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Deutschland

Deutschland mußte von der Mitte des XVII. Jahrhunderts an, nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, fast überall von neuem anfangen. Die Gartenkunst ist die Kunst des Friedens, und nur als seltene Ausnahme sahen wir Männer wie Wallenstein oder Moritz von Nassau im Kriege selbst, die Waffen in der Hand, das Land als gute Hausväter zu tiefer Friedensarbeit anhalten. Meistens hatte der Krieg nicht nur wüste, volkarme Landstriche gelassen, sondern auch die in Deutschland in der Gartenkunst nie sehr starke Tradition vollends zerschnitten. Doch gerade dieser Umstand ließ eine junge friedenshungrige Generation sich nach Lehrern umschauen, deren Einflüssen sie sich mit aller Freude hingeben konnte. Ein wichtiger Faktor aber für das Aufblühen der Gartenkunst in Deutschland war das Erstarken der vielen großen und kleinen Fürstenhöfe. Mit dem wachsenden Wohlstande, der in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts überall einsetzt, fordert ihr Souveränitätsgefühl seinen sichtbaren Ausdruck in der Schöpfung glänzender Residenzen. Den meisten dieser Fürsten, besonders im Norden und Westen, schwebte als leuchtendes Vorbild Versailles vor Augen. Nur einzelne, deren Interessen Italien zugeneigt sind, lassen sich auch noch in dieser Zeit von der alten Kunst jenseits der Alpen inspirieren. Le Nôtre aber war der große Name, und als sein Ruhm erst einmal den Rhein überschritten hatte, da galt es als ein höchstes Glück, einen Gartenkünstler zu gewinnen, der irgendwie seine Ausbildung im lebendigen Anschauen der Werke, die Le Nôtre schuf, erhalten hatte.

Zu diesen Glücklichen rechnete sich vor allem der Herzog Ernst Johann Friedrich von Hannover, als er Charbonnier aus der Schule von Le Nôtre für die Anlage seines Gartens in Herrenhausen gewann Wendland, Die königl. Gärten zu Herrenhausen bei Hannover, 1852.. Der Baumeister des Hauses war Quirini, ein Venetianer, der diesem durch zwei einstöckige vorspringende Flügel, deren gerade Dächer mit Balustraden versehen sind, auch ein italienisches Aussehen verlieh. Häufig, noch bis in die Mitte des XVIII. Jahrhunderts, findet sich an den kleinen deutschen Höfen die Verbindung des italienischen Baumeisters und des französischen Gartenkünstlers, wie sich denn auch die französische Bauweise in Deutschland später als der Garten und nie dauernd einbürgerte. Der Herzog war ein äußerst prachtliebender Herr und freute sich des regen künstlerischen Treibens, das eine Schar von Ausländern, Franzosen und Italiener, an seinen Hof brachte. Doch obgleich die Unterhaltungskosten des Lustgartens im Jahre seines Todes 1679 nahezu sechstausend Taler betrugen, und obgleich sein Nachfolger, der erste Kurfürst Ernst August, die Verschwendung seines Vorgängers lebhaft rügte, war es doch erst dieser, der den Garten um das Doppelte ausdehnte und ihm seine noch heute ziemlich treu bewahrte Gestalt gab (Abb. 451).

Abb. 451
Herrenhausen-Hannover, Gesamtplan

Stich von J. v. Sasse

Auch Herrenhausen gehört zu den Gärten, deren Plan Le Nôtre geschaffen haben soll; wenn auch hierfür kein Beweis vorliegt, so darf man wohl an die nahen Beziehungen des hannoveranischen Hofes zum französischen erinnern, die damals sehr lebhaft durch die Korrespondenz der Gemahlin des Kurfürsten, der geistvollen Sophie, mit ihrer Nichte Lieselotte, der Herzogin von Orleans, unterhalten wurden; bei dem Interesse, das beide Frauen an den Gärten nahmen, wäre die Vermittlung eines unmittelbaren Rates, wenn auch nicht Planes, begreiflich. Der Garten zeigt eine der regelmäßigsten Anlagen, die wir kennen. Er macht den Eindruck, wie eines der Musterbeispiele in den Schulbüchern. Man merkt ihm eine gewisse Ängstlichkeit an, ja nichts von den Regeln und Vorschriften zu vergessen: zuerst die reichen Parterres mit dem Zentralbrunnen, dahinter vier fast quadratische Wasserspiegel, dann ein zweites einfacheres Parterre mit zwei kleinen Pavillons, die heute verschwunden sind. Sie bildeten die Überleitung zu den Bosketts, die je zwei von ganz regelmäßigen, sternförmigen Alleen, von hohen Buchshecken eingesäumt, durchzogen werden und im Zentrum je ein Bassin haben. Ein ganz großer, runder Wasserspiegel liegt am Ende der Mittelallee, während die beiden Seitenalleen zu zwei tempelartigen Gartenhäusern führen. Herrliche Lindenalleen umrahmen den ganzen Garten und begleiten den ringsum fließenden Kanal, der in der Mittelachse hinter dem runden Bassin eine halbrunde Ausbuchtung macht. Die erste, dem Schloß zunächst liegende Hälfte des Gartens trägt deutlich die Spuren des Einflusses der ersten Periode des Versailler Gartens. Genau an gleicher Stelle wie dort ist die Grotte angebracht; aber die Regelmäßigkeit verlangte eine entsprechende Anlage auf der entgegengesetzten Seite, die sogenannten Kaskaden, auch eine Grotten- und Muschelwand, mit Wasserfällen und Springwassern belebt. Auch hier liegt rechts neben dem Schlosse die reizende Orangerie, der auf der andern Seite ein Blumen- oder Gemüsegarten entspricht. Die einzige Unregelmäßigkeit des Gartens ist die Anlage des reizvollen Theaters östlich von den großen Parterres. Es liegt auf einer künstlichen Terrasse, wodurch die sonst völlig einförmige Ebene belebt wird. Der hintere Teil wird von der Bühne eingenommen, von der nach dem Garten Rampentreppen um einen schönen Brunnen an der Stützmauer führen. Die Kulissen sind trapezförmig, nach hinten zusammengehend, als kleine, grüne Ankleidekabinetts geschnitten, davor stehen Statuen (Abb. 452). Die Bühne ist vom amphitheatralischen Zuschauerraum durch einen tiefen, auf gleicher Ebene mit dem Garten liegenden, breiten Gang getrennt, zu dem Treppen von der Bühne herabführen; dieser wird als eine Art Orchestra das Bühnenbild bei Aufführungen sehr belebt haben. Der Garten ist im Jahre 1700 schon ganz vollendet gewesen, das Theater aber so in den Garten hineinkomponiert, daß man wohl annehmen darf, daß es gleich in den Grundplan aufgenommen ist; es gehörte also zu einer der ersten dieser Anlagen. Ein eigentlicher Park fehlt dem Garten von Herrenhausen; das bedingte auch die Behandlung des Kanals, der den ganzen Garten umrahmt. Hierin könnte sich auch holländischer Einfluß geltend machen, da holländische Gärtner später dort gearbeitet haben.

Abb. 452
Herrenhausen-Hannover, Gartentheater im heutigen Zustande

Phot.

Dieser erste Versuch einer Nachahmung des französischen Gartenstils war noch zu schematisch, zu akademisch ausgefallen. Glücklicherweise waren die künstlerischen Interessen der deutschen Fürsten damals so vielseitig, ihre Bauleidenschaft so groß und reich, daß die Gefahr einer Erstarrung des Stiles nicht vorhanden war. Noch war auch im Norden Frankreich nicht zur Alleinherrschaft gelangt. Gleich in dem nahen Cassel war, um dieselbe Zeit, als der Herrenhausener Bau seiner Vollendung zuschritt, der junge Landgraf Karl mit einem Projekt von seiner italienischen Reise zurückgekehrt, das, obwohl nur teilweise ausgeführt, das heutige Geschlecht mit Verwunderung und Staunen über das mächtige Wollen, das sich darin ausspricht, erfüllt: es ist die Anlage der Wilhelmshöhe auf dem Weißenstein bei Cassel Paul Heidelbach, Die Geschichte der Wilhelmshöhe, Leipzig 1909; A. Hollmeyer, G. F. Guernieri: Zeitschr. f. Gesch. der Architektur III, S. 249, 1910.. Karl berief gleich nach seiner Rückkehr einen römischen Künstler, Guernieri, als seinen Baumeister. Dieser wurde der Schöpfer der großen, den Park beherrschenden Kaskadenanlagen. Der französische Einfluß ist hier völlig ausgeschieden, alles, was das Vorbild von Versailles und die französischen Theoretiker mit sicheren Linien als ihren Stil festgelegt hatten, ist hier in den Wind geschlagen. Der Landgraf war so ganz erfüllt von den italienischen Eindrücken, daß er den Römer vollkommen nach seinen heimischen Traditionen schalten ließ. Hier zum ersten Male wurde auf nordischem Boden ein Werk geschaffen, in dem die gemauerte Architektur im Verein mit dem Wasser die unbedingte Herrschaft behielt. Und wäre der Plan Guernieris ganz zur Ausführung gekommen, so wäre hier ein Werk entstanden, dessen gewaltige Größe und imponierende Geschlossenheit in Europa wohl nicht viel seinesgleichen gehabt hätte (Abb. 453).

Abb. 453
Ansicht des Karlsberges (Wilhelmshöhe) bei Cassel

Stich von Guernieri

Schon Karls Vorfahren hatten an der Stelle, wo heute auf einem Hügel das erst am Ende des XVIII. Jahrhunderts erbaute Schloß Wilhelmshöhe liegt, ein Jagdschlößchen gehabt, über dem der steile Habichtsberg emporstieg. Dieser ganze mächtige Waldberg sollte nach Landgraf Karls und Guernieris Plan in eine ungeheuere Terrassenanlage umgewandelt werden, deren alles beherrschende Hauptachse eine riesige Kaskadenanlage bildete. Nur der oberste Teil des ganzen Werkes, das der Italiener, wie einst Salomon de Caus den Heidelberger Schloßgarten, in einem großen Kupferwerke im Jahre 1706 verbildlichte Guernieri, Delineatio Montis a Metropoli Hasso-Casselana, qui olim Hiemis receptaclum dicebatur, nunc autem Carolinus audit., Cassel 1706., ist zur Ausführung gekommen (Abb. 454). Man begann mit der Spitze, dem Bau eines Lusthauses, das zugleich als großes Reservoir und Brunnenhaus diente. Es ist ein dreistöckiges Oktogon, dessen zwei Unterstockwerke wie aus dem Felsen herauszuwachsen scheinen, sie sind als Grotten mit Nischen und Statuen gedacht; jedes Stockwerk flieht hinter das andere etwas zurück, das oberste ist ein luftiger Hallenumgang, oben mit einer Balustrade, die um das flache Dach läuft, geschützt. Auf diesem erhebt sich eine über 30 m hohe Pyramide, auf deren Spitze die aus Kupfer getriebene Kolossalfigur des Farnesischen Herkules steht. Der ruhende Held schaut herab auf die dritte Terrasse unter sich, wo unter einem Felsblock ein Riesenhaupt einen mehr als 12 m hohen Strahl speit, dazwischen liegt eine Terrasse mit einer Pansgrotte mit allerlei Vexierwassern und Wasserkünsten. Der Hauptstrom fällt in der Mitte zur Terrasse des Riesenhauptes und gleitet auf beiden Seiten auf dem Stufengeländer über Grottenwerk nieder. Von hier stürzt er weiter in einer 250 m langen und 11½ m breiten Kaskade über Stufen herab, dreimal von breiten Absätzen unterbrochen. Zuletzt fällt er in hohem Absturz über die Neptunsgrotte mit der Statue des Gottes so herab, daß man von der Grotte unter dem Wasserschleier durchschaut, und endet in einem großen Bassin. Das ist das einzige, was von Guernieris Plan zur Ausführung kam, etwa ein Drittel der ganzen Länge. Er beabsichtigte die Kaskade in zwei weiteren Absätzen bis zu dem Schloß herabzuführen. Am Fuße des ersten Absatzes sollte ein großes rundes Wasserparterre mit einem Brunnenpavillon in der Mitte angelegt werden, der zweite Absatz endet in einem mächtigen Theaterhalbrund auf einer Terrasse, die als ein breites Band den ganzen Park durchquert und noch mit verschiedenen anderen Brunnenbassins geschmückt ist. Das Schloß am Fuße der dritten Kaskade ist in völlig italienischem Stil gedacht, mit giardini secreti nach hinten heraus, während nach vorne aus einer offenen Säulenhalle florentinische, halbrunde Rampentreppen in ein reiches Schmuckparterre herabführen.

Abb. 454
Ansicht der Gigantomachie, Wilhelmshöhe bei Cassel

Phot.

Der Park selbst sollte außer durch die Terrassen nur durch regelmäßige Avenuen unterbrochen werden. Aber während der 18 Jahre der Ausführung hatte sich dieser Plan stark verändert und erweitert. Ganz konnte sich der Landgraf dem französischen Einfluß doch nicht entziehen. Seit dem Jahre 1715 hatte er von einem Harlemer Maler, Johannes van Nichole, acht große Prospekte des Weißensteines und Karlsberges, wie die Anlagen damals noch hießen, aufnehmen lassen, die die beabsichtigten Pläne jener Zeit festhalten. Danach sollten unterhalb der Kaskade sich breite Terrassen mit Parterres, Brunnen, kleinen Wasserfällen um ein großes, Versailles nacheiferndes Schloß herumlegen, so daß die italienische Kaskade nur wie eine Hintergrundkulisse in den Park eingeschnitten hätte. Aber von allen diesen gigantischen Plänen ist nichts zur Ausführung gekommen. Karls Tod 1730 unterbrach die Arbeit, und als seine Nachfolger ihr Interesse seiner Schöpfung wieder zuwandten, war der englische Einfluß so stark geworden, daß die Kaskadenanlage als für sich abgeschlossenes Werk den so vielfach veränderten Park krönt (Abb. 455). Der Gedanke einer Gigantomachie liegt diesem Werk zugrunde, und wie der Überwinder-Herkules ruhend auf den zerschmetterten, ohnmächtig sich aufbäumenden Feind herabschaut, so schaut diese ganze Anlage nieder auf die vielen kleinlichen Neuschöpfungen, die in dem weiten Park zerstreut sind, und die einer sentimentalen Zeit in verschiedenen Bauperioden ihre Entstehung verdanken. Die Wilhelmshöhe, die ihren Namen erst unter Kurfürst Wilhelm I., dem Erbauer des heutigen Schlosses, erhielt, steht für sich in dieser Zeit, nicht allein durch Größe und Geschlossenheit der Anlage, sondern als ein Wahrzeichen, was italienischer Geist in der Gartengestaltung des nördlichen Deutschlands noch damals hervorbringen konnte.

