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IX. Frankreich im Zeitalter der Renaissance

9. Kapitel

Es ist erstaunlich, mit welch freudiger Hingebung sich gerade Frankreich zu der Schülerschaft Italiens bekannt, wie zielbewußt es gelernt, und wie es doch von Anfang an seine Eigenart stark empfunden und bewahrt hat. – Im Jahre 1495 unternimmt der jugendlich romantische König Karl VIII. seinen Triumphzug nach Italien. Mehr wie zu einem Spiel, denn einem Feldzuge, eilt er, ohne je ernstlichen Widerstand zu finden, von Fest zu Fest dem Süden zu. Mit schönheitstrunkener Seele nimmt er den Glanz, den die junge italienische Kunst in der heiteren Freudigkeit der Frührenaissance überallhin verbreitet hat, in sich auf. Er und seine jungen Ritter und Begleiter sind laut in ihrer Bewunderung, die ihren Höhepunkt erreicht, als sie in Neapel einziehen. Sie glauben hier das irdische Paradies gefunden zu haben. »Der König in seiner Gnade«, schreibt der Kardinal Briçonnet an die Königin Anna von Bretagne, »hat mir alles, in- und außerhalb der Stadt, zeigen wollen, und ich versichere Sie, daß es ein unglaubliches Ding ist mit der Schönheit dieser Orte, wohlausgestattet mit allerlei weltlichen Lustbarkeiten.« Und Karl selbst schreibt an Pierre de Bourbon: »Übrigens können Sie nicht glauben, welch schöne Gärten ich in dieser Stadt habe; denn, auf mein Wort, es scheint, daß nur Adam und Eva fehlen, um daraus ein irdisches Paradies zu machen, so schön sind sie und voll von allen guten und seltsamen Dingen« Archives de l'Art français publiées sous la direction de Ph. de Chennevières I, p. 274 ff.. Damals war es, wo er eine Nacht in Poggio Reale zubrachte, das dem König und allen um ihn, seinen Chronisten und Hofpoeten, als die Krone aller dieser Herrlichkeit erschien. »Um die Schönheit dieses Ortes zu schildern, müßte man haben, le beau parler de Maistre Alexis Chartier, la subtilité de Maistre Jean de Meung et la main de Fouquet«, ruft einer seiner Begleiter aus Archives de l'Art français publiées sous la direction de Ph. de Chennevières I, p. 275.. Karl brachte an Zuwachs politischer Macht wenig mit heim; was er wie im Spiele gewann, verlor er auch wieder wie im Spiel. Für die Kultur Frankreichs aber war dieser Feldzug ein Ereignis von tiefgreifenden Folgen, er war die Geburtsstunde der französischen Renaissance. Karl führte von diesem Zuge 22 italische Künstler der verschiedensten Gattung mit sich zurück, denen er ein Asyl auf dem Schlosse zu Amboise gewährte. Und mit ihnen traf unter der Leitung von des Königs Zeltmacher, Nicolas Fagot, von Neapel her eine Ladung von verschiedenen Teppichen, Bibliotheken, Gemälden, Skulpturen von Marmor, Stein und Porphyr, im Gesamtgewicht von 87 000 Pfund, ein Archives de l'Art français II, p. 305.. Der französische Herausgeber dieser Nachricht bemerkt dazu, »es bedarf dazu keiner einzigen Anmerkung oder es bedarf deren 20 Bogen; denn was der Tapezierer Nicolas Fagot in seinen Wagen aus dem untersten Italien in das Herz von Frankreich beförderte, ist nichts mehr und nichts weniger als die ganze italienische Kunst, jene Kunst, die in Amboise, in Gaillon und in unserem ganzen Vaterlande zahlreiche Wunder aufblühen lassen sollte, die zartesten vielleicht, die Frankreich gesehen hat« H. v. Geymüller, Die Baukunst in Frankreich: Handbuch der Architektur II, 6, 1, S. 41 ff..

Karl war glühend vor Eifer, zunächst sein Amboise umzugestalten. Briçonnet hatte der Königin von Neapel aus auch des Königs Wort von dem irdischen Paradies wiederholt, »so sehr ist es das«, schreibt er weiter, »daß er jetzt Amboise nicht mehr so schätzt wie er es vordem tat« Archives de l'Art français I, p. 224.]. Heimgekehrt, war es des Königs sehnlichster Wunsch, auch hier ein solches zu schaffen. Der Umbau des Schlosses, den er schon vor dem Feldzuge begonnen, wurde fieberhaft fortgesetzt, so daß, als ihn nach zwei Jahren der plötzliche Tod ereilte, sein Chronist Commines schon von prächtigen Gebäuden erzählen konnte, die der König vor seinem Tode in Amboise begonnen und gefördert habe. Dazu gehören die kolossalen Türme, in denen man heraufreiten konnte, wo statt der Treppen eine bequem ansteigende Straße zu der hohen Schloßterrasse führt v. Geymüller, Baukunst in Frankreich, a.o.O., S. 115..

Karls Tod unterbrach keinen Augenblick die Betätigung, die sein Nachfolger Ludwig XII. in seiner 17jährigen Regierung mit allem Eifer fortsetzte, bis sie dann unter Franz I. und seinen nächsten Nachfolgern zu einer keine Schranken mehr kennenden Leidenschaft wurde. Die Ernte dieser 80jährigen Bautätigkeit auf dem Gebiete des Schloßbaues, der für unsere Kunst zuallererst in Betracht kommt, liegt gesammelt in der reichen Stichfolge des Architekten Androuet Du Cerceau vor, die auch für die Entwicklung der Gartenkunst eine Anschauung vermittelt, wie sie kaum ein zweites Mal, jedenfalls niemals wieder von einer Periode jugend- und schaffensfrohen Werdens, geboten ward.

Mit welch froher Lernbegier sich Frankreich in die Lehre Italiens begab, zeigt nicht nur die Einwanderung italienischer Künstler, sondern ebenso und mehr der stete Strom junger französischer Architekten, die nach Italien zogen, um sich dort in eifrigen Studien die modernen und antiken Kunstwerke vertraut zu machen. Und doch hat sich Frankreich von Anbeginn eine erstaunliche Selbständigkeit und Bodenständigkeit bewahrt. Vor allen Dingen nahm man damals diesseits der Alpen noch gar nicht den Begriff der Villa auf. Auch das italienische Landhaus des XV. Jahrhunderts hatte sich ja weit länger als das Stadthaus den Charakter der mittelalterlichen Feste bewahrt. Die frühflorentinischen Villen, Careggio, Quarachi, Caffagiola, Villa Imperiale bei Pesaro, das Belvedere des Vatikans, alle zeigten in ihrem Äußern noch die zinnengekrönte Mauer, die Türme, die ausladenden Unterbauten. Aber sehr schnell wurde dort dieser Stil überwunden. Schon zum Ende des XV., im Anfang des XVI. Jahrhunderts, ist das offene Landhaus, die italienische Villa, fertig, die Türme, die zuerst als ausladende Gebäudeteile gestaltet wurden, sind dann ganz in der Fassade untergegangen, der Grundplan ist regelmäßig, gruppiert sich meist um einen Hof, die Haupteingangsfassade wird häufig durch eine Säulenhalle, so offen und einladend wie möglich, gebildet. Welch einen Einfluß dies auf die Gestaltung des Gartens ausübt, wird ein Vergleich mit dem französischen Schloßbau zeigen. Frankreich hat, wie gesagt, die italienische Entwicklung nicht mitgemacht. Bei aller Bewunderung für die blühende Kunst jenseits der Alpen begnügt man sich doch meistens mit der Nachahmung der dekorativen Teile. Das Schloß aber bewahrte fast immer seinen mittelalterlichen Charakter, mit all seinen mehr oder minder zufälligen Unregelmäßigkeiten des Grundrisses, mit seinen Ecktürmen, die sich zwar allmählich in Pavillons verwandelten, aber als solche ihre Selbständigkeit dem Hauptgebäude gegenüber immer wahrten. Auch die hohen Dächer, vor allem aber die Gräben, die kaum ein Land mit solcher Zähigkeit festgehalten hat wie Frankreich, bewahren den mittelalterlichen Charakter. Und all diese Zeichen eines festen Hauses finden sich nicht etwa nur bei den Schlössern, die auf alten Fundamenten umgebaut wurden, sondern fast immer auch bei den Neubauten, wenn man hier auch allmählich einen regelmäßigen Grundplan zu bevorzugen begann. So konnten die Gärten der frühesten Schlösser, besonders der zu Amboise, sich in Lage und Plan noch wenig von den mittelalterlichen unterscheiden.

Karl hatte sich unter seinen italienischen Künstlern auch einen neapolitanischen Gärtner mitgebracht, seines Zeichens ein Priester, Pasello da Mercogliano v. Geymüller, Baukunst in Frankreich, S. 65. genannt, der die Pflege des Seelengartens mit der des irdischen verband. Er fand in Amboise ein kleines Schloßgärtlein, an seinem mittelalterlichen Platze neben dem Bergfried. Karl ließ nun die hohe Terrasse erweitern, um Raum für einen größeren Garten zu schaffen (Abb. 312). Dieser W. Lübke, Französische Renaissance, S. 301 ff. wurde anfangs mit zierlichem Lattenwerk und Pavillons umschlossen L. A. Bossbeuf, Amboise, le Château, la Ville et le Canton, 1897: La Touraine historique et monumentale., bis dann Ludwig XII. ihn rings mit einer Galerie umgab, wie auf dem Du Cerceauschen Stiche zu sehen. Das reiche Muster im Parterre gehört auch der Mitte des XVI. Jahrhunderts an. Zu Karls Zeit war der Garten noch zum Teil mit Obstbäumen bepflanzt, neben und um die geometrischen Blumenbeete. Wir hören von einem Ankauf von Obstbäumen, die Pasello für diesen Garten macht. Nach Süden aber, ganz abseits von dem eigentlichen Schloßgarten, der auf seiner hohen Terrasse keiner Erweiterung mehr fähig war, ließ der König einen Orangengarten anlegen, den ersten, den Frankreich aufzuweisen hatte, und zur Erinnerung an diesen ersten Orangenbaum – es war natürlich noch die bittere Orange – überreichte der Pächter dem König jedes Jahr einen Orangenzweig. Das Galeriegebäude, mit dem Ludwig den Garten umgab, ist ein Motiv, das dem italienischen Garten nicht gefehlt hatte, aber früh von ihm aufgegeben wurde, während es Frankreich noch lange zu einem besonderen Schmuck seiner Gärten entwickelte. Ein zierlicher Pavillon aus Lattenwerk, der hier nicht in der Mitte steht, sondern zur Seite gerückt ist, stand noch bis in die Mitte des XVII. Jahrhunderts, bis ein Unwetter ihn zertrümmerte.

Abb. 312
Amboise

Stich von Du Cerceau

Ganz anders reich ausgestaltet waren die Gärten von Blois Du Cerceau, a.o.O., II, Text f. 3. (Abb. 313), dem alten Königsschloß, dessen Anfänge bis in die Römerzeit zurückreichten. Ludwig XII., der hier geboren war, baute das Schloß auf den alten Fundamenten um; das eigentliche Gepräge, von der Stadtseite her, verlieh dem Baukomplex erst der vielbewunderte Flügel, den Franz I. zufügte. Ludwig verlegte die Residenz von Amboise nach diesem seinem Lieblingsschloß und nahm auch Pasello mit sich, der hier ein wachsendes Feld seiner Tätigkeit fand Jos. de Croy, Nouveaux Documents sur l'histoire de la création des Residences Royales des Bords de la Loire, 1894, p. 123.. Auch hier war bisher von Gärten noch nicht viel vorhanden. Der mittelalterliche kleine Garten, der sich wieder unter dem Donjon, aber hier ganz tief gelegen, als schmaler Streifen hinzog, war schon vorher um ein großes Stück erweitert worden. Dieser alte Garten wurde nun als unterstes Parterre eines in drei mächtigen Terrassen mit gewaltigen Stützmauern ansteigenden Gartens umgestaltet. Man schreckte wahrlich nicht davor zurück, sehr beträchtliche Erdunterschiede zu überwinden, auch hierfür waren die gewaltigen Unterbauten, auf denen die hochgelegenen, mittelalterlichen Schlösser lagen, vorbildlich.

Abb. 313
Blois, Gesamtansicht

Stich von Du Cerceau

Was aber auf den einzelnen Terrassen angelegt wurde, war doch wieder jedesmal ein abgeschlossener Garten, der für sich als Ganzes mit der höheren und tieferen Terrasse nicht in geringster Beziehung stand. Noch war die große römische Erfindung der Verbindungstreppen von Terrasse zu Terrasse auch für Italien kaum gemacht, aber erst spät und sparsam hat dann Frankreich, wie alle nördlichen Gärten, sie überhaupt verwandt. Und ebensowenig, wie unter sich, sind die Gärten mit dem Schloß in Verbindung gebracht. Der Wallgraben, der den ganz isoliert liegenden Gebäudekomplex von drei Seiten umgibt, scheint hier schon früh sein Wasser verloren zu haben und zu Obstgärten umgewandelt zu sein Schon 1340 sprechen die Rechnungen von »Traveaux dans les vergiers des fossées du château«; vgl. De Croy, Les Jardins de Blois, p. 108 ff.. Über diesen Graben führte Ludwig nun von der Ecke des Bergfrieds eine Galerie nach der mittleren Terrasse, dem Garten der Königin, der als Hauptziergarten angelegt wurde. Dieser war rings von anmutigen, grün überzogenen Holzgalerien umgeben, für die der König die besten Tischler des Reiches berief. Auch die einzelnen Beete – in den Rechnungen parquet genannt – waren von zierlichen Lattenzäunen, »accoudoir«, umgeben. 1503 wurde in dem Mittelpavillon, den ein heiliger Michael krönte, die Marmorfontäne aufgestellt, ein Werk, das der Italiener Pacherot in Tours verfertigt hatte und für das er 662 Livres erhielt De Croy, a.o.O., p. 115.. Der eigentliche Wasserkünstler war Fra Giocondo, der mit Karl herübergekommen war und hier für seine Geschicklichkeit eine Extraprovision erhielt. Die Fontäne bestand aus einem oktogonalen Bassin und zwei Schalen aus weißem Marmor, deren Trümmer noch heute im Schlosse liegen. Das Prachtstück des Gartens war die kleine Kapelle (Abb. 314), ein Lieblingsbau Annas von Bretagne, wo auch der König gerne seine Andacht verrichtete; er ist das einzige, was aus den Gärten noch heute sich erhalten hat.

Abb. 314
Pavillon d'Anne de Bretagne, Blois

Phot.

Die oberste Terrasse, der Garten des Königs genannt, ursprünglich ganz als Obstgarten angelegt, erhielt erst unter Heinrich II. ihren schönen Pergolaschmuck. Dies war auch die Zeit der höchsten Blüte, wo die Früchte der Gärten täglich auf der königlichen Tafel prangten, wo Blois sich der schönsten Maulbeerbäume rühmte De Croy, a.o.O., p. 127..

