism 2 III, p. 220. Die erste Ausgabe ist von 1762. Die Ruine in Schönbrunn wurde 1766–68 errichtet.. Home ist wohl der erste, der die Empfindung in der Kunst so stark betont. So erregt ihm der Garten als Kunstwerk »Empfindungen« der Größe, Anmut, Heiterkeit, Melancholie, Wildheit, selbst Überraschung und Verwunderung. Er verlangt, um jede dieser Empfindungen noch besonders zu unterstreichen, daß immer die entgegengesetzten Szenen aufeinander folgen; ja, es ist ein Vorteil, rauhe und unkultivierte Plätze und unbegrenzte Aussichten einzumischen, die an sich unangenehm sind, aber in der Folge die Empfindung der angenehmen Gegenstände erhöhen. Darum verteidigt er es auch, daß Kent in seinen Landschaften hin und wieder verdorrte Bäume oder umgebrochene Stämme anbrachte, was ihm allerdings von anderer Seite schnell wieder fortgespottet wurde. Aber auch Home verlangt von der Gartenkunst als herrschenden Grundsatz Einfachheit. »Nur ein Künstler ohne Genie wird sich an den Schmuck halten, daher in Gärten die Triumphbögen, chinesischen Häuser, Tempel, Obelisken, Kaskaden, Fontänen ohne Ende!« Home, Elements of Criticism, ch. XXIV, Gardening and Architecture.
Man kann den Männern, die durch die Feder die Gartenkunst zu leiten suchten, nicht den Vorwurf machen, daß sie der trotz allem wachsenden Neigung, den Park mit Gebäuden zu überhäufen, irgendwie Vorschub geleistet hätten. Fast alle kämpfen dagegen, auch Walpole, der Anfang der siebziger Jahre in seinem eleganten Essay über die moderne Gartenkunst zuerst als Historiker die Bewegung erfaßte, wendet sich gegen die überladene Geziertheit der chinesischen Gärten, die ihm gerade so unnatürlich erscheint wie die gezierte Regelmäßigkeit der alten Gärten. Walpole hat in seiner koketten Art die Publikation seines Essays lange verschoben, er erschien erst 1785 in französischer und englischer Sprache, von seiner Villa Strawbury aus datiert. Walpole war sehr stolz auf den ersten gotischen Bau, den er in Strawbury, wie er hoffte in »reinem Stile«, errichtet hatte; wir aber müssen sagen, daß er wohl allein um seiner Pseudogotik willen einen so großen Einfluß auf die Weiterentwicklung dieses Stils in England ausgeübt hat. Walpole gehört auf dem Gebiete des Geschmacks sicher zu den einflußreichsten Männern seiner Zeit. Auch sein Aufsatz hatte, zehn Jahre und mehr handschriftlich kursierend, durch seine Begeisterung und Kenntnis überall auf die Entwicklung des neuen Stils, namentlich auch in Frankreich, sehr gewirkt. Wir sahen schon wie Frankreich, unter Rousseaus Einfluß von englischen Ideen ergriffen, sich dem malerischen Stil zuwandte. Trotzdem ist Frankreich immer nur mit halbem Herzen dabei gewesen. Eine innere Stimme, ein romanisches, tiefwurzelndes Formgefühl bewahrte den Franzosen meist davor, so gründlich das Alte zu zerstören, wie das in England der Fall war. Gewiß, man wandte sich von dem großzügigen Stil ab und schuf sich Parks, in denen man seinem Sentiment genügen konnte. Aber Versailles blieb bestehen, und man beschränkte sich auf Klein-Trianon. Dort schuf man sich mit seinem »hameau« (Abb. 592), seiner Mühle und Milchwirtschaft (Abb. 593) den Hintergrund für die Zeitkostüme und Spielereien. Marie Antoinette vertändelte dort mit ihren Frauen und Kavalieren die letzten Jahre ihres Königsglanzes. Keine von den dräuenden Stimmen der nahenden Revolution drang bis zu dem schön geschwungenen See, an dessen Ufer man Blindekuh spielte, bis zu dem schönen Rundtempel am Ufer, aus dem der Liebesgott auf die leichten Gestalten niederblickte.
Die prächtigen einzelnen Baumgruppen, die den See umstanden, wuchsen ruhig und still empor; es gruselte diesen Menschen zierlicher Enge, an die langen breiten Alleen von Versailles zu denken, in denen man sich verlor und so klein fühlte. Versailles schlief den Schlaf des Riesen daneben, verschlief alle Gefahren, die es bedrohten, bis es wieder auferstehen durfte und heute das Idyll des kleinen Trianon nur noch als einen Schmuck mehr seiner Umgebung anerkennt. Ähnliche Anlagen entstanden im Park von Chantilly und manchen Schlössern an der Loire. Hirschfeld Hirschfeld, a. o. O., V, S. 258. führt eine ganze Reihe von Gärten in und um Paris an, die alle in neuem Geschmack angelegt wurden. Selten aber wagte man das Wohnhaus unmittelbar in den Landschaftsgarten hineinzustellen wie in England, wo der Rasenteppich mit seinen perspektivisch angeordneten Baumkulissen bis in den Anfang des XIX. Jahrhunderts meistens als erstes Bild im Garten des malerischen Stiles bis dicht an das Haus heranreichte. Auch in Klein-Trianon blieben um das Schlößchen die regelmäßigen Gärten bestehen (Abb. 594), als im Jahre 1774 der Plan für den englischen Garten von Richard entworfen wurde; in der letzten Ausführung sind dann in ihnen allerdings bedeutende Änderungen vorgenommen worden.
Diese neue Gartenbewegung fand wie in England auch in Frankreich ihren Sänger, hier in dem Abbé de Lilles De Lilles, Les jardins, 1782.. Er hängt in vielem stark von Mason ab, wenn er auch seine Ahnenreihe von Virgil über Rapin, der überwunden werden soll, selbst ableitet. Während aber Mason, wenn er auch Dichter genug ist, um mit Schmerz und Bedauern die schönen uralten Bäume fallen zu sehen, doch sich zu einem entschiedenen »es muß sein« aufrafft, so erzittert die ganze Seele de Lilles' bei dem Gedanken, daß Versailles, »das Meisterwerk eines großen Königs, Le Nôtres und der Zeit«, fallen könne. Kein Rapin hätte pathetischer und rührender die Schönheiten des alten Gartens preisen können, als die Verse, in denen de Lilles die Furcht vor dem Untergange ausspricht. Trotzdem aber sieht er in der Monotonie der alten Gärten »keinen Gegenstand, würdig eines Gedichtes, die alten Gärten sind die der Architekten, die neuen die der Philosophen, Maler und Dichter«. Das Programm, das er dann aufstellt, hat keinen irgendwie originellen Zug; der malerische Kontrast ist das Leitmotiv: »Ahmt Poussin nach,« ruft er aus, »er malt den heiteren Schäfertanz, daneben ein Grab mit der Inschrift: auch ich war ein Hirte in Arkadien.«
Deutschland hat etwas später, und gewiß von England beeinflußt, eine Entwicklung durchgemacht, die ihre selbständigen Blüten getrieben hat. In der Stellung zum neuen Gartenstil nimmt es eine weit wichtigere Rolle für sich in Anspruch als Frankreich. Der Kreis der Schweizer Dichter um Bodmer hatte begierig den Grundsatz Spences »ut pictura poesis« aufgenommen, zugleich aber Shaftesburys und Thomsons Evangelium von der Größe und beseligenden Wirkung der unberührten Natur erfaßt und gleichzeitig wie ihr Landsmann in Genf, wenn auch nicht mit so stürmischer Glut, entwickelt. So finden wir denn auch bei den Dichtern dieser Geistesrichtung, Kleist und Geßner, den ersten Ausdruck des Kampfes und Widerwillens gegen den »künstlich zugeschnittenen Garten mit seinen Labyrinthen von grünen Wänden und den Taxusobelisken, die in abgemessener Weise emporstehen, wo die Gänge reiner Sand, daß kein Gesträuchchen den wandelnden Fuß verwirre« Gessner, Mein Wunsch: Idyllen, 1756.. »Zu kühner Mensch,« ruft Geßner weiter aus, »was überwindest du dich, die Natur durch weiter nachahmende Künste zu schmücken ... Mir gefällt die ländliche Wiese und der verwilderte Hain.