Abb. 455
Wilhelmshöhe, der englische Park mit der Bekrönung des Oktogon

Stich von F. Schröder

Als Baumeister herrschen zwar, wie gesagt, die Italiener noch lange, doch überließ man die Gärten meist schon französischen Künstlern. Auch am Münchener Hof scheint in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts das Kunstleben noch völlig von italienischem Geiste durchdrungen. In den sechziger Jahren wandert ein ganzer Hofstaat italienischer Künstler mit der Prinzessin Adelheid von Savoyen nach München. Die lebenslustige Frau wußte ihren schwerfälligen Gemahl Ferdinand Maria in einen Strudel von Lustbarkeiten zu reißen, und als nach achtjähriger Ehe die Kurfürstin 1662 ihm einen Sohn schenkte, da erfüllte ihr Gemahl nicht nur sein Gelübde der Erbauung der Theatiner Kirche, sondern, um seiner Fürstin eine besondere Freude zu machen, beschloß er den Bau eines Lustschlosses in der Nähe von München, das man Nymphäum, Nymphenburg nennen wollte. Für beide Bauten war ein Bologneser Baumeister, Agostino Panelli, ersehen, dem später Enrico Zuccali folgte, der auch den Neubau von Schleißheim ausführen sollte. Der frühe Tod des Kurfürstenpaares setzte der Vollendung dieser Werke ein Ziel, so daß ihr Sohn, der stolze hochfliegende Max Emanuel, als der eigentliche Bauherr der beiden Schlösser von Schleißheim und Nymphenburg zu gelten hat. Die erste glänzende Regierungszeit führte den kriegerischen Kurfürsten so häufig außer Landes, daß der Bau seiner Schlösser mit ganzem Eifer erst zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts einsetzt; aber schon wenige Jahre darauf, im Jahre 1704, brach das Unglück über Bayern herein, die Österreicher nahmen das Land ein, der Kurfürst wurde flüchtig und seiner Krone verlustig erkannt und lebte die nächsten elf Jahre meist in Frankreich, bei Paris. Hier hatte der vertriebene Fürst Muße, die französischen Gärten eingehend zu studieren, und kaum kehrte er auf seinen Thron zurück, als er bei der Anlage seiner Gärten in Schleißheim und Nymphenburg zeigte, daß er vorzüglich gelernt hatte. Französisch geschulte Gartenbaumeister waren von Anfang an hier tätig. Schon vor seiner Vertreibung hatte Max Emanuel Carbonet, einen Belgier von Geburt, berufen; das Hauptverdienst des völligen Ausbaus dieser prächtigen Schöpfungen gehört aber François Girard zu, der gleich nach des Kurfürsten Rückkehr nach München kam. In beiden Schloßgärten liegt der ganze Nachdruck auf der Anlage der Kanäle, die jedesmal die Hauptachse vom Schlosse aus bilden. In Schleißheim J. Mayerhofer, Schleißheim 1890: Bayrische Bibliothek, VIII; Seidel, Das königliche Schloß Schleißheim (Text Mayerhofer); Lambert u. Stahl, Nymphenburg und Schleißheim: Deutsche Residenzen und Gärten des XVIII. Jahrhunderts I. (Abb. 456) ist das Parterre, in das man auf wenigen Stufen von der Schloßterrasse herabsteigt, besonders reich ausgebildet, sowohl was Größe und Abwechslung der Broderie anbetrifft, wie auch durch die Fülle der Wasserbassins und Springbrunnen. Außer den zwei Bassins, mit ihren Wasserstrahlen inmitten des Parterres, begleiten die Mittelallee zwei schmale Kanäle, mit 26 Wasserstrahlen, die eine Art von Balustrade bilden, eine Idee, die Le Nôtre zuerst in Vaux-le-Vicomte ausgeführt hatte.

Abb. 456
Schleißheim, Parterre und Park, von der Schloßterrasse gesehen

Nach Math. Diesel

Die Mittelallee führt auf die Kaskade, die mit Wasserfällen, Springbrunnen und Figuren am Anfang des Kanals gegen das Parterre gewendet ist. Dieser Kanal läuft, von Hecken und statuengeschmückten Bosketts begleitet, als Mittelachse von dem neuen Schloßparterre auf ein kleines Kasino, das schon in den neunziger Jahren, früher als das große Schloß, erbaut worden war. Maximilian nannte es Lustheim, es sollte sein Trianon werden, worauf auch die beiden flankierenden Pavillons deuten. Später wurden diese durch eine halbrunde Galerie verbunden, die das Schlößchen in die Mitte nahm (Abb. 457); das war damals, als Lustheim als Abschluß für den großen Garten diente und dadurch auch die Mittelachse für den Neubau des Schlosses bestimmte.

Abb. 457
Schleißheim, Lustheim mit Parterre

Stich von Corvinus

Damals legte man ein Schmuckparterre vor das Kasino, führte den Kanal als schmales Band um die Galerien, und verband es durch sechs Alleen mit dem dahinterliegenden Park. Durch diese Lage mußte das Schlößchen seine eigentliche Bedeutung als Trianon, d. h. als ein abseits des repräsentativen Lebens gelegener Platz, einbüßen. Es war im Gegenteil zu einem point de vue für das Gartenbild vom Schlosse geworden, eine Lösung, die der französische Garten selten anwandte. Er verlangte über den Hauptkanal hinaus den unbehinderten Blick in die offene Landschaft, dem höchstens in der Ferne ein Kirchturm einen Ruhepunkt gewähren durfte.

Abb. 458
Nymphenburg, Gesamtplan

Nach Effner

Eine freiere Entfaltung fand hier das zweite der Schlösser Max Emanuels, Nymphenburg Pierre de Bretagne, Augustin, Confesseur et Théologien de S. A. E. de Bavière, Réjouissance et fêtes magnifiques qui sont faites en Bavière l'an 1722 au mariage etc., 1723; Mathias Diesel, Erlustierende Augenweide; Friedrich Oertel, Schloß Nymphenburg, 1899; W. Zimmermann, Die königlichen Gärten Oberbayerns, Berlin 1903.. Im Reichtum seiner Wasserbehandlung, in der Vielseitigkeit der Parkanlagen gebührt Nymphenburg unstreitig der erste Platz unter den ebenen Gärten Deutschlands (Abb. 458). Wie in Schleißheim wurde ein Teil des Würmflüßchens durch Nymphenburg als Kanal geleitet, so daß schon die Auffahrt von der Stadtseite von einem langen Kanal, der in zwei breiten Wasserspiegeln und Fontänen endet, begleitet wird. Diese prächtige Einleitung findet ihre Fortsetzung im Garten: schmale Kanäle umfließen den Ehrenhof, das Schloß und das große fontänengeschmückte Parterre de broderie und vereinigen sich aufs neue in einem breiten Becken mit sechs Springbrunnen, das den Kopf des großen Kanals bildet, der als Mittelachse die zu beiden Seiten erhöht liegenden Bosketts durchschneidet (Abb. 459). Er endet zunächst im breiten Becken, in das eine reiche Marmorkaskade sich ergießt, die ihre vielfachen, mit Statuen geschmückten Fälle dem Schlosse zukehrt, und die für sich den Abschluß des noch weiter in den Park hineinreichenden Kanals bildet; von hier schweift der Blick weiter bis zu dem Kirchturm von Pasing.

Abb. 459
Nymphenburg, großer Kanal

Nach Math. Diesel

Von dem reichen Schmuck dieser Anlage, der sich noch bis in das Ende des XVIII. Jahrhunderts unberührt vor dem Ansturm des neuen Stiles erhalten hatte, mag ein Reisender, der Edle von Rotenstein, berichten, der Nymphenburg im Jahre 1781 besuchte Edler v. Rotenstein, Reise nach Bayern in Jahre 1781: Bernouilli, Kleine Reisebeschr.; Archiv für neuere Gesch. III, S. 271; Leipzig 1786. (Abb. 460 u. 461):

Abb. 460
Nymphenburg, Plan des Hauptparterre

Nach Math. Diesel

»Der Garten hat 19 Springbrunnen, welche 285 Wasserstrahlen geben; so viele Wasserkünste, vergoldete Vasen und Statuen und viele Blumen in das Auge zu bekommen, läßt einen mehr empfinden als beschreiben. Das große Blumenparterre ist 138 Klafter lang, hat eine große, vier kleinere und eine sechsfache Fontäne. Das Parterre ist mit Vasen und Buchsbaum ausgelegt, und auf Beeten dazwischen stehen viele Blumen, welche alle Monat andern Platz machen ... Gleich vorne stehen 6, drittehalb Ellen hohe, vergoldete Urnen ... Dann sieht man rechts und links eine Drachenfontäne (mit einer Menge einzeln geschilderter Drachen und Schlangen auf Steinbergen liegend) ... In dem Parterre stehen 28 vergoldete Statuen, Gruppen, Vasen und Urnen, an den buchenen Spalieren 17 Statuen von weißem Marmor. Nach den Drachenfontänen folgen zwei Kinderfontänen, jedes Kind auf vergoldetem Walfisch sitzend ... Endlich kommt in der Mitte die große Florafontäne, sie ist achteckig, in weißem Marmor gefaßt und hat über 100 Schuh im Umkreise. In der Mitte ist ein großer Korb mit Blumen, woraus ein mannsdicker Strahl 30 Schuh hoch springt. Zur Seite des Korbes erblickt man die Göttin Flora sitzend, 12 Schuh hoch. Neben ihr ein Zephir ..., welcher in der Hand einen großen Kranz von Blumen hält und mit der andern Hand seine Verwunderung anzeigen will wegen eines Affen, den das Wasser aus dem Korbe treibt. Auf dem Berge stehen noch folgende Sachen: ein Löwe, ein zottiger Hund, drei große Schwanen, zwei Störche, viel Seeblumenkraut. Dann sind noch im Bassin 8 kleine vergoldete Berge, auf vier davon sitzen Liebesgötter, auf den andern vier Bergen sitzen vier Tritonen, welche Korallen, Perlen und dergleichen in den Händen halten: sie sitzen auf Walfischen. An dem Rande dieses Bassins sind in der Rundung herum acht vergoldete Frösche, welche das Wasser bogenweis speien. Diese prächtige Fontäne hat 60 000 Gulden gekostet und waren 250 Zentner Blei erforderlich. – Sodann kommt man wieder zu einem großen Bassin, welches sechs 12 Schuh hohe Wassersprünge in einer Reihe hat, in dieses Bassin geht rechts und links der Kanal, welcher von da zur großen Kaskade führt.« Wenn man das liest, wollen solche Phantasieentwürfe, wie sie Becker in seinem »Fürstlichen Baumeister« als fürstliche Brunnen gibt, nicht mehr so ganz übertrieben erscheinen. Die Frage drängt sich hier immer wieder aufs neue auf, wohin all der Schmuck gekommen ist. Eine besondere Eigentümlichkeit Nymphenburgs sind die vielen kleinen Nebenbauten, die an Zahl die bekannten französischen Anlagen noch übertreffen. Marly-le-Roi entlehnt waren die gelösten Wohnpavillons neben dem Schloß, sie sind hier zum erstenmal in einem Halbzirkel, den Stadtkanal in der Mitte durchlassend, um den großen prächtigen Ehrenhof geschlossen. Diese Anordnung wurde in Deutschland besonders geliebt; in Nymphenburg begleiten den Kanal zur Seite noch einige weitere Pavillons (Abb. 458).

Abb. 461
Nymphenburg, Hauptparterre

Nach Math. Diesel

Bedeutsam sind die im Park zerstreuten Schlößchen mit ihren Sondergärten, die in ihrer Mannigfaltigkeit an die Eremitagen von Buen Retiro in Madrid erinnern. Sie danken verschiedenen Bedürfnissen der Kurfürsten ihre Entstehung, gliedern aber den großen Park in schöner Regelmäßigkeit. Eine der Queralleen durch die Bosketts hatte man als Mailbahn anlegen lassen, neben ihr wurde das Gartentheater mit seinen grünen Kulissen errichtet. Als Ruhe- und Erfrischungsraum für Spielende und Zuschauer erbaute Max Emanuel hier einen Pavillon und ließ ihn »à l'indien« ausschmücken, woher er den Namen Pagodenburg erhielt (Abb. 462).

Abb. 462
Nymphenburg, Pagodenburg

Nach Math. Diesel

Der Kurfürst hatte zwar, als er in Paris wohnte, das alte Trianon de Porcelaine nicht mehr gesehen, doch war es damals noch in aller Munde, und dieser kleine blau- und weißgeschmückte Zentralbau in Nymphenburg ist eine unmittelbare Nachahmung des alten Trianon. Vor der Pagodenburg lag ein großes, mit Springbrunnen geschmücktes Bassin, an dessen entgegengesetzter Seite die Bühne auf mehreren Stufen anstieg. Da Zuschauersitze nicht vorgesehen sind, stellte man sie wohl bei Aufführungen um den Teich. Auf der andern Seite des Schlößchens zog sich ein schmaler Kanal in den Park. Auch an einem großen Wasserstück lag die Badenburg (Abb. 463), die das Bad mit einer Reihe von Nebengemächern enthielt und auf der andern Seite ein zierliches Parterre hatte.

Abb. 463
Nymphenburg, Badenburg

Nach Math. Diesel

Zu diesen Gartenpavillons aber brauchte man noch eine wirkliche Einsiedelei, die nach spanisch-französischer Sitte das religiöse Moment mit dem galanten verband. Die Eremitage mit der St. Magdalenenkapelle wurde erst 1725/28 erbaut und trägt in ihrer neugotischen Bauart ganz den Stempel dieser Zeit wachsender Romantik. Noch später, erst unter Max Emanuels Nachfolger, Karl Albert, wurde als Gegenstück dieser Eremitage das Jagdschlößchen, die Amalienburg, erbaut. Es diente der jagdliebenden Gemahlin des Kurfürsten

häufig als Jagdaufenthalt. Leider sind seit 1803 alle diese anmutigen Rokokohäuschen, die so dringend ihre alte Umgebung verlangen, in den englischen Park, dem die alten Anlagen zum Opfer fielen, hineingezogen worden. Nur die Kanallinien, Bassins und das jetzt magere und schmucklose Parterre lassen den alten Plan noch erkennen.