Abb. 315
Gaillon, Gesamtansicht

Stich von Du Cerceau

Dann kam die Zeit, wo dies Schloß samt den andern an der Loire um der in der Nähe von Paris gelegenen Paläste willen mehr und mehr verlassen wurde, nachdem Paris, der Mittelpunkt der Politik, den Hof und Adel immer mehr an sich zog. Heinrich IV. hat den Gärten des uralten Königsschlosses noch Pflege und Interesse zugewandt. Einmal noch leuchtete ihnen die Sonne des königlichen Besuches, als glanzvolle Feste im Jahr 1668 zu Ehren der Anwesenheit Ludwigs XIV. gefeiert wurden – das war der Abschied: die schönen Gärten verfielen von nun ab. Gaston d'Orleans zwar beabsichtigte, ihren altmodischen Reiz durch prächtige Anlagen im neuen glänzenden Stil zu ersetzen, er hat aber durch seinen imposanten, aber langweiligen Neubau nur viel von der Schönheit des alten Schlosses zerstört. Nach seinem Tode versanken die Gärten schnell in Trümmer, heute stehen nur noch die Stützmauern, soweit nicht neue Straßenzüge auch diese zerschnitten haben De Croy, a.o.O., p. 155..

Zu gleicher Zeit als Ludwig XII. seine Gärten in Blois anlegte, erbaute sich sein Minister, der Kardinal Amboise, in der Nähe seines Bischofsitzes Rouen sein Schloß Gaillon, im Wetteifer mit seinem Herrn A. Deville, Comptes de dépenses de la construction ... du Château de Gaillon, 1850: Documents inédits sur l'histoire de France, 3 e série: Architecture, p. LXIII. (Abb. 315). Das mittelalterliche Schloß, das hier gestanden, war von den Engländern geschleift worden. Der Kardinal hatte, wie Du Cerceau bemerkt, den Neubau aufgeführt »sans tenir de l'antique« Du Cerceau, a.o.O., Text I, f. 3.. Trotzdem ist der Grundriß ganz unregelmäßig und von einem mehrfach überbrückten Wallgraben umgeben. Die Hauptgebäude, mit Eck- und Tortürmen, umschließen einen nahezu quadratischen Hof, der einen herrlichen Brunnen barg, ein Geschenk der Republik Venedig an den ersten französischen Kardinalminister (Abb. 316).

Abb. 316
Gaillon, große Fontäne

Stich von Du Cerceau

Als ein Huldigungszeichen an seine Macht war dieses Geschenk zu Meer hierhergelangt, »stupendo fonte marmoreo ex Venetorum munere illustrato«, heißt die Inschrift; auf dem Sockel ließ der Kardinal sein und seines königlichen Herrn Wappen anbringen. Die prächtige dreischalige Fontäne, die nur im Du Cerceauschen Stich erhalten ist, war mit acht Löwenköpfen und acht Masken verziert, reiche Figurengruppen umgaben den Schaft, der mit einer Statue des Täufers gekrönt war. Sie war das Werk einer Genuesischen Bildhauergenossenschaft, an deren Spitze Agostino Solari stand, die damals außer aus Italien auch aus Spanien und Frankreich mannigfache Aufträge erhielt C. Justi, Miscellaneen aus drei Jahrh. spanischen Kunstlebens I, S. 134/135.. Der Brunnen ist später in den erzbischöflichen Garten versetzt und erst im XVIII. Jahrhundert zerstört worden. Wenn man den Reichtum und die wundervolle Frische der Ausführung eines solchen Werkes betrachtet, so erscheinen die dichterischen Brunnenschilderungen vom griechischen Altertum bis zum mittelalterlichen Okzident nicht mehr nur als eine Erfindung schrankenloser Phantasie.

Auch die Gärten von Gaillon liegen ohne Zusammenhang mit den Gebäuden. Durch einen großen Hof gelangt man zu dem Hauptgarten, der ähnlich wie in Blois die mittlere Terrasse bildet. Durch einen Torturm in einem Galeriegebäude, das den Garten nach zwei Seiten umgibt, tritt man in dies Parterre; darüber erhebt sich auf einer höheren Terrasse ein Baumgarten, dessen dichtes Laubwerk einen wirkungsvollen Abschluß und Kontrast gegen das heitere »parquet« dieses Gartens bildet. Schaut man von oben hinab, so sieht man zunächst in zwei Labyrinthe, »wie konnte man von hier neckend den Freund verfolgen, wenn er«, wie Sir Henry Wotten noch im XVII. Jahrhundert sagt, »Beeren sammelnd sich verirrt, bis er sich ohne fremde Hilfe nicht mehr herausfinden kann« Sir Henry Wotton, Elements of Architecture, 1624, p. 110.. Die übrigen Beete sind bei Du Cerceau von Buchshecken umgeben, die Ecken mit niederen Bäumen bepflanzt. Ursprünglich waren die Beete auch hier wie in Blois mit kleinen mit Türen versehenen Holzzäunen eingeschlossen. In der Buchseinfassung waren entweder Blumen gepflanzt oder bunte Erde von Schiefer oder Terrakotta gestreut. Du Cerceau deutet solche Spielereien in seinen Mustern selten an, die Rechnungen aber verraten uns, daß die Beete in Wappen ausgelegt waren und daß allerlei Tiere, von Holz geschnitzt, den Garten zierten Deville, Comptes de Gaillon, p. LXXXV ff.. Ein Meisterstück der Schreinerarbeit stand in der Mitte: ein Pavillon, noch reicher als in Blois, da an seinen vier Ecken kleine Volieren angebracht waren. Seine offene Kuppel schützte den schönen, zweischaligen Brunnen Heute im Louvre: Deville, Comptes de Gaillon, p. LXXXVII., ein Schwesterwerk des für Blois von demselben Meister in Tours verfertigten; ein heiliger Johannes krönt die Spitze. Ludwigs XII. friedvolle Gemütsart nahm seinem Kardinalminister diese Rivalität nicht wie spätere Fürsten übel, er hat ihm zeitweilig sogar seinen Gärtner abgetreten. Pasello wird auch die Anlage dieser Gärten zugeschrieben, und einer seiner Sippe, die er nach italienischer Sitte aus der Heimat kommen ließ und die größtenteils wie er das Priesteramt mit der Gärtnerei verbanden, Piero da Mercogliano, wurde hier dauernd Gärtner Deville, Comptes de Gaillon, p. LXXXVI.. In der Längenachse, dem Eingangsturm gegenüber, liegt noch ein kleines, zweistöckiges Gartenkasino, das vielleicht ein kleines Wohnappartement enthielt. Nach dem Tale schließt den Garten wieder eine Galerie ab, die mit ihren fünf Eingangstürmen, den giebelgekrönten Fenstern, ein Meisterstück in ihrer Art ist; sie hatte im Innern wohl Festsäle. Durch ihre äußeren Fenster hatte man eine vielgerühmte Aussicht auf den darunter liegenden großen Garten und darüber hinaus auf das anmutige Tal. Hinuntersteigen in den unteren Garten aber konnte und wollte man nicht. Jede Terrasse mußte noch ein abgeschlossenes Ganzes bilden, ohne Rücksicht auf das Schloß oder die andern Gärten, mit eigener Architektur und eigener axialer Anordnung. Um zu dem sehr viel größeren, auf der dritten Terrasse liegenden Garten zu gelangen, mußte man wieder in den Hof zurück und von hier auf verborgenen Treppen herabsteigen. Erst Le Nôtres Zeit hat die verschiedenen Terrassen auch hier durch Rampentreppen verbunden. Dieser tiefste Garten, auch axial nicht auf den oberen gerichtet, war in erster Linie Obst- und Küchengarten Mansart erbaute dort im XVII. Jahrhundert eine Orangerie; Deville, Comptes de Gaillon, p. LXXXIV.. Zwei schöne Berceaux, wie man die tonnenförmigen, aus Lattenwerk hergestellten und grün überwachsenen Gänge nannte, begleiteten den Eingangsweg. Berühmt waren auch hier wieder nächst Blois die 200 Maulbeerbäume, deren Anzucht im XVI. Jahrhundert zu den vornehmsten Aufgaben der Gärtner gehörte. Auch Pfirsiche versuchte man in Gaillon zu ziehen, mußte aber gestehen, daß sie sehr teuer waren. Neben diesem Garten lag der Weinberg. Der terrassenförmig ansteigende Park führt zu einer ganz eigenartigen Anlage, der Eremitage, die aber einer späteren Zeit und einer andern Gartenempfindung angehört.

Gaillon zählt zu den schönsten Blüten der Epoche Ludwigs XII.; um aber die ganze Eigenart der französischen Richtung und ihr Verhältnis zu ihrer italienischen Lehrmeisterin zu sehen, muß man im Auge behalten, daß fast zu gleicher Zeit mit Gaillon Villa Madama erbaut wurde. Hier in Frankreich blieben, dem festen mittelalterlichen Schloßplan entsprechend, auch die Gärten für sich abgeschlossen, ohne Anschluß an das Gebäude, ohne Verbindung untereinander; dort in Italien gestaltet sich die freie heitere Loggia, die Haus und Garten zu einem Ganzen verbindet, die Gartengruppen sind dort, wenn auch noch nicht dem Banne einer einheitlichen Achsenrichtung unterworfen, so doch untereinander mit einer Fülle verschiedener Treppenanlagen verbunden, jede Gruppe ist zusammen komponiert, während in Gaillon der Aufgang von dem Orte her noch so schlecht ist, daß schon Du Cerceau vorschlägt, ihn doch durch ordentliche Treppenaufgänge zu verbessern Deville, a.o.O., p. LXXXIV, glaubt darin schon eine Aufforderung von Du Cerceau I, f. 3 zu sehen, die Gartenterrasse mit Treppen zu versehen, wie sie später Le Nôtre ausführte; doch bezieht sich Du Cerceaus Bemerkung nur auf den Aufgang vom »bourg« zum »château«. Von den Gärten spricht er an dieser Stelle nicht..

Aber Frankreichs Eigenart in seinen Gärten beruht nicht nur in dieser negativen, stärkeren Abgeschlossenheit, nicht in der späteren Zuwendung zu einer Freiheit, die es doch ergreifen und bedeutend anwenden sollte, sondern in der fruchtbaren Gestaltung eines anderen mittelalterlichen Motivs des Schloßbaues, des Wassergrabens. Länger und vor allem künstlerisch bewußter als in irgendeinem Lande hat man hier an dem Typus des mit breitem Laufgraben umgebenen Schlosses festgehalten. Als längst die Wassergräben ihren Sinn als Schutz des Hauses verloren hatten, blieben sie als ein Schmuck der Umgebung, ja, wir werden sehen, wie sogar Neubauten ohne den Zwang eines alten Grundplanes sich dieser Gräben als einer Zierde bedienten, die gerade auch die Gärten stark beeinflussen sollte.

Zwei Schlösser, deren Renaissancegestaltung noch der Zeit Franz' I. angehört, geben ein anschauliches Bild der ersten Entwicklungsphase des Wasserschlosses in Beziehung zu seinen Gärten: Fontainebleau Du Cerceau, a.o.O., II, f. 3. und Chantilly. Das erste war ein uraltes Jagdschlößchen, im Herzen des großen Waldes gelegen (Abb. 317).

Abb. 317
Fontainebleau unter Franz I.

Stich von Du Cerceau

Franz I. erbaute hier das große Schloß, das sich in unregelmäßigem Gesamtplan um eine Reihe von Höfen gruppierte. Der größte Teil der Gebäude ist von einem breiten Kanal umflossen. Ein sumpfiges Wasser in der Nähe des alten Jagdschlößchens ließ der König ausgraben und zu dem riesigen Weiher gestalten, der von einer Seite das Schloß begrenzte. Neben diesem, von Anbeginn bis heute durch seine Karpfen berühmten Weiher führt eine vierreihige Allee vom Schloß zu einem Torpavillon. Auf der anderen Seite dieses schönen, wallartig erhöhten Spazierganges lag links an Stelle des heutigen Parterres der Frucht- und Wiesengarten; nicht nur in der Mitte von breitem Kanal durchnitten, sondern auch jedes baumbestandene »préau« noch von schmalem Kanal umgeben. Auf der andern Seite des Weihers legte Franz den sogenannten Jardin des pins an, augenscheinlich eine Art Wintergarten, hauptsächlich mit Nadelhölzern bepflanzt, zwischen denen nach Du Cerceaus Stich regelmäßige Beete, wahrscheinlich in Buchs ausgelegt, vielleicht mit Nutz- und Küchenkräutern bepflanzt, lagen. Auch hier war nach der Fassade des Schlosses, der Galerie d'Ulysse, ein breiter Kanal gezogen. Am Ende der Galerie vervollständigte eine Grotte, die das Erdgeschoß eines Eckpavillons bildete, dies schöne Gartenbild: zwei schwere Rustikabogen, von Giganten flankiert, die lebhaft an Giulio Romanos Werk im Palazzo del Te erinnern, führen in das Innere, das mit Wasservögeln und Seetieren ausgeschmückt und von Brunnen durchrauscht war Noch 1895 waren Spuren dieser Innendekoration sichtbar; v. Geymüller, Baukunst in Frankreich, S. 420. (Abb. 318).

Abb. 318
Fontainebleau, Grotte des pins

Zeichnung von Hepworth

Der kleine vertiefte Hof davor war als Nymphäum seitlich mit zierlichen Brunnenwänden geschmückt und grün überrankt. Heute ist diese, auch ziemlich verwahrloste Anlage das einzige, was von dem zu einem englischen Park umgewandelten Garten Franz' I. noch vorhanden ist. Der eigentliche Ziergarten aber lag auf der Nordseite des Schlosses, innerhalb des kanalumflossenen Teiles. In vier Quadrate, mit Holzsäulen umgeben, eingeteilt, in Buchs, Blumen und bunter Erde ausgelegt, barg dies Gärtchen als schönsten Schmuck und Mittelpunkt die sogenannte Diana von Versailles, und wahrscheinlich hatte Franz hier auch noch andere Statuen aufgestellt. Eigentümlich ist, daß eine Pergola, die nach der Seite der hier ganz unregelmäßigen Fassade dem Garten eine gewisse Verbindung zum Schlosse geben sollte, nach dem Stich nicht axial zum Garten gerichtet ist.

Das zweite, ungefähr gleichzeitig entstandene Schloß, Chantilly Du Cerceau, a.o.O., II, f. 4. (Abb. 319), liegt auf einem Felsen inmitten eines weiten, sumpfigen, von Wäldern ausgefüllten Tales. Es war das ganze Mittelalter hindurch ein stark befestigter Punkt. Im Jahre 1495 kam der Besitz in die Familie Montmorency, und im Jahre 1524–1532 errichtete der berühmte Connetable Anne de Montmorency hier auf den alten Fundamenten mit Beibehaltung der drei Ecktürme das Renaissanceschloß. Leider geben die Du Cercauschen Stiche keine gute Vorstellung von den Gärten, doch sind sie nach ähnlichen Prinzipien angelegt wie die von Fontainebleau. Die weiten Weiher, die das Schloß umgaben, ließen der Anlage von Gärten neben dem Hause nur einen winzigen Raum. Auf der kleinen Insel neben dem Hauptschlosse wurde etwas später ein Kasino erbaut und vor diesem ein kleines, zierliches Parterre, mit einer Voliere als Abschluß, die dem Gärtchen noch heute den Namen gibt. Größere Gärten legte der Connetable östlich der Weiher neben den Wirtschaftsgebäuden an. Vor einem Ballspielhause, das im XVI. Jahrhundert weder in Frankreich noch in England einem Schloßgarten fehlen durfte, lagen mehrere regelmäßige Beete, daneben eine Grotte, von der sich noch heute Spuren erhalten haben, während auf der anderen Seite eine erhöhte Galerie, »des cerfs« genannt, dieses Parterre abschloß. Die ganze Anlage und Anordnung erinnert lebhaft an den Jardin des pins in Fontainebleau. Und ebenso gemeinsam mit Fontainebleau hat Chantilly den ganzen, in Vierecke eingeteilten Baum- und Wiesengarten, mit kleinen Kanälen umflossen, die hier wie dort jedenfalls die Bewässerung sehr erleichterten. Einzelne dieser Stücke innerhalb der Kanäle waren in Chantilly sogar mit Kornfeldern bestanden. Noch ist der Grundplan ganz unregelmäßig, die Gartenstücke sind einzeln, fast zufällig hier- und dorthin verstreut, überall aber ist das Wasser als breiter Weiher oder schmaler Kanal auffallend reich vertreten, selten schon kunstvoll gestaltet, mehr als Rahmen des Hauses und der Gartenstücke wirkend. Gerade an diesen Schlössern aber sollte eine spätere Zeit die Meisterung des gegebenen Terrains unter einen bedeutenden Gartenplan, in dem das Wasser eine Hauptrolle spielte, erweisen.