« Aber auf seinen Bildern, die der Malerdichter in innigster Verbindung mit seinen Idyllen malte, hat er im Garten gerne Berceaux und Lattenwerk festgehalten, und in der anmutigen Idylle »Mein Wunsch« schildert er den Garten hinten am Hause, »wo einfältige Kunst den angenehmen Phantasien der Natur mit gehorsamer Hilfe beisteht, nicht aufrührerisch sie zum dienstbaren Stoff macht, um sie zu grotesken Bildern umzuschaffen«; aber dann umzäunen ihn doch Wände von Nußbaum, und in jeder Ecke steht eine Hütte von wilden Rosinen Wölfflin, Salomon Gessner, 1889, S. 104.. Und Kleist, der die feindliche Stellung gegen den alten Garten aus englischen Vorbildern entlehnt, grüßt noch die Tulpe, die später so verachtete architektonische Blume, als »Fürstin der Blumen«. Dieser ganze Kreis, dem die norddeutschen Freunde, welche sich um Gleim versammeln, nahestehen, steht noch auf der Stufe der ersten Anlage von Stowe, der vor-Kentischen Periode. Gleim hat seinem »Hüttchen« mit dem kleinen Garten, das auch diesem Stile angehört, einen antiken Zug verliehen durch seine Bestimmung, daß er in diesem Garten begraben sein wolle, ringsumher mit den Gedenksteinen für die Freunde, die sich hier so oft um ihn versammelt haben. Also auch in Deutschland beginnen die Dichter diese Bewegung; auch hier folgen, wenn auch immer Jahrzehnte später, die Ästhetiker und Theoretiker. Sulzer schließt sich in seiner Theorie der schönen Künste, Anfang der siebziger Jahre, eng an Homes Grundsätze an: Die Natur ist die vollkommenste Gärtnerin, die Gartenkunst, wie jede Kunst Nachahmung der Natur, ist den zeichnenden Künsten gleichzusetzen – Mason mit seiner Betonung des »design«, der Zeichnung, war unmittelbar vorangegangen. Und da währenddessen auch Chambers mit seiner Glorifikation der chinesischen Gärten herausgekommen war, setzt sich Sulzer noch besonders mit dem chinesischen Stile, dem er ziemlich abgeneigt gegenübersteht, auseinander. Wenig später begann die Tätigkeit des Mannes, der für die Ausbreitung des malerischen Stiles in Deutschland von größter Wichtigkeit wurde, des Kieler Philosophieprofessors Christian Hirschfeld. Schon 1773 schrieb dieser seine erste Schrift »Anmerkungen über die Gartenkunst«, der zwei Jahre später eine kurze Theorie der Gartenkunst folgte, bis dann von 1779 an sein großes fünfbändiges Werk »Geschichte und Theorie der Gartenkunst« herauszukommen begann. Hirschfeld schrieb für Deutschland in einem günstigen Augenblicke. Ihm lag in England nicht nur eine große Literatur vor, sondern schon eine lange Entwicklung und eine bedeutende Reihe von Vorbildern. Er hatte sich ganz mit den Ideen des neuen Stils durchdrungen, fühlte sich als Vertreter des guten Geschmacks und als Vorkämpfer in seinem Vaterlande. So fachte er, wie Goethe sagt, mit seinem Feuer die Begeisterung, den Wetteifer, auf das höchste an Goethe, Schema zu einem Aufsatze, die Pflanzenkultur im Großherzogtum Weimar darzustellen, 1822, Jub.-Ausg. XXXIX.. In seinen fünf Bänden will er das ganze Gartenwesen theoretisch, künstlerisch und historisch umfassen. Den Künstler, den Liebhaber, den Gärtner sucht er durch Fülle von Beispielen, durch Behandlung aller einzelnen Gegenstände der Gartenkunst, durch Kritik und Belehrung anzufeuern. Die wertvollste Gabe sind eine Reihe vorbildlicher Gartenschilderungen englischer, französischer und deutscher Gärten.
Walpole hatte noch hochmütig gemeint, er glaube nicht, daß auf dem Kontinent die neue Gartenkunst großen Anklang finden würde, höchstens »die kleinen deutschen Fürsten, die so verschwenderisch ihre Paläste und Landhäuser ausstatteten, könnten unsere Nachahmer sein« Horace Walpole, Essay on Modern Gardening, 1785, seit 1770 handschriftlich kursierend.. Als Walpole seinen Essay veröffentlichte, war seine Prophezeiung schon zur Wirklichkeit geworden. Die deutschen Fürsten, die noch eben mit solcher Frische und immer neuen Laune die Gärten in französischem Geschmack geschaffen, waren beweglich genug, oft noch in nächster Nähe nebeneinander, sich der neuen von England kommenden Botschaft zuzuwenden. In den Jahren 1769–73 erbaute sich der Herzog Franz von Dessau einen Sommersitz bei seiner Residenz in Wörlitz (Abb. 595).
Goethe datiert diese Anlage in »Dichtung und Wahrheit« vor Winckelmanns Tod 1768 zurück. Es lag ihm daran, den verehrten Fürsten zugleich durch die bewundernde Freundschaft Winckelmanns und die Anlage eines damals einzigen Parkes herauszuheben. Aber Wörlitz ist in jedem Falle eines der ersten, allgemein angestaunten Beispiele der neuen Kunst gewesen. Der Fürst fand hier einen schönen, schon an sich reich gestalteten See vor, dessen Buchten er vermehrte und durch Kanäle mit kleineren Wasserstücken vereinigte. Dadurch bildeten sich größere, rings von Wasser umflossene Gartenstücke, die er jedes für sich zu einem geschlossenen Bilde, mit einem oder mehreren Gebäuden als Staffage, anlegte. Dadurch erreichte der Fürst die erste Grundforderung, Abwechslung und Kontrast. Der Prince de Ligne, der eine seiner geistreich zugespitzten und doch wortreichen Schilderungen über Wörlitz verfaßt hat Oeuvres du Prince de Ligne IX, p. 158 ff., will die ganze Anlage in fünf Gesänge mit sieben verschiedenen Episoden einteilen oder in fünf Akte mit sieben Szenen. Der erste, vom Schlosse nordwestlich gelegene Inselgarten, »Champs Elysées« von de Ligne genannt, wurde als verschwiegener Wintergarten, mit immergrünem Heckenwall umgeben, angelegt. In seinem Innern ist er durch vielverschlungene, teils höhlenartige Gänge zu einem Labyrinth, einem Irrgarten gestaltet und mit Büsten Lavaters und Gellerts geschmückt. Nach einer Seite öffnet sich dieser Garten auf den breiten See, den ein paar kleine Inseln schmücken, unter denen die eine der Rousseauinsel in Ermenonville nachgebildet ist und auch ihren Namen trägt. Jenseits des breitesten Seebeckens, als Hauptbild der Schloßaussicht, liegt der Garten des gotischen Hauses, das aus einer kleinen Gärtnerwohnung sich zu dem heutigen Kunstsammlungsgebäude allmählich erweitert hat (Abb. 596).
Sehr weise hat der Fürst immer die nächste Umgebung seiner zahlreichen Gebäude im Park zu einer kleinen, regelmäßigen, meist aus Heckenverschnitt bestehenden Anlage gestaltet, dadurch hebt er Häuser, Tempel und Grotten besonders heraus und gewinnt ein reicheres Leben. Die unterirdischen Gänge waren dem empfindsamen Zeitalter eine besonders willkommene Gelegenheit, die Schauer der Einsamkeit ganz zu empfinden. Man kann aber einer Anlage, wie der Luisenklippe am östlichen Seeende mit ihrem kühn aufragenden Bau, der aus solch einem unterirdischen Felsenlabyrinth aufsteigt, den Eindruck der Größe nicht absprechen, um so weniger, da die beruhigende Fläche des Sees diese wie die meisten andern Szenen begrenzt. Die zahlreichen Brücken sind als Hauptaussichtsplätze ausersehen, von denen sich immer wieder ein neues Bild mit einem Bauwerke als Mittelpunkt zusammenschließt. Die Abwechslung der ganzen Anlage wird noch dadurch erhöht, daß in den weiteren Teilen große Wiesen, ja Kornfelder mit hineinbezogen sind, und der Park allmählich in die Kultur des Gutes übergeht. Merkwürdigerweise trifft man gerade in den abgelegenen, sogenannten neuen Anlagen den wunderlichsten Bau des ganzen Parkes, der den Tribut an den phantastischen, nur zu leicht in spielerische Kleinlichkeit ausartenden Geist der Zeit zahlt. Es ist der sogenannte feuerspeiende Berg, vom Prince de Ligne Vulkan genannt, der von außen eine verzweifelte Ähnlichkeit mit einem Backofen hat, in seinem Innern als Tempel der Nacht eingerichtet ist, mit Lichteffekten, die durch bunte Glasscheiben hervorgebracht werden, was heute wohl selbst bei Kindern nicht mehr die erwünschte Wirkung hervorbringen wird. Die Menschen jener Zeit aber erbauten sich aufs höchste an solchen Spielereien, nichts ist in diesem Garten, was die Besucher so begeistert. Der Prince de Ligne schildert auch in Schloß Schönau eine ähnliche Grotte, über die ein Wasserfall stürzt, in deren Innerem man mit Fackeln tiefsinnige Inschriften und Embleme enträtseln muß, bis man zum Sitze der verschleierten Göttin der Nacht gelangt; neben der auf einem Wagen thronenden Göttin steht ein dreieckiges Tischchen, auf dem »der Vogel Minervens das – Fremdenbuch hält«. Das ganze und auch heute noch in sich bedeutende Bild dieses Parkes wird aber durch solche kleine Zeitspielereien nicht beeinträchtigt, und die glückliche Benutzung des Sees konnte auch schon den jungen Anlagen, als sie Goethe in den ersten Weimarer Jahren besuchte und studierte, eine besondere Schönheit verleihen.