Abb. 464
Karlsruhe, Schloßgarten, Ansicht von 1739

Stich von Joh. Math. Steidlin

Wie sehr der Gartengedanke das XVIII. Jahrhundert – das Jahrhundert der Fürsten, wie man es wohl nennen darf – beherrschte, zeigt die Entstehungsgeschichte des Fürstensitzes von Karlsruhe (Abb. 464). Im Jahre 1709 erbaute sich der Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach inmitten des Hardtwaldes ein kleines Jagdschlößchen E. Gutmann, Das großherzogliche Residenzschloß zu Karlsruhe, 1911: Zeitschr. f. Geschichte der Architektur, Beiheft 5. als sein »Trianon«. Ein Jagdturm, der vor der Front des Hauses nach dem Walde zu isoliert errichtet wurde, gab den Mittelpunkt für 32 Alleen, die ringsum in den Wald gehauen wurden. Auch der Grundriß des Schlosses mußte sich dieser Fürstenlaune unterordnen, die Seitenflügel wurden in der Richtung von zwei Alleen im stumpfen Winkel an den Mittelbau gesetzt. Das durch diese Seitenflügel und weitere Nebenbauten umgrenzte Kreissegment wurde zu einem Lustgarten angelegt und vorne von Gebäuden für Hofadel und Beamte, je eines zwischen zwei Alleen, abgeschlossen, in ganz ähnlicher Weise angeordnet wie in Nymphenburg. Eigenartig bis zur Groteskheit war die hintere Ausgestaltung; hier errichtete man im kleinen Kreise um den Turm jedesmal als Ausgang der Alleen 24 kleine Häuschen, die, abweichend im Grundriß, gleich in der Größe, jedesmal mit einem Sondergärtchen versehen, zu verschiedensten Zwecken: als Brunnenhaus, Badhaus, Pumpenhaus usw., dienten. Den Platz um den Turm schmückten vier Fontänen, auch in dem von den Strahlenalleen durchschnittenen Massiv des Waldes sind Plätze mit Fontänen ausgespart. Alle solche einzelnen, dem französischen Park entlehnten Motive sind hier bizarr und schematisch durchgeführt. Bald aber gefiel dem Markgrafen dieser Aufenthalt besser als das durch den Widerstand der Bürger nur langsam wachsende Residenzschloß in Durlach, und schnell reifte der Entschluß, sich hier fest niederzulassen, so daß man bald zur Ansiedlung warb. Die vorderen Parkwege, die von den Hofbeamtenhäusern ausgingen, wurden zu Straßen der neuen Stadt, die nun den Namen Karlsruhe erhielt, umgeschaffen. Die Stadt fügte sich um so lieber in die Nettigkeit, Symmetrie und Ordnung dieses Parkbildes, da sie ein Ideal damals erstrebter Residenzstadtgründungen verkörperte: Einheitlichkeit der Bürgerhäuser, die als Mittelpunkt das Residenzschloß umgaben und heraushoben, war das erste Gebot. An sich hat der Karlsruher Garten, auch nachdem er später hinter dem Hause bei dem Schloßumbau vergrößert wurde, niemals besondere Bedeutung gehabt.

Abb. 465 a
Schloß Ludwigsburg bei Stuttgart

Nach Frisoni

Abb. 465 b
Schloß Ludwigsburg bei Stuttgart

Nach Frisoni

Hierin war ihm bei weitem der prächtige Garten überlegen, den sich Karl Wilhelms Nachbar, der Herzog Eberhard Ludwig IV. von Württemberg, zu gleicher Zeit in Ludwigsburg bei Stuttgart erbauen ließ (Abb. 465 a u. b). Die Anordnung des Parkes auf der dem Lustgarten entgegengesetzten Seite hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Karlsruhe. Was aber dem Karlsruher Garten ganz fehlt, das Wasser, ist hier in einer Reihe prächtiger Kaskaden gestaltet, die nach der Parkseite das Hauptschloß mit dem kleinen Kasino Favorite auf der Höhe verbinden. Auch auf der andern Seite steigt der besonders große und reiche Lustgarten ein wenig an, so daß das Schloß an tiefster Stelle liegt. Auf einer der höheren Terrassen lag das berühmte Orangeriehaus, durch dessen Inhalt die Württemberger Fürsten schon ihre Renaissancegärten ausgezeichnet hatten. Der Baumeister, der dem Garten die letzte Gestalt gab, war ein Italiener, D. Giuseppe Frisoni, der seine Laufbahn als Stuckarbeiter begonnen, seine Erfahrungen aber auf Reisen in Frankreich gesammelt hatte Nette, Vues et Parties Principales de Louisbourg; Frisoni, Vue de la Résidence Ducale de Louisbourg..

Mit den weltlichen Fürsten begannen bald die geistlichen zu wetteifern, sie hatten ihre Herrschaftsrechte schwer aus den Religionsstreitigkeiten Deutschlands zu retten vermocht. Nachdem aber im Süden und Westen der Westfälische Frieden ihnen Existenz und Sicherheit wieder dauernd verbürgt hatte, fühlten sie mehr und mehr die Notwendigkeit, das Souveränitätsgefühl, das sie, als Fürsten von Geblüt und Standesherren, zu ihrer geistlichen Würde hinzubrachten, auch äußerlich wie ihre weltlichen Vettern zum Ausdruck zu bringen. Der Krieg hatte ihre Länder als die ewig strittigen besonders tief getroffen; meist kamen sie in ein völlig zerrüttetes Besitztum; schon die reine Notwendigkeit, eine Residenz zu haben, zwang sie zu bauen. Die Bauleidenschaft, die sie fast alle beseelte, kann man nur mit der der römischen Kirchenfürsten der Renaissance vergleichen. Ähnlich wie bei diesen war gerade die Gewißheit, daß sie ihre Werke nur für die kurze Regierungszeit schufen, ohne die Zukunft irgendwie bestimmen zu können, ein Sporn, für diese bemessene Spanne Zeit das äußerste zu tun und ihren Namen mit der Größe und Pracht ihrer Bauten zu verbinden.

Das Erzbistum Köln hatte noch weit über den Dreißigjährigen Krieg hinaus die Leiden des Krieges zu tragen, es blieb ein Zankapfel zwischen Ludwig XVI. und dem Reich. Clemens Joseph, der sich endlich nach dem Frieden zu Nymwegen 1689 seiner Regierung freuen durfte, stand in nächster verwandtschaftlicher Beziehung zum bayrischen Hof – von nun an wurde das Erzbistum mehr als ein Jahrhundert lang zu einer Art von Sekundogenitur Bayerns, was sich auch in mancher Gemeinsamkeit des Baugedankens ausspricht. Als Clemens Joseph zur Regierung gelangte, waren seine Residenzschlösser Bonn und Brühl nur Trümmerhaufen E. Renard, Die Bauten der Kurfürsten Joseph Clemens und Clemens August von Köln: Bonner Jahrbücher, 1896, Heft 99, S. 164 ff., Heft 100, S. 1 ff.. Jedoch, obgleich er sich sobald als möglich an den Wiederaufbau seines Bonner Schlosses machte, war es doch erst seinem Neffen Clemens August vergönnt, nicht nur Bonn nahezu zu vollenden, sondern eine große Reihe von anderen Schlössern zu erbauen, unter denen das Lustschloß Brühl mit seiner schönen Gartenanlage den bedeutendsten Platz einnimmt. »Der erste Wunsch des Eigentümers und die erste Sorge des Architekten ist, einen Garten zu pflanzen, ehe er mit den Gebäuden beginnt«, charakterisiert Blondel Blondel, Cours d'Architecture, Paris 1771. in seinem »Cours d'architecture« die Stellung des Gartens in der Architektur. Jedenfalls mußte Haus und Garten unauflöslich zusammen erdacht werden. Clemens holte sich die beste Hilfe, die er haben konnte: Girard, der seit 10 Jahren seine Kunst und Erfahrung in Schleißheim und Nymphenburg glänzend bewährt hatte. Girard machte die Pläne für den Schloßpark von Brühl und ist auch selbst zur Überwachung der Ausführung öfter dagewesen (Abb. 466).

Abb. 466
Schloßgarten Brühl, Plan

Nach Renard

Auch hier ist das Wasser, besonders als Kanal und Wasserspiegel, mit großem Reichtum verwandt, doch ist die Verteilung für jene Zeit eine ungewöhnliche. Nicht nur ist das ganze, ziemlich unregelmäßige Gartenstück von Kanälen umflossen, die auch einzelne Bosketts umgeben, was an französische Renaissancegärten erinnert, vor allem ist der große kreuzförmige Kanal, in dessen Kreuzungspunkt eine kleine Insel liegt, nicht in der Verlängerung der Parterres, sondern in der Achse des Ehrenhofes, in den man wiederum auf einer Brücke über einen schmalen Kanal gelangt, erbaut. Auch die Lage des Parterres zur Seite des Südflügels, dessen Gartenfront eine breite, zweiflügelige Terrasse vorgebaut ist, hat etwas Fremdartiges. Das Parterre selbst ist vornehm und großzügig und zeigt eine Wasser- und Beetverteilung, die deutlich die Hand Girards verrät, nur fehlt gerade hier der weite Wasserblick der beiden bayrischen Gärten P. Clemen, Denkmäler der Rheinprovinz IV, S. 82.. Auch die vielen kleinen Bauten, die den Park beleben, erinnern an Nymphenburg, doch erscheint hier alles zufälliger gelöst. Das reizende kleine Kasino Falkenlust liegt am Ende einer Seitenallee, die von dem großen Mittelstern des Parkes ausgeht. Näher dem Schlosse befindet sich die amüsante kleine Anlage eines chinesischen Hauses, sehr charakteristisch »maison sans gêne« genannt (Abb. 467).

Abb. 467
Schloß Brühl, Chinesisches Haus

Originalzeichnung von Metz

Das Bedürfnis der Intimität und Gelöstheit von den immer lästiger werdenden Repräsentationen macht sich im großen und kleinen wachsend im Laufe des XVIII. Jahrhunderts geltend. Man wußte jetzt schon etwas mehr von chinesischer Bauart als bei dem Bau von Trianon und der Pagodenburg, dies Häuschen erhielt schon geschweifte Dächer, mit Glocken behangen. Ein ganz barockes Gebäude ist das sogenannte Schneckenhaus (Abb. 468), inmitten eines kreisrunden Teiches, das eine Art Mittelding zwischen dem alten Schneckenberge und einem chinesischen Turm bildet. Der Schloßpark zu Brühl zeigt, ohne daß er die großen Richtlinien, die der französische Garten vorschrieb, verließ, doch stärker als die meisten Anlagen in der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts allerlei Einflüsse eines neuen Stiles. Einzelne Bosketts, besonders um das chinesische Haus, weisen Schlangenlinien auf, allerdings ihrerseits wieder unter dem Zwange der Symmetrie.

Abb. 468
Schloßgarten Brühl, Schneckenhaus

Stich von Mettel nach Metz

Die große Bedeutung der kleinen geistlichen Fürsten für ihr Land lag nicht nur in der einzelnen Schloßanlage, sondern mehr noch in der Verschönerung und Kultivierung ihres ganzen Gebietes, das nicht so groß war, daß es nicht leicht zu übersehen gewesen wäre. Und gleich den alten Römern hatten die geistlichen Herren das Bedürfnis, überall, wo sie hinkamen, ihren gewohnten Luxus anzutreffen; ließ sich doch Clemens Joseph von Köln für seine Reisen ein »corps de logis portatif« konstruieren, das der französische Architekt und Dekorateur Oppenord herstellen mußte; leider hat sich davon keine Spur erhalten. So erbauten sich diese Herren an allen schönen Punkten ihres Gebietes Lust- und Jagdhäuser und legten, um auf bequemen Wegen von einem zum andern zu gelangen, Straßen und prächtige Alleen an, die das ganze Land parkartig gestalteten. Clemens August führte von seiner Bonner Residenz eine vierreihige Allee nach dem Poppelsdorfer Schlößchen, einem köstlichen kleinen Zentralbau mit einem runden offenen Hof im Innern, ein Motiv, das wir in Spanien und Italien öfter angetroffen haben. Schloß und Garten ist ein Werk des Erbauers des Bonner Schlosses, Robert de Cotte. Das Haus wurde später vielfach verunstaltet, und von dem Garten weiß man wenig; er enthielt neben den üblichen Wasseranlagen eine Kaskade, ein Theater, eine Arena zum Kampf wilder Tiere, und Scheibenstände. Es waren dies mehr Park- und Boskettanlagen, die in Bonn selbst fehlten, wo man, außer für die Anlage eines Parterres, keinen Raum hatte.

Wie stark das Garteninteresse überall im Vordergrunde steht, zeigt Clemens Augusts Stiftung einer »confrèrie des fleuristes«, deren Heiligtum die Poppelsdorfer Kapelle war, sie hatten diese stets mit frischen Blumen zu schmücken; den Altar bildete eine Darstellung Christus' als Gärtner vor Maria Magdalena unter einem offenen Berceau. Von dem Poppelsdorfer Schlößchen, das durch seine Aussicht auf das Siebengebirge und den Kreuzberg begünstigt war, führte eine Straße nach dem Mittelpunkte des Kottenforstes, wo an ihrem Ende das prächtige Schloß Herzogenlust den Herrn erwartete. Eine andere Straße war von Poppelsdorf nach Brühl geplant, von hier führte eine weitere nach Köln. Noch ein reizvolles kleines Jagdschloß legte Clemens August sich auf der Höhe des Hümeling an: Clemenswerth ist ein Zentralbau mit acht gelösten Pavillons, die im Kreise um den Hauptbau gestellt sind. Der unmittelbare Einfluß Frankreichs ist hier unverkennbar, doch ist in Clemenswerth die Aufgabe geistvoll gelöst: von den acht Pavillons gehen sternförmig acht Alleen aus, die drei hinteren verbindet ein rechteckiger Kanal mit drei Bassins; vorne führt die Mittelallee zu den Ställen Renard, a. o. O., II, p. 67..