Abb. 319
Chantilly im XVI. Jahrh.

Stich von Du Cerceau

Allmählich aber drängte auch in Frankreich die Entwicklung desto mehr zu einer stärkeren Beziehung von Haus und Garten, je mehr beide zu einer symmetrischen Gestaltung des Grundplans gelangten. Ein höchst interessanter Fund der Zeichnung eines Villenentwurfes, den wir nach Geymülles Untersuchungen v. Geymüller, Lionardo da Vinci als Architekt; siehe auch Baukunst in Frankreich, S. 48. Leonardo da Vinci zuschreiben dürfen (Abb. 320), zeigt, wie dieser große Geist auch in dem kurzen, müden Lebensschluß in Frankreich sich noch dem künstlerischen Genius dieses Landes unterwirft und die Entwicklung eines Wassergartens vorausgenommen hat: Das Schloß sollte auf dem Wege nach Amboise liegen, wie die Inschrift sagt.

Abb. 320
Schloßentwurf

Zeichnung von Leonardo da Vinci

In Amboise hatte König Franz dem alten Meister, als er ihn 1516 für sein Reich gewann, in der Künstlerkolonie des Schlößchens du Cloux eine Wohnung bereitet; dort schloß er drei Jahre später seine Augen, und der Schloßkirche von Amboise ward die Ehre, seine Gebeine zu bergen. Der Grundplan der Villa zeigt eine Regelmäßigkeit, wie sie Frankreich in jener Zeit noch nicht anwendet, doch ist das um einen Säulenhof erbaute Schloß von vier Ecktürmen flankiert und von drei Seiten von breiten Gräben umflossen. Eine Brücke führt in einen von einer Portikus umgebenen Wirtschaftshof oder Garten mit zwei Brunnen, und hieran schließt sich, immer genau axial orientiert, ein kanalumflossener Garten, der leider nur angedeutet ist. Wahrscheinlich sollte sich an die andere Seite des Schlosses ebenfalls ein Gartenstück anschließen. Zur Seite dieser ganzen Anlage liegt ein großer vertiefter Weiher, den sich der Meister in antiker Weise als Schauplatz von Wasserturnieren dachte: ein Fingerzeig, daß man die großen Weiher in Fontainebleau, Chantilly u. a., auch zu solchen Zwecken benutzte, was dann ihre enorme Größe erkärt.

Abb. 321
Bury, Gesamtansicht

Stich von Du Cerceau

Ein reizendes kleines Schlößchen, das zuerst den Gedanken durchzuführen sucht, Haus und Garten als Einheit zu begreifen, ist Bury Du Cerceau, a.o.O., II, 7. (Abb. 321). Wenige Meilen von Blois entfernt, ist es heute nur noch eine Ruine. Florimont Robertet, der geschickte Diplomat Franz' I., der mit seinem königlichen Herrn in Bauleidenschaft wetteiferte, erbaute sich das Schlößchen von dem Gelde, das Franz ihm als Belohnung für einen günstigen Vertrag mit der Republik Venedig geschenkt hatte. Er brachte sich aus Italien die künstlerische Anregung, vielleicht auch die Baumeister, mit. Das Ganze bildet ein nahezu regelmäßiges Viereck; aber auch hier wurde ringsum ein breiter Graben geführt, und das mittelalterliche Aussehen wird durch sieben Ecktürme und zwei Tortürme zu beiden Seiten der Zugbrücke festgehalten. Das Tor führt in den Cour d'honneur, der wahrscheinlich mit Rasen ausgelegt war, in der Mitte stand ein seitdem verschollener bronzener David Michelangelos, den Robertet von der Republik Florenz als Geschenk erhalten hatte Henri Cheneau, ein Poet des XVII. Jahrhunderts, erwähnt ihn; Bournon, Les villes d'art célèbres. Blois, Chambord et les Châteaux Blésois, 1908, p. 135.. Ein zweiter Wirtschaftshof liegt neben diesem Säulenhof. Diesen beiden Höfen entsprechen zwei durch einen Gang von Lattenwerk getrennte Gärten. Von der Schloßfassade führen runde Rampentreppen in das Parterre, dessen acht Beete bei Du Cerceau in überaus reichen geometrischen Mustern ausgelegt sind. In der Mitte steht ein zweischaliger Brunnen in achteckigem Bassin, und am Ende, der Treppe gegenüber, liegt eine kleine Kapelle, wie in Amboise über die Mauer hinausgebaut. Sie ist wie ein Gartenhaus dem Plane des Gartens eingefügt, ähnlich wie in dem nahen Blois. Auch die Ecktürme scheinen als Gartenhäuser benutzt worden zu sein. Der zweite Garten, dem Wirtschaftshof entsprechend, ist mehr ein Baum- und Gemüsegarten, ringsum von einer schönen, luftigen Pergola umgeben, die die Mauer der Terrasse krönt.

Abb. 322
Dampierre, Gesamtansicht

Stich von Du Cerceau

Diese Einheit und Kleinheit der Gesamtanlage von Bury läßt kompliziertere Probleme der Gartenentfaltung noch nicht aufkommen. Eine Reihe von Schlössern, die alle um die Mitte des XVI. Jahrhunderts erbaut wurden und die zur Zeit, als Du Cerceau seine Stiche ausführte, zum Teil noch nicht fertig waren, steigen nun schnell zu einer Vollendung des Typus, den wir am besten den Kanalgarten der französischen Renaissance nennen können. Das früheste unter ihnen, Dampierre Du Cerceau, Text II, f. 6. (Abb. 322), bei Boissy an der Seine gelegen, gehörte dem Kardinal von Lothringen, der es einem Bankier abkaufte. Es liegt inmitten eines Waldtales ohne Aussicht, was Du Cerceau ihm als Fehler anrechnet. Dem kleinen, einen quadratischen Hof umschließenden Herrenhause ist das Parterre vorgelagert, das in ein stumpfes Dreieck ausläuft und rings von Galerien mit Ecktürmen eingeschlossen ist. Schloß und Parterre ist von einem breiten, ausgemauerten Kanal umschlossen. Jenseits dieses, in ganzer Breite von Haus und Parterre, liegt ein zweiter großer viereckiger Garten, wieder noch für sich von einem schmalen Kanal umgeben und in regelmäßige gemusterte Beete geteilt. Vier Brücken führen, den Hauptwegen entsprechend, herüber, während der Kanal des Schlosses auffallenderweise gar nicht überbrückt ist. Ein dritter und vierter Kanal trennen, von Alleen umsäumt, diesen Gartenkomplex von dem großen, von regelmäßigen Alleen durchzogenen Baumpark. Auf der anderen Seite des Schlosses liegt, ähnlich wie in dem Entwurf Leonardos angeordnet, ein sehr großer Weiher, wohl außer für Fischzucht auch als Naumachie gedacht.

Diese Vorliebe für die Anlage eines großen Wasserstückes, das dem Garten Weite und ein bedeutsames Gegengewicht schafft, zeigt auch der Garten des Schlosses von Valleri Du Cerceau, a.o.O., I, f. 6. (Abb.323). Das Gebäude selbst bewahrte seine mittelalterlich befestigte Lage auf der Höhe eines steilen Hügels, der auf drei Seiten im Norden von einem baumreichen, von Alleen durchzogenen Parke umgeben ist. Der Garten liegt nach Süden am Fuße des Hügels vom Hause so gelöst, daß er sich nur der eigenen Architektur unterwirft. An drei Seiten ist er von einer Säulenhalle umgeben, die an der einen Schmalseite zwei Eckpavillons flankieren, die, mit aller Bequemlichkeit eingerichtet, auch zum Wohnen dienen konnten (Abb. 324). Die Beete sind in der uns bekannten Weise eingeteilt, je vier von einer niederen Einfassung umgeben. Ringsum läuft eine etwas erhöhte Terrasse, die eine hübsche Übersicht über den Garten gestattet. Die ganze Mitte in der Längsachse nimmt ein breiter, an den Enden abgerundeter Kanal ein, der nach der vierten Seite des Gartens durch einen unterirdischen Abfluß in den großen, das Areal des ganzen Gartens weit übertreffenden Weiher mündet. Steht man auf der Terrasse dieser Seite, so überblickt man den Weiher auf der einen, den ganzen Ziergarten auf der anderen Seite, und sieht über das Dach der Galerie die Baumwipfel des Obstgartens ragen, der dahinter liegt und von drei breiten Kanälen der Länge nach durchschnitten ist. Der Du Cerceausche Hauptplan zeigt noch ein drittes Gartenstück, das ringsum von schmalen Kanälen umflossen ist. Jeder dieser Gärten ist für sich von Mauern umgeben, die keine unmittelbare Verbindung miteinander haben, obgleich sie axial aufeinander gerichtet und durch erhöhte Wege auch in gewisse Beziehung zueinander gesetzt sind.

I Abb. 323
Valleri, Gesamtansicht

Stich von Du Cerceau

n der letzten Zeit von Franz' I. Regierung wuchs mit der Baulust des Herrschers und der Großen seines Reiches auch die Phantasie der Baumeister ins Ungewöhnliche, man scheute vor keiner Aufgabe zurück: Inmitten eines großen Waldes, auf sumpfigem Gebiet, erbaute sich Franz als Jagdschloß sein gewaltiges, türmereiches Chambord Du Cerceau, a.o.O., I, f. 7.. Er umgab es mit Bastionen und Gräben; der Plan ging sogar dahin, ein mächtiges Wasserschloß zu schaffen, dadurch, daß man einen Arm der Loire ableiten wollte. Die Gärten haben zwar nach Du Cerceau niemals der Pracht des Baues entsprochen, dafür war der Park, den der König mit einer Mauer einfrieden ließ, für jene Zeit von unerhörter Größe; das Gebiet, das 1523 abgesteckt wurde, war 5500 ha groß J. de Croy, Nouveaux Documents des Résidences Royales des Bords de la Loire, 1894..

Ein Gegenstück zu diesem stolzen Jagdschloß war ein anderes, viel kleineres Rendezvous de chasse, das sich Franz im Bois de Boulogne erbaute. Der Name »Madrid«, den das Schlößchen bis zu seiner Zerstörung während der Revolution trug, hatte zu allerlei Anekdoten Anlaß gegeben Robert Hénard, Les Jardins et les Squares de Paris, 1911, in der Sammlung: Les Richesses d'art de la ville de Paris, Paris (libr. Laurens), p. 191; Evelyn, Diary, 25. April 1650., gewiß war es eine Erinnerung an Spanien, an des Königs Gefangenschaft daselbst. Und aus Spanien brachte er höchstwahrscheinlich den Gedanken des Schmuckes mit, der die Franzosen mit großer Bewunderung erfüllte. Die Fassade des Schlößchens war reich mit Fayence und Emaillen geschmückt, die den König jedenfalls an die Azulejos erinnerten, mit denen die Spanier ihre Villen und Gärten zierten. Allerdings ließ er die Terrakotten von Girolamo della Robbia herstellen, doch war dieser internationale Kunstaustausch damals etwas ganz Allgemeines. Evelyn besucht dies Madrid 1650, das Material ist nach seinem Bericht meist aus gemaltem Ton, wie Porzellan oder Chinaware, die Farben sind sehr frisch, aber es ist sehr zerbrechlich. Ganze Statuen und Reliefs, Kamine und Säulen, sowohl draußen wie drinnen, sind von diesem Terrakott. Das Haus ist von einem Graben umgeben und hat einen wundervollen Blick auf das Bois de Boulogne und den Fluß. Das chinesische Porzellan, das mehr als ein Jahrhundert einen so großen Einfluß auf Frankreich und auch auf die Villenkunst ausüben sollte, hat wohl auf den Schmuck von Madrid noch nicht eingewirkt. Leider sagt Evelyn nichts und Du Cerceau nur wenig Befriedigendes von den Gärten. Der Zweck aber, zu dem Franz den Bau häufig benutzte, nicht nur als ein Rendezvous de chasse, sondern auch für seine galanten Abenteuer, läßt auf sorgfältig gepflegte, der reizenden Außenseite des Schlosses entsprechende Gärten schließen. Nach wechselvollen Schicksalen erlebte dies Schlößchen noch kurz vor seinem Untergang eine Art Renaissance, als Madame Necker dort ihren vielbesuchten, geistreichen Salon einrichtete.

Abb. 324
Valleri, Hauptparterre

Stich von Du Cerceau

Aus einer phantastischen Laune entstand der Bau eines Schlosses, das einer der Feldherren Franz' I., Thomas Bohier, plante. Auf den Pfeilern einer alten Mühle in den Fluß Cher hinein wuchs das mächtige Schloß Chenonceaux empor Du Cerceau, a.o.O., I, f. 5; P. Vitry, Tours et les Châteaux de la Touraine, Paris 1907, p. 170: Les Villes d'Art célèbres., zugleich ein Zeichen dafür, daß die Vorliebe der Franzosen für Wasserschlösser sich immer weitere Abwechslung suchte. Erst, nachdem das Schloß königlicher Besitz geworden war und Heinrich II. es seiner Maitresse, Diana von Poitiers, geschenkt hatte, wurde von dem Schlosse die lange Brücke nach dem entgegengesetzten Ufer geführt. Die Vollendung des ganzen Planes gehört Katharina Medici an, die nach dem Tode des Gemahls die verhaßte Nebenbuhlerin zwang, ihr dies Schloß abzutreten. Wenig gibt leider der Plan Du Cerceaus für die Lage der Gärten, in deren Schilderungen er so beredt ist. Da aber Chenonceaux heute eines der wenigen französischen Schlösser ist, die wenigstens teilweise ihre Renaissancegärten wiederhergestellt haben, so können wir daraus ersehen, daß auch hier kein Gesamtplan Schloß und Gärten zusammenschmilzt. Die Parterres, die am Flusse, zur Seite eines trapezförmigen Wirtschaftshofes, der nie ganz vollendet wurde, lagen, sind überall von Kanälen umflossen, die sie vom Schlosse einerseits und vom Parke andererseits trennen. Du Cerceau erwähnt jenseits des Flusses noch einen anderen großen Garten, der aber vollständig verschwunden ist. Das heutige große Parterre ist von einer erhöhten Terrasse rings umschlossen, die vielleicht von Pergolen oder Galerien umgeben war, obwohl nach seiner Wiederherstellung im XIX. Jahrhundert jede architektonische Umgebung fehlt, die die Gärten jener Zeit meist zeigen. Hier befand sich nach Du Cerceau in der Mitte eine Wasserkunst, die durch Überraschung wirkte: ein kleiner Kiesel mit einem Loch in der Mitte, das durch einen Holzpfropfen verschlossen war, bildete die unscheinbare Verkleidung eines Wasserstrahles, der zu 6 m Höhe emporsprang, wenn man den Pfropfen entfernte, was Du Cerceau »une belle et plaisante invention« nennt. Auf der anderen Seite, da, wo heute auch ein ähnliches hübsches, vertieftes Parterre liegt, das mit seinen buchsumsäumten Blumenbeeten einen lieblichen Anblick gewährt, schildert Du Cerceau einen Brunnen, der aus einem Felsen kommt – wir müssen an einen künstlichen denken, da die Lage ganz eben ist – der in mehreren Strahlen in ein großes Bassin fließt. Ein Blumenparterre liegt davor, von einer Terrasse umgeben, die ein zierliches Lattenwerk abschließt, während die Futtermauer, wie in dem andern, mit Nischen, Statuen und Säulen verziert ist.

