Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
In der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts hatte Frankreich die Hegemonie in Europa, nach der es so lange gestrebt und schwer gerungen, erlangt. Es steht unbestritten nicht nur als politische Macht an der Spitze, nein, mehr noch und nachdrücklicher durch die Bedeutsamkeit seiner Kultur, die, erstarkt an fremden Vorbildern, ganz eigenartig auf heimischem Boden emporgeblüht war. Italien mußte damals, wie auf allen anderen Gebieten der Kunst, so auch in der Gartenkunst, das Szepter an seinen nordischen Rivalen abtreten, nachdem es mehr als eineinhalb Jahrhundert seine Mission jenseits der Alpen erfüllt hatte. Frankreichs selbstgewachsener Kultur aber kam zudem hier die Gunst einer ungestörten Entwicklung zu Hilfe. Überall im Norden hatte die Gartenkunst zu Beginn des XVII. Jahrhunderts einen großen Aufschwung gesehen, während aber in Deutschland der Dreißigjährige Krieg nur wenige Blüten ungeknickt ließ, während die Herrschaft des Puritanertums in England, mit seinem Haß gegen Luxus und Schmuck des Lebens, die Tradition der Gartenkunst empfindlich unterbrach, war das organische Wachstum in Frankreich nicht mehr gestört worden, denn die Bürgerkriege der Fronde waren doch nur ein Messen der Macht, ein Geplänkel, das durch Versöhnung und Überredung ausgeglichen wurde, kein kulturfeindlicher Vernichtungskrieg. Das Königtum war nach dem Tode Heinrichs IV. eine Zeitlang aus seiner überragenden Position verdrängt, die langen Regentschaften, die geistliche Ministerherrschaft hatten dem Adel den stolzen Mut zu gleichem Machtanspruch nochmals wachsen lassen. Die Wogen des politischen Lebens drängen ihre Bewegung deutlich bis in die Gartenkunst hinein. Seit St. Germain-en-Laye, Heinrichs IV. stolz ragendem Bau, war kein bedeutsames Königshaus geschaffen, auch die alten, wie Fontainebleau, hatten wenig neue Züge ihrem Schloß und Garten zuzufügen, dagegen erwächst der Luxembourg, der Königin-Regentin Residenz, Richelieus Landhaus Ruel lockt die fremden Besucher an. Mit ihm möchte ein Adelsschloß wie Liancourt wetteifern oder gar das eines ausländischen Abenteurers wie St. Cloud. Und wenn Fontainebleau und St. Germain mitgenannt werden, so ist das doch nur überkommenes Gut, und diese Schlösser und Gärten stehen höchstens »inter pares«.
Um die Mitte des Jahrhunderts sollte sich nun an der Schwelle einer neuen Zeit noch einmal ein Mann aus allen herausheben, der kraft seiner Persönlichkeit den Geist seiner Zeit in starker Hand zu halten schien, gleichsam symbolisch den Übermut, die trotzige Selbstherrlichkeit jener Epoche darstellte: der Surintendant Fouquet, Mazarins Finanzminister. Fouquets Verblendung und die Falle für seinen Sturz war, daß er, der in aller Kunst und Wissenschaft den feinsten Nerv für das Kommende und Werdende hatte, in der Politik die werdende Monarchenknospe nicht sah und in blinder Sicherheit in sein Schicksal hineinrannte. Es war die edle Tragik seines Lebens, daß er, der die großen Aufgaben der Kultur in dem grand siècle Louis XIV. begriff und förderte, seinem Monarchen, der ihn mit unvermindertem Hasse verfolgte und verdarb, doch hierin das leuchtende Vorbild blieb, dieser sich schweigend zu seiner Schülerschaft bekennen mußte.
Fouquet stand auf der Höhe seines Menschentums und seiner Macht, als er Anfang der fünfziger Jahre mit dem Baumeister Le Vau den Kontrakt abschloß, ihm das Schloß Vaux in seiner Grafschaft Melun zu erbauen Rodolphe Pfnor, Vaux-le-Vicomte. Einleitender Text von Anatole France. Hier sind die Hauptdaten über Vaux-le-Vicomte nachzulesen.. Er war noch nicht 40 Jahre alt; an Mazarins Gunst hatte er noch keinen Grund zu zweifeln, seine Ernennung zum alleinigen Finanzminister stand nahe bevor, und Colberts Rivalität glaubte er gering achten zu können. Der junge König, gedankenlos in allerlei Liebeshändel und Vergnügen verstrickt, schien nicht die geringste Lust zu verspüren, jemals die Zügel des Staates selbst in die Hand zu nehmen. Um das Terrain für Schloß, Garten und die nötige Freiheit der Umgebung zu erlangen, mußte man drei Dörfer aufkaufen und niederreißen. Mit erstaunlicher Schnelligkeit wuchs der Bau aus seinen Fundamenten, dem allmächtigen Financier standen unerschöpfliche Mittel zu Gebote, er drängte die Arbeiten mit fieberhaftem Eifer – zeitweise sollen 18 000 Arbeiter zugleich beschäftigt gewesen sein – auf 16 Millionen Livres schätzte man die Kosten. Das Schloß ist ein reich durch Pavillons gegliederter Bau, rings von breitem Graben umschlossen (Abb. 392).
Das verstand sich für eine Landhausanlage ganz von selbst, fast alle Schlösser, und nahezu ausnahmslos gerade die Neubauten, waren in Frankreich damals noch Wasserschlösser, Ruel, Liancourt, Ludwigs XIII. Bau in Versailles ebenso wie Vaux-le-Vicomte. Vor dem Schloß Silvestre, 9 Stiche von Vaux-le-Vicomte. Heute ist der Garten von seinem jetzigen Besitzer ganz im alten Stile wiederhergestellt. entfaltet sich der breite Eingangshof, die cour d'honneur, abgeschlossen durch eine halbrunde prächtige Balustrade und vornehme Schrankengitter, auf die strahlenförmig die breiten Parkzufahrtwege führen. Die Ställe zu beiden Seiten des Hofes verdeckten Wirtschaftshöfe und Gemüsegärten. Auf der anderen Seite des auf künstlich aufgeworfener Terrasse liegenden Hauses gibt ein Vorplatz innerhalb des Grabens, den rings eine Balustrade säumt, schönsten Überblick über den größten Teil des Gartens. Dieser Garten wurde vielleicht noch vor der Grundsteinlegung des Schlosses begonnen; schon im Jahre 1652 widmet der Herausgeber Claude Mollets Werk »Le Théâtre des plans et jardinages« Fouquet, indem er von den prächtigen Gärten von Vaux-le-Vicomte spricht, wo »Sie höchst angenehm die Kunst mit der Natur streiten lassen und wo Sie täglich neue Schönheiten und neue Bereicherungen hinzufügen«. Es muß also schon damals eifrig an den Gärten gearbeitet worden sein Claude Mollet, Le Théâtre des Plans et Jardinages, 1652. Die Widmung ist de Sercy unterschrieben. Anatole France, a. o. O., p. 1 u. p. 63, gibt das Jahr 1656 als Gründungsjahr des Schlosses an und läßt Schloß und Garten in 4 Jahren vollendet sein, was nach dieser Widmung aber nicht möglich ist.. Jedenfalls blühten sie bei Vollendung des Schlosses in voller Schönheit. Fouquet hatte gleich zur Ausmalung seines Schlosses und der anderen Räume der Villa den damals schon berühmten Maler Charles Le Brun für sich gewonnen. Le Brun nun empfahl dem Finanzminister seinen jungen Freund André le Nôtre, der wie er Malerei studiert hatte, den er bei ihrem gemeinsamen Lehrer Simon Vouet kennen und lieben gelernt hatte, und dessen dekorative Phantasie und Kenntnisse in der Gartenkunst er bewunderte. Le Nôtre hatte seine Gartenkenntnisse aus dem Vaterhause mitgebracht. Sein Vater war Intendant der Tuileriengärten. Hier in Vaux-le-Vicomte sollte er sich nun seinen Meisterrang erwerben, der ihm von da an durch ein halbes Jahrhundert unbestritten von ganz Europa zuerkannt wurde. Mademoiselle de Scudéry, die Vaux bald nach seiner Vollendung in ihrem Roman »Clélie« schildert Madeleine de Scudéry, Clélie., findet »das bemerkbarste ist, daß dieser große Garten zwischen zwei Bosketts liegt, die die Augen anmutig aufhalten«. Die feine Beobachterin hat damit sofort das Eigenartige dieses Gartenbildes erfaßt. Wir stehen mit ihr auf der Schloßterrasse, von der eine Zugbrücke über den Graben in den Garten führt (Abb. 393).
Zu beiden Seiten des Schlosses liegen fontänengeschmückte Parterres, die absichtlich in einfachen Linien gehalten sind, um das Auge von dem reichen Parterre de broderie, das unter dem Hause liegt, nicht zu sehr abzuziehen; rechts und links von diesem liegen Blumenparterres, die sich durch phantasievolles Brunnenspiel auszeichnen (Abb. 394). Die meiste Bewunderung erregt »la fontaine de la couronne«, die eine Strahlenkrone auf dem kristallenen Wasser balanciert; ein runder Springbrunnen am Ende und zwei kleine schmale Wasserkanäle schließen dies Parterre. Von hier steigt man in der Hauptachse durch eine Wasserstraße – das Wasser begleitet sie in niederen, als Gitter geleiteten Strahlen – herab. Auf beiden Seiten sind von Blumen eingefaßte brunnengeschmückte Rasenparterres,
den Abschluß findet die Wasserstraße in einem großen quadratischen Bassin. Bleibt man auf der Schloßterrasse stehen, so blitzt von der Tiefe aus das breite Band des Kanals, der hier den ganzen Garten ohne Brücke abschließt und sich in der Mitte zu einem mächtigen Bassin erweitert, hinter dem der natürliche Hügel ziemlich steil aufsteigt. Ein regelmäßiges Dreieck mit hinterem halbrundem Abschluß ist in dem Park, der sich von hier erstreckt, ausgespart. Grottenwerk, Flußgötter, Fontänen, Wassertiere gliedern und zieren den Hügel bis zur Höhe, wo das imposante Bild in der mächtigen Gestalt des Herkules und einer prächtigen Wassersäule endet.
Dieser Einrahmung des Hintergrundes entspricht nun die Seiteneinrahmung der Bosketts. Links vom Schlosse ist das aufsteigende Terrain zu einer Terrasse benutzt, zu der in den Seitenachsen des Gartens eine kleine Kaskadenanlage und ein schöner Rampentreppenaufgang überleiten, auf der anderen Seite führen kostbare Gitter in Bosketts, die im Innern teils Blumenparterres, teils Blumengärten, teils Irrgänge, mit Brunnen geschmückt, teils sogenannte Wassertheater enthalten. Verläßt man aber die Schloßterrasse und steigt auf dem Hauptwege durch die Wasserstraße herab zu der Terrasse des großen Kanals, so erwartet den Besucher noch eine besondere Überraschung. An der Futtermauer gegen das Schloß, also von diesem nicht sichtbar, ist ein großes, überaus reiches Kaskadenwerk angebracht, ein lebhaft bewegtes Gegenbild zu dem leuchtenden ruhigen Bande des Kanals. Diese Kaskaden aber sind nicht nur ein Schmuck der tiefsten, zwischen zwei Erhöhungen eingesenkten Terrasse, sondern beleben den Blick von der Höhe des großen Herkules, der den Garten in umgekehrtem Bilde mit dem Schlosse als point de vue zeigt (Abb. 395).
Zwei große Strömungen, die auf allen Gebieten den Geist dieser Zeit beherrschten, wußte Le Nôtre von Anbeginn in seine Gärten einzuführen und miteinander zu verbinden. Die eine repräsentierte den Geist der Disziplin, der festen, klar übersichtlichen Regel, der Proportion; diese Strömung fand in der Literatur in Boileaus Wirksamkeit, in der Politik in dem immer wachsenden monarchischen Empfinden, in der Geselligkeit in der bis zum äußersten Raffinement ausgebildeten Etikette ihren Ausdruck. Demgegenüber aber steht das ungestüme und immer wachsende Verlangen nach »variété«, nach Abwechslung. Diese Gesellschaft, die sich freiwillig und mit dem vollen Bewußtsein, den Ausdruck ihrer höchsten Kultur in diesem Geist der Disziplin zu finden, der festen Form und Regelung des Lebens unterwarf, hätte vor der Zeit alt werden, vor Langeweile sterben müssen, wenn nicht eine für uns oft verblüffende Sucht nach immer neuer Abwechslung sie fortwährend in Atem und Aufregung gehalten hätte. Vaux-le-Vicomte ist der erste Versuch, diese beiden Forderungen zu verbinden. Die streng axiale Anordnung kennt der französische Garten schon von den Tagen Du Cerceaus her, aber die Terrassen gaben damals, jede für sich, doch immer das gleiche oder ähnliche Bild, die Parterres sahen wieder einander ganz gleich, die Symmetrie verstand sich in der gleichen Wiederholung der Linien. Als dann im XVII. Jahrhundert der italienische Einfluß sich in einer neuen Strömung geltend machte, da wurde man wieder der neuen Vielseitigkeit nicht recht Herr. Die Kaskaden von St. Cloud und Ruel liegen beiseite in selbständiger, das Haus nicht berücksichtigender Achse, die vielgerühmte variété von Ruel wirkt im ganzen unruhig und zerstreut. Le Nôtre aber begriff, daß es vor allem darauf ankam, einen prächtigen, von dem Hause ganz überschaubaren Repräsentationsgarten zu schaffen, der, so abwechslungsreich sich auch die Achse in Parterre und Wasser gestalten mochte, vor allem Übersichtlichkeit verlangte; denn dieser Garten war bestimmt, königlichen Festen mit Entfaltung herrlicher Kostüme, Aufzügen, Feuerwerken als Schauplatz zu dienen: alles und alle mußten gesehen werden. Zur Entfaltung dieses Bildes brauchte man aber einen Rahmen, und diesen gaben die Bosketts, die sich, jedes für sich, zu einem intimen Garten ausgestalten sollten, in denen mehr und mehr die reichste Abwechslung zur unbedingten Forderung wurde.