Goethe gesteht, daß Hirschfelds Werk und der Wörlitzer Park sein Interesse für die Gartenkunst erweckt hätten. Der Weimarer Park und die »Wahlverwandtschaften« sind die bleibenden Früchte, die dieses Interesse in seinem allumfassenden Geiste gezeitigt hat. In einem anmutigen kleinen Aufsatze, der in der geplanten Fortsetzung der Selbstbiographie eine Stätte finden sollte, »Das Luisenfest,« schildert der Dichter die Anfänge des Parkes: Zu einem improvisierten Feste am Namenstage der Fürstin hatte man an den Ufern der Ilm neben einem schönen Erlen-Oval eine Einsiedelei errichtet. Die Freunde, in Mönchskutten verkleidet, empfingen den Hof und bereiteten der Gesellschaft eine gelungene Überraschung; an dies kleine Idyll haben sich dann unter unmittelbarer Aufsicht des Dichters alle weiteren Anlagen angeschlossen. Es bestanden vorher Gärten im alten Stile, die im Anfange des XVIII. Jahrhunderts, nicht unbedeutend, aber ein wenig zersplittert, sich an das alte, noch mittelalterliche Schloß anschlossen. Der eigentliche Lustgarten ist größtenteils beim Brande des Schlosses 1774 zugrunde gegangen. Von dem Parterre und dem seitlich anschließenden, reichen Kanalgarten ist zu Zeiten Goethes nicht mehr die Rede; nur im Park hatte sich – damals ein öffentlicher Spaziergang – der sogenannte Stern erhalten, eine uns gutbekannte Anlage, »ein mit Bäumen und Büschen wohl ausgestatteter Raum ... Es fanden sich daselbst uralte gradlinige Gänge und Anlagen, hoch in die Luft sich erhebende stämmige Bäume, daher entspringende mannigfaltige Alleen, breite Plätze zu Versammlungen und Unterhaltungen« Goethe, Das Luisenfest: Jubil.-Ausg. XXV, S. 225.. Außerdem hatte sich bis in das XIX. Jahrhundert ein burgartig gestalteter Schneckenberg erhalten (Abb. 597), in dessen grüne, aufsteigende Wände Fenster und Türmchen eingelassen waren, von jeher ein besonderes Wahrzeichen des alten Parkes. Hier, ganz in der Nähe, hatte Karl August seinem Freunde 1776 ein Gartenhäuschen mit einem terrassenförmig ansteigenden Garten geschenkt. Der Schloßbrand und die Zerstörung der alten Gärten hatte nun nicht nur Raum geschaffen, sondern die »höchsten Herrschaften, einer bequemen und ihrem Zustande gemäßen Wohnung beraubt, ... wandten sich gegen das Freie« Goethe, Schema usw.: Jubil.-Ausg. XXXIX, S. 337..
Gleich nachdem Goethe das Idyll am Luisenkloster, wie die kleine Einsiedelei genannt wurde, geschaffen hatte, »liebte man an den Ort wiederzukehren. Der junge Fürst mochte sogar daselbst übernachten, für dessen Bequemlichkeit man die scheinbare Ruine und das simulierte Glockentürmchen einrichtete« Goethe, Luisenfest XXV, S. 231.. Diese scheinbare Ruine war ein alter Schießstand, man baute sie aus Steinen des abgebrannten Schlosses auf Burckhardt, Die Entstehung des Weimarer Parkes, 1778–98: Festschrift zum 24. Juni 1898.. Als darauf auch die Wege dorthin noch nach romantischem Bedürfnis umgestaltet wurden, »die sich durch Felsen schlängeln, bald Gewölbe sind, bald zu lichten Plätzen werden, und mit ihrem öden, wilden Anblick, hie und da angebrachten Höhlen und Sitzen eine Vorstellung von den berühmten Felsengängen der chinesischen Gärten geben können« Reichard, Die Schilderung des Luisenklosters: Hirschfeld, a. o. O., IV, S. 238., da war das erste Bild eines »ästhetischen« Gartens, wie Goethe mit glücklichem Ausdruck das Gartenempfinden seiner Zeit bezeichnet, fertig (Abb. 598).
So aus dem Bedürfnis heraus, meist durch fröhliche Feste zuerst geweiht, war ein Bild nach dem andern entstanden: das Tempelherrnhaus, ursprünglich ein gotisches Teehaus, das römische Haus, eine andere Ruine, Tempel, Denkmäler mit Inschriften usw. Alle einzelnen Bilder waren zusammengehalten durch große, mit Bäumen und Büschen umsäumte Wiesenblicke, überbrückte Bäche, in weite Ferne sich verlierende Pfade, Veduten mit fernen Kirchtürmen. Ein gänzlicher Mangel des Zusammenhanges mit dem Hause, auf das man gar keine Rücksicht zu nehmen brauchte, weil es noch nicht vorhanden war, geht hier zusammen mit dem Mangel eines ursprünglichen Gesamtplanes, man ließ sich von der einzigen Leidenschaft leiten, »die Landschaft zu verschönen, indem man ihr ihren eigenen Reiz abgewann« (Abb. 599).
So bietet der Weimarer Park in seiner ganzen Entwicklung vielleicht den reinsten Ausdruck des Gartengedankens jener Zeit und ist uns darum von doppeltem Werte, weil Goethe diesem Gedanken die schöne Form verliehen hat. Und was er hier gelernt hatte, beschränkt durch die mannigfachen Hindernisse praktischer Ausführung, das gab er als durchdachtes Phantasiebild in seinen »Wahlverwandtschaften«. Das Wesen der Menschen in diesem Roman zeigt sich am reinsten in der Tätigkeit im Garten. Eine eigne Harmonie des Werkes wird durch das Zusammenwirken besonders Charlottens und des Hauptmanns hervorgebracht, die einander wunderbar ergänzen, hier die vom einzelnen ausgehende, klar und bedächtig denkende Frau, dort der militärisch geschulte, nur die großen Endpunkte ins Auge fassende Mann. Allmählich, wie in Weimar selbst, entstehen die einzelnen Anlagen in Charlottens Park; durch die Vereinigung von drei Teichen wird ein großer Seemittelpunkt geschaffen, das Lusthaus auf der Höhe überschaut ihn, schmale Fußwege, Felstreppen, führen zu bedeutenden Aussichtspunkten. Eifrig werden englische Kupfer studiert, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß Goethe Reptons Werk im Auge hatte, wenn er die Bücher aufschlagen läßt, »worin man jedesmal den Grundriß der Gegend und ihre landschaftliche Ansicht in ihrem rohen Naturzustande gezeichnet sah, so daß man dann auf anderen Blättern die Veränderung vorgestellt fand, welche die Kunst daran vorgenommen, um alles das bestehende Gute zu nutzen und zu steigern« Goethe, Wahlverwandtschaften I, S. 6.. Neben dieser Schöpfung des neuen Landschaftsgartens aber grünte der alte Schloßgarten mit seinen hohen Lindenalleen und regelmäßigen Anlagen, die die letzte Generation geschaffen, unberührt und unzerstört, aber auch unbeachtet fort, einer neuen fernen Auferstehung harrend, die der Dichter wohl schon damals vorausschaute. So bildet diese den Boden verschönernde Tätigkeit, die den ganzen Roman durchzieht, mit ihrem Zwange zu objektiver Betrachtung das glückliche Gegengewicht gegen den Sturm der Leidenschaften und den ruhig schönen Hintergrund zu dem tragischen Geschick der Helden.