Abb. 325
Anet

Stich von Du Cerceau

Von der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts an ist aber solch eine Sondergestaltung des Gartens abseits vom Hause ohne besondere Not schon eine Ausnahme und auch bei Chenonceaux nur durch den kapriziösen Grundgedanken seiner Lage bestimmt. Frankreich kam zwar später als Italien zu dieser sicheren Behandlung des Gartengrundrisses, aber seine Bedeutung besteht darin, daß es auf selbständigen, immer mehr von Italien unabhängigen Wegen dazu gelangt ist. Eines der schönsten Schlösser seiner Zeit nennt Du Cerceau das Schloß Anet (Abb. 325), das der berühmteste französische Baumeister seiner Tage, Philibert de l'Orme, auf das Geheiß Heinrichs II. auch für Diana de Poitiers erbaute. De l'Orme mußte wohl noch alte Fundamente eines mittelalterlichen Schlosses benutzen, er hat aber hier in Zusammenwirken von Haus und Garten ein architektonisches Bild geschaffen, das sich neben die italienischen gleichzeitigen Meisterwerke stellen darf. Mit völliger Sicherheit weiß er die traditionellen Motive zu gebrauchen und versteht zugleich sie dem Verlangen einer kunstfrohen Zeit und den Bedürfnissen einer kapriziösen Frau anzupassen. Das breite Wasserband des Grabens umgibt Schloß und Ziergarten, wenn sie auch von Mauern, Bastionen und Ecktürmen begleitet sind, nur noch als ein leuchtender Schmuck. Wohl schreitet man über eine Zugbrücke in das Torhaus, dieses selbst aber ist ein heiterer Pfeilerbau, in dessen Lunette Benvenuto Cellinis Nymphe von Fontainebleau eingelassen war. Zu beiden Seiten dieses Eingangs liegen zwei Bosketts, deren schattenspendende Baumwipfel den Eintretenden grüßen und ihn, ebenso wie der Hirsch zwischen den Hunden, der das Tor krönt, mahnen, daß er in das Bereich der Namensschwester der Göttin der Jagd trat, mit deren Maske sich die königliche Freundin so gerne schmückte. Neben dem Haupthof mit seiner lichten Säulenhalle lagen rechts und links zwei andere, in deren Mitte je eine Fontäne stand, die eine war Goujons berühmte Diana. Durch das Mittelportal, dem Torhaus gegenüber, dem einzigen Rest des schönen Baues, der sich noch zu uns gerettet hat Heute im Hof der École des Beaux Arts in Paris. Die Statue der Diana steht im Louvre., trat man in den Garten, der sich vor die ganze Breite der drei Höfe legt. Vor dem Schlosse genoß man auf breiter Terrasse einen schönen Überblick und stieg von hier in den Garten herab, der dreiseitig von einer Rustikagalerie umgeben war, »qui donne au jardin un merveilleux éclat à la vue«, wie Du Cerceau sagt. Zwei Springbrunnen schmückten, auf die Schloßflügel orientiert, die reich angelegten Beete und gaben dem Garten, der um ein bedeutendes breiter als tief war, das nötige Gleichgewicht zweier Zentren. In der Mitte der hinteren Seite erweiterte sich der Kanal zu einem halbrunden Bassin, vor dem ein Gartenhaus sich erhebt, das vielleicht als Bad benutzt wurde. Leider lassen uns für diese weiteren Gartenanlagen Du Cerceaus Zeichnungen im Stich, er berichtet aber, daß sich hinter dem Ziergarten zwei Parks befanden, die ganz voneinander getrennt und für sich eingefriedet waren. In einem lag, außerhalb einer halbrunden Grotte, ein Falkengehege, Vogelhäuser und vor allem die reizende kleine Orangerie, die Du Cerceau auch gezeichnet hat, und die mit ihrer Rustikafassade, den Eckpavillons, der Fontäne inmitten der Beete ein verkleinertes Bild des großen Gartens zeigt. Die einzelnen Abteilungen des Parks nennt Du Cerceau parquet, ebenso wie die quadratischen Beete des Gartens auch, womit also augenscheinlich nur ein viereckiges Gartenstück bezeichnet werden soll. Sie enthielten: »die einen Wiesen, die anderen Gebüsch, wieder andere Bosketts, andere Tiergehege (garennes), Fruchtbäume, Fischweiher, sie waren durch Alleen getrennt und zwischen diesen kleine Kanäle. Kurz, es war hier alles, um einen Ort vollkommen zu machen« Du Cerceau, a.o.O., II, f. 5; Alph. Roux, Le Château d'Anet, Paris 1911, in der Sammlung: Petites Monographies des grands édifices de la France (Paris, libr. Laurens).. Diese Schilderung Du Cerceaus gibt uns endlich ein erschöpfendes Bild eines Parks jener Zeit und erfüllt nun auch die übrigen schematischen Parkzeichnungen auf seinen Stichen mit Leben.

Abb. 326
Verneuil, Gesamtplan

Stich von Du Cerceau

Den Höhepunkt dieser ganzen Stilentwicklung haben zwei Schlösser erreicht, die niemals ganz vollendet wurden und heute völlig vom Erdboden geschwunden sind: Verneuil und Charleval. Für beide sind wir auf die Zeichnungen und Stiche Du Cerceaus angewiesen, die aber, selbst wenn sie nicht ganz in der Weise zu Ende geführt worden sind, doch ihren Platz behaupten, da Du Cerceau aller Wahrscheinlichkeit nach in beiden Schlössern selbst der Baumeister war. In Verneuil Du Cerceau, a. o. O., I, f. 6. (Abb. 326) besaß ein kunstliebender Adliger, Philippe de Boulinvilliers, ein altes Schloß im reizenden Tal der Oise. Er beschloß aber im Jahre 1558, sich auf den Hügeln daneben ein neues zu erbauen. Auch dieses hohe Schloß ist mit Bastionen und Gräben umgeben. Die ersteren dienten als Schloßterrasse und waren nach damaliger Mode wohl mit Mosaik gepflastert, wie wir es von anderen Schloßterrassen jener Zeit in Gaillon und Anet hören W. Lübke, Franz. Renaissance, S. 302 f.. Nach dem Garten zu erhebt sich auf der zum Hofe erweiterten Terrasse noch ein Torbau, eine Exedra, von zwei Pavillons flankiert. Rampentreppen führen in ein vertieftes Parterre, das inmitten seiner sechzehn reichen ornamentierten Beete eine zweischalige Fontäne zeigt. Schmale höhere Seitenterrassen ragen mit ihren Baumalleen als Schattenumrahmung über diesen Blumengarten auf. Wieder steigen Treppen, die an einer verzierten Futtermauer herabgeleitet sind und einen Grottengang umschließen, in ein zweites Parterre, das vielleicht als niederes Boskett angelegt war, vielleicht in Buchshecken eine Art Labyrinth darstellte. Auch hier liegen zur Seite zwei erhöhte, mit dichten Baumwäldchen bestandene Terrassen, die aber, nur ebenso breit wie das Mittelparterre, dem Garten eine bedeutendere Ausdehnung geben. Dieses ganze Gartenstück ist von einem breiten Kanal umflossen, über den vom Mittelparterre aus zwei Brücken zu einer schmalen Terrasse führen, die auf beiden Seiten eine Einfassung von grünumranktem Lattenwerk hat. Ein zweiter Arm des Kanals trennt auch diese schmale Terrasse von der letzten, die den Garten abschließt. In der Mitte ist sie von einem Pavillon überbaut, zu dem die Verbindungsbrücke über den Kanal führt. Auch an beiden Seiten verbinden die beiden letzten Terrassen links eine Pergola mit Pavillon von Lattenwerk, rechts eine Galerie. Höchst imposant muß der Blick von dieser untersten Terrasse über die verschiedenen, wasserumflossenen Parterres bis hinauf zu der überragenden Exedra gewesen sein, und umgekehrt überflog der Blick von der Höhe der Exedra die schönen Gartenanlagen, während zur Seite linker Hand am Fuße des Hügels sich das alte Schloß erhob, auch dieses durch eine Reihe nicht unbedeutender Gartenanlagen, die sich den Hügel hinaufzogen, mit dem neuen Schlosse verbunden.

Abb. 327
Charleval, Gesamtplan

Stich von Du Cerceau

Dieser Bau eines adligen Privatmannes wird, wenn auch nicht durch Mannigfaltigkeit, so doch durch die grandiose Durchführung eines einheitlichen Planes, von dem Königsschlosse übertroffen, das Karl IX. sich in der Normandie zwischen Paris und Rouen erbaute. Es lag in einem Tale, dem er seinen Namen Charleval gab Du Cerceau, a. o. O., XXII, f. 4. (Abb. 327). Wir kennen auch von diesem Schlosse nur die Stiche und Zeichnungen seines Erbauers, wohl nur ein kleiner Teil dieses Planes ist zur Ausführung gekommen, doch begann man meist sofort mit der Anlage der Gärten, um bei der Vollendung des Baues sich gleich des vollen Eindrucks auch der Umgebung zu erfreuen. Auch hier ist der Grundplan des Ganzen durch die Linien der Kanäle, die Schloß und Garten umgeben und durchschneiden, bezeichnet: durch einen von Wasser umflossenen Vorplatz gelangt man über eine Zugbrücke in den großen Wirtschaftshof, der von vier kleineren Höfen umgeben ist. Das darauf folgende Schloßviereck hat zu beiden Seiten je ein Gartenparterre, die als giardini secreti behandelt sind. Sie sind von drei Seiten von Galerien umgeben, nach der Schloßfassade zu von zwei schönen Pergolen gesäumt. In der Mitte der Gartenschloßfront liegt ein sehr großer Gartensaal, von dem hufeisenförmige Treppen auf einer Brücke über den dritten Kanalarm und in das ausgedehnte Gartenparterre führen. Dieses ist nicht nur von Kanälen umflossen, sondern auch wieder in der Mitte durch vier kanalartige Bassins getrennt. Der Mittelweg ist von Laubengängen eingefaßt. Auf jeder Seite sind je vier Ornamentbeete durch einen Brunnen zusammengehalten, während Bosketts zur Seite nach den Arkaden, die ringsum an den Kanalrändern entlang laufen, dem Garten den Rhythmus von der Buntheit des Parterres zu den ernsteren Schattenmassen geben. Ähnlich ist auch das Gartenstück hinter den vier Querbassins behandelt, nur die Brunnen fehlen, eine der Abteilungen ist als Labyrinth angelegt. Das untere Ende des Gartens ist zu einem großen länglichen Platz gestaltet, den im hinteren Teil der Kanal in halbrunder Ausbuchtung umfließt. Dieser Platz ist durch mehrere Arkadenreihen markiert, in der Mitte sollte sich wohl ein kleiner Pavillon erheben. Dieser prächtige Garten sollte nun, wie Du Cerceau berichtet, nach des Königs Plan nur eine Hälfte bilden. Auf der andern des Oblonges sollte ein ebenso großer Ziergarten angelegt werden. Du Cerceau durfte mit Recht diesen Plan »eines Monarchen würdig« nennen; »wenn dieses Gebäude fertig geworden wäre, so wäre es das erste von Frankreich geworden«. Mit dem Entwurf von Chaleval hat die französische Gartenkunst in Verbindung mit dem Schloßbau die erste Stufe ihrer Vollendung erreicht. Die Tradition mittelalterlicher Motive wirkt hier – ganz anders als in Italien – allmählich umgestaltend ununterbrochen fort, bis aus dem festen mittelalterlichen Wasserschlosse diese grandiose Renaissanceschöpfung in ihrer Einheit von Haus und Garten entstand.

Abb. 328
Montargis, Gesamtansicht

Stich von Du Cerceau

Aber auch abseits von dieser geraden Entwicklung zeugen verschiedene Gärten jener Zeit von dem großen Können der Baumeister. In den Gärten von Montargis Du Cerceau, a. o. O., I, f. 5. (Abb. 328) schien die Schwierigkeit einer regelmäßigen Anlage fast unüberwindlich. Als Renée, Ludwigs XII. geistvolle Tochter, nach dem Tode ihres Gemahls, Herkules II. Este, Ferrara 1560 verließ, ward ihr Montargis als Witwensitz angewiesen. Sie fand auf steiler Bergkuppe innerhalb der türmereichen Umfassungsmauern ein verwahrlostes, unregelmäßiges Schloß mit zwei kleinen Gärtlein, ein Stückchen vergessenes Mittelalter. Aber Renée war gewillt, nach der Zeit der Bitternis und Knechtschaft, die sie durch die Anfeindungen einer verhaßten Kirche in Italien erlitten hatte, nun in der geliebten Heimat zu einem Mittelpunkte der protestantischen Gesellschaft zu werden. Die Freundin und Schützerin Calvins, die Goethe durch den Mund ihrer Tochter Leonore so hoch preisen läßt, war nicht nur »in Wissenschaft und rechtem Sinn, in dem keine ihrer Töchter ihr jemals gleichkam«, eine der ersten Frauen ihrer Zeit, sondern auch der Kunst ward sie Schützerin und Freundin. Der Gartenkunst vor allem war sie schon von ihrem italienischen Aufenthalt her geneigt. Sie berief Du Cerceau zu sich, damit er ihr Schloß umbaue und die Gärten anlege. Und in seltsam phantastischer, für die gegebene Lage genialer Weise hat sich Du Cerceau dieser Aufgabe entledigt. Er legte die Gärten in zwei konzentrischen Terrassen um die halbkreisförmigen Schloßmauern, die trotz der steilen Höhe von einem wasserreichen Graben umgeben waren. Auf der ersten halbrunden Terrasse lag der Ziergarten, in zwei Beetreihen angelegt, die in der Mitte mit Buchsornamenten und Blumen, nach den Seiten mit Bosketts bestanden sind, die von Zeit zu Zeit durch Laubengänge aus Lattenwerk (Abb. 329), Berceaux, unterbrochen werden. Der starke Niveauunterschied dieser durch sehr hohe Stützmauern gehaltenen Terrasse ist durch kleine Querterrassen ausgeglichen. An zwei Stellen führen geneigte Wege zu der zweiten Terrasse, sie sind mit prächtigen hölzernen Pavillons und gewölbten Gängen eingefaßt, an denen der Schreiner sein Meisterstück geleistet hat. Diese zweite Terrasse enthält die Gemüse- und Obstgärten, die in strahlenförmig angeordneten Alleen und trapezförmigen Beeten in völliger Regelmäßigkeit den Fuß des Hügels umlagern.