Überraschende, für Frankreich noch unerhörte Feste hatte Fouquet bei der Erbauung dieses Gartens vor allem im Sinn. Er konnte es kaum erwarten, bis alles so weit fertig war, daß er im Sommer 1661 sein erstes großes Fest zu Ehren der jungen, allgemein verehrten Henriette, Gemahlin des Herzogs von Orléans, des Bruders des Königs, geben konnte. Molière, der damals der Truppe Monsieurs als Schauspieler und Dichter angehörte, führte bei diesem Fest zuerst sein Stück »L'école des maris« auf. Fouquet schien von allen Gaben des Glückes damals überhäuft, im Jahre 1659 war er alleiniger Generalintendant geworden. Seine Partei schien ungeheuer groß. Zwar waren vor einigen Monaten die ersten Sturmwolken aufgestiegen, am 9. März war Mazarin gestorben. In den Beratungen unter vier Augen am Sterbebette seines Ministers scheint Ludwigs monarchistische Gesinnung zu Reife und Entschluß gekommen zu sein. Bald nach dem Tode berief der König sein Kabinett und erklärte ihm, daß er hinfort sein eigener Premierminister sein wolle. Fouquet jedoch glaubte den Zeichen nicht, nicht den Warnungen seiner Freunde, während Colbert schon mit Sicherheit seinen Sturz vorbereitete. Nichts mehr als der bisher unerhörte Prachtbau des neuen Lustschlosses konnte so sicher für feindliche Augen das verderbliche System des Generalintendanten aufweisen. Man erzählt, Colbert hätte heimlich während des Baues das Schloß besucht, dem König von den zahllosen Arbeitern, den ungeheueren Kosten berichtet. Das glänzende Fest, an dem der König nicht anwesend war, hatte zugleich den Zorn und auch die Neugierde des Monarchen erregt, er sagte sich zu einem neuen Feste am 17. August an. Schon aber war der Sturz eine beschlossene Sache, ja, der König hatte sogar vor, seinen Wirt im eigenen Hause bei dem Feste verhaften zu lassen, und war nur durch seine Mutter, der er sich vertraut hatte, davon abgehalten worden. Der König kam, mit feenhafter Pracht wurde er empfangen, die Eingeweihten und Vertrauten sahen, wie er nur schlecht seinen Zorn über den Luxus, mit dem auch entfernt nichts, was er sein nannte, sich messen konnte, und den er für gestohlen ansah, unterdrückte. Bei dem großen Umzug, der das Fest einleitete, sah er überall das Wappen seines Ministers, ein Eichhörnchen mit dem stolzen, aber unklugen Wahlspruch: »quo non ascendet«. Nach dem Prunkmahl wurde im Garten in dem Theater, das am Ende einer Fichtenallee errichtet war, Molières Stück »Les Facheux« gespielt, das in 14 Tagen für das Fest geschrieben war. Die Dekorationen hatte Le Brun gemalt, Pélisson, der Sekretär Fouquets und berühmte Prosaschriftsteller, hatte einen Prolog dazu geschrieben, den die schönste Schauspielerin ihrer Tage, La Bésart, sprach; ein Ballet, das sich den Gestalten des Lustspiels anpaßte, wurde von Giacomo Torelli geleitet, einem Urbinaten, dessen Geschicklichkeit der Dekoration und Maschinerie ihm den Titel »le grand jongleur« eintrug. Nach dem Theaterstück erregte ein Feuerwerk das höchste Entzücken. Dabei passierte das Unglück, daß zwei Rosse vor dem Wagen der Königin-Mutter scheuten und in dem großen Kanal ertranken. Lafontaine, der mit beredten Worten eine Schilderung dieses Festes an seinen Freund Mancroi schrieb, schließt den Brief mit den Worten: »ich glaubte nicht, daß mein Bericht ein so tragisches, bedauernswertes Ende finden sollte« Lafontaine, Lettre à Mancroix; Anatole France, Vaux-le-Vicomte, p. 66 u. p. 3.. Welch eine tiefe dunkle Bedeutung diese Worte finden sollten, wußte der Dichter nicht; er und das Heer der Bewunderer und Anhänger dieses glänzenden Gestirnes ahnten nicht, daß einen kurzen Monat darauf ihr Mäzen, Freund und Beschützer in engem Gewahrsam, des Hochverrats angeklagt, nur knapp dem Todesurteil entging, und daß das Urteil der lebenslänglichen Verbannung von seinem unerbittlich hassenden Monarchen in lebenslängliche Kerkerhaft umgewandelt wurde.
Die herrlich aufgeblühte Schönheit von Vaux-le-Vicomte sinkt schnell hin, um bald nichts mehr zu umschließen als Einsamkeit und Vergessenheit. Aber Fouquets Name und Wesen hat nie in seinen glänzenden Tagen so schön gestrahlt wie in diesen Zeiten des Unglücks. Mochte ihn die mächtige Gegenpartei erdrücken, mochte sein eigener Ehrgeiz ihn auf falschem Wege zu einem gefährlichen Diener des Staates gemacht haben, mochte der neue Kurs der Staatsleitung ihn notwendig herausschleudern, es wurde dem Menschen eine einzig schöne Gloriole gewoben durch die Liebe, die unermüdliche Treue und tätige Anhänglichkeit seiner Freunde, der Dichter, Künstler und Literaten. Fouquet war kein gewöhnlicher Mäzen, er wußte sich dies leicht bewegliche Völkchen zu treuen Freunden zu machen, in ihm selbst steckte ein Stück Künstler, er verstand selbst das, was er die anderen machen ließ. Man erzählt, daß, als er aus dem Sitzungssaal seines Prozesses über einen Hof geführt wurde, er Arbeiter bei einem Brunnen beschäftigt fand; anhaltend, trat er zu ihnen, und sein Unglück vergessend, gab er ihnen Ratschläge, wie sie das besser anfangen müßten, »denn von solchen Dingen habe ich einiges Verständnis«. Die zarte Rücksicht, die er stets für seine Umgebung hatte, zeigte sich bis in Kleinigkeiten. Corneille, der auf Fouquets Veranlassung seinen »Oedipus« schrieb, erzählt in der Vorrede, daß dieser seine Bibliothek sowohl in seinem Stadthause als auf dem Lande – damals bewohnte er sein prächtiges Schloß St. Mandé – als Wartezimmer geöffnet hätte. Kaum hatte sich daher die Nachricht seines Sturzes verbreitet, als eine allgemeine Wehklage losbrach. Pélisson, den man in die Bastille geworfen, schrieb von dort aus Pamphlet um Pamphlet gegen Colbert. Loret, ein Journalist, der in seinem Blatte in Poesie und Prosa das Leben und die Feste Fouquets verherrlicht hatte, brachte einen so heftigen Artikel gegen Colbert, daß ihm seine Pension entzogen wurde. Kaum hörte Fouquet davon in seinem Gefängnis, als er Mademoiselle de Scudéry schrieb, dem Treuen eine Entschädigungssumme zu senden. Lafontaine, der glückliche Jahre in der Umgebung des Fouquetschen Künstlerkreises verlebt hatte, verfaßte eine rührende Elegie an den König, um seine Güte anzuflehen. »Erfüllet mit Klagen die Luft in eurer tiefen Grotte, Weint Nymphen von Vaux.« Lafontaine hatte schon in Fouquets Glückstagen ein Werkchen begonnen, in dem er die Schönheit von Vaux in allegorischen Bildern besingen wollte, das blieb nun ein Bruchstück, doch als er dann 10 Jahre später dieses Bruchstück unter dem Titel »Der Traum von Vaux« herausgab, da beklagt er noch einmal in melodischen Eingangsversen das Schicksal des Unglücklichen, »der seinem König mißfiel und dem die Freunde fehlten, doch trotz des Sturzes weih' ich ihm die Tränen«. Ihm zu Ehren läßt er vier Feen erscheinen, die Architektur, die Malerei, die Gartenkunst und die Dichtkunst, sie treten vor den Richterstuhl, dem Fouquet vorsitzt, um für ihren Vorrang zu plädieren. Nach der Architektur und Malerei, die hochmütig und siegesgewiß auftreten, erscheint die Gartenkunst, so schön, still und lieblich, daß schon durch die Anmut ihres Schweigens die Richter bestochen waren; als sie dann aber so einfach und schön von ihren Reizen spricht, da sind alle Herzen ihr zugeneigt, und hätte nicht die Malerei ein Bild von ihr im Winter vorgezeigt, das sie traurig anerkennen muß, der Siegespreis, den nun die Dichtkunst davonträgt, wäre ihr zuerkannt worden. So hoch in der Schätzung stand damals die Gartenkunst in der Reihe ihrer Schwestern, die alle in ihren besten Vertretern sich um Fouquet versammelt hatten. Man nannte ihn »le coeur le plus magnifique du royaume«, sagt Sainte-Beuve in seinem Essay, »das aber hieß Ludwig XIV. an seiner empfindlichsten Stelle beleidigen und Trotz bieten« Sainte-Beuve, L'Intendant Fouquet: Causeries du Lundi V, p. 301.. Und doch – vielleicht war dies der größte Triumph, den der Gefangene hinter seinen Kerkermauern erlebte – konnte Ludwig nichts Besseres machen, denn als treuer Schüler seines gehaßten Feindes den Kreis der Künstler, die dieser um sich gesammelt, die er erzogen und mit seinem Geiste erfüllt hatte, so daß sie nie Sehnsucht und Bedauern ganz überwanden, in seine eigenen Dienste zu übernehmen. Als nun in des Königs Geiste der Plan reifte, in Versailles ein alles überstrahlendes Königshaus zu erbauen, da nahm er Le Vau zu seinem Architekten, Le Brun zu seinem Maler, Le Nôtre zu seinem Gartenkünstler, und Lafontaine und Molière halfen Ruhm und Feste dieses Schlosses erhöhen.
Schon seit dem Jahre 1624 hatte sich Ludwig XIII., dessen einzige Leidenschaft die Jagd war, ein kleines Jagdschloß in dem weiten, sumpfigen Jagdgrunde von Versailles Pierre de Nolhac, Histoire du Château de Versailles, 1899, unvollendet. Text vollendet in Création de Versailles, 1901; Pierre de Nolhac, Versailles, les jardins, 1905; Dussieux, Le Château de Versailles, 1881, I u. II. Im Ganzen von Nolhac überholt, doch mit einer Fülle von Einzelnachrichten. Diese beiden Werke liefern hauptsächlich die Daten für die Entstehung des Gartens. Vgl. Versailles: Les Châteaux. Les Jardins d'après les dessins de Dupin (Préface de P. de Nolhac) Paris 1922. erbaut. Er hatte schon als sechsjähriger Knabe hier zum ersten Male gejagt und war später mit wachsender Vorliebe nach Versailles gegangen. Das Schlößchen war ein anmutiger Ziegelrohbau, umschloß mit vier Eckpavillons einen Hof und war ringsum von einem breiten Graben umgeben. Den Garten, ganz im Stil des ersten Drittels des XVII. Jahrhunderts, legte Jacques Boyceau an, der bis zu seinem Tode Intendant dieser Gärten war. Er hat in seinem Werke zwei Zeichnungen von Parterres aus Versailles I. Boyceau, Traité du Jardinage, 1638. hinterlassen, das eine ein Parterre de broderie, dicht vor der Gartenfront des Schlosses gelegen, ein anderes ein Parterre de pelouse, mit größeren Rasenstreifen, das, da es »aus dem Park von Versailles« bezeichnet ist, wohl weiter abgelegen sein wird. Nichts spricht dafür, daß der Garten schon unter Louis XIII. eine größere Ausdehnung oder gar, wie manchmal angenommen, die Hauptlinien der späteren Anlage erhalten habe Dussieux I, p. 21 ff.; Nolhac, Histoire, p. 26.; auch der Plan von 1652, den Gomboust von Paris und Umgegend zeichnete Nolhac, Histoire, p. 22 u. 23., zeigt Versailles mit wenigen Parterres und einem endlosen Jagdpark umgeben. Auch Ludwig XIV. scheint von Anfang seines Vaters Vorliebe für Versailles geteilt zu haben, die einzig und allein auf der Jagd beruhte, denn seit auch er als zwölfjähriger Knabe dort seine erste Jagd abgehalten hatte, gewann er das kleine einfache, hübsche Schlößchen so lieb, daß er sich nur langsam zu einem Neubau entschließen mochte und sich nie dazu verstehen konnte, es niederzureißen, sondern den Baumeistern die harte Aufgabe stellte, um diesen alten Kern immer wachsende und wachsende Schalen zu legen. So regte ihn auch in Vaux-le-Vicomte zuerst nicht die Schönheit des Schlosses, sondern der Garten zum Wetteifer an.
Unmittelbar nach Fouquets Sturz, in den Jahren 1662/63, müssen die Hauptlinien des Gartens von Versailles entworfen sein (Abb. 396).
Wir haben uns heute daran gewöhnt, den ungeheueren Bau des Schlosses, das eine Gartenfront von 415 m zeigt, mit den gewaltigen Linien des Gartens in Einklang zu bringen und eines durch das andere zu begreifen. Als aber der Monarch Le Nôtre vor die Aufgabe stellte, einen Königsgarten zu entwerfen, wie die Welt bisher noch keinen gesehen, fand dieser nur das kleine Jagdschlößchen, das sein königlicher Herr sehr liebte, und wenn er in den ersten sechs Jahren, ehe Ludwig sich entschloß, den ersten Erweiterungsbau durch Le Vau vorzunehmen, doch den Garten in seinen grandiosen Dimensionen und Hauptlinien durchführte, so will es uns bedünken, als habe er visionär schon die gewaltige Größe des Schlosses geschaut, um es zu wagen, mit diesem mächtig gespannten, großzügigen Plan das kleine grabenumflossene Schlößchen zu umgeben. Freilich, Ludwig kam ihm mit seinen Wünschen und Forderungen zu Hilfe. Er kam häufig heraus nach Versailles, das Schlößchen selbst wurde im Innern prächtig umgestaltet. Hier war Le Brun ganz an seinem Platze, seine Phantasie in der Dekoration war unerschöpflich. Schon Fouquet hatte in Vaux eine Gobelinfabrik gegründet, der Le Brun vorstand und wo er seine Entwürfe ausführen ließ. Auch dies hatte ihm der König nachgemacht oder vielmehr die Fabrik nach Versailles übertragen. Aber wenn auch die Räume immer kunstvoller ausgestattet wurden, so wollte sich doch das Jagdschlößchen innerhalb seines Grabens nicht dehnen, und Ludwig plante Feste in Stil und Ausdehnung, die jene am spanischen Hof übertreffen sollten. Da mußte der Garten als Schauplatz leisten, was das Schloß nicht vermochte, und Le Nôtre wußte wohl, was er tat, als er von der großen, obersten Terrasse die hufeisenförmigen Wege herabführte und dort ein zweites großes Parterre anlegte, dann von hier mitten durch die dichten, waldartigen Bosketts, von denen anfangs nur zwei wirklich im Innern geschmückt waren, eine sehr breite, 335 m lange Allee hin bis zu einem mächtigen, ovalen Bassin führte, wo zunächst eine breite Querallee den Garten abschloß. Im Jahre 1664 war der König auf der Höhe seiner Leidenschaft für Madame La Vallière, mit der er oft in dem Jagdschloß von Versailles seine Rendezvous gehabt hatte. Man sagt, daß ihrer Entbindung zu Ehren der König die herrlichen Feste plante, die damals vom 7. bis 14. Mai diesen unteren Teil des Gartens in den Feenpalast von Ariosts »Alcina« verwandelten Nolhac, Histoire, p. 49 ff., ch. 3. Eine ganze Reihe von Schilderungen dieser Feste erschienen damals. Isr. Silvestre hat 9 Stiche zu einer dieser Relationen, Les plaisirs de l'Isle enchantée, gestochen; Nolhac, Création, p. 49, Note 3.. Der Palast selbst war in der Mitte des großen Schlußbassins auf einer Insel erbaut; die vier Zugänge der Alleen zu dem Rondell endeten in Triumphbogen, dazwischen boten amphitheatralisch aufsteigende Sitzreihen den Zuschauern Platz, die von hier die Schaustücke, Aufzüge und Ritterspiele und zum Schluß das herrliche Feuerwerk, in dem nach der Entzauberung Ruggieros die Zauberburg in Flammen aufging, gut übersehen konnten. An einem anderen Tage war 100 Schritt weiter ein improvisiertes Theater, mit einem Leinwandtuch überdeckt; dort wurde Molières »La Princesse d'Elide« aufgeführt. Wasserspiele in den Schloßgräben, eine königliche Lotterie beendeten die bunten Feste. Sie konnten ganz gelingen, weil man vom schönsten Wetter begünstigt war. Trotzdem waren die Höflinge, wie Madame de Sévigné Journal d'Olivier Lefèvre d'Ormesson, éd. Cheruel II, p. 142 (1861); Nolhac, Création, p. 54, N. 1. erzählt, wütend, denn der König hatte 600 Personen geladen, kümmerte sich aber nicht im geringsten, wie sie unterkamen, »so daß die Herren de Suisse und Elbeuf kein Loch als Unterschlupf hatten«.