Abb. 469
Schloß Schönborn

Nach S. Kleiner

Bedeutsamer noch für die Gartengeschichte sollte ein Adelsgeschlecht werden, das in den ersten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts den größten Teil der mitteldeutschen geistlichen Fürstensitze einnahm: die Familie Schönborn. Seit der bedeutende und ehrgeizige Johann Philipp als Kurfürst von Mainz das Geschlecht zu Ehren und Ansehen gebracht hatte, hatten eine ganze Reihe seiner Neffen, von Jugend auf für diese Laufbahn erzogen, die hohe Würde geistlicher Fürsten erreicht Karl Wild, Lothar Franz v. Schönborn: Heidelberger Abhandlungen, 1904, N. 8, S. 168 ff.. Hier noch mehr als in Köln erscheint dies eigenartige Nepotentum als eine späte Blüte italienischer Renaissance auf deutschem Boden. Und diese verwandten Grundbedingungen erzeugten auch ähnliche Gesinnung: stolzen Herrschersinn, unbegrenzte Bauleidenschaft, aber auch ein Gefühl der Verantwortung, nicht auf politischem, wohl aber auf künstlerischem Gebiete. Wohin die Schönborns einzogen, da zog mit ihnen reges Leben ein. Das Stammschloß, das sich die weltliche Linie in Niederösterreich an der Enns erbaute, deutet durch seine Anlage und die Bedeutung seiner Gärten auf den Kunstsinn des Geschlechtes auch in der neuen Heimat. Es ist eine jener Schöpfungen, die in strengem Festhalten an den französischen Grundregeln ein Ganzes von leuchtender Pracht zeigen (Abb. 469). Unter den geistlichen Fürsten steht allen voran der Bruder des österreichischen Grafen, Lothar Franz, der 1693 Bischof von Bamberg und 1695 Erzbischof und Kurfürst von Mainz wurde. Sämtliche Schlösser, die dieser Fürst erbaut hat, sind mit ihren Gärten von Salomon Kleiner gestochen und 1728 veröffentlicht worden. Diese Stiche sind das einzige Zeugnis, das die Gärten lebendig erhält, da kaum eine dieser prächtigen Anlagen unsere Zeit erreicht hat. Eines der kleineren, das Jagdschloß Seehof, nahe bei Bamberg gelegen, hatte Lothar Franz schon als Vermächtnis seines Vorgängers Marquard von Stauffenberg erhalten, nach dem es auch den Namen Marquardsburg führte Schöpf, Die Marquardsburg oder Schloß Seehof: Bamberger Gymnasialprogramm, 1864/65. (Abb. 470).

Abb. 470
Marquardsburg (Seehof) bei Bamberg

Nach S. Kleiner

Lothar Franz vollendete es nur und wohnte gerne dort während des Neubaues seiner Bamberger Residenz. Dem Charakter eines Jagdschlosses entsprechend war es ein ganz freiliegender Zentralbau. Der ursprüngliche Gedanke war hierbei wohl, durch vier Zufahrtsstraßen aus dem Jagdrevier den Jägern von allen Seiten den Eintritt zu ermöglichen, wo auch die Jagd sie zuletzt versammeln mochte. Um das Schlößchen herum legt sich ein großer Prunkgarten: das ganze Terrain ist in drei gleiche, nebeneinanderliegende Rechtecke geteilt.

Abb. 471
Favorite, Mainz, Gesamtansicht

Stich von Corvinus

Das Haus liegt in der Mitte auf erhöhter quadratischer Terrasse, die dem ebenen Garten eine glückliche Bewegung gibt. Vorne und hinten gehören die reichen, tiefer liegenden Parterres mit ihren Brunnen und Kaskaden noch zum mittleren Rechteck, die beiden andern sind rechts und links als Boskett angelegt, von denen eines das Theater und das andere Brunnen enthält.

Abb. 472
Favorite, Mainz, Hauptpaterre

Stich von Corvinus

Solch eine dreifache Achsenentfaltung zeigt auch der bedeutendste Garten, den Lothar Franz geschaffen hat, die Favorite bei Mainz (Abb. 471). Der Grund war hier freilich ein ganz anderer als in Seehof. Das Terrain, wiederum ein regelmäßiges Rechteck, steigt vom Rheine, von dem es nur durch eine Fahrstraße getrennt ist, langsam an. Vom Rheine aus entfaltet sich dieser Garten gleichsam in drei nebeneinanderliegenden geschlossenen Bildern. Der erste Prunkgarten steigt von einem Parterre mit pächtiger Wasserkunst, die in einer Thetisgrotte endet, zu einem noch größeren Bassin mit Kaskaden und Statuen empor. Dieses Hauptparterre ist eingeschlossen von sechs amphitheatralisch angeordneten Pavillons und dem Hauptbau, der ursprünglich das Lustschloß selbst darstellen sollte, später aber in die Orangerie mit einem Festsaal umgewandelt wurde (Abb. 472). Den zweiten, danebenliegenden Garten überschaut man von einer Grottenterrasse am Rhein; wieder ist die Achse durch Wasserkünste gebildet: ein großes Bassin endet in der Neptunskaskade, die zu einer weiteren Ringkaskade aufsteigt und endlich in der Proserpinagrotte endet. Der dritte schließt durch eine Hecke vom Rhein ein sogenanntes boulingrin ab, wie man jetzt jeden vertieften, selbst mit Bäumen, hier Kastanien, bestandenen Platz, der ein Bassin umschließt, nennt. Von hier steigt man zwischen hohen Hecken auf Rasentreppen zu der großen Promenade empor, die aus querlaufenden Kastanienalleen, mit Wasserkünsten als Abschluß, gebildet wird. Die Roßkastanie war um die Jahrhundertwende wegen ihrer Neuheit der beliebteste Zierbaum. – Der Kurfürst nannte diese seine Lieblingsschöpfung gerne »le petit Marly«, und der erste Prunkteil, der seine leuchtende Wasserachse von dem Hauptbau zwischen den Pavillons zum Rheine herabführt, erinnert mehr als irgendein deutscher Garten an das vielbewunderte französische Vorbild. Der Plan des ganzen Gartens aber ist höchst originell: der notwendige Rhythmus von dem Repräsentationsgarten zu größerer Intimität ist hier durch ein Nebeneinander erreicht. Der mächtige, lebendige Strom aber faßt alles zusammen, wie ein gewaltiger Abschlußkanal, während die heiterste Landschaft ringsum den Rahmen bildet. Als im Jahre 1726 die 14 schönen Stiche von Salomon Kleiner veröffentlicht wurden, schickte ihnen der Verleger ein Vorwort mit, in dem es heißt, »obwohl der allmächtige und allweise Schöpfer diesen Weltenbau in der schönsten Perfektion dargestellt, so hat doch die Kunst, und zwar immer galanter und glücklicher, der Natur durch Anlegung prächtiger Gebäude und schöner Gärten einige Beihilfe gegeben«. Aber das »wegen seiner zierlichen Architektur nicht genug zu bewundernde Werk«, wie der Titel sagt, ging spurlos in den Stürmen der Revolution zugrunde Salomon Kleiner, Wahrhafte Abbildung der wegen ihrer zierlichen Architektur nicht genug zu bewundernden Mainz-Favorite, 1726.. Der letzte Kurfürst von Mainz, der Koadjutor Dalberg, bewirtete noch im Jahre 1792 sechstausend Emigranten, denen im Garten ein prächtiges Fest hergerichtet wurde. Zum letzten Male öffnete die Favorite ihre gastlichen Tore dem Fürstenkongreß am 19. Juli 1792 – am 21. Oktober zogen die Franzosen ein, und wenige Monate darauf war alles dem Erdboden gleich gemacht Cohn, Die Favorite bei Mainz: Zeitschr. Die Gartenkunst, 1897, S. 226 ff..

Abb. 473
Schloß Gaibach, Blick von der Orangerie

Nach S. Kleiner

Während Lothar Franz noch an dieser Lieblingsschöpfung arbeiten ließ, wurde sein kleines Privatschlößchen Gaibach umgebaut Salomon Kleiner, Wahrhafte Darstellung der Schlösser Gaibach und Pommersfelden, 1728. (Abb. 473). Es war noch ein Wasserschloß alten Stiles. Der Kurfürst ließ ihm den Schmuck des Grabens, fügte der Gartenfassade nur zwei Seitenflügel zu. Über die Schloßbrücke trat man in den Garten, in dem Lothar Franz das feinste Verständnis modernen Empfindens mit dem älteren Stilcharakter des Hauses zu vereinigen gewußt hat. Der Grundton des Gartens zeigt ein Renaissanceempfinden, eine Verbindung von Ziergarten und Nutzgarten, wie sie das Zeitalter Ludwigs XIV. eigentlich perhorreszierte: auf ein reiches Parterre de broderie mit einem Tritonenbrunnen folgt eine Anlage, die wieder des Kurfürsten Vorliebe für Querachsen zeigt und die vielleicht auf unmittelbar italienischen Einfluß deutet: ein Boskett rechter Hand ist als ein kreisförmiger botanischer Garten für Anpflanzung fremder Gewächse angelegt, dem entspricht auf der andern Seite ein tiefgelegenes rundes Bassin, das von Parterrebeeten und einer hohen Hecke umgeben ist, und als Querabschluß ein Grottenberg mit Vexierwassern und einem Häuschen darauf, das vielleicht noch aus der alten Gartenanlage stammt. Die nächsten Stücke sind »zwei große, mit zwerg- und hochstämmigen Fruchtbäumen besetzte Waasenstück«. Eines davon ist sogar kreuzweise von einer Pergola durchzogen. Von hier steigt das Terrain in zwei sanften Terrassen, die von der halbrunden Orangerie mit Prunksaal gekrönt und abgeschlossen werden, empor (Abb. 474). Rechts und links lehnen sich daran Berceaux mit Pavillons, vor der Orangerie sind Parterres angelegt. Alle diese Einzelstücke könnten leicht zu einem Renaissancegarten gehören; dem Ganzen aber ist durch die strenge Regelmäßigkeit des Planes, die Führung der Haupt- und Nebenalleen, die Betonung der Mittelachse durch Fontänen, der Stil des XVIII. Jahrhunderts aufgeprägt.

Abb. 474
Schloß Gaibach, Orangerie

Nach S. Kleiner

Ein viertes Schloß, das Lothar Franz durch Erbschaft zugefallen, baute er sich nach der Vollendung der Favorite 1711 um: Pommersfelden bei Bamberg (Abb. 475). Der schöne Terrassengarten zeigt als Eigentümlichkeit zum Abschluß zwei sehr große Weiher, die sonst in den modernen Gärten häufiger durch den Kanal verdrängt wurden. Doch der Kanal tritt durchweg in diesen Schönbornschen Gärten zurück, hierdurch wie durch das Nebeneinanderlagern einzelner Gartenbilder erhalten sie alle, trotz reicher Vielseitigkeit, doch einen gemeinsamen Charakter.

Abb. 475
Schloß Pommersfelden

Nach S. Kleiner

Von den sieben Neffen des Lothar Franz haben nicht weniger als vier geistliche Fürstenämter bekleidet. Unter ihnen ist vielleicht die originellste Gestalt Damian Hugo Philipp, der bis zum Jahre 1743 die Bistümer Speyer und Konstanz in seiner Hand vereinigte. Er hatte nur geringe Mittel, kam in ein recht verwahrlostes Land, verstand es aber, trotz größter Schwierigkeiten, aus seiner kleinen Residenz Bruchsal, die er als ein elendes kleines Nest, »ein sozusagen Bauernloch«, wie er es selbst einmal nennt, antraf, einen blühenden, wohlansehnlichen Ort zu machen, der sich um die Residenz gruppierte, die er seit 1720 mit größtem Eifer baute. Sein Herrscherbewußtsein kam seiner Energie gleich. »Ich will Herr bleiben oder ein kalter Kadaver sein, ehenter ich der Herr zu sein aufhöre« J. Wille, Bruchsal, Bilder aus einem geistlichen Staat im XVIII. Jahrhundert: Badische Neujahrsblätter, 1897, S. 65.. Daß er mit seinen Bauten seinem Namen das Anrecht auf Unsterblichkeit bei der Nachwelt gab, war ihm fortwährend im Bewußtsein. Als er einst, von einer Reise heimkehrend, sah, daß einige Bürger sich erkühnt hatten, von seiner Bauordnung in Stockwerk und Fensterhöhe abzuweichen, gab er einen förmlichen Protest an die Nachwelt zu Protokoll. »So protestieren wir hiermit gegen alle Fehler und wird kein vernünftiger Mensch uns aufbürden – da wir sowohl außer als in unserm Lande so viele und schöne Gebäude Millionen wert unter unserer Direktion und Anordnung zur jedermännlichen Approbation aufgebaut und hergestellt haben – daß wir in unseren alten Tagen so schlecht und töricht seien, solches lächerliches und verächtliches Wesen angeordnet zu haben. Wir protestieren dahero hiermit nochmals feierlichst und disapprobieren alles, was desfalls gegen unseren Willen und Anordnung geschehen ist« Wille, a. o. O., S. 35.. Der Garten des Schlosses ist niemals von großer Bedeutung gewesen, den größten Reiz der heute bis auf die Mittelallee veränderten Anlage gab ihm die breite Terrasse, die, von einer halbrunden Pergola eingerahmt, seitlich mit Parterrebeeten geschmückt war, die mit wenigen Stufen in das größere Parterre herabführten. Daß im weiteren Park das indianische Haus und andere Bauten nicht fehlen durften, versteht sich von selbst. Auf der Höhe, abseits vom Schlosse, hat sich noch heute im sogenannten Belvedere ein chinesischer Pavillon erhalten, der zu einer kleinen Lustanlage, der sogenannten Wasserburg, gehörte, die das Reservoir für die Wasseranlagen bildete. Bei der eben vollendeten Restauration hat man dem Ehrenhof die alte, höchst reizvolle Bepflanzung wiedergegeben: das Parterre de broderie, das hier die beiden Brunnen umschließt, ist von glücklicher Wirkung, besonders von dem Balkon des Schlosses aus. Das geschlossene Bild dieses Hofes, der nach der Stadt durch Torbau und Pavillons begrenzt wird, war vielleicht noch schöner, als in den halbrunden Gräben, die zwischen Tor und Pavillons angelegt sind, noch schimmerndes Wasser floß. Es ist schade, daß man nicht auch im Garten selbst hier einmal den Versuch gemacht hat, den alten Stil wiederherzustellen Fritz Hirsch, Das Bruchsaler Schloß aus Anlaß seiner Restauration, 1900–1909..

Bruchsal blieb nicht das einzige Schloß, das Kardinal Damian erbaute und mit Gärten schmückte. Durch äußerste persönliche Sparsamkeit hatte er die Mittel des armen Bistums stark gehoben. So entstand nicht weit von Bruchsal das heute ganz verwahrloste Kisslau und, wieder einige Stunden weiter, der eigenartige Bau der Eremitage zu Waghäusel Tillessen, Die Eremitage zu Waghäusel.. Unsere deutschen geistlichen Fürsten waren im XVIII. Jahrhundert vielleicht am meisten geeignet, die von der Renaissance geschaffene, in Spanien besonders gepflegte Vereinigung von weltabgewandter Frömmigkeit und weltlichem Vergnügen mit echtem Geiste zu erfüllen. Ihr äußeres Symbol fand sie auch hier in den Eremitagen. Damian Hugos Persönlichkeit, seine wahre Frömmigkeit, seine Jagd- und Baupassionen, seine Kunstliebe, machten ihn zu einem typischen Vertreter dieser Zeitstimmung. Darum war auch seine Eremitage in der Nähe eines angesehenen Klosters, umgeben von schönen jagdreichen Wäldern, ein begünstigter Ort für ihn, und es war gar ernst gemeint, wenn er 1730 von Rom aus mahnt, die Stuckarbeit im Saale »auf eremitisch« in Angriff zu nehmen. Ein Stück dieses alten Schmuckes, die Ausmalung des Kuppelsaales, zeigt noch, wie dieser eremitische Schmuck verstanden ist Wille, Bruchsal, S. 76. (Abb. 476).