Abb. 329
Montargis, Treillage im Schloßgarten

Stich von Du Cerceau

Von etwas zu schematischer Symmetrie war der große Garten, den sich Katharina Medici bei dem königlichen Lustschloß bei Paris, den Tuilerien, anlegen ließ. Katharina hatte sich das Schloß von Philibert de l'Orme erbauen lassen, den Garten aber ringsum mit einer Mauer umgeben, so daß er zum Schlosse, von dem ihn außer dieser Mauer noch eine Straße trennte, in keine wirkliche Beziehung treten konnte, trotzdem er axial auf dieses gerichtet war Hénard, Les Jardins et les Squares de Paris, 1911, p. 9 ff. (Abb. 330). Die völlige Ebene des Terrains und die sehr geringe Verwendung des Wassers machen diesen Garten in seiner ersten Anlage sehr uninteressant; die Besucher fesselte der Echoplatz am Ende des Gartens, ein halbrunder Abschluß, wo die Stimme an bestimmten Stellen bald aus den Wolken, bald unter der Erde herauszukommen schien Evelyn, Diary, 8. Febr. 1644.; außerdem befand sich ein Labyrinth und eine Sonnenuhr in den Bosketts, vor allen Dingen aber eine Grotte, ein Meisterwerk Pallissys, von der noch die Rede sein wird. Erst unter Heinrich IV. erhielten die Parterres eine bedeutendere Zeichnung. Dieser König pflanzte auch die großen Maulbeeralleen an den Seiten des Gartens. Seine völlige Bedeutung wurde ihm erst in einer weit späteren Zeit, in der großen Periode des französischen Gartens unter Ludwig XIV.

Abb. 330
Tuilerien, Plan der Gärten

Stich von Gomboust

Wenn auch seit der Mitte des XVI. Jahrhunderts äußerste Regelmäßigkeit des Grundplans zur notwendigen Bedingung jeder Anlage wurde, von der man nur unter dem Zwang der praktischen Not abweichen durfte, so konnte man innerhalb dieser Grenzen der Phantasie der Erfindung jede Freiheit gönnen. Jede geometrische Form schien möglich, sei es ein Dreieck, wie in Azay-le-Rideau, sei es ein Fünfeck, wie in dem reizenden kleinen Schlößchen von Maune Du Cerceau, a. o. O., I, f. 5., das wie eine Miniaturausgabe von Caprarola anmutet. Der Plan scheint fast mit dem Zirkel hergestellt, so regelmäßig schließen sich Kreise und Verbindungslinien zusammen. Nur an einer Seite liegt ein hübscher kleiner Garten, der von der Hausfront mit einem vertieften Bassin eingeleitet wird. Bei den großen Idealentwürfen, die die Baumeister in ungehemmter Phantasie auf das Reißbrett brachten, sind solche Zentralbauten in allen geometrischen Gestalten sehr beliebt, besonders De l'Orme und Du Cerceau sind darin fruchtbar, letzterer läßt sie häufig von allen Seiten »de toute sorte de jardins« umgeben sein, die er dann einzeln als giardini secreti behandelt v. Geymüller, Les Du Cerceaux, leur vie et leur œuvre, Paris 1887. Die Originale der Stiche in Paris, Cabinet des estampes, und Brit. Museum, letztere ed. von W. H. Ward, French Chateaux and Gardens in the XVI th Century, a Series of Reprod. of Drawings hitherto unpubl. by I. A. Du Cerceau..

Den künstlerischen Phantasien der Architekten kamen noch die Schilderungen der Dichter entgegen. Ein Sechseck von äußerster Regelmäßigkeit, mit Türmen in den Ecken und rings von Wassergräben umgeben, hatte schon Rabelais in seiner Thelemitenabtei erdacht. In dieser völligen Harmonie der Teile zum Ganzen, in dem Zusammenwirken von Zahl und Rhythmus, wollte er ein Abbild und eine Grundlage geben für das Zusammenleben und die gegenseitige Erziehung freier Menschen, die den Impuls zur Harmonie in keinem Zwang, sondern in dem freien Willen, in ihrem obersten Grundsatz »fais ce que tu voudrois«, fanden Rabelais, Gargantua, chap. LV u. LVII.. In der Mitte des Hofes erhebt sich der Dreigrazienbrunnen, jene Frauengestalten, die aus Brust, Mund, Augen, Ohren und anderen Leibesöffnungen Wasser strömten. Gärten sollen an allen sechs Teilen des Schlosses liegen, an einer Seite, dort, wo die Loire vorüberfließt, erstreckt sich der Ziergarten, in seiner Mitte das Labyrinth. Im Fruchtgarten an einer anderen Seite waren die Obstbäume genau im Quinkunx gepflanzt. Im Park, weiter um das Schloß gelagert, fehlten nicht die Bäder, die Tierzwinger, das Hippodrom, das Theater, die offenen und bedeckten Räume für das Ballspiel, die Zielscheibe für das Bogenschießen, Anlagen, die wohl zum Teil in den Parks damals wirklich angetroffen wurden, oder die der Kenner des Altertums noch vervollständigt hat. Rabelais gibt für die wirklichen Anlagen der einzelnen Gärten nur Andeutungen, alles Einzelwerk dient ihm nur dazu, den Grundcharakter seiner idealen Erziehungsanstalt hervorzuheben.

Ganz anders eingehend verweilt gerade bei der Anlage eines Gartens ein anderer Utopist der französischen Renaissance, Bernard Palissy, der berühmte Töpfer und Kunsthandwerker. In seinem kleinen Schriftchen, das den seltsamen Namen führt »Wahrhaftes Rezept, durch das alle Menschen Frankreichs lernen können, ihre Schätze zu vermehren«, schildert er »einen köstlichen Garten, so schön, wie es keinen zweiten auf der Welt gibt, außer dem irdischen Paradies« Palissy, Recept véritable par laquelle tous les hommes de la France pourront apprendre à multiplier et augmenter leur trésors, p. 75 ff.: Les Oeuvres, éd. Anatole France, 1880.. So lautet es in der Widmung an den Herzog von Montmorency. Palissy hatte in dem Vater, dem großen Connetable, der seine aufständische Vaterstadt belagerte, einen dauernden Beschützer gefunden, trotzdem er zu ihren eifrigsten Verteidigern gehört hatte. Montmorency erst ermöglichte Palissy, seine vielseitigen Talente zur Entfaltung zu bringen. Der Connetable hatte damals gerade sein Schloß in Ecouen vollendet, das er sich in den Zeiten der Verbannung erbaut hatte. Er trug nun als erstes Palissy auf, ihm in dem Garten dieses Schlosses eine Grotte anzulegen. Die Grottenleidenschaft hatte sich von Italien bald nach Frankreich verbreitet. Dort blühte sie schon im Anfang des XVI. Jahrhunderts. Ihr Gemeinsames bestand in dem »grotesken« Schmuck, mit dem man bald Erdgeschoßzimmer, bald eigens aufgerichtete freistehende Bauten, bald in die Erde gehende Räume, diese meist unter den Terrassen, versah. In Frankreich begann man damit etwas später. Ein frühes Beispiel ist die noch erhaltene Grotte des pins in Fontainebleau. Um die Mitte des Jahrhunderts mußte aber jeder Garten, der auf Bedeutung Anspruch machte, mindestens eine solche Grotte besitzen. Da galt es für die Künstler, immer neue Ideen für den Schmuck erfinden.

Eine besondere Berühmtheit erlangte die Grotte von Meudon, als sie Ronsard bei den Vermählungsfeierlichkeiten von Claude de France, einer Tochter Heinrichs II., mit dem Herzog von Guise, besang. Das Schloß war schon unter Franz I. begonnen worden, aber erst Philibert de l'Orme hatte es vollendet im Auftrage des Oheims von Jean Guise, des ersten Kardinals von Lothringen aus dieser Familie. Der Kardinal, dessen Freigebigkeit und Prachtliebe sprichwörtlich war, hatte sich diesen Fürstensitz erbaut und schöne Gärten angelegt, von denen jedoch wenig Einzelnes bis auf die Grotte bekannt ist. Diese lag neben dem Schlosse, im rechten Winkel mit einem schönen Parterre, erhöht über der späteren Orangerie (Abb. 331). Die Grotten waren häufig, noch bis in die Zeit Ludwigs XIV., der Schauplatz für die Theateraufführungen in den Gärten, bis dann später die festen Naturtheater geschaffen wurden. Auch Ronsard kommt mit seinem Freunde, beide als Hirten, zu der Grotte, in deren emaillierter Höhle den Musen eine Wohnung geschaffen ist. Sie bewundern das schöne Gebäude, den Plan, die Rustikasäulen, die Muscheln, mit denen der Eingang geschmückt ist. Sie erblicken verschiedene Räume und Terrassen (wohl erhöhte Umgänge), den Schmuck der Festons und Arabesken und des bunten Emails, das den Farben einer Wiese gleicht, die im Sommer von Blumen übersät ist.

Abb. 331
Die Grotte von Meudon, das Parterre aus der Zeit Louis XIV.

Nach. Ed. N. Langlois

Palissy hat die Grotte von Meudon nicht erbaut, er arbeitete damals in Ecouen, doch galt er bald als der Meister dieses dekorativen Stils, und seine Grotten, die er wirklich ausgeführt oder in seinen Schriften geschildert hat, zeigen in der Tat die Vollendung des von Ronsard geschilderten Stiles Ronsard, Eglogue III.. Bald nachdem er seine Arbeit in Ecouen vollendet hatte, wurde er von Katharina Medici nach Paris berufen, wo er sein Meisterwerk auf diesem Gebiete begann, die große Grotte im Tuileriengarten, die auf einer Insel lag; vier große emaillierte Brücken führen zu ihr herüber Louis Andiat, Bernard Palissy: Étude sur sa vie et ses travaux, p. 115.. Weder von der Grotte noch den Brücken ist eine Spur geblieben, sie ist wohl niemals ganz fertig geworden, schon unter Heinrich IV. war sie ganz zerstört. Auch von der Grotte von Ecouen haben wir nur unbestimmte Nachrichten. Dafür ergeht sich Meister Palissy auf das eingehendste in dem Garten, den seine Phantasie sich schafft, »um sich darin zurückzuziehen und zu erholen in Zeiten der Zwietracht, Pest, Epidemien und anderer Heimsuchungen«, über die Anlage der Grotten. Die Lage des Gartens ist eben, zu Füßen eines Hügels und Felsens, der von Nord und West die bösen Winde abhält und ihm das nötige Wasser liefert, und zugleich wie wir hören werden, zum Anlegen der verschiedensten Grotten dient. Palissy hat sein Werkchen 1563 herausgegeben, schrieb es aber noch in einer Zeit, wo man in Frankreich eine völlig ebene Lage am Fuße eines Hügels als die allein mögliche ansieht, »wo man noch alle Erhöhungen und Hänge im Garten mit großen Kosten abtragen ließ« Palissy, Les Oeuvres, p. 21.. Palissy versichert eifrig, daß es mehr als 4000 vornehme Wohnhäuser in Frankreich gäbe, für die es ein leichtes wäre, eine so gewünschte Lage zu finden. In seinem Garten aber wird das Wohnhaus gar nicht erwähnt. Dieser ist ein ganz in sich geschlossenes Viereck, das in den Hauptzügen seines Planes nicht über den mittelalterlichen hinausgeht. Zwei Hauptalleen durchkreuzen ihn und teilen ihn in vier gleiche Quadrate. An den Enden der Hauptalleen, in den vier Ecken des Gartens und in seinem Zentrum sind Grotten angebracht, neun an der Zahl; zu dieser kommt dann noch eine zweistöckige Reihe von Gemächern, die in den begrenzenden Fels hineingeschnitten sind. Die unterste ist als eine Art Fruchtspeicher behandelt, die obere aber, vor der ein Balkon mit Balustrade läuft, ist, dem Genuß des Gartenbesitzers angepaßt, als kühler, luftiger Aufenthalt gestaltet. Die Richtung von Palissys damals so ganz auf die täuschende Wiedergabe natürlicher Formen gerichteter Phantasie zeigt sich in dem Vorschlage, auf diesem Balkon menschliche Gestalten anzubringen, auf das Geländer gelehnt und von so täuschender Wirkung, daß die Besucher ihnen ihre Reverenz machen. Palissy war ein Experimentator auf allen Gebieten; dieses Experiment erinnert an Gemälde, wie sie Mantegna an die Decke der Camera degli sposi der Gonzaga in Mantua malte. Doch ist diese Schilderung bedeutsam, weil sie zuerst in den Garten die realistischen Gartenfiguren einführt, die vom XVII. Jahrhundert darin eine große Rolle spielen. Die acht Grotten, die den Garten einschließen, sollen mit Amphitheatern, also wohl halbrunden Plätzen, umgeben sein, die vier an der Ecke sollen den Eindruck von Felsenhöhlen machen, vorne sind sie von Säulen oder grimassenschneidenden Hermen gestützt. Auf dem Architrav werden Inschriften angebracht, die das Lob der Weisheit singen, die allein Gott wohlgefällig ist; so sprach sich die Renaissancegesinnung des frommen Hugenotten aus. Das Innere der Grotten ist durchweg auf das reichste mit Email in allen erdenklichen Farben geschmückt, dessen Herstellung zu einer einheitlich spiegelnden Masse genau geschildert wird: durch ein großes Feuer im Innern habe er die Farben ineinanderfließend zu herrlichem Irisieren gebracht. Dieses Email wird nach der von ihm so vollendet gehandhabten Technik mit allerlei naturalistisch gestalteten Tieren geschmückt. Aber auch Palissy hatte hierin schon ein Vorbild in seinem Lieblingsbuch, das er nie von sich ließ, dem »Traum des Polifilo«, gefunden. Auch dort ist eine solche Grotte geschildert, in der Eidechsen und Fische so natürlich in Farben und Bewegung gebildet sind, daß man glaubt sie wirklich zu sehen Polifilo (Fr. Colonna) Hypnerotomachia.. Ähnlich wollte Palissy auch in einer anderen Grotte, die er für die Königin-Mutter entwarf, also wohl die der Tuilerien, von außen und in dem umgebenden Kanal Tiere von täuschender Naturwahrheit anbringen. Wenn nun bei diesen vier Eckgrotten das Äußere durch Bepflanzung und Gesträuch, durch künstlich herabrieselndes Wasser, bemooste Steine usw. möglichst einem natürlichen Felsen gleich gestaltet werden sollte, »so daß man darunter keine menschliche Wohnung ahnte, wenn man von oben auf den Felsvorsprung trat« Palissy, Oeuvres, p. 78., so waren die Grotten am Ende der Alleen anders gestaltet. Diese wollte er aus Ulmen machen, deren Stämme als Säulenschäfte dienten und deren Blätter und Zweige zu kunstvoll gestalteten Pavillons mit Fenstern, Friesen und Dach gezogen werden sollten. Solch ein Baumverschnitt kommt ihm mit Recht als etwas allgemein Gebrauchtes vor, auch hat er in vielen Gärten zum mindesten niederes Gebüsch in Gestalten von »Kranich, Hahn, Gans und anderen Tieren, in anderen Gärten Reiter und Fußvolk mit verschiedensten Waffen, Buchstaben und Sinnsprüchen« Palissy, Oeuvres, p. 87. verschnitten gesehen. Das Innere ist aber auch hier eine emaillierte Grotte. Das Zentrum endlich bildet ein aus Pappeln gezogener Pavillon, an der Spitze der Dachwölbung ist eine Art Windorgel angebracht, in der Mitte des Kabinetts steht ein steinerner Tisch, ringsum sind grüne Hecken und Sitze angebracht, von außen umgibt ihn eine Volière, aus Lattenwerk und einem Netz von Kupferdraht geformt, vier Türen, den Alleen entsprechend, führen hinaus. Diese ganze Zentralanlage liegt auf einer kleinen Insel, die von einem Bächlein gebildet ist, das, von dem Felshügel herabgesammelt, als fließendes Wasser den Garten durchströmt. Ganz auffallend ist in diesem Garten, den eine genial schwärmerische Töpferphantasie erdacht hat, die geringe Verwendung des Wassers. Palissy kennt es nur als fließendes Bächlein, und auch nur in der Weise eines Kanals. Man muß sich nur erinnern, welchen Überreichtum an Motiven das Wasser damals dem italienischen Garten gab. Von der weiteren Bepflanzung des Gartens wird wenig gesagt, ringsum läuft ein bedeckter Gang, das ist alles. Und doch wehrt Palissy heftig die Auslegung ab, als wäre sein Garten nur ein Traum, wie der des Polifilo. An einer Stelle gibt er allerdings zu, daß er einen Garten träume, »wo die Heiligen als Schäfer leben«, aber dieser Garten soll ausgeführt werden und ein Vorbild für viele sein.