Welch ein Wetteifer von der Mitte der siebziger Jahre in Deutschland beim Anlegen von Gärten im neuen Geschmack anbrach, zeigt wieder die Reihe von Schilderungen, die das Hirschfeldsche Werk im Anhang der verschiedenen Bände bringt. Wie wir sahen, sind es oft die gleichen Fürsten, die, zum Teil mit gleichen Künstlern, den eben noch mit Liebe gepflegten Stil durch den neuen verdrängen. Da kommen dann gerade in der ersten Zeit oft seltsame Zwittergebilde zustande; ja, es scheint fast, als wären die Kinderkrankheiten dieses Stiles in Deutschland mit besonderer Heftigkeit ausgebrochen. Karl Theodor hatte kaum die letzte Hand an die Erbauung des schönen Badehauses in Schwetzingen gelegt, als der aus England heimgekehrte Skell den Gürtel des neuen englischen Parks um den alten anzulegen begann (Abb. 600).
Anfangs scheint er unsicher und tastend gearbeitet zu haben; als im Jahre 1784/85 Hirschfeld nach Schwetzingen kam, schien ihm dort nur Ungeschmack zu herrschen; man arbeitete damals an der türkischen Moschee: »Man sehe z. B. die Szene Mecca ... Dies Mecca liegt inmitten einer französischen Partie ... Aus der Moschee sieht man gerade nach einer ägyptischen Partie, woran noch gearbeitet wird und die, sowie die türkische, vom Himmel herabgefallen zu sein scheint. Es ist ein Berg, worauf ein Monument des Königs Sesostris aufgeführt wird. Das Monument durfte wohl zur Täuschung nichts anderes sein, als einige von der Zeit fast aufgeriebene Ruinen. Allein hier ist alles neu, vollständig und geschmückt; die Zeit hat nichts geändert. In den Gewölben des Berges kommen Begräbnisse und Mumien zu stehen ... Um den Berg wird der See Möris gegraben ... « Hirschfeld, a. o. O., V, S. 344.. Hirschfeld kam zu ungünstiger Stunde. Skell gab den ägyptischen Plan ganz auf und hat statt dessen sich mit der Ruine auf dem Hügel, der aus dem ausgegrabenen See davor errichtet wurde, begnügt. Trotzdem sieht auch heute diese Ecke des englischen Teils nicht so harmonisch aus, wie sie das Bildchen (Abb. 601) vortäuscht, während ihm die Behandlung des großen Sees weit sicherer gelungen ist. Im englischen Garten in München, der Skells Hauptleistung ist, ist er fast schon wieder zu sparsam mit Gebäuden gewesen. Uvedale Price hätte diesen Garten sicher zu den ermüdenden, langweiligen Schöpfungen gerechnet.
Hirschfeld hat auch, wie fast alle Theoretiker des neuen Stiles, gegen die Überhäufung mit Gebäuden und besonders gegen das Zusammenbringen verschiedener Stilarten geeifert, so viel er konnte. Solange aber diese selben Theoretiker mit eben dem Eifer nach Abwechslung und Kontrast riefen, so lange mußten die bedrängten praktischen Künstler nach dem Hilfsmittel der Gartengebäude greifen. Wilde Zügellosigkeit des Geschmackes und eine verschwenderische Neigung, jeden Gedanken auszuführen, brachten dann wohl ein solches Monstrum zustande, wie jenen Garten zu Roßwalde bei Troppau in Schlesien, den der wunderliche Kauz, der Graf Hoditz, anlegen ließ, dessen letzte in Armut verbrachte Tage sein Gönner und Freund Friedrich der Große schützte. Dort war alles angehäuft, was man sich nur im Laufe der Jahrhunderte an Gartenszenen ausgedacht hatte. Neben einem chinesischen Garten und Tempel lag das Heilige Grab, auf christliche Einsiedeleien folgten indische Pagoden, hier ein künstliches Bergwerk, dort eine Zwergenstadt mit königlichem Palast, Kirche usw., in Ermangelung von Zwergen ließ sie der Graf zeitweilig von Kindern bewohnen. Weiter folgten Druidenhöhlen mit Altären, dann ein antikes Mausoleum, in dem Totenopfer dargebracht wurden. Es war eine Hauptfreude des Grafen, in allen Teilen seines Gartens die ihnen entsprechenden Feste zu feiern: bald chinesische, bald solche der amerikanischen Wilden, bald gab es Spiel der Meergötter und Najaden auf dem Wasser, am liebsten aber ließ er in seinem Arkadien Feste feiern, wo er seine Bauern zu Schäfern verkleidete. Aber man nahm ihn ernst. Friedrich der Große ließ sich dadurch sogar zu einer bewundernden poetischen Epistel begeistern. Die Neigung der Zeit zur äußerlichen und innerlichen Maskerade, die – dies muß immer betont werden – mit den eigentlichen Grundsätzen des neuen Gartenstils gar nichts zu tun hatte, schien ihn zeitweilig so überwuchern zu wollen, daß man sein ursprüngliches Bild oft nicht mehr erkennen konnte.
Was Graf Hoditz hier nach der Seite sinnloser Zusammenhäufung unzusammengehöriger Szenen verbrach, sündigte nach einer anderen ein damals vielberühmter Garten in Hohenheim, zwei Stunden von Stuttgart: hier war dem ganzen Garten eine einheitliche Idee zugrunde gelegt. Der Erbauer hatte beabsichtigt, eine Kolonie abzubilden, die sich in die Trümmer einer römischen Stadt angesiedelt hat (Abb. 602).
Mit Bewunderung schildern zeitgenössische Stimmen den Eindruck. »Wir nehmen lebhaften Anteil an diesen Wohnplätzen, die wir bewohnt glauben, und staunen zugleich die Überbleibsel schöner Tempel und fester Mauern an, die so dastehen, als hätten sie sich schon Jahrhunderte durch der Vergänglichkeit entzogen ... Wer nur durch den Garten geht um des Anschauens willen, kann wegen der Fülle der Gebäude gar keinen Eindruck haben. Ganz anders ist es für den Genießenden, der sich Partien heraushebt und da verweilt, wo er für eine gegenwärtige Stimmung Nahrung findet ... Bald findet er hier eine Lage für das süße Nichtstun geschaffen, bald eine andere, die durch das Gepräge wohltätiger Einfalt hohen Frieden in seine Seele trägt« Taschenkalender auf das Jahr 1795.. Doch damit noch nicht genug der Täuschung! Wenn man in eine einfache Hütte eintrat, so wartete erst die letzte Überraschung, in ihrem Innern fand man prächtig ausgestattete Fürstenzimmer, Badekabinetts mit Seidentapeten, schönen Gemälden und anderes. Sechzig verschiedene Bilder zählt der Prince de Ligne auf dem verhältnismäßig kleinen Raume von 60–70 Morgen, in dem man aber 4–5 Stunden umhergehen könne. Was ist das gegen die fünf Akte des Wörlitzer Gartens! Daß der Prinz Freude an diesen Gärten hatte, kann bei seinem beweglichen, immer von den Wogen der Zeit getragenen Geiste, für den »le dernier cri« der Gipfel der Zivilisation ist, nicht verwundern. Er selbst hat in dem Parke seines Stammschlosses Beloil im Hennegau in Belgien ein Tatarendorf anlegen lassen, wo alle ursprünglichste Natur des Schäferdaseins sich mit vollendetster Schönheit verbinden soll, die jungen Stiere ebenso wie die jungen Zöglinge der Meierei. Nach getaner Arbeit spielen diese auf Instrumenten, die der Prinz samt seinen Kühen aus den Alpen eingeführt hat. Sie tragen eine Uniform, würdig der Schönheit und Einfachheit der Natur, deren Oberpriester sie sind. In diesem Tatarendorf sind die Milchkammern in einer Moschee verborgen, deren Minarets man als Taubenschläge benutzt Oeuvres du Prince de Ligne, Tome IX.; Le Prince de Ligne, Coup d'Oeil sur Belloit et sur une grande partie des jardins de l'Europe, Paris 1921.. Doch dem Zauber einer solchen »einheitlichen Idee«, wie sie der Hohenheimer Park ausdrückt, unterlagen damals noch andere Männer als der Prince de Ligne. Selbst vor den Augen Schillers, der sich in dem Taschenkalender 1795 zur Gartenfrage vernehmen läßt, findet sie Gnade. Während er zuerst ebenfalls die Überhäufung mit Szenen im Garten der Zeit streng tadelt, »wo die ganze Mannigfaltigkeit ihrer Erscheinungen (der Natur) wie auf einer Musterkarte vorliegt«, während er es für einen Fehler hält, wenn die Gartenkunst sich die Malerei als Vorbild nimmt, da ihr der verjüngte Maßstab fehlt – begrüßt er die Idee dieses Gartens mit Freuden. Obwohl er eine Empfindsamkeit für affektiert hält, »welche Sittensprüche an kleinen Täfeichen an die Bäume hängt«, hilft er sich hier damit, daß »die Natur, die wir in dieser englischen Anlage finden, diejenige nicht mehr ist, von der wir ausgegangen waren. Es ist eine mit Geist beseelte, durch Kunst exaltierte Natur, die nun nicht bloß den einfachen, sondern den selbst durch Kultur verwöhnten Menschen befriedigt, und indem sie den ersten zum Denken reizt, den letzteren zur Empfindung zurückführt« Taschenkalender 1795, Schiller.. Diese ganze Ausführung – wenn man selbst ein gewisses lokales Interesse abzieht, da Schiller ja im väterlichen Hause gärtnerische Anregung erhalten hat – zeigt deutlich die allgemeine Unsicherheit der neu aufgenommenen Kunst gegenüber. Man empfand nur zu sehr, daß man auch auf diesem Gebiete, wo die Natur selbst die Mittel der Darstellung liefern sollte, mit einer einfachen Nachahmung der Natur niemals einen Kunststil erreichen konnte. Goethe allerdings fühlte sich bei seinem Besuch auf der Schweizerreise 1797 höchst unbehaglich in diesem Garten: »viele kleine Dinge zusammen machen leider noch kein Großes«, faßt er seinen Eindruck zusammen. Er will sich den Garten als ein Beispiel vormerken für eine künftige Abhandlung über die Gärten, zu der er in der Tat viel gesammelt hat.