Abb. 476
Waghäusel, Deckenmalerei

Phot.

Das Gemälde hat ein doppeltes Interesse für die Gartenkunst: es stellt eine Eremitenhütte dar, die in eine antike Ruine hineingebaut ist, gekoppelte Säulen mit abgebrochenem Gebälk tragen ein ziemlich defektes Strohdach, das über Holzsparren gedeckt ist. Durch die Bögen erblicken wir allerlei andere Ruinenstücke, heiliges Gerät hängt an den Tempelsäulen. Einen Gartensaal mit Eremitendecke wollte man darstellen. So ferne scheinbar solch eine Malerei jenen antiken Wandgemälden stehen mag, die die Gärten in den Innenraum zogen, so gehört doch auch sie in die gleiche Entwicklungsreihe. Es meldet sich hier zuerst das sentimentale Zeitalter; draußen im Parke begann man nicht so viel später Bauten zu errichten, die aus gleichem Geiste entsprungen sind. Die Ruinen- und Eremitenhüttenschwärmerei, der Renaissance nicht unbekannt, damals aber von größeren Aufgaben verdrängt, wird jetzt mehr und mehr zu einer Leidenschaft; unser Bild ist ein sehr frühes Zeichen dieser Bewegung. Als Bau reiht sich Waghäusel den freistehenden Zentralbauten an, auch dadurch sich als Jagdschloß kündend. Wie in Clemenswerth liegen vier Pavillons als Ausgangspunkte von vier Alleen ringsumher. Von Gartenanlagen hat sich nichts erhalten, ein späterer Situationsplan zeigt konzentrisch angeordnete Obstgärten, die vielleicht schon im ursprünglichen Plan lagen.

Den Würzburger Bischofsitz hatten unterdes nacheinander, mit kurzer Unterbrechung zwei Brüder Damian Hugos inne. Für sie erbaute die Residenz der bedeutendste mitteldeutsche Baumeister jener Jahre, Balthasar Neumann G. Göbel, Würzburg 1904; Stamminger, Würzburger Kunstleben im XVIII. Jahrhundert, 1893; Jean Procop Mayer, Pomonia Franconia, Nürnberg 1776.. Der Grundstein für das schöne Schloß, das zu den hervorragendsten Bauten des XVIII. Jahrhunderts gehört, wurde schon 1720 gelegt, aber der frühe Tod von Bischof Johann Philipp Franz verzögerte den Bau, der erst unter seinem Bruder Friedrich Karl 1744 im Rohbau fertig wurde. Neumann hatte die »Riss wegen des Gartens« zwar schon 1730 unter den Händen, doch entstand auch der Garten nur langsam mit dem Schloß, so daß, als 1740 Salomon Kleiner sein Album von Würzburg herausgab, ein Blatt in der Vogelperspektive den Garten noch in seinem ersten Stadium zeigt S. Kleiner, Album von Würzburg, 1740.. Der Plan des Gartens wird bestimmt durch zwei Zipfel der Stadtbefestigung (Abb. 477). Auf den einen derselben war mit voller Absicht genau die Mittelachse des Schlosses gerichtet, hier also hatte sich der Ziergarten zu entfalten, der hinter dem Parterre seinen gegebenen Abschluß in der erhöhten Rampe der Festungsterrasse fand, die in dem ersten Entwurf durch zwei Lusthäuschen gekrönt war. Der zweite Festungszipfel wurde als Gemüsegarten eingerichtet, unter dem sich Bosketts, das Labyrinth, die Orangerie entfalteten. Wieder ergab sich dadurch für den Garten eine seitliche Entwicklung, die man in den mitteldeutschen Anlagen so gerne anwandte. Ähnlich wie in Würzburg benutzte auch der Mannheimer Schloßgarten, der etwa zu gleicher Zeit entstand, die Befestigungen zu seiner Plangestaltung, doch entsprechend dem auf äußerste, schematisierte Regelmäßigkeit angelegten Grundplan der Stadt mußte auch der Garten sich entfalten, der sich daher in ziemlicher Einförmigkeit in drei Festungszipfel hineinpaßt; die Fülle einzelner Parterres ist von einem die Festungsmauer begleitenden erhöhten Umgang begrenzt F. Walter, Geschichte Mannheims I, 429.. Der Würzburger Garten aber erhielt seine Vollendung und historische Bedeutung erst unter dem zweiten Nachfolger der Schönborns, Adam Friedrich von Seinsheim, der im Jahre 1770 den ausgezeichneten böhmischen Botaniker Johann Procop Mayer als Garteninspektor berief (Abb. 477).

Abb. 477
Schoßgarten, Würzburg, Gesamtplan

Nach J. P. Mayer

Dieser erweiterte den Garten und gab ihm die zum großen Teil noch heute erhaltene Gestalt. Mayer, ein feinsinniger und einsichtiger Künstler, veröffentlichte im Jahre 1776 ein Werk, das zwar in erster Linie botanisch ist, sich aber theoretisch wie pädagogisch auch mit der Gartenkunst beschäftigt. Als Mayer schrieb, war der englische Gartenstil auch schon in Deutschland in stürmischem Siegesfortschritt begriffen. Mayer aber schützte den regelmäßigen Stil in Würzburg in völliger Übereinstimmung mit seinem Herrn und verteidigte ihn in einem sein Buch einleitenden Essay. »Es soll hier keine einfache Schäferin, die ihren Schmuck in den Wiesen pflückt, sondern eine stolze Schönheit des Hofes mit aller Schminke und allem Putz vorgestellt werden, welcher weder durch ihren Stand noch durch eine Kleiderordnung der Gebrauch des Schmuckes und des Goldes untersagt ist, sondern die in einem dem Palast würdigen Aufzug erscheinen soll, und welchem Palaste, einem der schönsten Europas!« Besser kann das Wesen dieser Gartenkunst der deutschen Rokokozeit nicht ausgedrückt werden. Und in diesem Geiste ist auch der Garten angelegt.

Abb. 478
Schloßgarten Würzburg, Hauptparterre

Nach J. P. Mayer

Der Ziergarten (Abb. 478) hatte keine große Achsenausdehnung, die Begrenzung des Parterres mit der balustradengesäumten Terrasse, das Treppensystem, das in der Mitte die Kaskade und eine Grotte einschließt und sich im Garten in halbrunde Treillage fortsetzt, bietet ein Bild, das in seinem festlichen Glanze mehr an italienische als an französische Vorbilder erinnert. Gerade die geistlichen Herren zog ihre Interessensphäre immer stark nach Italien und Rom besonders hin, sie halten sich selbst so häufig dort auf, daß es nicht verwunderlich ist, wenn der künstlerische Einfluß Frankreichs auch im Garten häufig wieder durch den Italiens unterbrochen wird. In Würzburg schloß sich an den reizvollen Ziergarten auf der Schmalseite des Palais die Orangerie und den zweiten Festungszipfel hinauf der Küchengarten an. Mayer machte selbst auf die Abstufung seines Gartens aufmerksam. Auf die Orangerie folgt, was er den Irrgarten oder das Labyrinth nennt, »in einem Genre, das sich dem ländlichen schon nähert«.

Abb. 479
Schloßgarten Würzburg, das sog. Labyrinth

Nach J. P. Mayer

Es ist eine seltsame Anlage (Abb. 479): Heckenwege, die mit dem alten Labyrinth wenig mehr zu tun haben, verbinden eine Menge kleiner Bauwerke: Tempel, gotische Ruine, Kohlenhütte, Strohhaus, Einsiedelei, alles dies Requisiten eines neuen Stiles, aber regelmäßig gruppiert – einen Tribut glaubte Mayer seiner Zeit doch zahlen zu müssen. Weiterhin zeigt uns der Plan noch ein vertieftes Boskett und eine Grotte mit äsopischen Fabeldarstellungen. Heute noch haben sich eine Fülle von Statuen erhalten (Abb. 480 u. 481).

Abb. 480
Schloßgarten Würzburg, Kindergruppe

Phot.

Fürstbischof Adam von Seinsheim war noch ganz rigoros dem alten Stil ergeben. Er ließ alle Gärten seiner Schlösser im Bamberger und Würzburger Gebiet fest im alten Stile erhalten, obgleich manche seiner Künstler, wie der Garteninspektor Jacob, »im Herzen dem englischen Stile huldigten«. Auch das Lustschloß der Würzburger Bischöfe, Veitshöchheim, wurde von ihm, wenn auch nicht angelegt, so doch ausgebaut und mit reichem Statuenschmuck versehen G. Karch, Veitshöchheim. Dieses Buch eines spintisierenden Pfarrers, der sich aus abstruser Vielleserei aus allen Philosophien der Welt eine Allegorie zusammengebraut hat, die er dem Garten als Absicht des Erbauers unterlegt, hat eine merkwürdige suggestive Kraft gehabt, so daß hier besonders betont werden muß, daß auch kein Schatten eines Beweises für die ganze Erklärung vorhanden ist, sondern diese völlig unsinnig ist. Auf das 350 Seiten starke Buch wurde dann ein Büchlein gepfropft, das »die hohen Anforderungen, die der Dechantpfarrer an das Wissen der Leser stellt, populär machen soll«. (Wehrle, Der Königliche Hofgarten von Veitshöchheim, 1892.) Weiter: ein ernster zu nehmender Lokalforscher (Stamminger, Würzburger Kunstleben, 1893) liest das Buch, steht vor der Frage, »ob es ganz verrückt oder höchst geistreich sei«, entscheidet sich für das letztere und nimmt die Deutung an. Natürlich sind jetzt so viele Zeugen zwingend. Und wenn auch einem ehrlichen Führer (Heßler, Gesch. u. Beschr. des Kgl. Hofgartens zu Veitshöchheim, 1898) es »an tatsächlichen Beweisen fehlt; die Protokolle und Rechnungen der fürstl. Hofkammern geben zwar interessante Aufschlüsse über Preis usw., über den möglichen Zusammenhang der dargestellten Idee geben sie nichts«, so wird man doch auch hier durch den philosophischen Unsinn durchgehetzt. Und heute gibt es keinen Würzburger mehr, der daran zweifelt, daß er in Veitshöchheim eine sonderbare Auflage eines Philosophengartens besäße. (Abb. 482), der sich hier vollständig genug erhalten hat, um ein Bild dieser Gartenplastik des deutschen Rokokos zu geben, wo im bunten Durcheinander mythische Götter, Schäfer und Schäferinnen in idealem Gewande und Bauern im Zeitkostüm, auftreten.

Abb. 481
Würzburg, Partie aus dem Schloßgarten

Phot.

Es ist dies eine Sitte, die Italien im XVII. Jahrhundert wohl zuerst ausgebildet hat, die aber dem deutschen Garten dieser Zeit seinen oft grotesken, nahe an die Karikatur streifenden, aber immer malerischen Reiz verleiht. Das Veitshöchheimer Schlößchen war ursprünglich ein Zentralbau – ein typisches Jagdschlößchen. Es liegt auf erhöhter, balustradenumsäumter, mit Kindergruppen geschmückter Terrasse, die ein kleines Parterre schmückt. Auch hier entfaltet sich der Garten wieder in seitlicher Richtung. Vier Längsalleen zerlegen diesen Teil, der etwa den französischen Bosketts entsprechen würde, in drei gesonderte Partien. Von der Seitenfassade des Schlosses führt eine Fichtenallee zuerst bei einem Naturtheater vorüber, weiter an Bosketts mit Rundtempeln und Statuen bis zum Ende, wo in der Ecke ein schönes achteckiges Gartenhaus liegt, dessen Unterbau als Grotte behandelt ist.

Abb. 482
Veitshöchheim

Phot.

Auch die zweite Achse führt durch Bosketts mit tempel-, brunnen- und statuengeschmückten Rundplätzen. In dem dritten Teil liegt inmitten Hecken und Bosketts ein sehr großes längliches Bassin mit ausgeschweiftem Rande, mit einer kühnen Pegasusgruppe in der Mitte, die ursprünglich farbig angestrichen war, was das Malerische dieser Gruppe bis zum Grotesken erhöht haben muß. Ein kleiner Wasserspiegel schließt diese Achse ab. Queralleen verbinden die Längswege, so daß überall von den Kreuzungspunkten Bilder von Tempeln, Wasserspiegeln, Kaskaden und Sommerhäusern sich erschließen. Es ist zu bedauern, daß der Heckenverschnitt, der noch 1830 May, Beschreibung der Kgl. Schlösser und Lustgärten usw., Wien 1830, S. 30 ff. vorhanden war, heute, ebenso wie der Baumwuchs, nicht mehr im Stile gehalten ist, denn gar leicht könnte dieser Garten mit Hilfe von Zucht und Schere seinen ganzen ursprünglichen Charakter zurückerhalten. Daß bei diesem Aufblühen geistlicher Machtentfaltung die Klöster nicht zurückblieben, kann nur erwartet werden. Haben sie doch damals in Stil und Schmuck von Kirchen und Refektorien das Höchste geleistet, was die Kunst an Pracht erreichen kann. Dem mußten und sollten auch die Gärten entsprechen. Längst war man von den einfachen Gesetzen der Nutzgärten abgewichen und legte sich kostbare Ziergärten an, die ihren Sondercharakter höchstens in der Nötigung der Abgeschlossenheit durch hohe Mauern zeigten (Abb. 483).

Abb. 483
Paulanerkloster bei München

Nach Wening

So bedeutend diese geistlichen Staaten besonders für die mittleren Gebiete des Deutschen Reiches waren, so hatten sie doch etwas Plötzliches und darum auch Unbeständiges in ihrer ganzen Erscheinung. Sie bieten uns daher auch, wie so oft in Deutschland, gleichsam nur einen überraschend reichen Querschnitt in dem Entwicklungsbilde der Gartenkunst. Wenden wir nun unsere Blicke wieder der Reichshauptstadt Wien zu; hier setzt eine wirklich ruhige Entwicklung aus andern Gründen sehr spät ein. Noch lange nach dem Dreißigjährigen Kriege hatte hier die Türkennot alles Erblühen der Kunst in den Gärten zurückgedrängt. Erst als im Jahre 1683 mit der letzten Verwüstung auch die letzte Niederlage der bösen Feinde kam, wagte sich, erst schüchtern, dann unter dem jungen römischen Könige Leopold mit einer plötzlichen Baufreude, der Hof und der Adel wieder vor die Tore der Stadt, um sich dort nun im Vollgefühl des Friedens und des wachsenden Reichtums niederzulassen. Zu den ersten, die sich vor dem Glacis im Süden der Stadt Land sicherten, gehörte der Türkenbesieger und gefeierte Held Prinz Eugen von Savoyen. Dort, wo am Rennweg die Weinberge in energischer Steigung sich emporzogen, kaufte er schon 1693 ein Gebiet, und bald darauf fand er auch einen Nachbar in seinem Widersacher im Kriegsrat, dem Grafen Fondi-Mansfeld, der ihm sogar mit dem Bau des Palastes, den er sich am Fuße des Hügels durch Fischer von Erlach errichten ließ, zuvorkam. Auf der andern Seite des Gartens siedelte wenig später die Kaiserin den Nonnenorden der Salesianerinnen an, deren Garten sich auch am Hügel emporzieht (Abb. 484).