Indes dachte der König immer noch an keine Erweiterung des Schlosses. Mit größtem Eifer aber wurden die Arbeiten im Garten gefördert. Schon vor 1664 wurde unter dem Südparterre die Orangerie erbaut (Abb. 397), sie war nur halb so breit wie die heutige, entsprechend dem kleinen Schlößchen, hatte 12 schmale Bogen, vor denen sich das Parterre mit einem Bassin erstreckte, das im Sommer die Orangenbäume aufnahm, 190 Bäume hatte sich Louis XIV. aus Vaux nach Versailles verpflanzen lassen, er hatte sie von Fouquets Gärtner, La Quinteny, den er auch gleich in seinen Dienst nahm, hierher transportieren lassen. Über der Orangerie lag das Parterre des fleurs, das schon zu Ludwigs XIII. Zeiten bestand, da Boyceau dafür die Zeichnung entworfen hatte. Dieses Parterre, nach dem Schloßgarten zu mit einem Holzgitter abgeschlossen, blieb in seiner Größe auch bei der ersten Schloßerweiterung bestehen; erst viel später wurde es um das Doppelte erweitert (Abb. 396, 16), und überschaute von 1678 an die von Mansart erbaute neue Orangerie und darüber hinaus das mächtige »pièce d'eau des Suisses« (15), zu dessen Seiten Küchen- und Baumgärten angelegt wurden. Nach Norden hin aber erhielt die entsprechende Schloßgartenseite schon im Jahre 1664 ihr großes Parterre mit seinen Bassins und schönen Wasserkünsten, von dem in sanfter Neigung zwischen zwei oft geänderten Bosketts die Allee mit den anmutigen Kindergruppen zu dem Neptunsbassin herabführt (Abb. 398).
Das schönste Schmuckstück aber, das diese Nordseite barg, war eine der frühesten Arbeiten, die Ludwig XIV. ausführen ließ, die Grotte der Thetis Description de la Grotte de Versailles, französisch und deutsch, mit 20 Kupfern, herausg. durch Joh. Ulr. Kraus. (Abb. 399).
Sie lag an der Stelle der heutigen Kapelle und hat später dem Erweiterungsbau des Mansartschen Nordflügels des Schlosses weichen müssen. Der Erbauer der Grotte war ein Francini, jedenfalls aus der Architektenfamilie, die Maria Medici nach Frankreich berufen hatte. Wir hören von zwei Brüdern Francini, die ihr möglichstes als Wasserarchitekten taten und alles Wasser, das sie in dieser an Quellen armen Gegend aufspüren konnten, nutzbar machten. Über der Grotte waren die Hauptreservoire angebracht. Von hier wurde das Wasser zuerst in der dreiteiligen Grotte zu tausenden der für jene Zeit so anmutigen Wasserscherze und Brunnen verwandt. Der Zugang zu der Grotte war durch drei riesige Torbogen mit vergoldeten Eisentüren geschlossen, auf denen Strahlen, die von einem Sonnenhaupt ausgingen, auf 6 in Medaillons angebrachte Erdkarten niederfielen. Hier nahm der Sonnenkult, den der König in Versailles in immer neuen Variationen mit seiner Person treiben ließ, zuerst seinen Anfang. Über diesen Toren steigt im Relief Helios zu Thetis herab, von Nereiden und Tritonen begrüßt; das Innere der Grotte, das einen unendlichen Reichtum an Muscheldekoration zeigte, erhielt seinen schönsten Schmuck erst 1675 durch drei Statuengruppen: der ruhende Apoll, von Nymphen geschmückt, und rechts und links die Sonnenrose, von Tritonen getränkt (Abb. 400).
Die große Terrasse, die sich unmittelbar vor dem Schlosse erstreckt, war das Schmerzenskind Le Nôtres, denn keine ist so oft in ihrer Anlage geändert worden. Ursprünglich trat man von der Zugbrücke über den mit Balustraden gesäumten Graben in ein regelrechtes Parterre mit Teppichmuster, wie sie Boyceau zeichnete; so fand es Le Nôtre vor und scheint auch daran einstweilen nichts geändert zu haben, denn das erste Wasserparterre erscheint erst auf den Bildern, die schon das durch Le Vau erweiterte Schloß zeigen. Von der großen Terrasse führten ursprünglich nur sanft geneigte, halbkreisförmige Wege in das Parterre der Latona, das von seiner Gestalt damals den Namen Hufeisen, fer-à-cheval, trug. Erst im Jahre 1666 legte hier Le Nôtre das imposante Treppensystem an, das dem Repräsentationsgarten den Zug gewaltiger Größe gab, der doch wieder erst seine volle Bedeutung und Berechtigung durch Le Vaus Neubau erhielt. In diesen Jahren wurde auch der Schmuck der beiden Bassins am Beginn und am Ende der großen Königsallee durchgeführt, der der Mittelachse des Gartens den bestimmten Rhythmus geben sollte. Hatte man schon in der Grotte den höfischen Kultus des »Roi Soleil« begonnen, so war die Brüderschaft des irdischen und himmlischen Sonnenkönigs jetzt eine so geflissentlich allgemeine geworden, daß sich der ganze Garten in einen Sonnentempel umwandeln mußte. Der Schmuck des Beckens im Hufeisenplatze schildert die Geburt des Latonasohnes (Abb. 401). Auf einer Insel in der Mitte fleht die Göttin, die Zwillinge neben sich, den Zorn Jupiters auf das rohe Volk herab, das, rings in dem Becken zerstreut, die Göttin mit Wasserstrahlen anspeit, die aus Fröschen oder Froschmäulern auf Menschenleibern springen. So war die ursprünglich weit schönere Anlage; erst viel später hat man das wimmelnde Ungetier der Göttinmutter ganz nahe gerückt, selbst darüber hinaus gehoben, so daß bei springenden Wassern das Ganze wie ein Wasserberg wirkt.
Am Ende der Allee aber, inmitten des riesigen Wasserbeckens, das einst den flüchtigen Zauberpalast Alcinas getragen, erhob sich nun aus den Fluten der junge Gott mit seinem feurigen Viergespann, das erst mit halben Leibern das Wasser überragt (Abb. 402); die blasenden Tritonen zur Seite verkünden das junge Licht. Hinter diesem Apollobecken aber grub man voll Eifer an dem großen Kanal, einem Werke, bei dem Le Nôtre auch nicht einen Augenblick gezweifelt hat, es gleich in seiner gewaltigen Größe und unvergleichlich imposanten Wirkung festzulegen, denn man begann mit dem Graben der Kreuzungsstelle und ist allmählich zu den vier Endpunkten weiter vorgedrungen. Dies Werk umfaßte mit einem genialen Wurfe zugleich die praktische Notwendigkeit, das sumpfig-feuchte Gebiet des tiefliegenden Parkes zu entwässern, die vielen Einzelkanäle und Wasserflächen in sich aufzunehmen und dem ganzen Gartenbilde eine Geschlossenheit und zugleich Weite zu geben, wie es nur ein mächtiger bewegter Wasserspiegel vermag.
Wohl hatte der Kanal von Fontainebleau diesen Weg schon gewiesen, und der erste Versuch in Vaux war auch glücklich auf Garten und Terrain abgestimmt, doch erst der 1560 m lange, 120 m breite Kanal von Versailles, dessen Querarme sich zu einer Länge von 1013 m erstrecken, bringt die höchste Vollendung dieser Idee des französischen Kanalgartens, die von nun an nicht mehr übertroffen, nur noch nachgeahmt werden konnte (Abb. 403).
So viel hatte Ludwig für den Garten getan und immer noch nicht sich entschließen können, das kleine Schlößchen zu erweitern; anfangs war Colbert Versailles sehr feindlich gestimmt, er sah es höchst ungern, daß Le Vau und Le Nôtre, um den König in guter Laune zu halten, mit immer neuen Plänen kamen, die dieser ohne Zaudern und mit großer Freude bewilligte. Man erzählt, daß Le Nôtre, als er mit seinem Herrn durch den Garten ging und nach jedem neuen Vorschlag vom König die fröhliche Antwort erhielt: »Le Nôtre, dafür bewillige ich dir 10 000 Franken«, dieser plötzlich angehalten und ausgerufen habe: »Nun aber sage ich kein Wort mehr, sonst ruiniere ich Eure Majestät« Dussieux II, p. 199.. Colberts Plänen entsprach es weit mehr, den Louvre prächtig auszubauen und damit den König ganz an Paris zu fesseln, im Jahre 1664 schon schrieb er ihm einen freimütig eindringlichen Brief: »Ew. Majestät wissen, daß außer glänzenden Kriegstaten nichts so sehr Größe und Geist eines Fürsten beweist, als Baudenkmäler. Die Nachwelt mißt den Fürsten am Maßstabe der herrlichen Gebäude, die er während seiner Regierungszeit geschaffen hat. Wie jammerschade, daß der größte und mächtigste König, der gerade die Tüchtigkeit im vollsten Maße besitzt, die den Fürsten am größten macht, einst am Maßstabe von Versailles gemessen werden soll! Und dieses Unglück steht zu befürchten« Nolhac, Histoire, p. 40/41.. Nun, Colberts Furcht ist in einem Maße eingetroffen, das er sich damals noch nicht hat träumen lassen. Ludwig ließ zwar am Louvre bauen, aber ohne großes Interesse, er liebte Paris nicht, und wohl war ihm nur in Versailles, dort feierte er seine Feste, seine Siege. Der Friede von Aachen im Jahre 1668 sollte Versailles in noch weit feenhafterer Festpracht erstrahlen lassen als vier Jahre früher. Madame la Fallière ging dem Ende ihrer Macht entgegen, der König war eben unter den Einfluß von Madame de Montespan geraten. Beide standen damals in ihrer vollen Jugendkraft, der König hatte erfolgreich die monarchische Idee durchgeführt, die Fronde war längst eingeschlafen, die Frondeurs seine treuen Diener geworden; er war siegreich auch dem äußeren Feinde gegenüber. Die Frau war schön und voll Laune und Geist, den noch Voltaire bewunderte. Er hat eine Unterhaltung, gemischt mit Scherz, Naivität und Finesse, »esprit de Mortemart« genannt – Athénaïs Mortemart war der Mädchenname der gefeierten Freundin des Königs. Madame la Vallière, die zarte, bescheidene, zur Traurigkeit geneigte, zögerte noch etwas, die ihr doch lieb gewordene Macht zu verlassen, und ging dann ins Kloster. Der festesfrohe, nach allen Pikanterien haschende Hof wußte auch aus diesem Ereignis ein Fest zu machen.
Im Jahre 1668 aber wollte der König nur höchste Lust um sich sehen Félibien, Relation de la fête de Versailles du dix-huitième juillet 1668.. Der Garten war, wie gesagt, mit seinen großen Linien, in seinem Hauptschmuck, dem großen Schauteile, vom Schlosse aus fertig, die zwölf Bosketts aber, durch die drei Hauptalleen und ebenso viele Querwege gebildet, waren damals noch zum großen Teil einfach baumbestandene, von Wegen durchzogene »massifs«, wie man sie nannte. Nur eines der Bosketts scheint damals, vielleicht zu dem Feste selbst, zu einem geschmückten Binnengarten umgewandelt worden zu sein, es wurde Wasserberg genannt, um der felsenartigen Fontäne willen, die aus einem runden Becken aufsprang, oder auch Stern, wegen der fünf Wege, die, von Treillage kunstvoll begleitet, auf diese Fontäne zulaufen. Hier nahmen die Herrschaften ihr Frühstück ein, dazu war dies Boskett herrlich mit Vasen, mit Zypressenarkaden und Skulpturen geschmückt. Von hier ging man zum Theater, das an einem der Kreuzungspunkte der Queralleen, wo bald darauf das Bassin mit dem Saturnbrunnen angelegt wurde, aus grünem Laub und köstlichen Tapisserien, die den Marmor nachahmen sollten, errichtet war. Hier spielte man nach einer Oper, mit Musik von Lulli, »George Dandin«, von Molière. Molière war schon im Jahre 1665 königlicher Hofdichter geworden; Ludwig hat den um seiner Satire willen anfangs aufs stärkste angefeindeten Dichter mit aller Treue bis zu seinem Tode als seinen Schützling und Freund behandelt, man weiß, wie der größte Teil seiner Lustspiele, oft auf direkten Auftrag, für die Feste seines Königs geschrieben wurde. Man kannte in den französischen Gärten die feststehenden grünen Theater, die später, im XVIII. Jahrhundert, keinem Garten fehlen durften, noch nicht. Die Schäferspiele und Maskenaufzüge der Renaissance, die mit und durch diese Feste entstanden sind, wurden auch mit Vorliebe auf einem Gartenhintergrunde dargestellt. Spanien hatte, wie wir sahen, hierin schon geradezu Verblüffendes geleistet; das Theater in Buen Retiro, dessen Bühne sich in den Park öffnete, war eine eigenartige Verbindung von festem Theater und lebendigem Gartenhintergrund. Blieb man ganz im Garten, so schlug man die Bühne bald hier bald dort an geeignetem Platze auf. Da galt es denn für die Maschinisten und Regisseure, mit höchster Schnelligkeit überraschende Effekte und Wunder der Dekoration zu erzeugen. Für Ludwig XIV. ebenso wie für Philipp IV. stand die Theateraufführung jedesmal im Mittelpunkt ihrer glänzenden Feste. Ein besonderer Lieblingsplatz des Königs war die Grotte, die er oft als prächtigen Hintergrund für allerlei, sowohl musikalische wie theatralische, Aufführungen brauchte. Auch die anderen Festlichkeiten dieser Maitage im Jahre 1668, das Souper und der Ball, spielten sich in den verschiedenen Kreuzungspunkten der Alleen, am Bassin der Ceres und der Flora, die von den Künstlern in prächtige, mit Fontänen, Skulpturen und Draperien geschmückte grüne Räume umgewandelt wurden, ab, so daß man im Vergleich mit den brunnen- und blumengeschmückten Sälen des Schlosses von diesen Festen sagen konnte: »wo Paläste Gärten und Gärten Paläste geworden waren«. Ein doppeltes Feuerwerk in der Hauptallee beschloß diese Freudentage, deren Kosten man auf nahezu 120 000 Livres berechnete. Ein Bild des Malers Patel hat Schloß und Garten mit dem König, wie er in seinem sechsspännigen Wagen zum Feste einzieht, festgehalten.