Unsicher schwankten auch die Ästhetiker hin und her. Der Gartenkunst eine eigene Stellung unter den Künsten einzuräumen, wie es ein Lafontaine getan, dazu konnte man sich augenscheinlich nicht entschließen, und doch durfte von der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts ab kein Ästhetiker an ihr vorübergehen, zu stark war sie in den Vordergrund des Interesses gerückt. »In der Natur Harmonie und Disharmonie unterscheiden, den Charakter jeder Gegend kennen und gebrauchen lernen, mit dem regen Triebe das Schöne der Natur allenthalben erhöhen, zu versammeln, wäre dies keine schöne Kunst, so gäbe es keine«, ruft Herder im zweiten Stück der »Kalligone« aus; er will die »mitgeborene Schwester« der Architektur zugesellen, ohne sie doch etwa deren Gesetzen zu unterwerfen. Daß er sich darin in Gegensatz zu Sulzer, Hirschfeld und anderen setzt, die sie der Malerei zuordnen, wurde schon erwähnt. Auch Kant und seine Schule sehen in der Gartenkunst einen Teil der Malerei Hugo Spitzer, Hermann Hettners kunstphilosophische Anfänge, 1903, I, S. 194 ff.; Kant, Kritik der Urteilskraft, Teil I, § 51, N. 2.. Wenn das auch nur eine äußere Zuteilung ist, so war auch sie begründet in dem tastenden Suchen, eine wirklich feste Richtung für die Entwicklung zu finden.
Schiller hatte mit dem Ausdruck »durch Kunst exaltierte Natur« halb unfreiwillig ein sehr bezeichnendes Schlagwort für die obengeschilderte Phase der Gartenkunst gefunden. Nur solch eine exaltierte Natur konnte einen wechselnden Stimmungshintergrund geben, wie man ihn brauchte. Im letzten Viertel des Jahrhunderts beherrschte Deutschland besonders der neuerwachte romantische Rittertraum, der sich mit der sentimentalen Ruinenschwärmerei auf das innigste verband. Als sich der Landgraf Wilhelm von Hessen gleich nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1785 an die Umgestaltung des gewaltigen Werkes seines Vorfahren, des Weißensteins, machte, sollte zuerst der immer wieder aufgeschobene Plan des Ausbaues des Schlosses am Fuße des Berges vorgenommen werden. So ganz sollte dieses Schloß mit dem neuentworfenen sentimentalen Park zusammenkomponiert werden, daß der Landgraf beschloß, einen Flügel seines Wohnhauses als eine Ruine aufzuführen Heidelbach, Die Wilhelmshöhe, S. 213.; der groteske Plan wurde später glücklicherweise fallen gelassen, nur eine der Veduten, die der Fürst durch den älteren Tischbein hatte malen lassen, hat dieses Zeitdokument aufbewahrt. Der Landgraf aber hatte den Ruinenplan nicht aufgegeben, ihn nur einige Jahre später glücklicher in einer Ecke des Landschaftsparkes als die Ruine einer Ritterburg, Felsen-, später Löwenburg genannt, aufführen lassen, zu der der Grundstein 1793 gelegt wurde (Abb. 603).
Der Fürst nahm es bitter ernst mit der Spielerei; nach allen Regeln mit Zugbrücke, Sperrgraben, Eingangstürmen, Wehrgang usw. war sie versehen. Es störte nicht, wenn dieser Wehrgang den Körper nur bis zu den Knien deckte; dagegen mußte, um die Fenster der Burgkapelle zu schmücken, manche Kirche im Lande umher ihre alten Fenster hergeben. Allerlei alter Zierat schmückt auch das Äußere der anderen Teile. Hier befahl der Landgraf auch einen Garten mit Lorbeer- oder Buchshecken, nach »holländischer Manier« geschoren, herzustellen; aber das hatten die Gärtner damals schon verlernt, so begnügte man sich mit Rottannenhecken, was auch schneller ging. In die Burg wurde nun ein Vogt und eine Besatzung gelegt, die eine besonders ausgesuchte Uniform mit Bärenmützen trug. – Und als nach siebenjährigem Exil der alte Herr als Kurfürst Wilhelm I. in sein altes Erbe wieder eintrat, das König Jérôme innegehabt hatte, da war für seinen Willen die Zeit des Exils ein Nichts gewesen; er schritt über die Zugbrücke der Löwenburg, die Schloßwache trat vor und meldete: »Nichts Neues geschehen!« Solche Ritterburgen, in denen man ein ernsthaftes Ritterspiel sich selbst vorspielte, entstanden nun in allen größeren Parks (Abb. 604). Neben der Löwenburg war auch ein mit hölzernen Schranken umgebener Turnierplatz eingerichtet, den man aber schnell, als man nichts damit anzufangen wußte, wieder bepflanzte.