Abb. 484
Belvedere, rechts Schwarzenberggarten, links Klostergarten der Salesianerinnen, Wien

Nach S. Kleiner

In allen diesen Gärten haben wir es durchaus mit dem Typus der Vorstadtvilla zu tun, die sich selbst eine gewisse Beschränkung in ihrer Ausdehnung auferlegen muß. Der Park mußte hier fehlen, die Aussicht, soweit sie von der Höhe genossen wird, hat die türmereiche Stadt zu überblicken. Das erklärt diese städtischen, zu festlicher Pracht entfalteten Anlagen, besonders des Belvedere, wie des Prinzen Besitztum heute genannt wird. Der Garten zerfällt in zwei Hauptteile; der obere enthält ein großes Zierparterre vor dem oberen Schlosse mit seinem Brunnen und ein zweites, bedeutend tiefer liegendes, einfacheres Parterre, in das in der Mitte eine prächtige Kaskade herabfällt (Abb. 485), während man an den Seiten auf sanft geneigten (Abb. 487) Treppen herabsteigt. Rings um dieses Parterre läuft eine schmale Terrasse in der Höhe des oberen Schloßeingangs; dieser ganze Teil ist vollkommen schattenlos, hohe Hecken, mit Hermen geschmückt, lehnen an die Nachbarmauern. In ganzer Breite schließt ihn nach oben das Lustschloß ab, einer der herrlichsten Festbauten, zu dem dieser obere Teil des Gartens als riesiger offener Festsaal zuzurechnen ist. Der Prinz wohnte hier oben nicht, dies Haus öffnete sich nur dem Festgepränge (Abb. 486). Nach der unteren Straße zu, geschickt ihre zum Gartenterrain schräg zulaufende Linie ausgleichend, hatte der Baumeister des Fürsten, Hildebrand, das Wohnhaus der Familie erbaut, auch dieses in der ganzen Breite des Gartens, der sich hier unten einfacher, familiärer gestaltet: auf ein kleines brunnengeschmücktes Parterre folgen die Bosketts, vier schattige, heckenumsäumte Anlagen mit Rasenstücken in der Mitte. Je zwei und zwei sind noch durch bedeutende Bassins mit Brunnengruppen getrennt. Eine Kastanienallee in der Mitte führt nach der Futtermauer zum oberen Garten, von dem hier eine zweite gewaltige Kaskade, mit Statuen geschmückt, herabbraust. An den Seiten verbinden imponierende gerade Treppen mit Balustraden, denen Kindergruppen als Schmuck dienen, die beiden Gartenteile (Abb. 487). So sind der untere und der obere Garten mit wundervollem Rhythmus zu einem Ganzen verwebt. Die notwendige Forderung, vom Prächtigen zum Intimen, vom Offenen zum Schattigen überzugehen, ist hier zugleich nach zwei Seiten hin erstaunlich gut gelöst. Wenn dem Besucher von heute die Schattenlosigkeit des oberen Teiles beschwerlich fällt, muß er diesen Grundgedanken im Auge behalten. An das große rechteckige Stück des Hauptgartens schließen sich noch kleine Gartenteile, die geschickt und geistvoll die Unregelmäßigkeit des fürstlichen Besitzes ausgleichen; unten rechts vom Wohnhause der reizvolle Orangeriegarten (Abb. 484) mit seinem halbrunden, mit zierlichen Pavillons versehenen Treillagelaubengange (Abb. 488) auf der zweiten Terrasse; bei der oberen Villa der Küchengarten endlich links, verdeckt neben der pompösen oberen Einfahrt und vom Garten zugänglich, die interessante Anlage der Menagerie.

Abb. 485
Belvedere, Wien, große Kaskade

Nach S. Kleiner

Abb. 486
Belvedere, Wien, oberes Eingangstor

Nach S. Kleiner

Abb. 487
Belvedere, Wien, Seitenaufgang

Nach S. Kleiner

Abb. 488
Belvedere, Wien, Orangeriegarten

Nach S. Kleiner

Der Gedanke der konzentrischen Ordnung ist in ihr von Versailles übernommen, doch hier kleiner und konsequenter durchgeführt. Statt des kleinen Kasinos im Zentrum von Versailles steht hier der Zuschauer im Mittelpunkt vor einem schönen Eisengatter, von dem sich fächerförmig kleine Parterres nach den Winterhäusern der Tiere ausbreiten. Noch zu Lebzeiten des Prinzen 1731 gab Salomon Kleiner Stiche von den Ansichten dieses Gartens in einem Prachtwerke heraus, das in dem seltsamen Titel eine persönliche Huldigung für den Kriegshelden enthalten sollte: »Wunderwürdiges Kriegs- und Siegeslager des unvergleichlichen Helden unserer Zeiten oder eigentliche Vor- und Abbildung der Hof-, Lust- und Gartengebäude des durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Eugenii Francisci, Herzog von Savoyen, usw.«. Nach des Prinzen Tode 1736 ging das Belvedere in kaiserlichen Besitz über. Vor- und nachher sah dieser Garten seiner Bestimmung gemäß glänzende Feste. Im Jahre 1700 wurde am 17. April ein Maskenfest gefeiert, wie es in Wien noch nicht gesehen; um den 6000 Masken Platz zum Tanze zu schaffen, baute man in den Garten hinaus einen gewaltigen Festsaal, bespannte ihn mit 15 000 Ellen Leinewand und malte auf Wände und Decken ein riesiges Berceau, das mit Blumen bewachsen und mit Festons geschmückt war Bernouilli, Sammlung kleiner Reisebeschr. XIV, S. 27.. – Das XVIII. Jahrhundert hatte noch nicht verlernt, Feste zu feiern! Mit dieser Staffage muß unser modernes prachtentwöhntes Auge diesen Garten bevölkern, um ihn ganz zu verstehen.

Der Nachbargarten des Prinzen, den der Graf Fondi-Mansfeld im Jahre 1694 anlegen ließ, ging 1715 in den Besitz der Schwarzenbergs über, die Haus und Garten erst vollendeten. Es galt hier, wenn auch einfacher, die gleiche Aufgabe zu lösen A. Berger, Das Fürstl. Schwarzenbergsche Gartenpalais am Rennweg in Wien: Berichte d. Wiener Altertumvereins, Heft 23, S. 147 ff.; Aus den Fürstl. Schwarzenbergschen Gartenanlagen in Wien und Böhmen; Dendrologische Gesellschaft, Heft 3.. Der Garten hat hier nur das unten gelegene Schloß als Bauwerk zu berücksichtigen, von dem aus er von den reichen Parterres in Terrassen, mit wachsender Dichtigkeit und Schattenmassen der Bosketts, emporsteigt. Seine Schönheit besteht in der edel gegliederten Mittelachse des Wassers, das an den Futtermauern zwei figurenreiche Kaskaden bildet und auf der obersten Terrasse in dem glänzenden Spiegel eines Bassins, das fast den ganzen Raum einnimmt, endet (Abb. 489).

Abb. 489
Schwarzenberg-Garten und Belvedere (rechts), Wien

Gemälde von Canaletto

Und ebenso, wie hier im Süden der Stadt das Belvedere einen Mittelpunkt für ein Gartenviertel gab, bildete das Haus, das sich der reiche Adam von Liechtenstein im Norden erbaute, mit seinen prächtigen Gärten (Abb. 490), einen Kristallisationspunkt für andere Anlagen, die sich ringsum den Alserbach heraufzogen. Das schöne Belvedere mit offener Säulenhalle, das den Liechtensteinschen Garten flußwärts abschloß, und von wo man einst die herrliche Aussicht nach dem Kahlenberge genoß, ist samt dieser Aussicht von der Großstadt verschlungen worden.

Abb. 490
Palais Liechtenstein, Wien

Gemälde von Canaletto

Wenn wir die Delsenbachschen und Kleinerschen Stiche durchblättern, die uns das Bild dieser Wiener Gärten der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts lebendig erhalten, so muß dem Beschauer der bestimmte, fest umrissene Typus dieser Gärten ins Auge fallen. Der Kanal spielt gar keine Rolle, statt seiner tritt das Wasser in die stark betonte Mittelachse als mehrfache Kaskade, bedingt durch eine Terrassenentfaltung, die überall vorherrscht. Der Schmuck der Bosketts ist einfacher als der französische Garten ihn verlangt. Alle diese Züge zeigen, daß auch in Wien damals der bestimmende Einfluß nicht von Frankreich, sondern immer noch mehr von Italien kommt, wenn auch dieser Grundton im einzelnen mannigfach französischen Einschlag zeigt. Die ganze politische Entwicklung des Landes begünstigte diese Erscheinung: nicht allein die heftige Animosität gegen den französischen Hof, mehr noch die lange Verbindung mit Italien, wohin alle Hauptinteressen des Wiener Hofes neigten. War doch noch unter Maria Theresia alles geistige Leben in Kunst und Literatur vollkommen italienisch gefärbt. Die größten Architekten dieser Zeit, Hildebrand, Fischer von Erlach, die in den ersten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts Wien ein neues Gepräge gaben, hatten sich ganz mit italienischen Idealen erfüllt. Wohl hatte Prinz Eugen sich den französischen Gartenkünstler des bayrischen Hofes, Girard, verschrieben, um den Garten des Belvedere anzulegen. Um so merkwürdiger ist, zu sehen, wie auch diesen Künstler der genius loci zwang, sich dem italienischen Einflusse unterzuordnen. Man vergleiche nur sein Werk in Nymphenburg mit dem Belvedere. In beiden ist das Wasser als Rückgrat behandelt, und welch entgegengesetzte Bilder bieten sich uns, dort der französische Kanalgarten, hier der italienische Terrassengarten; denn auch schon die Wahl des Geländes zeigt den verschieden gerichteten Stileinfluß. Und wenn auch alle bisher behandelten Gärten noch fast im Weichbilde der Stadt liegen, so daß das Fehlen des Parks dem Raummangel zugeschrieben werden könnte, so darf man nur seine Blicke aus Wien herauslenken, um die gleiche Stilrichtung zu empfinden: In dem Mündungswinkel zwischen March und Donau liegt das Schloß Hof (Abb. 491), das Prinz Eugen im Anfange des Jahrhunderts erwarb, der auch den Garten dort anlegte; später ging es in kaiserlichen Besitz über, und in den Jahren 1758/60 malte Belotti Canaletto im Auftrage der Kaiserin Maria Theresia hier einige seiner prächtigen Veduten.

Abb. 491
Schloß Hof bei Wien, Gartenansicht

Gemälde von Canaletto

Und diesen Garten, der eine unbegrenzte Ausdehnungsfähigkeit hatte, bindet der gleiche Geist wie die uns bekannten Stadtgärten. Sechs breitere und schmälere Terrassen steigen zum Palast empor, der auf drei Seiten von Parterres umgeben ist (Abb. 492).

Abb. 492
Schloß Hof bei Wien, obere Terrassen

Gemälde von Canaletto

Auf drei Treppen gelangt man von hier in das eigentliche Schmuckparterre, dessen mit einer Balustrade abgeschlossene Terrasse in drei Ausbuchtungen vorspringt. In der Mitte liegt darunter eine Grotte, die ein schmiedeeisernes Gitter abschließt. Mächtige Freitreppen führen von der nächsten schmalen Terrasse auf ein weiteres Parterre, das aber zur Seite dicht bewachsene Lauben von Lattenwerk hat, die von kupferbedeckten Pavillons überragt sind. Die Mitte bezeichnet eine Kaskade, die über eine architektonisch reich gegliederte Futtermauer fällt; eine einfachere Kaskade stürzt von der fünften zur sechsten Terrasse, die zu beiden Seiten als Irrgänge angelegte Bosketts hat. Auf der untersten wie auf der obersten Terrasse liegt je ein großes Bassin mit Brunnengruppen. Die March, die an dem Garten vorüberfließt, schließt diesen unten im Tale ab. Der besondere südliche Charakter dieses Gartens wurde noch durch die immergrünen Hecken von Wacholder festgehalten Bernouilli, Kleine Reisebeschr. XII, S. 239 ff., XIV, S. 1 ff.. Der große Reichtum an Parterres, fast jede der Terrassen hat solche aufzuweisen, ist französischer Einfluß. Sonst aber herrscht auch hier der italienische Typus vor. Wir können zum mindesten in den österreichischen Gärten dieser Zeit eine glückliche Synthese der beiden Stilgattungen sehen.