Auch die literarische Stimmung, die dies Werkchen Palissys durchzieht: eine Vermischung religiöser Empfindung mit solcher, die im Vergnügen Quelle und Endzweck sieht, findet in wirklichen Schöpfungen jener Zeit ihren Ausdruck. Du Cerceau bewahrt in der Eremitage von Gaillon ein Musterstück einer Anlage dieser Art Du Cerceau, a. o. O., I, f. 3; Deville, Comptes de Gaillon, p. LXXXVIII. (Abb. 332). Am Ende des terrassenförmigen Parkes, der sich westlich von den Gärten erstreckt, erbaute in den 60er Jahren der Kardinal Bourbon jene »Chartreuse abondant en tout plaisir«. »Wenn man«, schildert Du Cerceau, »von dem oberen Garten durch den Park bald auf Terrassen, bald durch überdeckte Baumalleen immer mit dem Blick auf das schöne Tal wandert, gelangt man zu einer kleinen Kapelle und einem kleinen Hause mit einem Einsiedlerfelsen inmitten eines Wassers, in quadratischem Bassin eingeschlossen, ringsumher mit kleinen Wegen zum Lustwandeln. Um dort hineinzugelangen, muß man eine Schaukelbrücke überschreiten. Daneben sieht man ein Gärtlein, darin sind auf hohem Sockel 3–4 Fuß hohe Statuen, allerlei Allegorien darstellend, aufgestellt, dabei mehrere Berceaux mit Grün bezogen, es ist dieser Ort der Eremitage sehr hübsch und anmutig und so voll Vergnügen, wie sich nur irgendeiner finden läßt.« Es ist schon bei der spanischen Entwicklung vorausdeutend auf diese erste Eremitage in einem Garten, die zugleich ausgesprochen dem Vergnügen gewidmet ist, hingewiesen. So spielerisch die ganze Anlage ist, soll ihr dabei der religiöse Charakter wohl bewahrt bleiben; es wohnte auch ein wirklicher Geistlicher in dem Häuschen, und der Erbauer hatte sich in der Eremitage gewisse Herrenrechte vorbehalten, er erhielt im Hause »ein Gericht Fleisch, zwei Krüge Wein, zwei Brote und den ersten Tanz nach dem Hochzeitsessen« Deville, Comptes de Gaillon, p. XXVI.. Etwas Ähnliches waren ja auch die Kapellen in Blois und anderen Gärten, nur hatten diese Oratorien noch ein ernsteres Aussehen. Im Park von Chantilly waren sogar sieben Kapellen erbaut, die der Papst alle mit Ablaßrechten begabt hatte. Mit der Eremitage aber war der lieu de plaisance im Park von Gaillon noch nicht vollendet. Von dem Einsiedlerfelsen führte ein breiter gemauerter, mit Balustraden eingefaßter Kanal zu einem kleinen Lusthäuschen, das der Kanal wieder rings umfließt. Der überreich ausgeschmückte kleine Marmorpalast, das weiße Haus genannt, enthält in seinem arkadenumgebenen Untergeschoß einen großen, mit Nischenfontänen geschmückten Gartensaal. Rings umgeben ihn die Baumwipfel des Parkes. Der Kanal ist auf einer Seite von einer nischen- und balustradengeschmückten Futtermauer, auf der anderen Seite von einem zweiten Kanal begleitet, dessen Enden kreisförmig auslaufen. Leider hat dies bewegliche Volk der Franzosen ebenso leicht zerstört wie geschaffen. Oft schon hat die nächste Generation, ja nicht selten der Erbauer selbst, solche Anlagen verfallen lassen oder geändert. Darum bleiben uns heute, um solche doch nur schematisch wirkende Stiche Du Cerceaus zu beleben, nur gelegentliche Schilderungen oder Analogien zu dem an Renaissanceanlagen so überreichen Italien.

Abb. 332
Gaillon, Eremitage und Maison blanche

Stich von Du Cerceau

Mehr aber noch zur lebendigen Anschauung der gärtnerischen Wirkung dieser von Architekten entworfenen Pläne dienen die Werke der Gartentheoretiker, die am Ende dieser Periode den reichen Abschluß dieser Entwicklung bilden und zum Teil auch schon in eine neue Zeit hinüberweisen. Die Wirksamkeit aller dieser Männer, Olivier de Serres, Mollet und Boyceau, gehört der Zeit Heinrichs IV. an, unter dem die Gartenkunst einen erneuten Aufschwung nahm. Sie rühmten sich alle, Henry le Grand glücklichen Angedenkens gedient zu haben, der, wie es in einer Widmung heißt, »selbst pflanzte und pfropfte, woran, ihn nachahmend, auch heute (1652) noch die großen Herren und Prinzen von Frankreich ein besonderes Vergnügen haben« André Mollet, Le Jardin de Plaisir 1651: Au Lecteur.. Der früheste unter ihnen war Olivier de Serres, dessen großes Werk »Le Théâtre d'Agriculture« zuerst 1599 und dann in häufigen Auflagen erschien. Das sechste Buch dieses Werkes, das besonders auf die Entwicklung der Landwirtschaft in Frankreich großen Einfluß gehabt hat, beschäftigt sich mit dem Garten Olivier de Serres, Le Théâtre d'Agriculture, Genève 1651, Livre VI, 1, p. 444.. Er möchte die Gärten in Küchen-, Blumen-, Medizinal- und Obstgärten eingeteilt haben, wozu dann noch die Weingärten kommen. Man sieht schon aus dieser Einteilung, daß ihn in erster Linie die Kultur der Gärten interessiert und er für den künstlerisch-architektonischen Gedanken wenig übrig hat: Küchen- und Obstgärten, von den Weinpflanzungen gar nicht zu sprechen, sollen daher auch räumlich die andern weit übertreffen; doch da, wo er im X.–XII. Kapitel den Blumengarten, »Bouquetier«, bespricht, legt er doch die architektonische Gestalt seiner Zeit zugrunde und füllt vor unsern Augen die Parterres mit Blumen und Pflanzen aus. Er verlangt völlige Symmetrie der Anlage und Bepflanzung dieses Parterres; diesen Namen führen die Blumenmuster des Gartens von nun an ausschließlich, hergeleitet von partiri einteilen, im Gegenteil zu den hochgepflanzten Bosketts. Dabei aber soll größte Mannigfaltigkeit in der Aufeinanderfolge der Muster und Bepflanzung herrschen. Zur Umrandung der Parterres gebrauchte man wohlriechende, niedere Sträucher, wie Lavendel, Thymian, Minze, Mariolan und eine große Reihe anderer. Am Ende des Jahrhunderts aber drang mehr und mehr der Buchs, der sich durch seine immergrüne Dauerhaftigkeit empfahl, an die Stelle der anderen. Das Innere der Muster wurde mit niederen Blumen, wie Veilchen, Levkojen, Nelken, Stiefmütterchen und Maiglöckchen, bepflanzt; eine große Reihe der heute wieder unsre Beete füllenden, alten Arten, mehr als zwanzig, zählt de Serres auf. Noch spielen fremde, eingeführte Pflanzen, selbst Zwiebelgewächse, in den eigentlichen Gartenparterres eine geringe Rolle. Außen herum streute man, um dies bunte Bild noch mehr zu heben, farbige Erde, die mit Kunst ausgewählt werden mußte, um alles zusammenstimmend zu machen. Die höher wachsenden Stauden sollen als Einfassung der Wege gepflanzt werden, doch verwirft er jede Mischung und will bei aller Abwechslung der einzelnen Stücke nur je eine Sorte zusammenpflanzen. In die Ecken der Figuren möge man Zypressen pflanzen, während er andere Bäume mit breitem Laubdach als die Muster störend ablehnt. Der Buchs eignet sich auf das schönste zu allerlei Verschnitt, man kann ihn zu Sitzen, Bänken, Gebäuden, Pyramiden, Säulen, Menschen und Tieren, je nach der Geschicklichkeit der Gärtner, gestalten. Doch ist im Parterre immer die Hauptsache das Zusammenstimmen und die Übersichtlichkeit; eine Zypresse in der Mitte wirkt wie die Nadel einer Sonnenuhr; statt der Baumpyramide kann man auch Statuen aller Art, Obelisken, Säulen, Pyramiden von Marmor, Jaspis und Porphyr, im Parterre aufstellen. Solch ein Parterre ist vor allem dazu da, von oben betrachtet zu werden, daher ist es gut, wenn man nicht nur vom Hause, sondern auch von umgebenden Terrassen darauf schauen kann, wie es König Heinrich so schön in seinem Tuileriengarten gemacht habe, indem er eine Terrasse, mit Maulbeeralleen bepflanzt, um das Parterre geführt habe. Die merkwürdigsten Kapitel dieses Buches aber sind das XIV. und XV. über die Anlage der medizinischen Gärten. Das wissenschaftliche Interesse an der Botanik hatte in Italien schon um die Mitte des Jahrhunderts zu der Gründung botanischer Gärten an den Universitäten in Padua und Pisa geführt, jetzt, um die Wende des Jahrhunderts, sollte auch Nordeuropa folgen. Schon im Mittelalter war ja die Pflege der Pflanzen um ihrer medizinischen Kräfte willen Hand in Hand gegangen mit der Freude am Duft und der Schönheit der Blüten. Wie aus und mit dem medizinischen sich der Blumengarten entfaltet und bis tief in die Renaissance auch in Italien sich der Name giardino dei semplici erhalten hat, wurde verschiedentlich berührt. Mit dem unerhörten Aufschwung, den die Botanik vor allem durch die Einführung ausländischer Pflanzen machte, wurden diese medizinischen Gärten, ohne ganz ihren ursprünglichen Zweck aus den Augen zu lassen, zu botanischen Gärten. Umgekehrt wie in Italien ging in den nördlichen Ländern der Gründung von öffentlichen botanischen Gärten, die nach rein wissenschaftlichen Interessen angelegt wurden, die der privaten voraus. Während der Pariser Jardin des plantes erst im Jahre 1632, fast ein Jahrhundert später als in Italien, gegründet wurde, hören wir in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und England von einer ganzen Reihe privater botanischer Gärten, die einen großen Ruf hatten. Meist verstand man darunter, daß die Besitzer in ihren Blumengärten ausländische Pflanzen einführten und kultivierten. Olivier de Serres aber, in seiner Vorliebe für eine reinliche Scheidung der einzelnen Gärten, rät dem »Hausvater«, neben dem Blumengarten noch einen medizinischen anzulegen, »denn dadurch sind Heilkräuter und ausländische Pflanzen, die sehr selten, ausgezeichnet durch große Nützlichkeit und Dienste und unsern Hausvätern ganz unbekannt waren, bei uns einheimisch geworden«. Für diese botanischen privaten Gärten bestimmt er nun künstliche Hügel O. de Serres, a. o. O, ch. XV, p. 538–40. (Abb. 333), er glaubt, damit Raum und Kosten zu sparen und zugleich, da man alle vier Seiten des Hügels zur Verfügung hat, den Pflanzen die nötige Abwechslung des Standortes zu geben. Olivier de Serres wird ja die Schneckenberge in den Gärten gekannt haben, wenn er sich auch auf den Turm zu Babel und den alexandrinischen Pharos beruft. Seine Grundpläne geben dem künstlichen Hügel sowohl eine runde, wie eine viereckige Gestalt, dessen unterste Futtermauern Gelegenheit zur Anlegung von Grotten geben. Er erinnert hier nicht an Diodors Schilderung der hängenden Gärten der Semiramis, aber sein Stich mit den seitlichen Treppenaufgängen, der Plattform auf dem Gipfel, den Grotten in den Futtermauern, könnte als eine Miniaturillustration jener gewaltigen Bauten gelten. Wie weit Olivier mit diesen Plänen durchgedrungen ist, meldet keine Quelle; immerhin war der Einfluß seines Buches so groß, daß man erwarten kann, daß mancher Hausvater den Versuch einer solchen Anlage gemacht haben wird. Allerdings bezog sich sein Einfluß mehr auf das, was er erstrebte, eine Verbesserung des Ackerbaues und der Landwirtschaft, als die eigentliche Gartenkunst. Bei Besprechung des Ziergartens beruft er sich auf den Gärtner des Königs, Claude Mollet; dieser legte in seinen letzten Lebensjahren – er schreibt 1613 – die Erfahrung seiner Praxis auch theoretisch nieder.