Kurz darauf, während noch die letzten Reste des Festschmuckes den Garten zierten, besuchte Lafontaine mit drei Freunden, Racine, Boileau und Molière, Versailles, um die neuen Anlagen des Königs zu bewundern. Lafontaine hat diesen Besuch zu einer Art von Prolog zu seinem Gedichte »Psyche« benutzt. Ihm verdanken wir die erste Schilderung des Gartens Lafontaine, Les Amours de Psyche et de Cupidon, 1669; Nolhac, Création, p. 69 ff.: die Freunde kommen im Wagen an und machen zuerst Halt bei der Menagerie. Sie gehört vielleicht noch zu den Bauten Ludwigs XIII. und liegt mitten im großen Parke, dort, wo heute der Querarm des großen Kanals an der Trianon entgegengesetzten Seite endet (Abb. 403). Ludwig XIV. aber ließ unaufhörlich daran bauen: die zentrale Gestalt, die das Haupttierhaus in der Mitte und die kleineren wie Speichen eines Rades darum gruppiert, ein Vorbild für so viele andere Parkmenagerien, hat ihr erst Mansart gegeben. Nach der Menagerie regt die Schönheit der Orangerie einen der Freunde zu begeisterten Versen an. Bei Tische unterhalten sie sich über den Herrn aller dieser Schönheit. »Nur Jupiter kann sich unaufhörlich der Weltregierung befleißigen, die Menschen brauchen alle Ausspannung; Alexander ergab sich Ausschweifungen, Augustus spielte, Scipio und Laelius amüsierten sich oft, flache Steine über das Wasser zu werfen, unser Monarch vergnügt sich, Paläste bauen zu lassen; das ist eines Königs würdig ... So schöne Gärten und prächtige Gebäude sind ein Ruhm unseres Landes ...« Das war die Schmeichelei, die Ludwig am liebsten hörte. Das Ziel der Wanderungen der Freunde aber war die Grotte, die genau geschildert wird mit ihrem Schmuck und ihren Wasserkünsten. Doch als der Wächter sie auch an der Lust der Wasserscherze teilnehmen lassen will, wehren sie ab, das solle er »für den Bürger und den Deutschen aufsparen«. Sie bitten um ein trockenes Plätzchen, wo Lafontaine den Freunden das erste Buch seines Gedichtes vorliest. Zwischen der Lesung des ersten und zweiten Buches besichtigen sie den anderen Garten, besonders von der Rampe über dem Bassin der Latona enthüllt sich ihnen der ganze Zauber, den Lafontaine in seinen melodischen Versen besingt. Wenig später besucht auch das Fräulein von Scudéry Madeleine de Scudéry, La promenade de Paris, 1669, mit Titelvignette der Orangerie; Nolhac, Historie, p. 74, n. 2. den Garten, und ihre Schilderung ist bis in das kleinste Detail genau, in ihrer Weise redselig und doch anschaulich. In der Grotte führt sie uns das ganze Konzert der künstlichen Vogelstimmen und Wasserorgeln vor.
Nach diesem Feste von 1668 aber machte sich endlich der Raummangel des kleinen Schlosses gebieterisch geltend. Noch einmal konnte es selbst Ludwig nicht wagen, seine Gäste so schlecht unterzubringen. So entschloß er sich denn zu bauen, aber die strikte Bedingung war die Erhaltung des alten Schlößchens, um das herum nun Le Vau die erste Schale entwarf, die die Billigung des Monarchen erlangte. Charakteristisch ist aber, daß der König seine eigentlichen Wohn- und Schlafräume bis zum Schluß in diesem alten Kern behalten hat. Der Bau Le Vaus ist auf dem zugeschütteten Graben und der Terrasse davor errichtet, so daß die Zeichnung der Parterres zur Seite gar nicht verrückt zu werden brauchte. Das Verschwinden dieses Grabens von Versailles ist jedoch von einer architektonischen Bedeutung, es war der letzte Abschied von dem Renaissanceempfinden in Frankreich. Eine neue Zeit brauchte mehr Weite, als sie ein solches Wasserband der Umgebung erlaubte. Es ist wohl seitdem in Frankreich kein Lustschloß von Bedeutung je wieder völlig von einem Kanal umgeben worden, wenn man auch, wie wir noch sehen werden, sich nicht gleich ganz davon trennen mochte. Von gleich großer Bedeutung wie für das Schloß sollte dieses Fest auch für den Garten werden. Le Nôtre und die übrigen Künstler hatten gerade bei der Einrichtung jener verschiedenen prächtigen und doch so vergänglichen grünen Salons eingesehen, wie viel glücklicher es sei, solche intime Festräume im Freien mit feststehender Dekoration zu schaffen, die immer und schnell zur Hand waren, denn jetzt, wo man damit rechnen mußte – auch Colbert tat es endlich – daß der Hof immer draußen wohnen würde, mußte man auch auf fortwährende neue Überraschungen und Feste sinnen. Dazu aber eigneten sich natürlich am besten die Bosketts des »petit parc«, wie man den Garten bis zum Beginne des großen Kanals nun nannte. Einige derselben waren ja schon begonnen. Jetzt aber, im Wetteifer mit Le Vaus Bau, der mit dem äußersten Eifer betrieben wurde, setzte auch bei Le Nôtre die größte Fruchtbarkeit ein. In den Jahren 1669–74 entstanden alle Bosketts auf der Nordseite der großen Allee. Zuerst, nach der Fertigstellung des »étoile« (Plan 26), wurden die beiden Bosketts zur Seite der Kinderallee, die zum Neptunsbassin führt (22), angelegt, da sah man links im grünen »massif« der Bäume, die meist durch ein Treillagegitter zurückgehalten wurden, eine Wasserlaube (berceau d'eau), unter deren Gewölbe man trocken fortgehen konnte, auf der anderen Seite einen Wasserpavillon, der aus einer großen Reihe Wasserstrahlen mit Delphinen gebildet wurde. Später entstand hier das schöne Boskett der drei Fontänen (Abb. 404).
Le Nôtre und das Heer von Künstlern, die in diesen fieberhaft fruchtbaren Jahren in Versailles einander in die Hände arbeiteten, wußten wohl, daß sie den verwöhnten und, ach so leicht, gelangweilten Hof nur durch immer neue und größere Abwechslung befriedigen konnten. Die größte Mühe und schwerste Aufgabe hatten die Wasserkünstler; denn sie waren es in erster Linie, die diese neuen und überraschenden Dinge für Le Nôtre ausführen mußten. Und welche Fülle von Wasser bedurfte man, um die unzähligen Brunnen zu speisen, die in diesen Jahren geschaffen und immer vermehrt werden sollten. Überall in den Kreuzungspunkten der Alleen, da wo 1668 noch die ephemeren Fest- und Theaterbauten aufgerichtet wurden, entstanden prachtvolle Springbrunnen; Flora, Ceres, Bacchus und Saturn krönen die Bassins, sie gehören zu den wenigen noch heute vorhandenen Brunnenstatuen. Unendlich mehr aber brauchte man in den Bosketts; zu den am meisten bewunderten und kunstreichsten gehört das in der nördlichen Gruppe gelegene Wassertheater (Abb. 405). Es ist jedenfalls als feststehendes Gartentheater benutzt und überaus kunstvoll ausgedacht: von der halbkreisförmigen Bühne steigen drei sternförmige Alleen sanft an, in denen je eine Wassertreppe von mehreren Reihen steil aufsteigender Wasserstrahlen begleitet wird, zu beiden Seiten der Wassertreppe sind schmale Wege, von bogigen Wasserstrahlen überspannt, die zwischen pyramidenförmigen Taxusbäumen aufspringen; da, wo die Alleen zusammenstoßen, sind kleinere Brunnenanlagen angebracht; die hohen Bäume, die das Ganze dicht umschatten, sind von niederem Lattenwerk zurückgehalten. Die Bühne trennt vom Zuschauerraum eine schmale stufenförmige Brunnenanlage. Dieser Zuschauerraum ist von amphitheatralisch aufsteigenden Rasensitzplätzen eingefaßt. Vasen mit Blumen und reicher Statuenschmuck vervollständigen dies Bild.
Eine der reizendsten Ideen Le Nôtres aber war der Schmuck des Labyrinths, das im Jahre 1674 seine Vollendung sah (Plan 8). Lafontaine hatte durch seine Fabeln Aesops Namen wieder in aller Mund gebracht und durch die hübsche Prosaeinleitung seine Gestalt dem französischen Volke lebendig gemacht. Nun stellte Le Nôtre an dem Eingang des Labyrinthes den griechischen Fabeldichter einem Eros gegenüber. Dem Wanderer, den dieser Gott hineinlockt, will jener mit seinen Fabeln Leiter sein. Denn überall an allen Knotenpunkten der ganz verzwickt angelegten Wege ist ein Brunnen mit Tieren aus einer seiner Fabeln geschmückt (Abb. 406). In immer neuen überraschenden Erfindungen sind 39 verschiedene Brunnen mit köstlichem Humor auf das zierlichste aufgebaut. Es war damals schon von Wichtigkeit, statt der altbekannten Labyrinthzeichnungen immer neue zu erfinden. Hier aber war wirklich ein Zaubergarten geschaffen; der Fremde hatte fortwährend, wohin er sich auch wandte, die lieblichsten Bilder vor sich. Die Tiere waren aus Blei gegossen, in natürlichen Farben bemalt, die Brunnen aus bunten Steinen, Muschelwerk, der Hintergrund meist Lattenwerk oder glattgeschnittene, grüne Buchenhecken; man kann sich nichts Reizenderes denken, als diese von den ersten Künstlern entworfenen Tiergruppen.
Welchen Anteil aber nahmen König und Hof auch an jedem Fortschritt! Eine ganze Reihe von Bildern und Stichen zeigen uns Ludwig und sein Gefolge, wie sie eines der neu hergestellten Bosketts besichtigen (Abb. 407).
Ja, es wurde zu einer Art Sport bei Hofe, Entwürfe für neue Bosketts zu machen. Le Nôtre ließ zwar solch einen Dilettantismus ungern zu, als aber die allmächtige Maitresse, Madame de Montespan, eine eigene Idee zur Ausführung bringen wollte, da mußte alles gleich an die Arbeit. Madame de Montespan wußte wohl nicht, ein wie altes Gartenmotiv sie mit ihrem bronzenen Baum, der aus allen Blätterspitzen Wasser spritzte, in den französischen Garten einführte; ihr kam die Anregung vielleicht unmittelbar aus Spanien (Abb. 408): Der Baum steht inmitten eines von bronzenem Schilf umkränzten viereckigen Bassins, aus dem Wasserstrahlen sich mit den vom Baum fallenden kreuzen, Schwäne in den Ecken senden ihre Wasserstrahlen in den Teich. Andere Brunnen, wie ein Teich mit einer Fruchtschale, aus der Wasser aufspringt, je zur Seite ein sogenanntes Wasserbüfett, ein sehr beliebter Brunnenaufbau, vervollständigen dieses Bild zierlicher Künstelei. Während der vollen Herrschaft der königlichen Maitresse galt dieses Boskett, das Le Marais genannt wurde, für eines der wundervollsten; aber mit des Königs verändertem Geschmack an Frauen ändert sich auch der Kunstgeschmack, und die Künstlerin mußte es erleben, daß es noch zu ihren Lebzeiten im Jahre 1705 geändert wurde. Alle die Bosketts, überhaupt der ganze Garten, bevölkerten sich damals mit einem Heere von Statuen, teils Nachbildungen nach der Antike, noch mehr aber Originale, denn man kann wohl behaupten, daß vom Jahre 69 an alle bedeutenden Bildhauer des Königreichs für Versailles irgendwie beschäftigt waren. Nur ein schwaches Bild des einstigen Schmuckes bietet der heutige Garten. Die Statuen sind größtenteils verfallen und in der Revolution zerstört worden; einige wenige hat man in die Museen gerettet wie Pugets Milon von Croton und Perseus und Andromeda, heute beide im Louvre; man muß aber beide Kolossalgruppen in ihre Parkumgebung, an die grünen Wände der Königsallee, im Geiste zurückversetzen, um etwas von ihrer Wirkung zu spüren.
Eine große Umwandlung erfuhr, gleichzeitig mit Le Vaus Bau, die große Terrasse. Le Nôtre fand wohl die Anhäufung der Blumenparterres zu groß: zu den Seiten des Schlosses, nur wenig vertieft, lagen die beiden großen Blumenparterres und, unterhalb des alten Parterre de broderie der Hauptterrasse, das Parterre hinter dem Bassin der Latona (Plan 6). Das alte Blumenparterre der Hauptterrasse hob sich für ihn nicht genügend heraus, so kam Le Nôtre auf den Gedanken, hier einen reichgegliederten Wasserspiegel wirken zu lassen. Er scheint anfangs etwas geschwankt und zuerst ein großes Bassin mit vier kleineren geschaffen, dann aber alles zusammen, Wasser, Blumen und Rasen, zu einem wirklichen Wasserparterre künstlich verflochten zu haben, wie es der Silvestresche Plan zeigt (Abb. 396). Dies Wasserparterre wurde nach den Entwürfen von Le Brun mit einer schier unglaublichen Fülle von Marmorstatuen und Gruppen, Allegorien aller Art, bevölkert, dazwischen standen große Vasen, nach der Treppe zur Latona zwei schöne Sphinxe mit Kindern auf dem Rücken, die später nach dem Nordparterre gebracht wurden. Das Latona-Hufeisen wurde auch immer mehr mit Statuen geschmückt, und an der Königsallee, heute tapis vert, standen an beiden Seiten Reihen von Vasen und Statuen. Am Ende dieser Allee, wo der Gott mit dem Sonnenwagen aus den Fluten steigt, war nun auch der Kanal zu seiner gewaltigen Länge ausgewachsen. Er war stetig bevölkert von prächtigen Schiffen, holländischen Matrosen, etwas später sogar venezianischen Gondolieren, die sich in einer kleinen Kolonie, noch heute »petite Venise« genannt, im Parke ansiedelten. Alles dies war fertig, wenn auch der Statuenschmuck zum Teil erst in Modellen aufgestellt, bis der Wille des Königs und ein gefüllter Staatssäckel die Ausführung gestattete – als der Herrscher, der jetzt schon monatelang Versailles als Aufenthalt wählte, die zweite Eroberung der Franche Comté im Jahre 1674 glänzend zu feiern beschloß. »Etwas, was man besonders bei den Festen des Königs beachten muß,« sagt Félibien, dem wir die Schilderung von allem diesem verdanken, »ist die Schnelligkeit, die ihre Pracht begleitet. Seine Befehle sind mit solchem Fleiß und Sorgfalt ausgeführt, daß man glauben muß, es sei Zauberei, so erstaunt ist man, im Augenblicke, ohne daß man es bemerkt, Theater errichtet, Bosketts mit Fontänen und Figuren bereichert, Erfrischungen aufgetragen und tausend andere Sachen zu sehen, die scheinbar nur in langer Zeit mit einer Menge von Arbeitern ausgeführt werden können« Félibien, Description sommaire du Château de Versailles et les Divertissements de Versailes en l'année 1674; Nolhac, Création, p. 154, Note 2.. Um diese vom König geforderte Promptheit besser zu überwältigen, hatte ja Le Nôtre die vielen Bosketts errichtet (Abb. 409), die denn auch in diesen sechstägigen Festen den schönsten phantastischen Hintergrund bildeten. Man begann Madame de Montespan zu Ehren damit, den Morgenimbiß in ihrem eben vollendeten Boskett, im Marais, dessen Schönheit mit vielen Blumenvasen von Porzellan und Blumengirlanden noch erhöht war, einzunehmen. Wieder wechselten Opern, Schauspiel und Feuerwerk miteinander ab. Vor der Grotte wurde Molières »Malade imaginaire« aufgeführt, auf dem Kanal fanden große Seeschauspiele statt, und alles übertraf eine Feenbeleuchtung in tief schwarzer Nacht, in der sämtliche Brunnen, mit bunten Flammen erleuchtet, plötzlich aufsprangen.