Abb. 493
Schönbrunn, Wien, erste Parterregestaltung, zweiter Entwurf Fischer von Erlachs

Stich von Kraus

Auch das größte kaiserliche Lustschloß, Schönbrunn, entfernt sich trotz seiner weiten Ausdehnung, und trotzdem ein Wetteifer mit Versailles als innere Triebfeder wohl zu erkennen ist, von diesem Geiste nicht ganz. Schon seit dem XVI. Jahrhundert war Schönbrunn kaiserlicher Besitz. Das auf italienische Manier erbaute Jagdschlößchen brannte aber 1683 völlig nieder. Und erst 13 Jahre später, als überall um Wien die neuen Adelsschlösser aufwachsen, hören wir auch von dem Beginn des Neubaues in Schönbrunn Österreichische Kunsttopographie II, S. 101 ff.; E.M. Kronfelde, Park und Garten in Schönbrunn. Zürich, Leipzig, Wien 1922.. Von dem Geiste, der damals das Kunstleben Wiens durchpulste, zeugt der gewaltige erste Entwurf von Fischer von Erlach Fischer von Erlach, Entwurf einer historischen Architektur IV, Taf. 2, gestoch. von Delsenbach.. Das Schloß sollte auf der Höhe der heutigen Gloriette stehen, der Hügel darunter zu mächtigen Aufgangsterrassen umgeschaffen werden, die Futtermauern durch Nischenarchitektur gestützt, und auf den Terrassen Wasserkünste und Parterres angelegt werden. Oben vor dem Schlosse sollte ein kreisrunder Wasserspiegel auf ebenso gestalteter Terrasse liegen. Ein mächtiger Ehrenhof, der für ritterliche Spiele gedacht war, bildet auf dem Entwurf, ähnlich dem heute ausgeführten vor dem Schlosse, den vorderen Abschluß, hier stürzt eine siebenfache Kaskade schäumend über Felsen. Mit Italiens schönsten Villen sollte dieser Entwurf wetteifern, ja sie übertreffen. Eine Unterschrift meldet, daß man von der herrlichen Aussicht auf der Höhe profitieren wollte, und daß der Park hinter dem Schlosse auf dem sanft abfallenden Gelände nach Hetzendorf zu angelegt werden sollte. Es war ein Architektentraum, wie ihn auch die reichen Mittel des Wiener Hofes nicht verwirklichen konnten. So bequemte sich Fischer zu einem zweiten Entwurf, dessen Gedanke, das Schloß an den Fuß des Hügels zu bauen und den Garten dahinter bis zur Höhe anzulegen, sich schließlich durchgesetzt hat. Die mangelnde Aussicht des Hauptschlosses sollte durch ein kleines Lustschloß auf der Höhe des Hügelrückens ersetzt werden. In dem sehr großen Parterre, das der Stich dieses Entwurfes von Kraus zeigt Fischer von Erlach, a. o. O., IV, Taf. 3 u. 4. (Abb. 493), macht Fischer größere Konzessionen an den französischen Geschmack. Es ist vollkommen von einem breiten Kanal umflossen, zwei kleine Pavillons betonen die Ecken, nach hinten ist der Kanal halbrund ausgebogen; zwischen ihm und dem Hügel, der als ein großes Theaterhalbrund abgestützt wird, liegt ein freier Platz; ein Brunnen und eine Mittelallee leiten zum Kasino empor. Der Garten ist schematisch und weicht von der letzten Ausführung, die aber erst Maria Theresia angehört, bedeutend ab. Am meisten scheint man bei der Anlage des Hügels hin- und hergeschwankt zu haben. Fest stand nur die Bekrönung mit einem Lusthause. Ein Stich, der aber wohl keiner Wirklichkeit entsprochen hat Österreichische Kunsttopographie II, 107., bringt die sehr glückliche Lösung durch eine breite Kaskade, die in ein Bassin herabschäumt. Ein anderer Entwurf, nach dem unter Maria Theresia gebaut wurde, hat den Hügel in verschiedene Terrassen mit Treppen und Grotten zerlegt, während halbrunde Kolonnaden das Lusthaus selbst begleiten.

Abb. 494
Schönbrunn, Wien, Gloriette, Blick vom hinteren Weiher

Nach R. Dohme

Erst im Jahre 1775, als der Garten zu seiner heutigen Gestalt vollendet wurde, erbaute der Architekt Hohenburg die graziöse Gloriette (Abb. 494), einen Zierbau mit Mittelsaal und offener Säulenhalle zu jeder Seite. Sie krönt mit ihrer feinen Silhouette heute leider eine leere, nur von häßlichen Zickzackwegen duchschnittene hängende Wiese, die in dem Gartenbilde vom Schloß aus eine empfindliche Lücke läßt. Von dem großen Parterre, das die ganze Fläche vom Schloß zum Hügelhang einnimmt, gibt eine Vedute Canalettos eine gute Anschauung (Abb. 495).

Abb. 495
Schönbrunn, Wien, Hauptparterre

Gemälde von Canaletto

Auf die Kanäle hatte man verzichtet, trotzdem ein französisch gebildeter Holländer, Steckhoven, damals Gärtner war, sie entsprachen dem österreichischen Kunstempfinden zu wenig. Das Parterre selbst wurde natürlich der Mode entsprechend häufig umgestaltet; um die Mitte des Jahrhunderts war es à l'anglaise in Rasenmustern mit schmalen Blumenbändern angelegt. In den achtziger Jahren beherrschte alle Gärten die Mode, die Rasenparterres mit Blumenkörben zu zieren, worin beständig blühende Blumen gehalten wurden Bernouilli, a. o. O., XIV, S. 52, XII, 239 ff. (vgl. Abb. 549).

Abb. 496
Schönbrunn, Wien, Lageplan von Garten und Park

Photolithographie von J. Löwy

Die eigentlichen Blumengärten aber liegen als giardini secreti zum Teil vertieft zu beiden Seiten des Schlosses (Abb. 496), von dem großen Garten durch eine Pergola getrennt und geschützt. Erst in den siebziger Jahren erhielt auch das Parterre seinen schönen Abschluß in dem Neptunbrunnen, der den Fuß des Gloirettehügels umkleidet. Zu beiden Seiten rahmten das große Parterre von Anfang an die Bosketts ein, die ursprünglich als Irrgärten und sogenannte Kammern angelegt waren (Abb. 495 links). In den Kreuzungspunkten der Hauptwege fesseln den Blick schöne Brunnen mit Skulpturen.

Abb. 497
Schönbrunn, Wien, künstliche Ruine

Phot.

In dem weiteren Parke liegen noch einige Anlagen, die bei der langen Bauzeit von Schönbrunn als Zeichen verschiedener Zeitströmungen sich doch willig in den großen herrschenden Stil eingeordnet haben. Die stärkste Anlehnung an Versailles zeigt die Menagerie (Abb 496), eine Lieblingsschöpfung von Maria Theresias Gemahl, Franz I. Ihre konzentrische Anlage ist weit schematischer als in Versailles. Auch hier liegt in der Mitte ein Lusthaus, von dem die radial ausgehenden Tierzwinger überschaut werden können. Und nur wenig später als die Menagerie erbaute Hohenberg 1776 am Fuße des Hügels, links von dem Neptunbrunnen, im Parke eine künstliche Ruine (Abb. 497), die, glücklich in das Parkbild komponiert, einen Schlußpunkt für eine der Seitenalleen bildet. Immer wieder sind wir von Zeit zu Zeit in der Gartenkunst auf eine Vorliebe für Ruinen gestoßen, aber sie hatte noch immer den richtigen Nährboden nicht gefunden. In Italien benutzte man echte Ruinen, wie man antike Statuen aufstellte. Der französische Garten des grand siècle lehnte alle solche Stimmungsmomente ab, er war dazu zu klar, zu gestaltungsfroh, zu prächtig. Erst im XVIII. Jahrhundert erfaßte die im germanischen Wesen erwachsene Sentimentalität dies Moment mit einer wahren Gier. Die Vorläufer dieser Zeit, die auch der regelmäßige Stil nicht von sich fernzuhalten vermochte, fanden wir in der Malerei in Waghäusel und ähnlichen. Hier in Schönbrunn aber dankte die künstliche Ruine ihre Entstehung einer anderen Strömung, die in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts neben der nordischen Sentimentalität einherging: der klassizistischen Neigung, die, vom Süden kommend, ihren starken Einfluß auf den Gartenschmuck ausübte. In Italien wurde dieses archäologische Interesse, wie früher erwähnt, besonders stark um die Mitte des Jahrhunderts; die große, bedeutsame Tätigkeit Winckelmanns ist ein beredtes Zeichen dafür. Aber neben dieser, auf Erkenntnis des Echten gehenden wissenschaftlichen Richtung wurde, wie das in solchen Zeiten so häufig ist, in weiten Kreisen eine gewisse Unsicherheit im Unterscheiden vom Echten und Falschen großgezogen. Ein Zeichen dafür sind die zahllosen Fälschungen, die damals Italien, und von dort her auch die andern Länder, überfluten. Damit ging Hand in Hand die Freude an der Nachahmung alter Bauwerke, bei der aber auch ein archäologisches Interesse obenan stand, wie wiederum manche Bauten in italienischen Villen, besonders die Ruine in Villa Albani, zeigen. Im Jahre 1786 weilte Winckelmann selbst in Wien als gefeierter Gast. Es ist nicht ausgeschlossen, daß von ihm direkt die Anregung zum Bau der Hohenbergschen Ruine ausging Bernouilli, a. o. O., X, 185 ff., 237 ff., XIV, 1 ff.; denn auch hier, wie in der Villa Albani, läßt die Freude an der gelungenen Nachbildung nichts von empfindsamer Stimmungsromantik aufkommen; das wäre auch gegen den hellen, resoluten, gegenwartsfrohen Sinn Maria Theresias gewesen, die Schönbrunn zu ihrer ständigen Residenz erhoben hat. Auch der übrige Statuenschmuck von Schönbrunn ist aus diesem antikisierenden Geiste entstanden. Ein in Rom gebildeter Künstler und seine Mitarbeiter schwelgten in griechischen Göttern und Helden, aber wenn schon Italien oft in seinen Vorbildern fehlgriff, so fehlten solche hier ganz. Man nahm statt dessen archäologische Handbücher und Lexika, um seine Phantasie zu beflügeln, und das Resultat war doch das für uns heute gezierte Rokokobild. Von gleichem Geiste beseelt, machte man sich damals zuerst an die lockende Aufgabe, aus den Pliniusbriefen die Villen des Römers zu rekonstruieren. Doch sowohl der Versuch des Dresdner Hofarchitekten Krusius wie der etwas spätere von Schinkel kamen über ihre Zeitvorstellung nicht hinaus; in beiden Fällen konnte nur ein französischer Schloßgarten entstehen.

Überall in den österreichischen Kronländern war der Wetteifer in Gartenpflege groß. Alle Gärten, wie Hellbrunn und Mirabell in Salzburg, wurden mit modischen Parterres und Statuen geschmückt, vor allem aber legte man das Augenmerk auf die Bosketts, wo man eine Schmuckheit zu erzielen wußte (Abb. 498), die den früheren Gärten fremd war. Franz Anton Danreiter, der Übersetzer des französischen Lehrbuchs »Théorie et Pratique du Jardinage«, war damals Garteninspektor im Salzburgischen. Er hat eine bedeutende Tätigkeit, auch durch eigene Gartenentwürfe, die allerdings oft ebenso übersteigert waren wie die Dekkers, ausgeübt.

Abb. 498
Boskett aus dem Garten von Mirabell, Salzburg

Stich von Corvinus

Ungarn hat in jener Zeit keine von Österreich gesonderte Entwicklung zu beanspruchen. Bis spät in das XVII. Jahrhundert scheint sich dort der Renaissanceblumengarten mit wesentlich botanischem Interesse gehalten zu haben. Auch hier wurde dies Interesse von wandernden Gelehrten verbreitet. Im Jahre 1631 erhält ein oberungarischer Arzt den Adelstitel mit dem Beinamen »ab hortis«, um seine Verdienste auf diesem Gebiete zu lohnen. Von protestantisch-theologischen Studenten wird erzählt, daß sie, von holländischen Universitäten zurückgekehrt, oft in ihrem bescheidenen Tornister irgendein Pfropfreis, vielleicht auch seltene Zwiebeln, mitbrachten, in ihrem Kopf aber allerlei nützliche Kenntnisse des Gartenbaus, die sie daheim anwandten. Als dann 1664 das erste Gartenbuch in ungarischer Sprache, »Der Preßburger Garten« genannt, erschien, da schildert der Verfasser Georg v. Lippay eingehend den Garten seines Bruders, des Fürstprimas und Erzbischofs von Gran. Dieser damals berühmteste Garten Ungarns fand seinen höchsten Stolz in der großen Anzahl von Blumen, die, dort gezogen, auf besonders umzäunten Beeten gepflanzt, ein reiches, buntes Bild ausmachten Kölnische Zeitung, 9. Sept. 1911, nach einem Aufsatz von Johann Szamado über ungarische Gärten im Magyar Figyelö.. Mit dem Beginne des XVIII. Jahrhunderts aber dringt auch nach Ungarn unbedingt der französische Einfluß. Die Gärten wetteifern mit den österreichischen, hatte der Adel doch auch seine Besitzungen in beiden Ländern. Der österreichisch-ungarische Adel gehörte damals zu dem reichsten, und eine erste Pflicht war ihm die Pflege der Kunst. Das war die Zeit, wo ein Fürst Esterhazy sich auf seinem Stammessitz in Ungarn ein Schloß im Versailler Stil erbaute, bei dem er ein Opern- und Komödienhaus errichtete, in dem sein Kapellmeister Joseph Haydn vor einem erwählten Publikum, das bis 400 Personen zählen konnte, seine Werke spielte. Das Komödienhaus öffnete sich auf den schönen Garten, der die herrlichsten Feste sah. Der Hauptgarten war ganz im österreichischen Geschmack angelegt mit den giardini secreti zur Seite des Schlosses, dem großen Rasenparterre mit den zahlreichen Blumenkörben darauf, den hohen Spalieren, die die Bosketts umsäumten. Nur im Lustpark hatte sich bei diesem Fürsten, der gerne ganz auf der Höhe seiner Zeit stand, der neue Stil wenigstens mit »auf englische Art geschlängelten Alleen« eingeschlichen Bernouilli, a. o. O., IX, 273 ff., während sonst gerade Österreich sich lange gegen sein Eindringen gewehrt hat. – Wenn Wien und seine österreichischen Umlande auch spät zu der ungestörten Ruhe kamen, die eine wirkliche Tradition der Gartenkunst verlangt, so war man doch hier durch eine vom übrigen Deutschland etwas abgesonderte Stellung zu einem Stil gekommen, der vielleicht mehr Bodenständigkeit zeigt, als irgendeine andere lokale Entwicklung im Deutschland des XVIII. Jahrhunderts.