Abb. 333
Entwurf zu einem botanischen Garten

Stich von O. de Serres

Claude Mollet gehört der bedeutendsten Gärtnerfamilie seiner Zeit an. Schon sein Vater stand in königlichen Diensten, Claude selbst sagt von sich, »Gott hat mir die Gnade angedeihen lassen, daß ich sehr schöne Sachen unter dem seligen Könige Henri le Grand gemacht habe.« Er arbeitete an diesem Werke mit seinen Söhnen zusammen, die die Tafeln dafür entwarfen; es kam zwar erst viel später, 1652, unter dem Titel »Le Théâtre des plans et jardinages«, heraus, entwirft aber ein klares Bild seiner eigenen Tätigkeit. Die Söhne scheinen dann in auswärtige Dienste gegangen zu sein, dem einen, André, werden wir noch später als Theoretiker und Praktiker in englischen und schwedischen Diensten begegnen. Claude Mollet richtet in erster Linie sein Augenmerk auf die Anlage des Parterres, das natürlich als der eigentliche Ziergarten den französischen Gartenkünstler besonders interessierte. Im ganzen sehen wir in der Bepflanzung dasselbe Bild, wie bei Olivier de Serres. Nur verlangt Mollet schon, daß in den Bordüren von hohen Stauden, die in breitem Rande die Karrees der Gärten umgeben sollen, allerlei Pflanzen untereinandergepflanzt werden sollen, so daß das blühende Band niemals unterbrochen sei, die neuen Blüten immer nachwachsen sollen, ein Prinzip, das die modernste Gärtnerei wieder aufgenommen hat. Mollet rühmt sich auch, den Buchs um seiner Dauerhaftigkeit und Schönheit willen im großen Maßstabe eingeführt zu haben. Er zuerst bildet auch die hohen Hecken aus Buchs, statt der Zypressen, die dem französischen Klima nicht standhalten. Nur die sehr hohen Spaliere will er mit einer Unterstützung von totem Holz machen, zu dessen beiden Seiten die Pflanzen gezogen werden müssen, wobei man ihnen leichter die verlangte Form von Fenstern, Zinnen, Bogen und Säulen geben könne. Das wichtigste aber ist, daß Mollet während seiner Zeit eine große Entwicklung der Parterreanlagen mitmacht. Wenn wir die Zeichnungen Du Cerceaus durchsehen, so zeigen alle seine Parterres gemeinsam eine Einteilung in verhältnismäßig kleine Vierecke, die zum größten Teil geometrische Muster enthalten. Sie mußten in möglichster Abwechslung gehalten werden; von dem erhöhten Umgange, sei es auf den Mauern, oder wie im Tuileriengarten Heinrichs IV. von rings daneben laufenden Terrassenwegen, konnte man gemächlich jedes einzeln für sich behandelte Muster betrachten. Erst gegen Ende des XVI. Jahrhunderts erfuhr nun dieses Parterre eine ganz neue Gestaltung. Mollet gibt genau den Zeitpunkt an, in dem die kleinen, in geometrische Muster zerstückten Parterres zu einem zusammengeschlossenen durchdachten Plan vereint wurden Claude Mollet, Le Théâtre des Plans et Jardinages, 1652, ch. 33.. Im Jahre 1582 kehrte der französische Baumeister Du Pérac von einer langen Pilgerfahrt aus Italien heim, er hatte dort als einer der eifrigsten die antike und die neue italienische Kunst studiert; noch heute gehören seine Stiche antiker Ruinen zu den wertvollsten. Von den Gärten, die er in Italien sah, scheint ihn die Villa d'Este am stärksten angezogen zu haben. Eine Serie seiner dort entstandenen Stiche, die zu den frühesten der Villa gehören, widmete er der italienischen Fürstin seines Landes, Maria Medici. Nach seiner Rückkehr wurde er von Heinrich IV. zu seinem Architekten ernannt und leitete die Bauten von Fontainebleau, die dem König in diesen Jahren am meisten am Herzen lagen. Zugleich aber stand Du Pérac auch in Diensten des Herzogs von Aumale, der ihn, wie Mollet erzählt, zum Bauintendanten aller seiner Schlösser machte. Für das Schloß von Anet, das Mollet damals das schönste der französischen Schlösser dünkt, entwarf Du Pérac zuerst Zeichnungen »derart, daß ein Garten nur ein einziges Parterre bildet, geteilt durch große Wege (voyale). Man nannte diese neuen Parterres »compartiments de broderie«. Ein vollendet anschauliches Beispiel dieser neuen Art gibt Boyceau unter seinen Zeichnungen der Parterres im Jardin du Luxembourg (Abb. 334). Der ganze Fortschritt von der Einzelbehandlung und der Zersplitterung der Motive zu einem durchgehend einheitlichen Gedanken in der Anlage zeigt sich hier: in vollendeter Symmetrie hat sich das Parterre um eine Mittellinie zu einer Gesamtanlage geschlossen. Für einen solchen Entwurf braucht man die bewegten Linien der Arabesken; die rein geometrischen Figuren sind jetzt völlig verschwunden. Nach Mollets Darstellung muß man annehmen, daß Du Pérac die Anregung hierzu auch in Italien empfangen hat. Wenn dem auch so ist, so hat diese Anregung für Frankreich ganz andere Früchte getragen. In Italien spielt das Parterre immer, aber besonders im XVI. Jahrhundert, noch eine untergeordnete Rolle. Wie tritt es z. B. in Villa d'Este zurück gegen die Entfaltung der Terrassenbauten und der Wasserkünste, während der Genius der französischen Kunst in diesen meist ebenen, kanalumflossenen Gärten soviel mehr auf die Anlegung der Parterres drängte und Frankreich hierin zum mindesten von nun an die Lehrmeisterin aller anderen wurde.

Abb. 334
Parterreentwurf für den Luxembourg-Garten

Von J. Boyceau

Auf die Bildung der Parterres hat damals noch eine ganz eigenartige Kunstentwicklung wachsend bis in die ersten Jahrzehnte des XVII. Jahrhunderts Einfluß geübt. Unter Heinrich IV. und Ludwig XIII. herrschte eine Mode kostbarer Blumenarabeskenstickerei, die man auf Kleidern und dann auch auf Möbeln aller Art mit bunter Seide, Gold, Silber und Leinenfaden in treuester Nachbildung der natürlichen Blumen anbrachte. Geschicklichkeit und Luxus wuchsen so, daß man sich bald nicht mehr mit den gewöhnlichen Blumenvorbildern begnügte; man sah sich einerseits nach fremden Pflanzen um, die man mit Eifer kultivierte als neue und überraschende Vorbilder für die Sticker, andrerseits suchte man in den Parterres der Gärten etwas Ähnliches an Schönheit der Muster zu entfalten. So sehr standen diese Künste in naher Verbindung, daß das einträgliche und angesehene Gewerbe eines Stickers sich nicht selten mit dem des Gärtners in einer Person vereinigte. Einige der bedeutendsten französischen Pflanzensammler dieser Zeit, wie Jean Robin, legten ihre Akklimatisationsgärten in Paris zu dem ausgesprochenen Zwecke an, um den Stickern neue Blumenvorlagen zu liefern, und für die weitere Verbreitung der Pflanzen dienten dann wieder kolorierte Kupfer, so daß hier die Modeeitelkeit der Gartenkunst ebenso, wie der wissenschaftlichen Botanik, Vorschub geleistet hat A. Jussier, Histoire de l'Académie Royale des Sciences, année 1725, Amsterdam 1732, p. 189 ff., siehe Greg. Kraus, Der Botanische Garten der Universität Halle, S. 147..

Abb. 335
Tuileriengarten, Parterre

Stich von Perelle

Der bedeutendste unter den Parterrezeichnern dieser Zeit war Boyceau. Er schreibt sein Buch »Traité du jardinage« in seinen letzten Lebensjahren; 1638 wurde es nach seinem Tode herausgegeben. Er stand schon an der Schwelle einer neuen Zeit. Die umständliche Einteilung Olivier de Serres in vier oder fünf verschiedene Gartenarten verwirft er, ihm genügt es, einen Lust- und einen Nutzgarten zu unterscheiden, die bei kleinsten Anlagen auch wieder noch häufig ineinandergehen mögen. Bei dem Lustgarten, der Anlage von Parterres, Alleen, Bosketts, dringt er vor allem auf Proportion; die Höhe der Bäume, der Hecken, muß mit der Breite und Länge der Wege in wohlüberlegtem Einklang stehen, das Parterre braucht die Umgebung von erhöhten Terrassen, Galerien, Berceaux, die er alle zusammen unter dem anschaulichen Begriff »corps de relief« zusammenschließt. Neben der Proportion will er vor allem, trotz strengster Symmetrie, Abwechslung; »es ermüdet mich außerordentlich«, schreibt er, »wenn ich alle Gärten nur in geraden Linien angelegt finde, die einen in vier Quadrate, die andern in neun oder sechs, und niemals etwas anderes« I. Boyceau, Traité du Jardinage, 1638.]. Aus solchem Empfinden schuf Boyceau die neuen Parterres für den Tuileriengarten, deren besonders schöne Zeichnung auch noch von der nächsten Generation sehr bewundert wurde (Abb. 335). Boyceau ist schon als Vorläufer der großen französischen Gartenentwicklung anzusehen, doch gehörte die erste und kräftigste Zeit seiner Wirksamkeit noch Heinrich dem Großen an.

Dieser Fürst, der alle, die ihm nahestanden, mit hoher Bewunderung seiner glänzenden, vielseitigen Persönlichkeit durchdrang, hat auch in der ersehnten Friedenszeit, die er seinem Lande gab, der Gartenkunst einen neuen Aufschwung gegeben. Der Blüte unter diesem König galt die Bewunderung Olivier de Serres »der ausgezeichneten Gärten, die sich über das ganze Reich zerstreut finden, besonders aber jener, welche der König bei seinen Schlössern in Fontainebleau, Saint-Germain-en-Laye, den Tuilerien, Blois usw. hat anlegen lassen. Man kann nur mit Staunen die Anordnung der Pflanzen sehen, die durch Buchstaben, Devisen, Namenszüge, Wappen, Gemälde sprechen; wie man die Gesten der Menschen und Tiere, wie man Gebäude, Schiffe, Boote und andere Dinge durch Pflanzen und Büsche mit bewunderungswürdigem Fleiße und Geduld nachahmt. Man braucht nicht nach Italien oder anderswo hinzugehen, um die schönsten Gartenanlagen zu sehen; unser Frankreich trägt den Preis davon, und bei ihm kann man wie in einer Gelehrtenschule sich Belehrung über diese Dinge holen« O. de Serres, Le Théâtre d'Agriculture, 1651, VI, ch. 13, p. 514.. In Wirklichkeit aber verhielt es sich damals, gerade unter Heinrich IV., noch immer umgekehrt; besonders seit Maria Medici die Kunst ihrer Heimat über die Alpen brachte, können wir in dem Garten einen erneuten Einfluß Italiens mit aller Deutlichkeit erkennen. Heinrichs Hauptbau war das neue Schloß von Saint-Germain-en-Laye. Franz I. hatte auf alten Fundamenten auf dem sehr hohen Ufer der Seine ein Stück landeinwärts einen großen Palast erbauen lassen, den Heinrich II. durch einen anmutigen kleinen Zentralbau mit einer breiten Terrasse dicht am Ufer, von wo man die vielbewunderte Aussicht genoß, erweiterte Du Cerceau, a. o. O., I, f. 5; Houdard, Les Châteaux Royaux de St. Germain-en-Laye 1124 à 1789, Paris 1911.. Die Gärten bei diesen alten Gebäuden scheinen sehr unbedeutend gewesen zu sein. Du Cerceau erwähnt sie gar nicht, und sein Plan zeigt wenig davon. Heinrich IV. ließ nun an der Stelle des kleinen Theaterzentralbaues einen Palast mit schönen Eckpavillons hoch über dem steilen Ufer der Seine erbauen (Abb. 336).

Abb. 336
Saint-Germain-en-Laye

Nach Furttenbach

Der Baumeister des Palastes war ein Franzose, um aber den Garten, der sich in steilen, getürmten Terrassen nach dem Flusse senken mußte, anzulegen, berief der König auf Anraten von Maria Medici einen Italiener mit Namen Francini. Das Schloß Heinrichs IV. ist bis auf einen Pavillon verschwunden, die Gärten sind bis auf jede Spur dahin. Es verfiel bald nach Heinrichs Tode, vielleicht war es zu schnell gebaut, vielleicht hat der französische Baumeister die Fundamente an dem steil abfallenden Terrain nicht genügend meistern können; im Garten wandte sich zudem der Geschmack bald so ganz anderen Aufgaben zu. Aus den Schilderungen aber und den Stichen entsteht uns hier ein vollkommen italienischer Garten, wie ihn Frankreich nur selten gesehen hat: Auf großen, axial angeordneten Rampentreppen steigt man auf sechs Terrassen zum Flusse herab. Von unten gesehen schließt sich das Bild zu einer ungeheuren Palastfassade zusammen, in der Art, wie der Aufgang der Orti Farnesiani. Unten am Flusse ist ein Parterre, das auf unserm Stich noch geometrische Einteilung, in Wappen ausgelegt, mit Hecken umgeben und von Bassins und Springbrunnen belebt, zeigt. Die Terrassen sind teils als figurenreiche Bosketts angelegt, die Futtermauern zeigen Eingänge zu langen Reihen von Grottenzimmern, in deren Wasserspielen sich die italienischen Motive wiederholen: der Orpheus, bei dessen Leierspiel sich Bäume und Tiere bewegen, die Drachenfontäne mit den singenden Vögeln und vieles andere. Zur Seite des Schlosses liegen je zwei giardini secreti. Das schönste war die herrliche Aussicht, die man von der obersten Terrasse genießt. Wo die Kaskaden, die von Terrasse zu Terrasse niederfallen, lagen, von denen Evelyn berichtet Evelyn, Diary, 27. Febr. 1644., ist auf den Stichen nicht erkennbar. Boyceau hat später für diesen Garten eine ganze Reihe kunstvoller Parterres entworfen, die in den Teilen, die sich am Fuße des Hügels bis zum Flusse ausdehnten, angebracht waren Boyceau, Traité du Jardinage, 1638..

Neben Saint-Germain-en-Laye liebte Heinrich ganz besonders Fontainebleau, wo er der eigentliche Schöpfer der Gärten genannt werden muß. Er fand hier freilich Plan und Lage schon vorgezeichnet. Das kleine Parterre Franz' I. hat Heinrich zu einem besonders reizvollen Binnengarten erweitert und umgestaltet (Abb. 337).

Abb. 337
Fontainebleau, die Orangerie

Stich von Israel Silvestre

Von drei Seiten umgab er es mit Galerien, die vierte schloß eine große Voliere ab, auch den italienischen nachgeahmt, mit großen Bäumen und grünem Gesträuch innerhalb der Kuppel aus Draht. Die Diana Franz' I. blieb als Schmuck des zentralen Brunnens, um den die Parterrebeete lagen, mit der vorgeschriebenen umlaufenden erhöhten Terrasse. Der schönste Schmuck dieses kleinen anmutigen Gartens war eine Fülle erlesener Statuen, auch dies weit mehr ein italienischer Einfluß. Später, als Ludwig XIV. statt der Voliere eine Orangerie bauen ließ, wurden in diesem sonst unberührt gelassenen Garten die Orangen aufgestellt, wie unser Stich zeigt. Auf der anderen Seite des großen Weihers aber, in dessen Mitte Heinrich sich einen Pavillon als einen Ort der Zurückgezogenheit erbaut hatte, legte er das große Parterre (Abb. 338) im wesentlichen, wie es noch heute besteht, an, nur daß damals ein breiter Kanal das Quadrat durchschnitt und in der Mitte eine Kolossalfigur des Tiber, auf einem Felsen ruhend, lag. In den vier Ecken des Parterres waren noch je vier andere Fontänen angebracht. Eine Neuerung von allergrößter Bedeutung aber machte Heinrich IV. durch die Anlage des großen Kanals, der von diesem Parterre, das auf hoher Terrasse darüber liegt, ausgeht und diesen Hauptgarten mit dem eigentlichen Park verbindet Evelyn, 7. March 1644. Evelyn ist nicht sehr klar in dieser Schilderung, da er den Jardin des pins schildert, fährt er weiter fort »and without that a canal of an english mile in length .... The carps come familiarly to hand to be fed«. Die Lage und die letzte Bemerkung über die Karpfen könnte sich auf den étang beziehen, anderseits könnte er diesen nicht als Kanal von einer englischen Meile Länge bezeichnen.. Wir werden sehen, wie gerade an dieses Motiv die Neugestaltung des Gartens unter Ludwig XIV. anknüpfte. Ob, wie man will, auch an diesem Garten Francini gearbeitet hat, ist mehr Vermutung als Gewißheit.

Abb. 338
Fontainebleau unter Heinrich IV.

Nach Furttenbach

Sicher war es ein französischer Architekt, der Schloß und Garten des Luxembourg entwarf. Der Absicht der Bauherrin Maria Medici nach sollte sich hier ein Stück Italien auf französischem Boden erheben, dort, wo sie nach ihres Gatten Tode 1615 ihre Residenz aufschlagen wollte. Ihr heimatliches Schloß Palazzo Pitti und Giardino Boboli stellte sie ihrem Architekten Salomon de Brosse als Vorbild auf (Abb. 339).