Das Jahr 1674 bedeutet für Ludwig XIV. in jeder Beziehung den Höhepunkt seines Lebens. Der König fühlte sich mit seinen 36 Jahren im Vollbesitz seiner Kräfte. Seiner Tatenlust und Lebensfreude hatte das Schicksal gleich reiche Erfolge gebracht. Es war sicher keine unberechtigte Überhebung, wenn er in dem Bewußtsein lebte, daß er im Mittel- und Brennpunkte aller Kulturinteressen seines Volkes, die zu den unbestritten ersten Europas geworden waren, stand. Jede Opposition, auch die geistige, schwieg in jenen Jahren, Ludwig war unbestrittener Monarch und Mäzen. Seine Liebe zu Madame de Montespan gab seinem Wesen den inneren Schwung, sie war die Frau, die ganz dem Bedürfnis jener Jahre entsprach: schön, stolz, übermütig, spottlustig und geistvoll, eine herrschsüchtige Natur, die nur ihm sich beugte, eine Königin, wie er sie für seine Freudenfeste brauchte und die ihn auf seinen Kriegszügen mit Sehnsucht nach dem Frieden erfüllte. Nach den Festen von 1674 war es beschlossene Sache, Versailles zur eigentlichen Residenz zu machen, Paris ward dem König immer unsympathischer. Damals, als seine Leidenschaft für die Marquise keine Grenzen kannte, beschloß er, ihr ganz in der Nähe von Versailles einen Herrschersitz zu schaffen, der nur Versailles nachstehen durfte. In Clagny Dussieux, Versailles II, p. 290 ff.; Nolhac, Création, p. 193 ff.; Bonnassieux, Le Château de Clagny et M me de Montespan, Paris 1881., einem königlichen Landgut, nordöstlich von Versailles gelegen, waren sie sich nahe genug und doch nicht so offiziell beisammen, wie in Versailles. Am 22. Mai überbrachte Colberts Sohn einen Plan, den ein junger, damals noch wenig bekannter Baumeister, Mansart, entworfen hatte. Der Bescheid des Königs lautete: »Ich antworte noch nichts; ich will erst die Gedanken Madame de Montespans darüber hören.« Am 12. Juni hieß es dann: »Wir billigen ihn alle beide ... Sie werden ihm also sogleich folgen und dort, ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, zu arbeiten beginnen. Madame de Montespan hat sehr große Lust, den Garten in diesem Herbste so weit zu sehen, daß er bepflanzt werden kann.« Und Colbert wußte, daß der König gewöhnt war, daß ihm geleistet wurde, was für andere unmöglich schien, bei seinen Festen wie bei solchen Bauten.
Als im nächsten August 1675 Madame de Sévigné Clagny besucht, schreibt sie ihrer Tochter: »Wir waren in Clagny: was soll ich Dir sagen? Es ist der Palast der Armida; das Gebäude erhebt sich »à vue d' œil«; die Gärten sind fertig: Du kennst die Art von Le Nôtre. Er hat ein kleines dunkles Wäldchen stehen gelassen, das sich sehr gut macht; weiter trifft man auf ein kleines Wäldchen von Orangen in großen Kästen, in dem man spazieren geht, es sind dort Alleen, in denen man Schatten findet, und um die Kästen zu verbergen, sind auf beiden Seiten Hecken in Brusthöhe angebracht, blühend von Tuberosen, Rosen, Jasmin, Nelken. Das ist sicherlich die schönste, überraschendste, entzückendste Neuheit, die man sich ausdenken kann; man liebt dieses Wäldchen sehr« Lettres de M me de Sévigné, 7. August 1675.. Natürlich waren Schloß und Garten damals noch nicht fertig; bis alles an Marmorskulpturen, Malereien, Vergoldungen in Haus, Orangerie und Gärten beschafft war, was eine Summe von etwa 17 Millionen Franken verschlungen hatte, war das Jahr 1680 herangekommen und der Stern von Madame de Montespan in starkem Niedergange. Wohl bewohnte sie das schöne Schloß noch eine Weile, und im Jahre 1683, nach seiner Heirat mit Madame de Maintenon, schenkte es Ludwig seiner früheren Maitresse. Aber die Pein der Demütigungen war doch auf die Dauer für die stolze Frau unerträglich, im Jahre 1692 überließ sie alles ihrem Sohne, dem Duc du Maine, und zog sich in ein Kloster zurück. – Am Ende des XVIII. Jahrhunderts wurde das verfallende Schloß ganz niedergerissen, heute ist keine Spur davon vorhanden. In Clagny hatte Mansart sein Probestück geleistet (Abb. 410): ähnlich wie in Versailles umschloß das Gebäude einen Binnenhof, dem ein sehr großer Hof vorgelagert war, zu dessen Seiten Ställe und Küchengärten geschickt verborgen waren, diesen Vorhof schließen Gräben ab, ein Zeichen, wie schwer man sich von der alten traditionellen Vorstellung trennte, daß Gräben ein Schloß irgendwie hüten müßten. Durch Seitenflügel wird der Hauptkomplex des Gebäudes in den Garten vorgeschoben, eine Lösung, die Mansart hier in kleinem Maßstabe, vorbildlich für die Versailler Schloßerweiterung, schuf.
Der Garten, den Le Nôtre »in seiner Weise«, wie Madame de Sévigné schreibt, anlegte, und der so viel gepriesen wurde, soll doch nur der intime Garten eines kleinen Schlößchens sein. Le Nôtres Stil ist hier völlig ausgebildet, der in sanften Terrassen vom Schloß abfallende Mittel- oder Repräsentationsgarten (Abb. 411) endigt in einem großen Wasserspiegel, dem großen Teich, den der Meister schon vorfand und in die Gestalt des langen Kanals brachte; Bosketts, die den Mittelgarten umrahmen, sind in Weißbuchen und Weißtannen künstlich angelegt. Vor einem Flügel des Schlosses, dessen Erdgeschoß als Orangerie erbaut war, befand sich jenes von Madame de Sévigné so reizvoll geschilderte Orangenwäldchen, dem das dunkle Boskett zur Seite als anmutender Kontrast diente.
Durch seine Arbeiten in Clagny hatte sich Mansart beim König empfohlen. Als nun nach 1674 der König mit immer kürzerer Unterbrechung in Versailles wohnte, war es unerläßlich, das Schloß, das jetzt wohl einen Hof zum Sommeraufenthalt aufnehmen, aber keine Regierung beherbergen konnte, zu erweitern. Le Vau war schon 1670 gestorben, seinen Bau hatten seine Schüler zu Ende geführt, nun bedurfte der König, der niemals Geduld zum Warten hatte, einer jungen, energischen Kraft; so begann denn Mansart den Riesenbau der beiden Seitenflügel, der mit ans Übermenschliche grenzender Hast gefördert und durchgeführt wurde. 22 000, ja 36 000 Arbeiter zählte man. Der König wollte von keinem Einhalten wissen, selbst Epidemien sollten die Arbeiten nicht unterbrechen. Madame de Sévigné schreibt, daß man im Oktober 1678 »alle Nächte wie aus einem Krankenhause ganze Karren voll Toter herausgeschafft habe«. Le Nôtre arbeitete auch unermüdlich am Garten weiter. Neues, immer Neues wollte der König und sein Hof sehen. In den offiziellen Hofberichten wird die Nachricht, »der König besichtigte eine wohlgelungene Änderung«, zu einer stehenden. Darum mußten, soweit als möglich, neue Bosketts eingerichtet werden, wie vor allem das schöne, die Königsinsel genannte (Plan 12): ein sehr großes Bassin, das zwei Bosketts zu einem zusammenfaßte, eine Insel in der Mitte gab ihm den Namen, von einer unendlichen Fülle von Wasserstrahlen wurde es belebt (Abb. 412). Größere Arbeit aber machten die Änderungen, die vom Jahre 1677 an allmählich fast alle Bosketts umgestalteten; ja einige sind sogar während der langen Regierung Ludwigs fünfmal umgeändert worden. Zuerst begann man die beiden Bosketts zur Seite der Kinderbrunnenallee neu zu gestalten.
Es entstand dafür das prächtige von Rigaud gestochene Triumphbogenboskett (Abb. 407). Im Jahre 1678 erhielt Le Nôtre einen längeren Urlaub, um Italien zu bereisen und sich dort neue Anregung zu holen. Le Nôtre war damals nicht mehr jung, aber er war von seinem König hochgeehrt, der sich an seinem offenen, freimütigen und kindlich enthusiastischen Wesen freute und ihn gerne um sich duldete. An seinen Namen, der mit dem europäischen Ruhm von Versailles stieg, haben sich namentlich aus Anlaß dieses Besuches neue Mythen gehängt. Jeder schöne Garten wollte den Ruhm haben, von ihm entworfen zu sein, so wird dies immer von neuem von der Villa Ludovisi behauptet, die doch damals schon länger als 30 Jahre bestand; Le Nôtre hatte zwar schon einmal als junger Mensch in Italien studiert, damals aber wird man wohl schwerlich einem unbekannten Maler ein solches Werk übertragen haben. Ein Beispiel von der Art des Eindruckes, den Le Nôtres kindlich freimütiger Charakter auf die Menschen machte, zeigt die Anekdote, daß er während einer Audienz bei Innozenz XI. so entzückt von dem Papste war, daß er ihn voll Begeisterung küßte; als man dies am französischen Hofe erfuhr, wollte man es in Ludwigs Umgebung nicht glauben, der König aber meinte: »Das kann ich mir wohl denken, denn er hat mich oft in Begeisterung geküßt.« Le Nôtre aber lernte mit offenen Augen, befreundete sich mit italienischen Künstlern und kam heim voll neuer Ideen, die er hier bald ausgestalten sollte.
Zunächst mußte der Garten von Versailles einen schmerzlichen Verlust erleiden. Die schöne Grotte, die fast 20 Jahre seine größte Zierde und ein Lieblingsaufenthalt des Königs gewesen, fiel dem Bau des Nordflügels zum Opfer, man dachte auch nicht mehr daran, sie an einem anderen Orte neu aufzubauen, der Geschmack an dieser Art Zier, an all dem sehr bunten Muschelwerk, begann in den achtziger Jahren abzunehmen. Der König war ernster geworden, und mit ihm wandte sich auch die Kunst überall schwereren, einfacheren, größeren Linien zu. Die schönen Gruppen aber wurden wenigstens gerettet; man stellte sie zunächst in ein anderes Boskett, dessen Brunnen eine Statue der Fama schmückte (Abb. 413), wo sie bis zum Jahre 1704 standen, dann überführte man sie in ein neues Boskett, das an Stelle von Madame de Montespans weinendem Baum errichtet worden war. Für die heutige, widersinnige Aufstellung, in drei Nischen eines großen künstlich-natürlichen Felsens über einem unregelmäßigen Bassin, ist erst die Zeit englischen Geschmackes, die mit ihrer falsch verstandenen Romantik glücklicherweise in Versailles nicht vieles verdorben hat, verantwortlich. Der König verlor aber mit der Grotte auch eine Art Konzertsaal im Freien, da er es liebte, gerade musikalische Aufführungen vor und in der Grotte zu veranstalten. Erst ein paar Jahre darauf wurde das reizende Säulenboskett (Abb. 414) errichtet, das hauptsächlich Mansart erbaut hat. 32 Marmorsäulen sind in länglichem Rund mit ebenso vielen Pilastern gekuppelt, durch Bogen und Balustraden verbunden, dazwischen sind Springbrunnen angebracht, und in der Mitte eine schöne Gruppe, den Raub der Sabinerinnen darstellend.