In Laxenburg bei Wien aber, dessen großer, an manchem Bilde reicher, schöner Park in dieser Zeit von Kaiser Franz angelegt wurde, liegt neben dem Ritterschloß, das in der Mitte des Sees den Hauptblick festhält, noch heute der Turnierplatz in seiner alten Einrichtung, mit Zugängen und Schranken. Dort hatte, so erzählt mit ernsthafter Naivität ein Führer, ein besonders glänzendes Turnier 1810 zur Feier des Namensfestes der dritten Gemahlin des Kaisers stattgefunden, wobei er und alle Erzherzöge mitkämpften. »Im Juli 1841«, heißt es weiter, »ging es wieder lebhaft auf dem Turnierplatz zu ... Eine Kunstreitergesellschaft produzierte auf dem genannten Platze ihre Künste unter Anwesenheit des Kaisers und Hofes« Laxenburg mit dem kgl. Lustschloß und Parkanlagen, herausgeg. vom Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs in Laxenburg, S. 26.. Wie ernsthaft dieses Ritterwesen der Zeit galt, zeigt der Bund der Rosenkreuzer, die am preußischen Hofe Friedrich Wilhelms II. ihr mystisch freimaurerisches Wesen trieben. Der neue Garten um das Marmorpalais in Potsdam war ihr bevorzugter Schauplatz. Dort hatten sie ihre Versammlungen in dem kleinen Koniferenhain, wo eine Statue der Kybele als Mutter der Natur mit vielen Brüsten aufgestellt wurde. Allerlei andere Anlagen, wie eine Grotte und Pyramide, erinnern noch heute daran. Dieser Garten, der das Interesse an Sanssouci eine Zeitlang so verdrängte, daß man es seines Schmuckes beraubte, kann in seiner Anlage als ein wahres Musterstück jener Maskeradenlust angesehen werden. Seit lange schon durfte ein Parkgebäude ja niemals von außen verraten, was es eigentlich sei. Nahe dem Schloß, das mit den Marmorsäulen der Rotunde aus Sanssouci erbaut worden war, sieht man einen versunkenen Tempel mit allerlei schönen Werkstücken, Kapitellen und Säulen, wenn man aber näher zusieht, ist es eine Küche, die sich darunter birgt. Ein ägyptisches Bauwerk, mit Sphinxen als Wächter, ist eine Vorsatzdekoration für die Orangerie, unter einer Pyramide birgt sich ein Eiskeller, fern im Park trifft man in stiller Einsamkeit auf eine Einsiedelei: man tritt ein – es ist ein luxuriös eingerichtetes Bad; weiter ist eine andere Küche als Borkenhäuschen, mit einem eisernen Baumstamm als Schornstein, verkleidet. Auch in England gab es einzelne solcher Auswüchse, wenn sie dort auch lange nicht so überhandnahmen. Im Park von Windsor wurde ein Heuwagen gezeigt, in dessen Innerem man ein Zimmer eingerichtet hatte; und diese Idee scheint besonders in Süddeutschland gezündet zu haben: in dem untergegangenen Parke Ludwigsburg in Saarbrücken stand mitten auf der Wiese ein Heuwagen, der einen Speisesaal im Innern barg. Die Hofbeamten mußten sich mit seltsamen Wohnungen abfinden; der Hofmarschall, der in dem nicht großen fürstlichen Pavillon keinen Platz fand, wohnte in einer Wohnung im Parke, die als Holzstoß verkleidet war, ähnlich sinnreiche Anlagen wurden auch von dem Parke von Klärlich im Trierschen berichtet K. Lohmeyer, Friedrich Joachim Stengel, 1911, S. 125..
Es wollte nichts nützen, daß Theoretiker und Ästhetiker, welchen Standpunkt sie auch sonst einnahmen, diese Ausschweifungen fortwährend tadelten, daß die Dichter ihren Spott darüber ausgossen. Schon in der ersten Weimarer Zeit, während die Anlagen in Wörlitz Goethe zur Nacheiferung anreizten, wendet dieser sich im »Triumph der Empfindsamkeit« auf das schärfste gegen diese Torheiten. In dem höllischen Park bemüht sich Askalaphus
»Um des Cerberus Hundehaus
Und formieren das zu einer Kapelle.
Denn notabene in einem Park
Muß alles ideal sein,
Und salva venia jeden Quark
Wickeln wir in eine schöne Schale ein.
So stecken wir zum Exempel
Einen Schweinestall hinter einen Tempel.
(Zu bemerken ist, daß der versunkene Tempel als Küchenatrappe im Potsdamer Garten mehr als ein Jahrzehnt später entstand.)
Und wieder ein Stall, versteht mich schon,
Wird geradewegs ein Pantheon.«
Für Goethe war der »Triumph der Empfindsamkeit« der Fehdehandschuh, den er der von ihm überwundenen Epoche der Sentimentalität hinwarf, aber sowohl die verspotteten Anlagen, wie die andern Auswüchse der Empfindsamkeit wuchsen nur, sich gegenseitig anreizend, eines immer die Folie für das andere bildend. 1784 schildert Jung Stilling die Szene, wie er und Selma in den Schmerzschen Garten treten. Er bewunderte, wie sein Schöpfer »jedes Hügelchen, jedes Tälchen, jeden Baum und Strauch ... zu einer individuellen Schönheit gemacht ... findet bald das Starke, schauderhaft Schöne, bald das träumerisch Melancholische, ... bald das üppig Schwelgende aufgedrückt«. Viele Inschriften versetzen die Freunde in die verlangte Stimmung. Sie gehen in ein Felsenzimmer, um eine Erfrischung einzunehmen. »Nach einer Weile, als es stockfinster war, sagt Herr Schmerz zu uns: Kommen Sie Freunde! Jetzt ist's feierlich schön draußen; ich nahm Selma an eine und eine andere Dame an die andere Hand, Schmerz ging still neben uns, wir wandelten fort. Vorne in den Gang – Gott! ein hellgrünes Licht durchschimmert den Wald und hundert Lampen erleuchten die Urne! Gott, welch ein Anblick, über uns glänzte der Himmel in sanften Blitzen, und dies Schauspiel da! – Selma jauchzte und wankte – ich riß mich los, Tränen rollten mir die Wangen herab – eine sanfte, blasende Musik erhob sich, hinter der Urne ein hellgrünes Licht, es schwamm ein Adagio aus »Zemire und Azor« zu uns herüber, ich rief: Schmerz, erleuchtet mir Christinens Urne, der Himmel blitzt Wohlgefallen auf mich und Selma herab, und der Wald tönt mit sanfter Freude. – Ich und Selma schwuren uns ewige Liebe, aber wir schwuren auch, Gott und die Menschen zu lieben, in aller Fülle menschlicher Kräfte« Stilling und Selma in den Schmerz- und Osteinschen Gärten: Pfalzbayrische Beiträge zur Gelehrsamkeit, 1782, S. 234 f..
Schon vor Goethe hatte Justus Moser in seinen patriotischen Phantasien, die Goethe sehr bewunderte, seinen Spott über die neue Mode ausgegossen. Fast erstaunlich scheint es, daß die kleine Satire, das »englische Gärtchen«, schon 1773 geschrieben ist. Und doch ist es bezeichnend, daß, ehe der Stil wirklich in großen Schöpfungen sich einbürgern konnte, zuerst die spielerische Manier des anglo-chinesischen Geschmacks aufgetreten ist und wahrscheinlich in den von englischer Mode immer am frühesten beeinflußten hannöverschen Gebieten sich am stärksten ausgelebt hat. Moser liebte das Alte und das einheimisch Deutsche, und ihn kränkte hier zugleich das Ausländische und der kindisch-unverdaute Geschmack: In einem Schreiben schildert eine Enkelin ihrer Großmutter, wie die kleine Bleiche, der Obstgarten und das Kohlstück der Großmutter durch den Mann der Schreiberin in einen englischen Garten mit vielen Hügelchen und Tälchen umgewandelt ist, »aber nun heißt's auch shrubberey oder, wie andere sprechen, englisches Boskett«. Auf dem Hügel sitzt man auf einem chinesischen Kanapee, worüber sich ein Sonnenschirm mit vergoldetem Blech befindet. Natürlich fehlt nicht die chinesische Brücke und ein gotischer Dom als Sommerhäuschen Moser, Patriotische Phantasien II, Brief 77.. Stärker noch als im »Triumph der Empfindsamkeit« folgt Goethe Moser in dem 1797 geschriebenen »Hauspark«. Die Tochter klagt der Mutter den Hohn der Gespielinnen:
»Daß ich besser sollte fühlen,
Was Natur im Freien beut ...
Solche schroffen grünen Wände
Ließen sie nicht länger stehn;
Kann man doch von einem Ende
Gleich bis an das andere sehn.
Von der Schere fallen Blätter,
Fallen Blüten, welch ein Schmerz!
Asmus, unser lieber Vetter,
Nennt es puren Schneiderscherz.«
Asmus (Matthias Claudius) hatte in der Serenata im »Wandsbecker Boten« die alten Parkanlagen, in denen »nichts mehr vom großen vollen Herz der tönenden Natur zu finden sei«, als »puren Schneiderscherz« verhöhnt Matthias Claudius, Serenata: Wandsbecker Bote..