Abb. 339
Le Jardin du Luxembourg, Paris, 1652

Stich von I. Gomboust

Im Schlosse selbst konnte der Baumeister, so sehr er sich auch bemüht haben mochte, dem Wunsche der Fürstin nachzukommen, den französischen Genius nicht verleugnen. Trotz der an den Ammanatihof erinnernden Rustikafassade beherrscht der französische Pavillonbau den Eindruck vollkommen. Im Garten stand ihm das ziemlich ebene Terrain im Wege, um etwas Ähnliches wie Giardino Boboli zu schaffen. Immerhin zeigt die ursprüngliche Anlage, die mit der heutigen nur noch wenig gemein hat, manche Züge, die Maria an ihren heimatlichen Garten erinnern konnten. Die Grenzen des ursprünglichen Gartens verliefen anders als heute: während sie sich in der Längsachse nach Süden etwas weiter ausgedehnt haben, auf ein Terrain, das damals ein Kartäuserkloster inne hatte, sind die Bosketts, die sich westlich von der Hauptachse erstreckten, heute fast um die Hälfte beschnitten, und auch im Osten hat der Garten einiges eingebüßt Hénard, Les Jardins et les Squares de Paris, 1911, p. 75 ff.. Um das Parterre (Abb. 340) dem Amphitheater in Boboli ähnlich zu gestalten, wurde es sehr vertieft und von aufgeschütteten Terrassen und zwei Stufen umgeben, deren obere mit Vasen und Statuen geschmückt wurde. Sie verliefen im Gegensatz zu heute auf beiden Seiten gerade, schlossen nach hinten halbkreisförmig ab, in der Mitte einen freien Durchweg lassend.

Abb. 340
Le Jardin du Luxembourg, Paris, großes Parterre

Stich von Perelle

Oben waren Hecken von Buchs und Taxus gepflanzt, was einen günstigen, farbig schönen Hintergrund gegen die übrige, meist aus Laubbäumen bestehende Bepflanzung ausmachte. Allerdings wurde die weitere Ähnlichkeit mit Boboli nicht nur durch die eben verlaufende Mittelachse gestört, sondern mehr noch durch die Anlage des Parterre de broderie, das keinem französischen Garten mehr fehlen durfte. Das achteckige Bassin in der Mitte schmückte ursprünglich ein Triton, der einen Fisch zusammendrückte, so daß seinem Maul ein starker Wasserstrahl entströmte. Aus den komplizierten Parterremustern (Abb. 334) – für den Luxembourg hat Boyceau ja eine Reihe seiner schönsten Zeichnungen entworfen – wurden damals die Blumen mehr und mehr verbannt. Evelyn, der den Garten im Jahre 1644 sieht und nicht genug betonen kann, welch ein außerordentliches Vergnügen ihm dieser »liebliche Aufenthalt« gegeben hat Evelyn, Diary, 1. April 1644., hebt besonders hervor, daß das Parterre ganz in Buchs ausgelegt sei, was vom Schlosse aus eine prächtige Wirkung gemacht habe. Die Blumen, die hier verbannt waren, wurden in einem besonderen gemauerten Teil gepflegt, in einem Gärtlein, »für das der Herzog manch tausend Pistolen ausgibt«. Eine weitere, durch die Zufälligkeit der Grenzen des Gartens, die eine starke Seitenausdehnung der Bosketts notwendig machte, bedingte Ähnlichkeit mit Giardino Boboli benutzte Maria Medici zur Anlage einer großen Querallee, die rechtwinklig zur Hauptachse verläuft; an ihrem Endpunkte hat ihr wohl etwas wie der Isolotto vorgeschwebt. Es wurde dort ein großer Fischweiher, wie Evelyn sagt, ausgegraben, der aber auch zu seiner Zeit 1644 noch nicht fertig geworden war. In seiner Nähe lag ein medizinischer Garten und ein Schneereservoir, während die andern Bosketts mit ihren Hecken manchmal Wiesen, ja Felder umschlossen. In dem kleineren östlichen Parkteil bewundert Evelyn besonders eine sternförmige Boskettanlage mit einem Brunnen als Zentrum. Auch der heute größte Schmuck dieses Teiles, die Fontaine de Medicis, hatte ursprünglich einen andern Platz am Ende der an der Fassade vorüberführenden Querallee und war statt der heutigen Brunnengruppe: Polyphem, der Acis und Galathea belauscht, mit einer Nymphe geschmückt. Den Platz am Kopfende des kanalartigen Bassins hat der Brunnen erst im XIX. Jahrhundert erhalten (Abb. 341), nachdem der Garten nach einer Reihe wechselnder Schicksale seine letzte Gestalt unter dem zweiten Kaiserreiche erhalten hat. Nur das Leben, das sich heute unter so ganz anderen Bedingungen in diesem Garten entfaltet, scheint noch dasselbe zu sein, wie es Evelyn mit solcher Freude schildert: »Nichts fehlt, um Palast und Gärten vollkommen schön zu machen, und es ist nicht das geringste unter den Vergnügungen, die Menge von vornehmen Bürgern und Fremden zu sehen, die ihn besuchen und denen der Eintritt ganz frei steht. So kann man in einigen Wegen und Verstecken Galants mit ihren Damen sehen, in andern melancholische Mönche, in andern eifrig Studierende, in andern lustige Bürger, einige liegen oder sitzen auf dem Grase, andere laufen, springen, einige spielen Boccia oder Ball, andere tanzen und singen, und alles dies ohne die geringste Störung, da der Ort so groß ist.« Wer hat je an einem Sonntag den Park besucht und dies Bild nicht in allen einzelnen Zügen wiedergefunden: Aber in der Zeit Evelyns war der Garten den fröhlichen Parisern nicht so sicher zugänglich wie heute, denn »er ist manchmal öffentlich, manchmal nicht«, schreibt schon 1650 Sauval in seinen Antiquitäten von Paris. Gar nicht zu sprechen von dem blutigen Anblick, den ihm die Revolution gab, als sie den Luxembourg zum Gefängnis verwandelte.

Abb. 341
Le Jardin du Luxembourg, Paris, Fontaine de Medicis, heutige Aufstellung

Nach Alphand

Die Eifersucht und Rivalität, die Maria Medici und ihren großen Widersacher, den Kardinal Richelieu, bis zum Tode bewegte, spornte beide auch zum friedlichen Wettstreit in der Anlage ihrer Gärten. Nur ein Garten durfte sich damals mit dem des Luxembourg messen, diesen hatte sich Richelieu neben seinem Landhause in Ruel angelegt. Das Haus war nicht groß, um so größer das umfriedete Gebiet seines Gartens, das ebenfalls in den heckenumschlossenen Quadraten des Parkes Kornfelder, Wiesen, ja Weinberge enthielt; daneben waren Bosketts von immergrünen Bäumen und Alleen, deren Schnitt Evelyn auf das höchste bewundert Evelyn, Diary, 27. Febr. 1644. Eine Stichreihe von I. Silvestre gibt das Anschauungsmaterial für diese Schilderung.. Als point de vue der Alleen waren schöne Fontänen angebracht, eine zierte ein Basilisk, der sein Wasser 60 Fuß hoch warf und sich dabei so schnell drehte, daß man unweigerlich naß wurde, wenn man in der Nähe war. Von hier kam man zu dem Zitronengarten, an dessen Mauern der Konstantinsbogen so täuschend gemalt war, daß die Schwalben durchzufliegen versuchten. Evelyn ist von dieser angenehmen Täuschung außerordentlich beglückt. Vor dem Hause war ein Parterre mit schönen Brunnen und Bronzestatuen. Eines besonderen Rufes erfreute sich die Grotte mit ihrem reichen Muschelwerk, dem überraschenden Regen und den beiden Musketieren davor, die den erschreckt Hinauseilenden mit einer Wassersalve empfingen, dieses letzte Motiv an Villa Lante erinnernd. Der Stolz des Gartens war die große Kaskade, sie stürzte von einem steilen Abhang über Marmorstufen, durch verschiedene Bassins aufgehalten, »mit erstaunlicher Wut und Lärm« herab. In jedem Bassin war ein Springbrunnen, das letzte zeigte eine Riesenmuschel aus Blei. Von dort floß das Wasser im stillen schmalen Kanal bis zu einer Grotte (Abb. 342). Welch eine Vielseitigkeit der Motive zeigt ein solcher Garten, verglichen mit den klaren und imponierenden, aber auch einförmigen Plänen Du Cerceauscher Zeit. Noch aber ist man dieses Reichtums nicht recht Meister geworden, bedeutsame Anlagen weiß man in ihrer Wirkung für die Gesamtheit noch nicht auszunutzen, z. B. liegt die Kaskade, die den Eindruck beherrschen soll, nicht in der Hauptachse des Hauses, sondern zur Seite, am Ende einer breiten Allee, die zum Konstantinsbogen führt.

Abb. 342
Ruel, Grotte

Stich von Perelle

Die Kaskaden waren in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts als ein neues Geschenk italienischen Geistes in die französischen Gärten eingeführt worden. Wo man dafür keine genügenden Höhenunterschiede fand, schüttete man Rasenterrassen auf, wie in dem ebenen Liancourt, einem anmutigen Garten, den die Gattin des Marschalls Schomberg mit viel Liebe erbaut hatte. Die schönste Kaskade seiner Zeit rühmte sich jedoch der Garten von St. Cloud zu haben. Unter den vielen Italienern, die im Gefolge Maria Medicis Frankreich überfluteten, deren abenteuernde Gestalten typische Erscheinungen dieses Hofes waren, stand obenan die Bankiersfamilie der Gondi. Sie erbauten sich von den schnell erworbenen Reichtümern auf dem hohen Seineufer nahe dem Weichbild der Stadt eine Villa und legten nach italienischem Vorbild seitlich vom Hause die vielbewunderte Kaskade an, die Evelyn in ihrem alten Zustand schildert Evelyn, Diary, 27. Febr. 1644.. Allerdings sollte sie einige Jahrzehnte später einer weit prächtigeren Platz machen, und auch die große Ausgestaltung der Gärten fällt erst in die Zeit Ludwigs XIV.

Evelyns anschauliche Schilderungen führen uns glücklich durch die Gärten aus der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts, die füglich für uns die Betrachtung der Renaissancekunst abschließen mögen, so wenig auch der Lauf der Entwicklung gerade in Frankreich irgendeine Stockung oder einen plötzlichen Umschwung zeigt. Und nicht nur die großen Villen, auch die kleinen Stadtgärten besucht Evelyn, deren beschränkten Raum ihre Besitzer gerne durch gemalte Perspektiven erweitern. Der kleine Garten des Grafen Liancourt erscheint Evelyn dadurch viel größer; mit Hilfe der Malerei läßt man sogar einen wirklichen kleinen Graben »meilenweit fortfließen« Evelyn, Diary, 1. March 1644.. Ein kleines Puppentheater am Ende des Gartens vermehrt diese spielerische Freude. Ein anderer Garten, an dem sich Evelyn sehr freut, gehört einem Herrn Morine, der ursprünglich nur ein einfacher Gärtner war. Er hat seinen Garten als vollkommenes Oval angelegt, von Lebensbäumen umgeben, die wie Mauern glatt verschnitten sind; darin zog er die seltensten, schönsten Pflanzen, Tulpen, Ranunkeln, Krokus und Anemonen. Er selbst, ein wunderlicher alter Sammler, lebte in einem kleinen Gartenhäuschen am Ende. Es ist erklärlich, daß in diesen kleinen Stadtgärten sich der Spieltrieb besonders lebhaft zeigte – bei einem roten »Hause« hört Evelyn das Brunnenwerk ein Geräusch wie Unwetter und Gewehrfeuer machen und vieles Ähnliche Evelyn, Diary, 2. April 1644..

An der Schwelle dieser Zeit aber hat die französische Gartenkunst ihren ersten Sänger gefunden. René Rapin René Rapin, Hortorum, lib. IV., der gelehrte, vielschreibende Jesuit, veröffentlichte im Jahre 1665 ein Gedicht »Hortorum libri quattuor«, das in unmittelbarer Anlehnung an Virgils »Georgica« eine Ergänzung auf dem Gebiete der Gärten, die der römische Dichter vernachlässigt habe, geben wollte. Rapin hat schon einiges von der Entwicklung der Gärten im grand siècle gesehen, und manchen seiner poetischen Vorschriften hört man dies an. Doch besingt er hauptsächlich noch die Gärten der Zeit Maria Medicis und Heinrichs IV. Was Rapin im ersten Buche, dem »Blumengarten«, von der Anordnung der Parterres verlangt, geht nicht über die Forderungen der Theoretiker hinaus. Den Blumen weiht der Dichter in ovidischer Weise nur anmutige Mythen. Ein neuer Geist aber kündigt sich in dem zweiten Buche, der eingehenden Behandlung des Parkes, des »nemus«, an: gleich beim Austritt aus dem Garten soll sich der Park wie eine Bühne regelmäßig entfalten. Er zieht die geradlinige, rechtwinklige Stellung der Bäume dem Quinkunx vor, doch sind auch schräge Linien und einzelne Kreisbögen vielfach beliebt. Die Wege sollen alle mit feinem Sande oder dichtgeschorenem Rasen versehen sein, an den Seiten mögen die Weißbuchen oder Zypressen zu geraden Wänden verschnitten werden; doch mag man ihre leichte Verzweigung auch zu tausend Figuren und allerlei Irrgängen ziehen. Als eigentlichen Parkbaum aber rühmt er die Eiche, und hier wendet er sich mit heftiger Polemik gegen das Verschneiden dieser Bäume, mit rhetorischer Berufung auf alle mythologischen Strafen an Baumfrevlern. Diese Aufmerksamkeit auf den Park und seine künstlerische Ausbildung ist zwar der Renaissance nicht fremd, aber der nahe Zusammenschluß seiner Linienführung mit der des Gartens weist auf die kommende Zeit. Ebenso bringt das dritte Buch, das das Wasser behandelt, zwar noch allen Reichtum der Phantasie der Renaissance, freut sich an allen den zahllosen Wasserscherzen, verlangt reiche Ausbildung der Kaskaden, drängt aber doch schon energisch auf strengere Linien auch der Wasser. Grotten mit Vexierwässern, mit Bimsstein und Muscheln verziert, seien zwar hübsch zum Ergötzen des Volkes bei Festtagen; wer aber klug, großartig und ernst denkt, der liebt große seeartige Bassins und Kanäle, die Flüsse nachahmen; um sie zu besingen, will er seine Leier höher stimmen. An dieses Gedicht, das Rapins bestes Werk ist und lange eine große Berühmtheit genoß, fügte er später noch eine Prosaabhandlung. Hier führt er mit gründlicher und weitschweifiger Gelehrsamkeit, gleichsam als Vorspiel der »Querelle des modernes et des anciens«, die »moderne« Ansicht durch: die Alten seien zwar begeistert für den Gartenbau gewesen, seien aber auf einer kunstlosen Stufe stehen geblieben, alle Fortschritte, alle eigentliche Kunst gehöre der neuen Zeit an. Der Garten des Alkinoos sei doch nur ein Bauerngarten gewesen, selbst die Sorten der Früchte seien gering. Heute aber sei der Garten der Ruhm unserer Zeit, ihre edelste Kunst, kein einigermaßen angesehenes Haus, das sich nicht heute durch einen Prunkgarten empfehlen wolle. »Was früher als Knechtesarbeit angesehen, ist jetzt Herrenwerk und Erholung.«

Das war ein Wort, das als Motto über der Periode der Gartenkunst stehen darf, an deren Schwelle Rapin schrieb, dem Zeitalter Ludwigs XIV.


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