In diesem Boskett, das schon ganz dem späteren, einfachen Geschmacke angehört, ließ der König nun häufig seine Konzerte aufführen. In die gleiche Zeit wie die Grottenzerstörung fällt auch die Erbauung der neuen Orangerie (Plan 3) von Mansart und damit die Erweiterung der Südparterres zu gleicher Breite mit dem Nordparterre und die letzte Vergrößerung des großen Wasserbassins, der pièce de l'eau des Suisses, das nun einen glücklichen Abschluß der großen Querachse bildete, die vom Neptunbassin, das damals um seines Schmuckes willen der Drachenbrunnen hieß, ausging. Die Mitte dieser auf- und niedersteigenden Querachse, die große Terrasse vor dem Schlosse, sollte um das Jahr 1684 auch ihre letzte Gestalt erhalten. Das Auge hatte sich etwas müde gesehen an all der zierlichen Vielfältigkeit, zudem versperrte das Wasserparterre den direkten Weg aus dem Schlosse, so daß man es immer umgehen mußte: so schuf man eine große breite Mittelallee (Plan 1), auf der sich jeder prächtige Aufzug glücklich entfalten konnte, und legte zu beiden Seiten die großen Wasserspiegel an, die noch heute ihre Gestalt und auch den unvergleichlichen Schmuck von Bronzestatuen von Tuby, Keller, Coysevox, Le Hongre (Abb. 415) und anderen erhalten haben. Mitten in diesem Becken waren noch zwei mächtige Gruppen geplant: die Geburt der Venus und die der Thetis, die aber nur in Modellen kurze Zeit den heute etwas leeren Wasserspiegel geschmückt haben. Dem Charakter des Versailler Hofes, wie er sich in diesen Jahren in seinem immer feierlicher werdenden Zeremoniell entfaltete, waren diese ernsten Wasserbecken, mit ihrem im Vergleich zu den vielen Marmorstatuen nur sparsamen Schmuck, gerade die richtige Einleitung zum Garten. Wir müssen uns die pomphafte Staffage hinzudenken, wenn der König sich in seiner Sänfte, von den Würdenträgern in strenger Ordnung begleitet, zu einer Spazierfahrt durch den Park heruntertragen ließ, die er immer in kleinen, besonders konstruierten Wagen unternahm, oder, was er so gerne tat, einem Gaste die Schönheiten seines Parkes zeigte. Er hatte damals den ersten Führer durch Garten und Park, nach dem seine Beamten Gäste umherführen sollten, selbst verfaßt Dussieux, Versailles II, p. 223.. Genau wird darin angegeben, wie man oben an den Treppen des Latona-Parterres verweilen solle, um sich über die Lage der Terrassen zu orientieren, dann zum Bassin der Latona herabsteigen müsse; am Fuße der Latona empfiehlt er besonders einen Aussichtspunkt, der mit einem Blick die bemerkenswertesten Wasserkünste überschauen lasse, und den man heute noch den »point de vue« nennt. Dann führt er weiter durch die Hauptallee bis zum großen Kanal, wo man zurückschauen müsse, um das ganze Schloß über dem Garten als Gesamtbild zu haben. Nun sollen zuerst die Bosketts linker Hand vom Kanal, dann die Orangerie, und endlich die Anlagen auf der rechten Seite angeschaut werden. Ein Leitfaden, wie er noch heute jedem Führer zugrunde gelegt wird.
Des Königs Bau- und Veränderungslust aber fand in Versailles längst nicht mehr sein Genügen. Neben den mächtigen Arbeiten in Versailles ging der Bau einer ganzen Reihe von Schlössern einher. Schon ehe Clagny begonnen war, entstand in wenigen Monaten des Jahres 1670 am nördlichen Ende des Querkanals ein kleiner köstlicher Bau, das Trianon de Porcelaine. »Es wurde«, sagt Félibien, »zuerst von jedermann als ein Wunder angestaunt, da es erst am Ende des Winters angefangen war und im Frühling dastand, als ob es samt allen Blumen der Gärten, die es begleiteten, aus der Erde gewachsen sei« Félibien, Description du Château de Vers., p. 92; Soulié, Le Trianon de Porcelaine: Magasin pittoresque, 1857; Dussieux II, 312 ff.; Nolhac, Trianon en Porcelaine. (Abb. 416).
Mit dem Häuschen wollte Ludwig Madame de Montespan eine Freude machen; es war nur ein Teehaus, in dem man am Nachmittag, während der Hitze des Sommers, Erfrischungen einnehmen konnte. Um diese Zeit hatten zuerst die Berichte der französischen Missionäre aus China, die in nicht gar zu langer Zeit bei den Umwälzungen des Gartengeschmacks eine wichtige Rolle spielen sollten, die Welt in Staunen versetzt. Man begann mit Eifer, Porzellan, Stoffe und Malereien aus China zu sammeln, und der fabelhafte Porzellanturm von Nanking galt als achtes Wunder der Welt. Ludwig wollte nun auch etwas dergleichen haben, so mußte dies kleine Trianon-Teehaus à la chinoise ausgeschmückt werden, und in Ermangelung von Porzellan nahm man Fayencen in holländischer Manier, die aber auch in der neu gegründeten Fayencefabrik in Trianon hergestellt waren. An der Fassade waren überall Fayenceplatten angebracht, große blaue Vasen waren auf den Gesimsen und auf den Rampen aufgestellt, die zum Kanal herunterführten, weiße Marmorbüsten standen auf Fayencesockeln. Dem entsprach das Innere, das nur einen großen Mittelsaal mit je einem Appartement auf jeder Seite hatte. Der Saal war ganz in Weiß mit blauem Figurenschmuck gehalten. Der Boden war mit Fayenceplatten in gleichen Farben gepflastert. Da jedes der Seitenappartements nur aus einem Zimmer und einem Kabinett bestand, aus dem alkovenartig eine Voliere vorsprang, so hatte man zu beiden Seiten des Hauses, einen ovalen Hof flankierend, noch zwei Nebenpavillons in ganz ähnlichem Schmucke »en petit palais« eingerichtet Zwei weitere kleine Pavillons waren nicht als Wohnpavillons eingerichtet. (Abb. 417). Wir finden hier zum ersten Male die gelöste Bauweise der Wohnpavillons, die sich als Kavalierhäuser um das Haupthaus gruppieren, eine Anordnung, die in Marly zu ihrer Vollendung durchgeführt wurde und von da besonders in Deutschland ihren tausendfachen Widerhall finden sollte. Zu diesem Schmuck der Wohnzimmer stimmte der Garten, der von dem Gärtner Le Bouteux ausgeführt war. Auf diesen Terrassen sollten Blumengärten geschaffen werden, deren überreicher bunter Schmuck prächtig zu den blauen und weißen Fayencen stimmte, auch Bänke und Blumenkästen waren blauweiß gemalt. Gerade weil in den anderen Gärten die Blumen in den großen, durch Wasser und Laubwerk gezeichneten Linien zurücktraten, wollte man sich hier diese neue variété schaffen. »Auf dem Parterre den Zimmern gegenüber«, schildert Félibien, »sieht man vier Wasserstrahlen, welche sehr hoch aus der Mitte von vier auf Fußgestellen erhobenen Bassins springen. (Der Stich zeigt uns, wahrscheinlich richtig, nur zwei Brunnen.) Von diesem Parterre steigt man in einen anderen Garten, den man mit Recht den immerwährenden Aufenthalt des Frühlings nennen könnte, denn zu welcher Zeit man auch hinkommt, ist er reich an allen Sorten von Blumen, und die Luft ist dort immer erfüllt mit den Wohlgerüchen von Jasmin und Orangen, unter denen man wandelt« Félibien, Description de Versailles, p. 98..
Ein großes Haus aus Holzkonstruktion war über einem Wintergarten errichtet, in dem Orangen, Zitronen und Gartenbäume in der Erde, von Hecken, von Myrten und Jasmin umgeben, wurzelten. Der Duft der Blumen, der Tuberosen, Hyazinthen und Nelken, war oft so stark, daß man es auf diesen Terrassen nicht lange ertrug, doch war alles so auf diesen Akkord des Blumenduftes hin abgestimmt, daß als schönster Schmuck des Innern ein »Cabinet de parfum« eingerichtet war, in dem wohlriechende Blumendüfte aller Art einen Einklang bildeten. Sehr charakteristisch ist es, daß die Gesandten von Siam, die 1686 in Versailles prunkvoll aufgenommen wurden, am meisten dies Kabinett bewunderten, »denn sie liebten die starken Gerüche und bewunderten die Art, mit Blumen zu parfümieren«.
Versailles und alle Schöpfungen des Königs genossen damals schon ein kanonisches Ansehen in Frankreich und Europa, das seine Augen auf Frankreich geheftet hielt, und man war sich dessen auch ganz bewußt. Im Jahre 1627 schreibt der »Mercure galant«: »Das Trianon de Versailles hatte bei allen Privatpersonen den Wunsch erweckt, auch etwas der Art zu haben; fast alle großen Herren, welche Landhäuser hatten, ließen sich eines in ihrem Park erbauen und die kleineren am Ende ihrer Gärten; die Bürger, welche sich die Kosten für solch ein kleines Gebäude sparen wollten, verkleideten alte Baracken als Trianon oder wenigstens irgendein Kabinett in ihrem Hause oder ein Schilderhaus« Mercure Galant, novembre 1686, p. 117.. Und das ganze XVIII. Jahrhundert hindurch bildete sich diese Sitte nur noch mehr aus. Die Enzyklopädien wiederholten unter dem Stichwort »Trianon« die noch als Spott gemeinte Ausführung des »Mercure galant«; Eremitage und Trianon wurden gleichbedeutende Worte. In dem großen Universallexikon von Zedler von 1734 heißt es: »Eremitage, Einsiedelei, ein niedriges, im Schatten, in einem Busch oder Garten gelegenes Lustgebäude, mit rauhen Steinen, schlechtem Holzwerk, Moos oder Baumrinden inwendig bekleidet und gleichsam wie wild zugerichtet, daß man darinnen der Einsamkeit pflegen und frische Luft schöpfen möge. Es wird auch sonst Trianon genannt.« Ein solcher Bau hat sich von dem zierlichen Porzellan-Trianon à la chinoise schon in eine neue Welt entfernt. Ludwig selbst hatte in Trianon in der Tat eine Art von Einsamkeit gesucht; oft fuhr er am Nachmittag in seiner Prachtgaleere auf dem Kanal dorthin, von wo er rückschauend das großartige Gesamtbild seines Gartens und der Residenz genoß. Bald aber fühlte er, daß er dem Pomp, dem er entfliehen wollte, noch zu nahe war, er suchte etwas, was dem Schlosse und seinem Zeremoniell, das er selbst geschaffen hatte und das ihn doch beschränkte, ganz ferne lag.
Saint-Simon schildert die Entstehung von Marly in seinen Memoiren: »Ludwig XIV., endlich müde aller Schönheit und der Höflingsschar, überredete sich, daß er von Zeit zu Zeit das Kleine und die Einsamkeit verlange. Er suchte rings um Versailles, wie er diesen neuen Geschmack befriedigen könne, und besichtigte mehrere Orte, er durchforschte die lieblichen Seineufer ... Er fand endlich hinter Louveciennes ein enges Tal, unzugänglich durch Sümpfe, ohne Aussicht, von allen Seiten durch Hügel eingeschlossen, sehr eng, mit einem elenden Dorfe am Abhang eines der Hügel, das sich Marly nannte. Die Eremitage wurde erbaut. Nur drei Nächte wollte man dort zubringen, vom Mittwoch bis Samstag, zwei- oder dreimal im Jahr, mit einem Dutzend Höflingen für den notwendigsten Dienst. Was aber ist daraus geworden«, fährt er fort. »Die Eremitage wurde erweitert, Gebäude auf Gebäude entstand, Hügel wurden abgetragen, Wasserwerke und Gärten angelegt (Abb. 418). Es will wenig sagen, daß Versailles, so wie wir es sahen, Marly nicht gekostet hat ... Das war des Königs schlechter Geschmack in allen Dingen und sein prächtiges Vergnügen, die Natur zu zwingen, das weder der drückendste Krieg noch die Frömmigkeit vernichten konnte« Saint-Simon, Mémoires, éd. Chéruel XII, p. 469 f.. Saint-Simon liebt den König nicht, er ist über seinen Geschmack hinausgewachsen und weiß alle Werke des grand siècle mit beißendem Spotte zu übergießen. Die Schöpfungen aber, die in den Jahren 1677 bis 1684 in diesem sumpfigen Waldtale entstanden und die bis auf wenige kaum sichtbare Spuren der Revolution zum Opfer gefallen sind, gehören dennoch zu den vollendetsten, die dieses Jahrhundert hervorgebracht hat Auguste A. Guillaumot, Marly-le-Roi, construit en 1676, détruit en 1798, dessiné et gravé d'après les documents ... avec texte, Paris 1865; Dussieux II, p. 372 ff.; Nolhac, Création, p. 197 ff..
Eine Eremitage hatte der König sich erbauen wollen. In seinem Sinne dachte er hier an etwas Ähnliches, wie es in der Verschwiegenheit des Parkes von Gaillon in dem weißen Hause geschaffen war. Auch als Marly schon zu dem ausgewachsen war, was es in seiner Vollendung zeigte, prätendierte der König, an der Türe von Marly seine Majestät abzulegen, allerdings nur, um statt der in Versailles zurückgelassenen Etikette eine neue, ganz für dieses buen retiro geschaffene, einzusetzen. Freilich, eine Natur wie die Pfalzgräfin Lieselotte, die niemals dies Gemisch von Pomp und Leichtigkeit, von Strenge der Etikette und brennender Sucht nach Veränderung, das bewußte Schauspiel, das man aus dem Leben formte, das man daher auch leicht auf anderer Bühne mit veränderten Sitten zu spielen vermochte, mitgemacht hatte, war entsetzt über die Formlosigkeit, die in Marly herrschte. »Man weiß nicht mehr, wer man ist. Geht der König spazieren, so bedeckt sich jedermann; geht die Herzogin von Burgund spazieren, so faßt sie eine Dame unter, und die anderen gehen daneben, keiner sieht mehr, wer sie ist. Hier im Salon sitzen alle vor dem Dauphin und der Herzogin, einige liegen sogar der Länge nach auf dem Kanapee. – Ich habe große Mühe, mich an diese Konfusion zu gewöhnen: Man macht sich keine Vorstellung, wie das jetzt zugeht; das sieht einem Hofe gar nicht mehr ähnlich« Elisabeth Charlotte, Herzogin v. Orléans, Brief vom 2. Juli 1699.. Es war die größte Ehre, zu den dreitägigen Ausflügen nach Marly mitgenommen zu werden, mit bebender Spannung erwartete man die Liste; das Gefühl der Auszeichnung aber machte die Menschen dort froh, und die ganze Anordnung des Ortes war einem solchen Aufenthalt günstig angepaßt. Marly war das genaue Gegenteil des blauen blumenduftenden Porzellan-Trianon.
Blumen brauchte man hier gar keine, das hätte der Idee einer Eremitage auch nicht entsprochen, selbst das Parterre, das sich südlich vom Schloß befand, bestand nur aus vertieftem Rasen mit schmalem Blumenrande. Die Anlage des Gartens war im Prinzip der von Versailles nicht unähnlich (Abb. 419): auch hier ein großer Repräsentationsgarten, der sich aber durchaus um eine große Wasserachse entfaltet und das schmale Waldtal ausfüllt, von dem Saint-Simon gesprochen.
Freilich hatte der König, um sich Aussicht zu schaffen, einen Hügel, der sie am Ende des abfallenden Gartens sperrte, einfach abtragen lassen und dazu ein Regiment kommandiert. Das Schlößchen liegt auf halber Höhe (Abb. 420), dahinter zieht sich durch den südlich ansteigenden Park eine prächtige, große Kaskade, die in halbmondförmigem Becken endet, von dem man auf die südliche Schloßterrasse herabsteigt (Abb. 421). Von hier geht man vor dem Hause auf breiten bequemen Treppen von Terrasse zu Terrasse, die jedesmal in der Mitte von einem spiegelklaren Becken mit einer Reihe schöner Springbrunnen betont wird: Le font des quatre gerbes, le grand jet, la nappe und l'abreuvoir, über das hinaus sich noch an Stelle des abgetragenen Hügels ein letztes Becken zeigte. Auf der großen Schloßterrasse erhob sich der reizende Mansartsche Bau, er war reich mit Fresken geschmückt, die von Le Brun, Rousseau und seinen Schülern gemalt waren, mit einer Balustrade am Dach versehen und nur so groß, daß er die königliche Familie beherbergen konnte. Die ganze Mitte und Höhe nahm der achteckige Festsaal ein, und ringsum lagen vier kleine Appartements. Der Gedanke, der im Trianon de Porcelaine zuerst versucht wurde, ist hier ganz durchgeführt, und damit war der erste vollendete Typus des Zentralbaues für Lustschlösser mit Eremitagecharakter geschaffen, ein Vorbild, das Europa im XVIII. Jahrhundert ins Endlose wiederholt hat.