Zu diesem feindlichen Hin- und Herwogen im eigenen Lager ließen sich bald auch Stimmen hören, die dem Landschaftsgarten als Stil mit entschiedener Feindseligkeit gegenübertraten. Aus der englischen Klassizistik war der so oft und mit vielem Rechte als romantisch bezeichnete Gartenstil hervorgegangen; die Romantiker selbst aber waren nur zum Teil Bewunderer des neuen Stiles, ja der erste ernstliche Angriff sollte gerade von der Seite der Romantiker kommen. Unter den Führern der englischen Romantiker steht zwar Wordsworth ganz auf dem Boden dieses von Goethe ästhetisch genannten Stiles. Er ist stolz, daß »Maler und Dichter als die Schöpfer der englischen Gartenkunst angesehen werden müssen, nun sollen sie auch das bessere Lob für sich erwerben, die Väter eines besseren Geschmacks zu werden«, schreibt er an seinen Malerfreund, Sir George Beaumont, auf dessen Gut er sich eine Zeitlang aufhält. Dort beschäftigt er sich in seinen Mußestunden mit Gartenanlagen. »Was die grounds anbetrifft, sind sie in guten Händen,« ruft er dem Freunde zu, »nämlich in denen der Natur.« Er stimmt dem Grundsatz von Coleridge bei, daß das Haus und sein Garten zu der Landschaft gehören müsse und nicht die Landschaft ein Anhängsel des Hauses sei. Darum muß man sich selbst in alles einzelne der Schönheit dieser bestimmten Landschaft versenken, wie es nie Leute von Profession können, sondern nur Dichter und Maler. Hierin sprach Wordsworth sein innerstes Wesen aus; und aus seinem eigensten Empfinden ist auch die Abneigung gegen solche Anlagen entsprossen, »die in ihrer Ödigkeit alles Lebendige ausschließen, wie die Sage es von dem Upasbaum erzählt, der Tod und Verwüstung um sich haucht«. Freude aller lebenden Wesen, Menschen, Kinder, Vögel, Tiere, Hügel, Ströme, Bäume und Blumen, alles das muß der Gartendichter in ein zusammengehöriges Bild verweben Memorials of Coleorton, publ. Douglas, 1887.. Aber er warnt auch, eine ganze Landschaft »in die Livree eines Mannes zu stecken«; alles in allem soll die Natur dafür Sorge tragen, daß alles, was der Mensch tut, so geschieht, daß sie es annehmen kann, das ist der Grundsatz, dem er immer gefolgt ist. Es ist ein von jeder Sentimentalität gereinigtes Dogma von der Natur, das dieser Dichter vertrat.
Daneben aber trat in die Dichtkunst Englands eine zweite Strömung, die ihre Augen auf die Vergangenheit richtete, und nun zeigte sich auf einmal, daß das Bewußtsein der lebenden Generation den regelmäßigen alten Stil schon als einen Stil der Vorväter empfand. Es war ein Jahrhundert seit der Geburt des malerischen Gartens vergangen, als Walter Scott 1814 in seinem Romane »Waverley« mit der Schilderung des alten Gartens von Tully Veolan ihm den Fehdehandschuh hinwarf: Der Park besteht aus einigen viereckigen Feldern, von Mauern umgrenzt, eine kurze gerade Allee von Roßkastanien und Sykomoren, zu beiden Seiten von dem unteren zum oberen Tore führend, bildet den Zugang. Im Garten steigen von der Hauptterrasse drei Treppen herab, sie ist mit einer Steinbalustrade, die mit Tiergestalten geschmückt ist, abgeschlossen, und in der Mitte steht ein Bär, der eine Sonnenuhr hält. Der Garten, mit Obstbäumen, Blumen und Immergrün, die in grotesken Gestalten geschnitten sind, bepflanzt, fällt in weiteren Terrassen zu einem Kanal ab, der am Ende einen Wasserfall bildet, der von einem achteckigen Sommerhaus mit einem vergoldeten Bären darauf gekrönt wird. Scott bekennt, hier einen wirklichen Garten des schottischen Hochlandes im Auge gehabt zu haben, und manche solcher verborgenen Blüten finden sich noch heute dort. Das aber war der Garten, den er liebte, und was er hier als Dichter geschildert, verteidigt er später in einer kleinen Schrift in der »Quarterly Review«: »Der Garten«, heißt es dort, »war allerdings im höchsten Grade künstlich, aber es war an sich ein schöner Anblick, ein Triumph der Kunst über die Elemente«, und weiter: »nichts ist so sehr ein Kind der Kunst wie der Garten«. Selbst die Schönheit der Mauern, mit dem in England so warmen Ziegelton zum Grün kontrastierend, wird in Schutz genommen, ebenso die so lange verpönten Wasserkünste, und wenn auch für diese neue Anlage, die er zur Nachahmung schildert, die verschnittenen Hecken und Bäume verworfen werden, so liebt er sie in alten Gärten, wo sie solch einem stillen abgeschlossenen Bilde Charakter geben Quarterly Review, 1828, vol. 37, p. 301..
Zeitlich noch früher und weit entschiedener haben sich auch deutsche Romantiker für den alten Stil ausgesprochen. Schon Georg Jacobi Georg Jakobi, Über englische Gärten an den Kanzler v. Ittner, Freiburg 1807, Werke VII. hatte in einer Reihe von Briefen den englischen Garten abgelehnt, aber mehr zugunsten eines Nutzgartens; jede Abweichung von dieser ersten Bestimmung des Gartens ist ihm ein Abfall zur Üppigkeit. Er spottet über den Versuch, mit der großen Landschaft zu rivalisieren, der regelmäßige Garten sei der einzige Kontrast gegen die Landschaft, die ihn umgibt. Diesen Gedanken nimmt auch Tieck im »Phantasus« auf Tieck, Phantasus: Schriften, 1828, IV, S. 77 ff.: besonders in einer gebirgigen Landschaft erscheint ihm der regelmäßige Garten nicht nur der angemessenste, sondern auch der schönste. Der majestätischen Umgebung gegenüber würde jene Nachahmung der Landschaft albern sein. »So aber liegt dieser Garten in stiller Demut zu Füßen jener Riesen, mit ihren Wäldern und Wasserbächen, und spielt mit seinen Blumen, Laubengängen und Brunnen wie ein Kind in einfältigen Phantasien.« Und alles dies erscheint ihm »ein helles Miniaturbild aus beschriebenen Pergamentblättern alter Vorzeit«, und er gesteht, die Gärten vor allem zu lieben, die auch unsern Vorfahren so teuer waren, »die nur eine grünende, geräumige Fortsetzung des Hauses sind ... Dort umgab ihn die zauberische Natur in denselben Regeln, in denen der Mensch von Verstand und Vernunft und der inneren unsichtbaren Mathematik seines Lebens umgeben ist«. Tieck will den Landschaftsgarten nicht ganz ausschließen, aber während ihm wie einst Sir William Temple der Stil des französischen Gartens kaum zu verfehlen scheint, dürfte der englische Garten eigentlich nur einmal existieren, so individuell ist er. »So konnte es nicht fehlen, daß man, von jenem echten Natursinne verlassen, in Verwirrung geriet. Ein wahres, vollkommenes Gedicht sollte ein solcher (englischer) Garten sein, ein schönes Individuum, das aus eigenstem Gemüt entsprungen«, sagt er an anderer Stelle, mit Worten, die Wordsworth aus ganzer Seele unterschrieben hätte.
Aber auch Goethe selbst war gegen das Ende seines Lebens sehr von seiner Begeisterung für den englischen Garten abgekommen. Bei einer Spazierfahrt nach dem Belvedere lobte er dem Kanzler von Müller die französischen Gartenformen, wenigstens für große Schlösser. »Die geräumigen Laubdächer, Berceaux, Quinconces lassen doch eine zahlreiche Gesellschaft sich anständig entwickeln und vereinen, während man in unsern englischen Anlagen, welche ich naturspäßig nennen möchte, allerwärts aneinander stößt, sich hemmt oder verliert« Goethe, Gespräche, ed. Biedermann, 1910, III, S. 212.. Es liegt in diesen Worten fast eine Gereiztheit Goethes gegen seine frühere Begeisterung, gegen den Geist sentimentaler Schwärmerei, der ihr zugrunde lag.
Auch muß erinnert werden, daß Goethe, der Schöpfer des Weimarer Parkes, doch niemals daran dachte, den Garten an seinem Stadthause in malerischem Stile anzulegen. Dieser Garten trägt bis heute das Gepräge des alten Stils. Das ummauerte Viereck hat zwei Gartenhäuser an den hinteren Mauerecken und ist in völlig regelmäßige, geradlinige Stücke eingeteilt; hier zog der Dichter einst, als die jetzt sehr herangewachsenen breitschattenden Bäume nur die Ecken der Beete betonten und dem Garten die Sonne nicht nahmen, Massen von Blumen. Im Hintergrunde bildet ein Laubengang, der von einem Gartenhause zum anderen führt, dem nachdenklich Wandelnden einen verschwiegenen, vom Hause verdeckten Spaziergang.