Zu beiden Seiten des Hauses lagen ursprünglich vier mit Fayence geschmückte Bassins, die später durch die sogenannten grünen Kabinetts ersetzt wurden (Abb. 419), heckenumsäumte Räume, in denen die Damen an ihren Stickereien arbeiteten und italienische Nacht, »medianoche« genannt, feierten. Die Hofgäste des Königs waren in 12 kleinen Pavillons untergebracht, die zu beiden Seiten des Gartens je sechs verkleinerte Abbilder des Schlosses darstellten, auch sie waren mit Balustraden und Fresken geschmückt, jedesmal für eine kleine Menage eingerichtet und untereinander mit Berceaux verbunden, die sich halbkreisförmig um das Schloß bis zum Fuße der Kaskade zogen. Drei weitere Alleen trennten diese umrahmenden Pavillons von den offenen Wasserbassinterrassen: zuerst zierlich verschnittener Taxus, darauf kugelförmige Laubbäume, endlich kunstvolle grüne Portikus (Abb. 419 u. 420). So wird der Blick hinübergeleitet von dem breiten Repräsentationsgarten, der rauschender, gemeinsamer Geselligkeit gewidmet war, zu den kleinen separaten Pavillons, aus denen man nach hinten in die stillen, verschwiegenen Bosketts schlüpfen konnte (Abb. 422).
Von diesen besaß das östliche Bosquet de Louveciennes eine Cascade champêtre, ein Amphitheater, die Bäder der Agrippina, einen Musensaal (Abb. 419 u. 423), lauter reizende kleine Anlagen; auf der westlichen Seite umschloß das Bosquet de Marly neben anderen hauptsächlich eine große Mailspielbahn, andere Spielplätze, wie eine Rodelbahn, ein Belvedere usw., waren in dem Bergpark angebracht. Nun denke man sich dies reizvolle Bild von einer Fülle von Statuen belebt; noch im Jahre 1753, als der Abbé Delagrive seinen Plan aufnahm, zählte er nahezu 200 plastische Werke, darunter herrliche Meisterwerke, wie die beiden Pferdebändiger von Coustou, die heute den Eingang zu den Champs Elysées zieren, einst am Abreuvoir standen (Abb. 424), oder jene anderen von Coysevox, die sich auch im Tuileriengarten befinden.
Daß auch Marly nie zur Vollendung, nie zur Ruhe kam, dafür sorgte der König, der bis zu seinem Tode unaufhörlich bald hier, bald dort etwas änderte. Kaum aber hatte es seinen ersten Abschluß im Jahre 1684 erlangt, als es zu einem Schauplatz fortwährender glänzender Feste wurde. Im Jahre 1685 wurde die Vermählung des Herzogs von Bourbon-Condé mit Madame de Nantes mit einem großen Jahrmarkt gefeiert; vier Verkaufsbuden, den vier Jahreszeiten entsprechend, waren aufgeschlagen, zwei davon erhielten die Neuvermählten, die dritte Madame de Montespan, die vierte Madame de Maintenon zugewiesen. Aber Madame de Montespan merkte bei diesem Feste wohl endgültig, daß ihre kluge, zielbewußte Nebenbuhlerin den Sieg über sie davongetragen hatte. Sie selbst hatte einst die Witwe Scarrons zu sich als Erzieherin und Pflegerin ihres Sohnes herangezogen; langsam, schrittweise hatte sich Madame de Maintenon dem König zu nähern, unentbehrlich zu machen gewußt.
Seinen sieghaften Glauben an sein Glück hatten die Mißerfolge seiner auswärtigen Politik erschüttert, er war müder geworden, und dieser Stimmung kam die Frau entgegen, deren großes pädagogisches Herrschtalent sich in allen Lebenslagen gezeigt hat. Man merkte sie nie, und doch herrschte sie überall, wo sie hinkam. Eines hat sie allerdings niemals beim Könige erreicht, ihn zur Sparsamkeit zu bringen, so sehr auch sie gerade in Marly versuchte, die steten Erneuerungen und Verschönerungen einzudämmen. Bis zu des Königs Tode behauptete es seinen Platz, dann allerdings verfiel es während der Regentschaft schnell. Daß es nicht sofort zerstört wurde, wozu der Befehl schon erteilt war, verdanken wir nur dem energischen Eingreifen Saint-Simons, der dem Regenten das Unglaubliche dieser Absicht vorstellte. Ludwig XV. hat Marly dann wieder etwas zu Ehren gebracht, auch mancherlei Feste sah der schöne Landsitz. Und als an jenem Oktobertage Ludwig XVI. aus Versailles von der johlenden Volksmenge nach Paris geholt wurde, rüstete man sich gerade in Marly, um den Hof zu einem Feste zu empfangen. Dann raste der Sturm der Revolution darüber hin und zerstörte es so vollkommen, daß heute in dem stillen Waldtal nur noch hier und da eine gerade Allee, eine Baumanlage und im letzten verwahrlosten Zustand die Pferdeschwemme, das schöne Abreuvoir, die Stätte zeigt, wo einst dieses anmutige Kunstwerk gestanden hat.
Wenn man bei Dangeau liest, daß der König einen Palast »schöner denn je« gefunden habe, so muß man sich auf große Veränderungen gefaßt machen. »Was da ist und nicht mehr verschönt werden kann, zerstört man, um etwas Neues zu machen« Dussieux II, p. 319 ff.; Soulié, Notice sur le Palais de Trianon.. In dieser Stimmung befand sich Ludwig dem kleinen Wunderbau des Porzellan-Trianon gegenüber. Marly war im wesentlichen fertig, auch Versailles befand sich auf einer Stufe relativer Vollendung. Dies kleine, blauweiße Teehaus mit seinen Blumenwellen von Wohlgerüchen, was war es weiter als eines der Bosketts, die der Herrscher schon häufiger ganz umgeworfen hatte: Also er berief Mansart, der Architekt genug war, um nie nein zu sagen, wenn etwas zerstört und neu aufgebaut werden sollte, und der es verstand, den König in immer neue Projekte zu verwickeln. – Noch eins kam dazu, Madame de Maintenon, jetzt seine angetraute Gattin, sollte doch hinter der verdrängten Maitresse nicht zurückstehen, ihr wollte er auch ein Schlößchen als Morgengabe darbringen. Kurz, Mansart erhielt den Auftrag, das Porzellanschlößchen niederzureißen und ein anderes, ein Marmorschlößchen, an seine Stelle zu setzen, natürlich mit allergrößter Windeseile. 56 Bildhauer machten sich sogleich an das Werk, um den Skulpturenschmuck herzustellen. Trianon sollte ein bequemes Gartenhaus werden; es war einstöckig, die Dachgalerie mit Vasen und Statuen geschmückt. Man trat überall aus dem Schloß direkt in den Garten. Das Neue dieser Anlage war eine gewisse, scheinbar zufällige Unregelmäßigkeit des Grundrisses (Abb. 425).
Man schien es ein wenig überdrüssig geworden zu sein, die ganz streng axiale Anordnung zu befolgen. Wie in Clagny tritt man über zwei halbrunde Gräben in einen Binnenhof, der aber hier durch zwei Flügel gebildet wird. Er trennt die langgestreckte Hauptfassade in drei Teile; das ganze Mittelstück, das sich an den Hof anschließt, bildet eine offene Säulenhalle, die Ludwig im Sommer als Eßsaal diente und die den Blick unmittelbar in den Garten öffnet, der sich hier mit seinen Terrassenparterres, Bosketts und Brunnenabschluß axial entfaltet. Mansart hatte bei diesem Schloß augenscheinlich den gelösten Pavillonbau nicht wiederholen wollen, andererseits hatte sich der König daran gewöhnt, in seinen Sommerresidenzen allein zu wohnen, so wurde denn ein Gastflügel zwar abseits erbaut, mit dem Hauptbau aber durch eine Galerie verbunden. Dieser Bau, der sich im rechten Winkel an das Schloß anschließt, ist einseitig, um nach der Kanalseite den Blick frei zu lassen, denn von hier aus war der zweite, begünstigte Ausgang zum Garten, von dort stieg man auf Rampentreppen, die ein halbrundes Bassin umschlossen, zur zweiten Gartenterrasse empor, während die Hänge, wie wohl schon im alten Trianon, mit duftenden Blumenrabatten übersät waren. Überhaupt war auch der neue Trianongarten noch immer reich an Blumen; in dem Jardin du Roi – einem giardino secreto, rückwärts am rechten Flügel des corps de logis unter den Fenstern des Königs gelegen – wurden die seltensten, herrlichsten Blumen gezogen. Der Gastflügel, Trianon-sous-bois genannt, trug seinen Namen davon, daß er inmitten der seitlichen Bosketts lag, von denen eines durch eine Neuerung allgemeinste Bewunderung erregte. Lieselotte, die diesen Flügel einst bewohnte, schildert es: »Les sources heißt man ein Boskett, das so dicht ist, daß die Sonne im vollen Mittag nicht hineindringen kann. Aus der Erde kommen mehr als 50 Quellen, welche kleine, kaum fußbreite Bächlein bilden, die man daher leicht überschreiten kann, sie bilden kleine Grasinseln, groß genug, um Tische und Stühle darauf zu stellen und im Schatten zu arbeiten. Auf beiden Seiten gehen Stufen herab, da das Ganze etwas geneigt ist; das Wasser fließt auf diesen Stufen herab und bildet auf jeder Seite einen Wasserfall« Elisabeth Charlotte, Herzogin v. Orléans, Brief vom 21. Juli 1705.. An der Vorderseite dieses Flügels führte neben den Bosketts eine Allee zu der Kaskade, die in Form eines sogenannten Büfetts den Weg abschloß. Eine ganze Reihe anderer schöner Brunnen schmückte den Park, der sich nach dieser Seite, ebenfalls unsymmetrisch, noch weit hinzog. Man hatte diesen Garten absichtlich weniger geschlossen, einfacher behandelt, um ihn nicht zum Rivalen des nahen Versailles zu machen; man wahrte ihm dadurch die größere Ländlichkeit und Ungezwungenheit.
Trianon wird wohl zu Le Nôtres letzten Werken gehört haben, wenn er überhaupt noch mit dem Plane sich beschäftigt hat. Er war alt geworden, sein Fürst hatte ihn hoch geehrt, hatte ihn geadelt und ihm den Orden von Saint-Michel gegeben. Seine kindliche Freude hatte sich der Alte bis in seine letzte Lebenszeit erhalten. Als der König ihn kurz vor seinem Tode nach Marly einlud und den alten Herrn in einem der kleinen Rollwagen, wie er selbst sie benutzte, neben sich fahren ließ, rief er plötzlich aus: »O mein armer Vater, wenn du lebtest und du könntest es sehen, wie ein armer Gärtner, dein Sohn, im Wagen zur Seite des größten Königs der Welt führe, nichts würde zu meiner Freude fehlen.« Einen Monat darauf starb er. Saint-Simon schreibt von ihm: »Le Nôtre starb 1700, nachdem er 87 Jahre in vollkommener Gesundheit gelebt hatte mit Verstand, Gerechtigkeit und dem guten Geschmack seiner Fähigkeiten, berühmt, weil er als erster die verschiedenen Pläne für die schönen Gärten entworfen hat, die Frankreich schmücken und die den Ruhm der italienischen, die in der Tat nichts dagegen sind, so ausgelöscht haben, daß jetzt die berühmtesten Meister dieses Faches aus Italien kommen, um hier zu lernen und zu bewundern. Le Nôtre besaß eine Redlichkeit, Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit, die ihn von jedermann geachtet und geehrt sein ließen« Comte Maurice de Fleury, Le Palais de St. Cloud, ses origines, ses hôtes, ses fastes, ses ruines, Paris (libr. Laurens) 1901.. Doch nicht nur jenen Schöpfungen, die Le Nôtre von Grund aus der Natur abzugewinnen hatte, und die ein so deutlich sichtbares Spiegelbild der Kultur des grand siècle sind, hat er seinen Geist aufgedrückt. Es begreift sich, daß der König auch die schon vorhandenen Gärten seiner alten Schlösser nicht ganz außer acht lassen würde. Und je mehr Le Nôtres Ruhm wuchs, um so mehr wurden sein Rat und seine Pläne auch von den Großen des Reiches in Anspruch genommen. Zu den frühesten dieser Werke gehört der Garten von Chantilly, den auch Le Nôtre immer zu seinen besten Werken zählte. Der große Condé hatte seine unfreiwillige Muße, zu der ihn die Ungnade Ludwigs von 1663 bis 71 zwang, dazu benutzt, um den zersplitterten und immer noch kleinlichen Renaissancegarten bei seinem Schlosse umzugestalten. Le Nôtre, dessen Plänen er folgte, fand hier, was ihm in Versailles immer mangelte: Wasser in Fülle, doch in Renaissanceweise im Garten in unendlich viele kleine Kanäle zerteilt. Alle diese kleinen Wasserarme sammelte er nun zu dem breiten Bande des Kanals, mit dem er den Hauptgarten wie in Vaux quer abschloß (Abb. 426). Da ihn der mittelalterliche Grundriß des Schlosses daran hinderte, wie in Vaux-le-Vicomte und Versailles Garten und Gebäude in ein Ganzes zusammenzuschließen, schuf er für das Parterre als architektonischen Abschluß ein großes Treppensystem, das südlich auf die Schloßterrasse führt. In der Mitte schnitt der Kanal mit einem Querarm in das Parterre und erweiterte sich auf der anderen Seite, wo Alleen und Wiesen dicht an ihn herantreten, zu einer halbrunden Bucht (Abb. 427). Im Parterre dieses Hauptgartens herrscht das Wasser unbedingt, die ruhigen klaren Flächen von je fünf runden Spiegeln sind von Rasen-, Buchs- und Blumenstreifen umgeben, eine Wirkung, die Le Nôtre dann später in anderem Maßstabe auf der Schloßterrasse von Versailles auch versuchte. Dieser dem Charakter des Wasserschlosses entsprechende Wassergarten war seitlich von großen Portikus eingerahmt; in den Hauptzügen hat er sich bis heute erhalten. Auf der anderen, östlichen Seite des Schloßteiches lag ein zweites Parterre mit herrlichen Blumenanlagen (Abb. 428).