Solche Gegnerstimmen verhallten einstweilen, besonders in Deutschland, vollkommen; noch fanden die Führer und Förderer der Gartenkunst Fehler und Ungeschmack immer nur in dieser oder jener individuellen Ausführung, nicht im Stile selbst, begründet. Das ganze XIX. Jahrhundert mußte erst noch das Maß der Sünden voll machen, um die Grundlagen selbst ins Wanken zu bringen.
In Deutschland erschien in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ein neuer begeisterter Prophet des Landschaftsgartens in dem jungen, schönen und feurigen Fürsten Pückler. Seine Persönlichkeit war überall das Medium, durch das er seine Ideen und Wünsche zur Wirkung brachte, so daß auch das Werk, auf das er am meisten stolz sein wollte, der Park von Muskau, ihn selbst handelnd und schaffend keinen Augenblick vergessen läßt. Er übernahm seine Standesherrschaft Muskau in einem ziemlich verwahrlosten Zustande, das alte Schloß mit wenigen Parkanlagen, den unscheinbaren Ort mit seinen warmen Quellen, einige kieferbestandene Felder und viel Sumpf. Sofort entstand in seinem Geiste der Entschluß, hier ein Werk zu schaffen, das die vielbewunderten englischen Musterbeispiele übertreffen sollte (Abb. 605 a u. b). In seinen »Andeutungen über die Landschaftsgärtnerei«, die 1834 publiziert wurden, hält er das Ideal, ein ganzes Besitztum ohne besondere Abgrenzung in eine verschönte Landschaft umzuwandeln, ohne der Ökonomie zu nahe zu treten, für »leichter und oft mit geringeren Kosten zu bewerkstelligen, als man gewöhnlich annimmt« v. Pückler, Andeutungen über die Landschaftsgärtnerei, 1834, 1. Bd. Text, 1. Bd. Abbildungen, dazu Pläne.. Pückler selbst bot freilich kein gutes Beispiel dafür, da er sein großes Vermögen in diese Anlagen hineinsteckte und sich selbst daran bankerott machte. Das Werk aber, das er geschaffen und das heute, von pietätvollen Händen gepflegt, im ganzen erhalten ist, ist nach dieser Richtung hin ein Meisterwerk. Das ganze große Gebiet des Neißetales mit seinen angrenzenden Höhen, den freundlich gebauten Badeort einschließend, ist von ihm in wenigen Jahrzehnten in einen großen Park verwandelt worden. Gleich in den ersten Anfängen ließ der Fürst den Landschaftsmaler Schirmer nach seinen Angaben Veduten malen, wie er im Geiste den werdenden Park sah, die ihm dann weiter als Vorlageblätter dienten. Er hatte darin ein Vorbild an dem Grafen Girardin, Rousseaus Freund, der auch Ermenonville nach solchen von ihm bestimmten Bildern erst malen, dann anlegen ließ. Um seiner Anlage den fatalen öden Anblick junger Pflanzungen zu nehmen, ließ Pückler mit viel Erfolg große, ausgewachsene Bäume mit ihrem Erdreich verpflanzen. Und doch versichern die heutigen Gärtner, daß der alte Park erst jetzt ganz dem mit der Seele geschauten Bilde, mit dem der Fürst den Maler inspirierte, gleiche. Die Bedeutung dieser Bilder, die in der langen Folge einer stundenlangen Spazierfahrt in immer neuer Gruppierung sich vor dem Auge entfalten, liegt durchweg in der durchgedachten Gruppierung von Einzelbäumen, die Pückler besonders geliebt hat, Buchengruppen und Waldrand mit Wiesenplan und Wasser. Es ist überraschend, wie hier durch Farbe und Licht, »wo immer der Phantasie noch etwas zu raten übrigbleibt«, Abwechslung geboten wird. Pückler verschmäht die Mitwirkung der Gebäude durchaus nicht, neben dem Schlosse, den Türmen des Städtchens, fehlen auch ein paar Tempel, eine Gruftkirche, eine Burgruine, einige ländliche Häuser in der weiteren Umgebung nicht, aber sie sind doch nur Belebung des Bildes, nicht mehr aufdringliche Stimmungsförderer. Im ganzen ist die Sentimentalität überwunden, selbst die Goetheschen Inschriften im Weimarer Park liest Pückler lieber in den Werken des Meisters. Die Ruinenliebhaberei hat jetzt einen historischen Charakter erhalten, nicht mehr Empfindungen über Vergänglichkeit erregt sie, sondern Erinnerungen an eine wirkliche oder erdachte seltsame Begebenheit. »Ein Garten im großen Stile ist eine Bildergalerie, und ein Bild muß einen Rahmen haben«, darum liegt die größte Kunst bei der fortwährenden Veränderung des Standpunktes darin, die Wege so zu führen, daß sich immer aufs neue der Blick zusammenschließt. Und diese Kunst hat der ins Große und Weite schaffende Geist des Fürsten erreicht. Was ihm aber hier auf das schönste gelungen ist, wie zugleich auch die weise Abstufung von dem eigentlichen Schloßpark zu dem freier und wilder gehaltenen Park des Kurortes, das sucht man vergeblich in dem eigentlichen Garten, dem englischen pleasure ground in der nächsten Umgebung des Schlosses. »Um sein Haus begnüge man sich mit einem reizenden Garten von geringem Umfange, womöglich im Kontrast mit der Gegend, in dessen engem Raume nicht mehr landschaftliche Mannigfaltigkeit, sondern nur Bequemlichkeit, Anmut und Eleganz herrschen soll.« Diese Grundsätze hatte der Fürst im bewußten Gegensatz zu dem englischen Park gefaßt, wo das Haus damals meistens noch kahl und kalt sich von der eintönig grünen Wiese heraushob, die höchstens nur das Vieh belebte (Abb. 606).
»Es ist bei den Engländern fast zu einer fixen Idee geworden, daß man einer Landschaft ohne Vieh nimmer froh werden könne.« In den Gärten um das Haus soll der Geschmack völlig frei wirken, so kann man Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit je nach Laune abwechseln lassen. Was aber Pückler, wo er im Großen schuf, vollkommen erreicht hatte, daß mißlingt ihm hier, der Geschmack wird kleinlich bis zur Karikatur. Die Menschen von damals hatten vollkommen vergessen, was Regelmäßigkeit heißt, und trotzdem der Fürst auf seinen Weltwanderungen die Gärten mannigfachster Länder gesehen und studiert hatte, trotzdem er die italienischen Renaissancegärten fortwährend als vorbildlich im Munde führte, ist die Schöpfung seiner Gärten um das Haus ein Unding und voll der bösesten Folgen gewesen. Schon der See, von dem er eine Seite des Schlosses begrenzen läßt, hat keinen Zug von der Größe, die in den Wasserpartien am Neißefluß im Parke überall herrscht. Die andern Seiten des Gebäudes aber hat er mit sogenannten Blumengärten umgeben. Zum ersten Male tritt uns hier in Deutschland die Teppichgärtnerei entgegen, Beete, die »malerisch«, d. h. ohne Ordnung und Plan auf den Rasen ausgestreut sind, bald als Füllhorn, bald als Stern, bald als Blumenkorb oder Blumenpyramide, die nichts zu tun haben mit der Umgebung und selbst die Blumen in ihrer Mischung und Zusammendrängung häßlich und kleinlich erscheinen lassen (Abb. 607).
Unter dieser traurigen Erfindung der Teppichgärtnerei hat das ganze XIX. Jahrhundert zu leiden gehabt. Es war zugleich einer der am meisten mißlungenen Versuche des XIX. Jahrhunderts, etwas von der Heiterkeit der alten Parterres herüberzuretten und die Blumen, die sich mehr und mehr scheu aus der Nähe des Hauses hatten zurückziehen müssen, wieder dem Blick aus dem Fenster nahezubringen – das Resultat ist aber nur ein Zeichen der Barbarei des Geschmackes. So steht Fürst Pückler da als der letzte, der nach einer Seite mit feinem Sinne das Große und Bedeutsame des Landschaftsgartens lebendig erfaßt hat und doch als der erste das völlige Versagen dieses Stiles für den Garten im engeren Sinne, die nächste Umgebung des Hauses, klar beweist. Noch sollte der Landschaftsgarten lange Jahrzehnte eine fast unbedingte Herrschaft ausüben, aber es war nach der Seite der Kunst hin eine Herrschaft der Unproduktivität.