Hinter diesem Parterre wurden nun eine Fülle von Boskettanlagen geschaffen, deren schönste die große Kaskade (Abb. 429) ist. Der Griffel von Perelle, Rigaud und andern hat in einer Fülle von Stichen alle diese köstlichen Gartenbilder festgehalten, von denen heute dank der Revolution und der malerischen Stilumwälzung nichts mehr übriggeblieben ist. Trifft man neben all den kleinen malerischen Punkten dieser späteren Anlagen noch auf einen Rest der alten Zeit, wie die Brunnenruinen unter dem Ballhause, so erschrickt man fast vor den Spuren, die jene große Zeit der Kunst hinterlassen hat. Auf der anderen Seite der Schloßterrasse hat sich ein Stück des regelmäßigen Parkes mit seinen schönen hohen Heckengärten erhalten, die labyrinthische Wegeeinteilung aber weist auf eine etwas spätere Zeit. Ein reizvolles kleines Gartenhaus, Maison de la Silvie, aus dem Jahre 1684, mit seinem verschwiegenen, noch erhaltenen Parterre, hat diesem Teile den Namen gegeben.
Von den älteren Königsschlössern erhielt nun Fontainebleau seine letzte Gestalt (Abb. 430).
Le Nôtre hat alles Kleinliche, was etwa noch der Garten Heinrich IV. hatte, endgültig verbannt. Das große Parterre zeigt die noch heute erhaltenen einfachen Züge, der Kanal, wenn auch schon von Heinrich IV. begonnen, tritt jetzt erst in seiner Bedeutung für den Park hervor. Der Blick auf Parterre und Schloß rückwärts wird hier wie in Vaux durch Kaskaden und Grottenwerk in der Futtermauer des großen Parterres aufgehalten (Abb. 431). Kein zweiter Garten liegt in seiner langen Entwicklung Stufe für Stufe so klar vor unseren Augen, auch heute ist nur ein verhältnismäßig kleiner Teil, der alte Jardin des pins, im malerischen Stile umgestaltet. In Saint-Germain, wo der schöne Bau Heinrichs IV. kaum noch bewohnt wurde, hat Le Nôtre außer einigen Parterreerweiterungen hauptsächlich die große Terrasse, die sich vor dem oberen Garten über dem Flusse als schönster Spaziergang hinzieht, geschaffen. Wichtiger als Werk und Wirkung waren die Gärten von Meudon. Dieses Schloß war unter Ludwig XIV. in den Besitz seines stolzen, herrschsüchtigen Ministers Louvois übergegangen. Er vollendete mit Eifer die Erweiterungsbauten, die schon sein Vorgänger durch Schaffung eines imponierenden Ehrenhofes vorgenommen hatte, und ließ sich von Le Nôtre die Gärten anlegen. Le Nôtre erweiterte zunächst die Terrasse des Schlosses (Abb. 432) zu einem großen Ziergarten mit der schönen Aussicht auf das Seinetal und Paris zur Seite, während sich der prächtige Prospekt in der Hauptachse des Schlosses in zwei Terrassen zu der Orangerie herabsenkt, um von hier, durch Bassins und Brunnen betont, einen Waldhügel wieder emporzusteigen. Zur Seite des Schlosses blieb die alte Grottenanlage mit ihrem Parterre. Erst als nach Louvois' Tod 1691 das Schloß in den Besitz der Krone überging, ließ Ludwig XIV. an dieser Stelle durch Mansart ein neues Schlößchen erbauen, das zur Residenz des Dauphins bestimmt wurde. Dies Schlößchen bestand bis 1870, die Parterres davor waren damals längst in englischen Stil umgemodelt. Nach der Zerstörung ist ein Teil wieder aufgebaut worden und wird heute als Observatorium benutzt. Das Hauptschloß hatte man, da es in der Revolution sehr beschädigt war, schon 1803/4 niedergerissen. Von Le Nôtres Werk besteht heute nur die große, als öffentlicher Spaziergang eingerichtete Terrasse mit den zur leidlich erhaltenen Orangerie herabsteigenden Rampentreppen und den Linden des alten schönen Prospektes.
Eine in mancher Beziehung ähnliche Aufgabe erwartete le Nôtre in Saint-Cloud (Abb. 433). Das Schlößchen der Gondi war von Hand zu Hand gegangen. Um das Jahr 1625 besaß es wieder ein ehrgeiziger Bankier, Herward, der nach Hofgunst strebte, ein Günstling Mazarins, den der schlaue Kardinal aber seinem König opferte, als dieser den Wunsch äußerte, das Besitztum für seinen Bruder, den Herzog von Orléans, zu erwerben. Um einen sehr geringen Preis wußte es Mazarin für seinen Herrn zu kaufen. Der Herzog von Orléans führte dorthin seine junge, schöne und allgemein vergötterte Gemahlin Henriette, der das erste Fest galt, das Fouquet in seinem neuen Schlosse veranstaltet hatte.
Hier verlebte auch Molière mit seiner Truppe die erste Zeit, bis er in den Dienst des Königs überging. Henriettes früher, unerwarteter Tod im Jahre 1617 versetzte ganz Frankreich in die größte Bestürzung, und Bourdaloues Wort, mit dem er seine Leichenrede begann, »Madame se meurt, Madame est morte«, erschütterte alle Herzen. Als ihre Nachfolgerin zog eine gar andere Frau in das Schloß, die pfälzische Prinzessin Lieselotte, deren derbe Natur und pfälzische Geradheit sich nie recht an die Luft dieses Hofes gewöhnen konnte, so daß sie niemals ihr Heimweh nach dem väterlichen Schloß am Neckar überwunden hat. Aber Saint-Cloud liebte sie, und durch ihre Briefe dringt häufig das Entzücken über die schönen Gärten; sie wählte auch Saint-Cloud als Witwensitz, wohin sie sich immer flüchtete, wenn Versailles und Madame de Maintenon ihr zu viel Ärger bereiteten. Le Nôtre fand in Saint-Cloud bereits schöne Gärten vor, vor allem den schon unter den Gondi berühmten Wasserfall. Er konnte und wollte auch hier nur vergrößern und Kleinigkeiten zusammenschweißen. Die Kaskade, die in einer Talfalte des sehr unregelmäßigen Terrains, abseits der Seine, lag, ließ er an ihrer Stelle, schuf sie aber zu dem imposanten dreifachen Wasserfall um, der über Stufen in ein mächtiges halbrundes Bassin sich ergießt (Abb. 434).
Doch auch jetzt, noch in dieser Schöpfung, ist der italienische Einfluß der Gondis deutlich bemerkbar; in der Anordnung des von der Höhe herabstürzenden Wassers waren und blieben die Italiener mit ihrer alten Kunst auch für die Franzosen die steten Lehrmeister (Abb. 435).
Der König und sein Bruder lebten immer etwas in Eifersucht auf ihre Bautätigkeit. Gerne wollte Monsieur in Saint-Cloud es seinem Bruder gleich tun, und lange war diese Kaskade sein Stolz als die in Frankreich unübertroffene. Erst als in Marly die schöne, oberste Wasserkunst herabrauschte, glaubte der König, auch hier das Schönste zu besitzen. Als nun der König sich sein erstes kleines Trianon geschaffen hatte, das, wie wir sahen, so unmittelbar zur allgemeinen Nachfolge anreizte, da mußte Monsieur auch sofort eine solche tief im Park versteckte Einsiedelei haben: dem reizenden kleinen Pavillon de Breteuil am Ende der unteren Allee verliehen Berceaux, die um die Parterres führten, einen besonderen Zug der Heimlichkeit, während zugleich eine herrliche Aussicht auf der Höhe diesen Platz zu einem Liebling der Herren von Saint-Cloud machte. Dieser Pavillon und die Kaskaden sind heute das einzige, was uns noch Kunde gibt von den schönen Anlagen, die bis 1870 das hohe Seineufer schmückten. Der eigentliche Repräsentationsgarten erstreckt sich westlich vom Schlosse, auch hier ist das Parterre mit kleinen Kaskaden geschmückt (Abb. 436) und die aufsteigende Achse durch Brunnen bezeichnet.
Mit Le Nôtre hatte der König seinen ältesten Arbeiter an seinen großen Schöpfungen verloren. Jedoch sein Geist wirkte fort, und der unermüdlichen Veränderungslust des Königs standen immer eine Unmenge von Händen zu Gebote; bis zu seinem Lebensende erlahmte sein Interesse an seinen Gärten keinen Augenblick. Als er aber die Augen schloß und ein fünfjähriges Kind auf den Thron kam, drohte von Anfang an allen Schöpfungen Ludwigs die größte Gefahr. Zwar hatte der Regent nicht so barbarische Absichten mit Versailles wie mit Marly, aber man fühlte doch bald, daß die Kleider des Riesen für das kommende Geschlecht zu groß waren und immer mehr zu groß wurden. Aus der Opposition gegen Versailles bei Saint-Simon spricht allerdings mehr die allgemeine Abneigung, die er gegen den König empfand. Aber es wurden im Laufe der Zeit doch der Stimmen immer mehr, die seinem abschätzigen Urteil zustimmten. »Man kann die Frische des Schattens nur dann erreichen, wenn man einen sengend heißen Platz überschreitet, an dessen Ende einem nichts übrig bleibt, als bergauf und bergab zu steigen, wenn man überhaupt weitergehen will.« – Die Gewalt, die überall der Natur angetan worden ist, wirkte jetzt abstoßend und widerwärtig. – »Die von allen Seiten im Übermaß künstlich hergeleiteten Wassermengen werden grün, dickflüssig und schlammig, sie verbreiten eine ungesunde, empfindliche Feuchtigkeit und einen noch schlimmeren Gestank. Ihre Wirkungen, die man nur mit Vorsicht genießen kann, sind unvergleichlich; aber bei alledem bleibt einem nur übrig, zu bewundern und zu fliehen« Saint-Simon, Mémoires, éd., Chéruel XII, p. 467.. Eine gefährliche, wenn auch menschenfreundliche Neuerung hatte schon der alte Ludwig selbst für den Garten gemacht, als er 1704 befahl, daß alle »Gärten, alle Brunnen dem Volke gehören sollten«, und er die Bosketts selbst dem Publikum öffnete. Nach seinem Tod aber geschah anfangs wenig für die Gärten, und das hieß schon, sie halb zerstören. Erst im Jahre 1722 verlegte der junge Ludwig XV. den Hof nach Versailles zurück. Versailles wurde nun wieder zum Schauplatz von Festen, und im Jahre 1740 erhielt sogar das Neptunsbecken erst den größten Teil seines Skulpturenschmuckes, den allerdings Mansart schon geplant hatte. Bald aber fühlte sich der König in Versailles, das für ihn zu weit und darum öde war, unbehaglich. Er zog sich immer häufiger nach Trianon zurück, namentlich nachdem das flüchtige Verhältnis mit Madame de Pompadour ein festes geworden war. Auch jetzt mußte des Königs Umgebung immer auf etwas Neues sinnen; es war das »Martyrium«, das die Maitresse auf sich genommen hatte, denn ihre Aufgabe war es, die gähnende Langeweile, die sich des Königs und des Hofes bemächtigt hatte, zu vertreiben. Schon damals drang die Sehnsucht nach »ungekünstelter« Natur in das Hofleben ein, und schon Ludwig XV. richtete sich in den Dachzimmern von Trianon einen Geflügelhof ein und ließ sich »la petite ménagerie« erbauen, eine Meierei, einen Kuhstall, einen Schafstall und eine Molkerei mit zierlichen Anlagen, die den Einfluß einer neuen Zeit schon ahnen ließen. Im Jahre 1759 ließ er sich dann in der ewig vergeblichen Hoffnung, in größerer Enge innere Ruhe zu finden, Klein-Trianon erbauen (Abb. 437), das damals noch eine regelmäßige Gartenanlage erhielt. Dieses Schlößchen ist später ganz mit der Person Marie Antoinettes verwoben und ist als die Geburtsstätte des englischen Gartens auf französischem Boden anzusehen.
Was aber wurde aus Versailles? Wir besitzen zwei Bilder aus dem Jahre 1775, die uns die schreckliche Verwüstung der Gärten zeigen. Alle Hochbäume sind abgeholzt, zwischen den aufragenden trockenen Brunnen und umherlagernden Balken liegen die weißen Leiber der Statuen, hier und dort scheint noch ein Brunnen sein Wasser fließen zu lassen. Und doch bedeuten diese Bilder schon eine Regeneration der Gärten, denn sie waren vorher so verwahrlost, daß es wohl notwendig war, daß man zu einer gründlichen Neubepflanzung schritt. Trotz alles neuen Modegeschmackes aber war Le Nôtres Geist immer noch mächtig genug; man wagte es nicht, an seinem Grundplan zu rütteln, nur hier und da ließ man in einzelnen der Bosketts der romantischen Laune die Zügel schießen; so entstand damals jener »Naturfelsen«, den der Maler dieser Bilder, Hubert Robert, entwarf, um den armen weißen Gruppen aus der Grotte eine Unterkunft zu bieten (Abb. 438).
Erst im Jahre 1817 ist dann das Boskett der Königsinsel, das allerdings längst zu einem bösen Sumpf geworden war, in einen kleinen malerischen Blumengarten umgewandelt worden. Natürlich war die junge Pflanzung des Gartens nicht dazu angetan, Ludwig XVI. zum Aufenthalt zu reizen, selbst wenn sein Geschmack ihn nicht die steife Regelmäßigkeit hätte verabscheuen lassen. Da kam die Revolution, die brüllenden Horden hatten den König und seine Familie von Versailles abgeholt. Der Konvent beschloß, Schloß und Garten zu zerstören. Es muß aber etwas Zwingendes in der Größe der Schöpfung gelegen haben, das dies Königsschloß, trotzdem der Haß doch am meisten sich hätte darauf werfen müssen, vor dem Untergang bewahrte. Sein kluger Gartendirektor schlug vor, um den Garten zu retten, die Bosketts zu Kulturzwecken für Gemüse- und Kartoffelfelder zu benutzen, das beruhigte die Gemüter, und man sprach nicht mehr von Zerstörung. Freilich schlief der Garten mehr und mehr ein; das XIX. Jahrhundert sah in ihm im besten Falle nur eine großartige Reliquie. Erst allmählich begann man in den Bosketts umher zu suchen, was von der alten Zeit sich herübergerettet hatte. Die jüngste Bewegung zugunsten des alten Gartenstils hat auch diesem Riesen wieder zu einer Art von Auferstehung verholfen, man hat restauriert, was noch zu halten war, die Parterres erstrahlen wieder in köstlichem Blumenschmucke, eine tausendköpfige Menge wird monatlich zu dem Schauspiel der springenden Wasser herausgelockt. Und wenn auch dem Bilde der Reichtum der Skulpturen, die Buntheit der Staffage der Königsaufzüge, die grünen Wände der hohen Hecken, und leider den meisten Bosketts ihr herrlicher Schmuck ganz fehlt, so ist doch den Franzosen wieder zum lebendigen Bewußtsein gekommen, welch ein großes Vermächtnis ihres grand siècle ihnen in Versailles geblieben ist.