Abb. 499
Bosescher Garten, Leipzig

Stich von Schatz

Weit stärker den wechselnden Einflüssen unterworfen sind die Gärten Mitteldeutschlands, besonders des Königreichs Sachsen Hugo Koch, Sächsische Gartenkunst, 1910. Dieses Buch ist die erste neuere monographische Darstellung deutscher Gartenkunst und als solche mit ihrer Fülle von Material freudig zu begrüßen.. Hier entfaltet sich von früh an ein reiches Bild. Schon in der Renaissance hatten hier nicht nur Fürsten und ein wohlhäbiger Adel schöne und gepflegte Gärten unterhalten, sondern auch die Städte sich rege daran beteiligt. Nun aber hatte das reiche Leipzig, dank seiner Lage als Zentralpunkt des Handels, seiner Bürgerschaft so viel Selbstbewußtsein gegeben, daß sie in diesem Jahrhundert des Übergewichtes von Hof und Adel es wagte, ihr Leben auf gleichen Fuß mit diesen Herren zu stellen. Die Leipziger Bürgergärten sind die einzigen, die noch im XVIII. Jahrhundert internationalen Ruf erlangten Bernouilli, a. o. O., XIII, 301 ff., zählt noch 1782 eine große Anzahl schöner Gärten zu Leipzig auf.. Zwei Brüder Bose legten sich zu Ende des XVII. Jahrhunderts Gärten an von allbewunderter Schönheit. Der des älteren, Caspar Bose (Abb. 499), lag am Grimmaischen Tor, er erregte bis nach Italien Aufmerksamkeit, man erzählt, daß der Papst sich nach seinen Einrichtungen erkundigen ließ. Das Interessanteste ist die Anlage des vertieften Orangerieparterres, das in einen sehr großen Halbkreis radiale Beete eingeordnet hatte, in deren Mitte die Orangenbäume aufgestellt wurden. Das Terrain, das in der Mittelachse zur Villa eine schöne Orangerie abschließt, steigt amphitheatralisch an, Brunnen in den Mauern und Statuen beleben den Garten. Auf der Höhe sind Baum- und Blumengärten, Grotten und Springbrunnen angebracht. Deutlich sehen wir hier trotz aller Pracht des Einzelschmuckes die Renaissanceentwicklung des Bürgergartens festgehalten, vor allem in der unmittelbaren Verbindung von Lust- und Nutzgarten. Auch die Anlage des Orangerieparterres wird sich wohl aus der Anordnung der botanischen Gärten herleiten, die nach dem Vorbild von Padua nicht selten eine solche Trapezanordnung der Beete zeigten. Sein Schöpfer ist der Architekt und Kupferstecher David Schatz, der auch den folgenden Garten, der das besondere Interesse hat, daß die Augen des jungen Studenten Goethe mit Entzücken darauf geruht haben, angelegt hat. Im Dezember 1765 schreibt Goethe der Schwester: »Die Leipziger Gärten sind so prächtig, als ich in meinem Leben etwas gesehen habe. Ich schicke dir vielleicht einmal den Prospekt von der Entrée des Apelschen, der ist königlich. Ich glaubte das erste Mal, ich käme in die elysischen Felder.« Und Goethe hat recht. Dieser Garten ging in Ausmessung wie Anlage über die Bürgergärten hinaus. Zwar erinnert das Motiv des amphitheatralischen Parterres noch an den Boseschen Garten, doch erstreckten sich dahinter, von einem kreisrunden Abschlußplatze ausgehend, fächerförmige Alleen, alle reich mit Statuen besetzt, zwischen denen vielfach Zierbosketts lagen. Trotzdem der Stich nicht günstig ist (Abb. 500), sieht man dem Garten an, daß er für höfische, große Feste bestimmt war. König August der Starke war dort ein gern gesehener Gast, so daß ältere Schriftsteller von nahen Beziehungen zu der Gattin des reichen Kaufmanns fabeln. Ein Fest, das sogenannte Fischstechen, auf dem großen seitlich gelegenen Kanal, zu dem Apel neapolitanische Fischer verschrieben hatte, wurde dort 1714 zum ersten Male in Anwesenheit des Königs gefeiert und hat sich bis heute als Volksfest erhalten Koch, a. o. O., S. 84..

Abb. 500
Apelscher Garten in Leipzig

Stich von Zink

Der Garten mußte schon prächtig sein, um dem Herrscher des anerkannt glänzendsten Hofes Deutschlands zu gefallen. August der Starke durfte sich am meisten in dem Ruhme sonnen, ein Abbild des Versailler Hofes um sich geschaffen zu haben, und seine Baulust stand der des französischen Herrschers in nichts nach. August fand in seinem Lande eine blühende Gartenkunst vor. Mehr als in andern Gebieten Deutschlands haben sich in Sachsen bis zum heutigen Tage Wasserschlösser erhalten. Der größte Teil von ihnen ist, wenn nicht im XVII. Jahrhundert entstanden, so doch umgebaut, und dem Schlosse entsprechend wurde dann ein Garten im Stile der Zeit angelegt, der besonders in der Art, wie die Kanäle als Teich oder Graben gestaltet wurden, noch starken Renaissancecharakter zeigt. Aber auch noch spät im XVIII. Jahrhundert wußte man die Gärten solchen Wasserschlössern anzupassen. Man vergleiche nur Pläne, wie die des alten und neuen Seerhausen Koch, Sächsische Gartenkunst, S.28 ff.; Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Heft 27, Fig. 304.; oder mehr noch die Gestalt, die August dem alten Wasserschlosse seiner Ahnherrn, der Moritzburg bei Dresden, gab. Dies Schlößchen lag ursprünglich auf einer Landzunge in einem Teich. Der König ließ nun den Teich nach einer Seite erweitern, so daß das Schloß auf einer Insel liegt, die durch eine Brücke und einen Damm mit dem Ufer verbunden wurde, so daß wir an Chenonceaux gemahnt werden. Außer dem Ziergarten, der als niedere Terrasse das hochliegende Inselschloß umgab, dehnte sich am Ufer eine stolze, halbrund abschließende Anlage inmitten eines Netzes geradliniger Schneisen, die den Wald in regelmäßige Abteilungen zerlegten Kunstdenkmäler Sachsens, Heft 26, Fig. 102; Koch, a. o. O., S. 133. Heute ist der Garten wieder sehr verändert, der Inselgarten durch Herantreten des Ufergartens bis an das Schloß verdorben.. Mit August zieht in Sachsen der Geist französischer Großzügigkeit und Großräumigkeit ein. Vor allem beschäftigte ihn der Gedanke an den Bau eines neuen Residenzschlosses. Nach den Plänen, die sein Architekt Pöppelmann aufstellte, hätte es eines der großartigsten seiner Art werden sollen. Die Größe der Anlage läßt sich heute nur an der ursprünglichen Orangerie, die nach dem Platze den Namen Zwinger behielt, abmessen (Abb. 501).

Abb. 501
Plan des Zwingers, Dresden

Nach Pöppelmann

Sehr charakteristisch für die Zeit ist, daß man mit dem Bau der Orangerie anfing. Nur wenn man den Zwinger als solche auffaßt, kann man den Grundriß dieses Gebäudes verstehen. Schon im XVII. Jahrhundert wurden die Orangerien prächtiger und prächtiger gestaltet. Man benutzte sie besonders im Sommer, wenn die Bäume im Garten standen, gerne als bequeme, kühle Gesellschaftsräume, später verband man mit dem Aufbewahrungsraume für die Bäume meist einen glänzenden Festsaal und legte die Gewächshäuser halbkreisförmig zu beiden Seiten an, von dort zugänglich, um auch die Winterfeste hier feiern zu können. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Abschlußorangerie in Schloß Gaibach (Abb. 474), wo sich an die halbrunden Gewächshäuser noch weiter halbrunde Berceaux anschließen. Bei der Dekoration dieser Gebäude glaubte man die Phantasie ganz frei schwärmen lassen zu können. Schon Salomon de Caus hatte auf dem Entwurf des frühesten steinernen Orangenhauses für den Heidelberger Schloßgarten die Säulen mit Blumen und Blättern umkränzt. Alles in allem genommen darf man im Dresdner Zwinger den Höhepunkt dieser Entwicklung sehen. Der Grundriß Koch, a. o. O., S. 94; Pöppelmann, Der Zwingergarten, Gebäude usw., 1729; J. L. Sponsel, Der Zwinger, die Hoffeste und die Schloßbaupläne zu Dresden, 1910. zeigt eine Verdoppelung der halbrunden Gewächshausgalerien, die seitlich noch durch gerade Flügel erweitert wurden. So wurde ein ungeheuerer Gartenhof von Galerien eingeschlossen, die von vier korrespondierenden monumentalen Torpavillons (Plan A, R, K, L) unterbrochen werden. In die vier Ecken wurden Festräume eingebaut, auch diese dem Gesamtplane entsprechend, an Fülle und Pracht nun nicht mehr zu übertreffen: ein großer Festsaal mit Vorraum (F), ein Theater mit Vorraum (E), ein Grottensaal (N) und ein Nymphäum mit Bädersaal (M, Q) füllten diese Ecken aus. Der Baumeister hatte sich nach seinem Entwurf den ganzen Hof als ein Gartenparterre, mit Wasserbassins in der Mitte und Wasserkünsten an den Seiten, gedacht. Der Schmuck der damals ausgeführten Südseite zeigt mit seinen Brunnenstatuen und Bassins, daß ihm in der Ausgestaltung der Gedanke eines riesigen Nymphäums vorschwebte Ältere Kunstdenkmale des Königreichs Sachsen, Heft 22, Fig. 302.. Im Sommer war dies Parterre noch mit den Schätzen der Gewächshäuser geschmückt. – Zu einem wirklichen Nymphäum im Renaissancesinne wurde aber der kleine Hof des Bädersaales gestaltet, ein tief gelegener, kühler Platz mit statuen- und brunnenbesetzten Nischen zwischen Säulen und Pfeilern. Dem Saale gegenüber fällt über Stufen eine Kaskade von der Höhe zwischen Statuen herab in ein halbrundes Becken. Die Mitte füllt ein sehr großes Bassin mit Springbrunnen, noch heute in seiner Verwahrlosung ein köstliches Bild (Abb. 502). Als die Schloßbaupläne sich mehr und mehr hinausschoben, wurden nun auch die Galerien zu Festzwecken gebraucht; man entfernte die Orangerie daraus und benutzte auch den Gartenhof als Platz für Festaufzüge, Turniere usw.

Abb. 502
Nymphenbad, Zwinger, Dresden

Aus Sächs. Kunstdenkmäler

Während der König sich mit seinen weitschauenden Schloßbauplänen beschäftigte, spornte er auch seinen Hofadel zu kostspieligen Bauten an. Sie bauten lustig darauf los, je kostbarer um so besser, dann wußten sie, daß der König daran Gefallen finden würde, daß er ihnen die Besitzung teuer abkaufen und sie einer seiner Maitressen schenken würde. Das holländische oder japanische Palais (Abb. 503), so genannt um berühmter Porzellansammlungen willen, hatte sich der Minister Graf von Flemming erbaut, augenscheinlich mit dem Gedanken, daß, wenn des Königs Schloßbaupläne in Erfüllung gingen, ein herrlicher Gartenkomplex vom Schloß nach der Elbe und herüber zu dem an der Elbe liegenden Garten seines Palais führen sollte. 1717 kaufte es der König und ließ zuerst das Parterre nach der Elbe in sanften Terrassen abfallend anlegen. Später erhielt der Garten zur Seite des Palais und hinter dem großen Halbrund des Festungswalles, der als Aussichtspunkt für das Parterre galt, eine Erweiterung: einen großen Kanal mit Wasserkunst, daneben geschmückte Bosketts, Theater und andere Anlagen.

Abb. 503
Japanisches Palais, Dresden, vor dem Umbau 1719

Stich von Corvinus

Auf der andern, der südöstlichen Seite der Stadt hatte sich mitten im Walde schon in den achtziger Jahren des XVII. Jahrhunderts Johann Georg II. ein Jagdschloß angelegt, das heute mit seiner Umgebung den Namen des »Großen Gartens« trägt (Abb. 504).

Abb. 504
Großer Garten, Dresden, 1719

Handzeichnung

Das Haus, mitten in einem Fasanengarten gelegen, zeigt den uns bekannten zentralen Jagdhausstil. Es ist eins der frühesten auf deutschem Boden, da es samt der acht umgebenden Wohnpavillons schon 1698 erbaut war. Der Garten hat sich allmählich aus einer kleinen Jagdanlage, einem Fasanengarten, wo »Hecke und niederes Gehölz eine angenehme Wildnis« bildeten Koch, a. o. O., S. 118., zu einer ausgedehnten Anlage ausgewachsen. Der französische Geist zeigt sich hier in der völligen Beherrschung aller Mittel, so daß diese Nachahmung den Weg zu origineller Bedeutung gefunden hat. Das Schloß schaute nach der Vollendung des Gartens um das Jahr 1720 Koch, a. o. O., S. 113. auf ein schmales bandartiges Parterre, das ringsum lief. Rechts und links treten je zwei halbrund abgeschlossene Parterres in die Bosketts hinein, ein in Sachsen sehr beliebtes Motiv. Die acht Pavillons bezeichnen den breiten Mitteltrakt des Gartens; untereinander sind je zwei und zwei durch Terrassen verbunden, die im Sommer zur Aufstellung von Orangen bestimmt sind. Die vorderen vier schließen einen mit verschnittenem Baumwerk, später mit Parterrebeeten bepflanzten Platz, die hinteren das große kanalartige Bassin ein, das in einem zierlichen, offnen Gartenpavillon endet. Von hier führen halbrunde Alleen um das Wasser und finden sich in einer Mittelallee zusammen, die durch die Parkbosketts zum nördlichen Tore führt. Um diesen inneren Repräsentationsgarten treten an den vier Ecken Schmuckbosketts, die in der Vogelschau verschiedene bedeutende Anlagen zeigen. Auch das Naturtheater in dem nördlichen Boskett rechts, das sehr reich ausgestaltet ist, gehört schon dem Anfange des Jahrhunderts an. Die Kulissen sind von Lattenwerk gebildet, mit einem perspektivisch verjüngten Hintergrund, hinten von runden umlaufenden Gängen umschlossen. Wie in Herrenhausen trennt ein tiefer Gang die Bühne von dem amphitheatralischen Zuschauerraum. Die großen Parkbosketts umgeben diesen Ziergarten in der Form eines griechischen Kreuzes. Nach einem in seiner Art großartigen Plane des bayrischen Hofbaumeisters Cuvilliés sollte um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts dieser Garten ein noch weit bedeutenderes Gepräge erhalten. Der Kanal sollte von dem breiten Bassin bis zum Ende durchgeführt und mit einer großen Wasserkunst abgeschlossen werden. Da aber auch das Schlößchen abgebrochen und der Stadt näher in großen Dimensionen wieder aufgebaut werden sollte, ist es ein Glück, daß der Plan nicht zur Ausführung kam Koch, a. o. O., Abb. 202, Taf. XII..

Hätten der König und seine Baumeister die Mittel Ludwigs XIV. gehabt, sie hätten gerne ihr französisches Vorbild übertroffen. August der Starke hatte das Maß seines Könnens nicht wie Le Roi Soleil, der seine Pläne alle zur Ausführung brachte, in sich. So großartig daher viele der noch heute vorhandenen Schöpfungen des sächsischen Königs sind, so überraschen sie häufig durch eine gewisse Schwerverständlichkeit der Grundidee, bis man erfährt, daß es nur Bruchstücke sind, die zur Ausführung kamen. Dies gilt besonders von den auch jetzt imponierenden Anlagen von Groß-Sedlitz Koch, a. o. O., S. 144 f.. Zwei Terrassenreihen liegen nebeneinander, die sich zu einer Talsenke hinabziehen. Von hier steigt nach der andern Seite der Park wieder empor; die eine wird durch ein halbrundes Orangerieparterre mit darüber aufsteigendem Terrassengarten gebildet, die zweite Terrassenreihe krönt das Schloß. Die Wasserachse dieses Gartens steigt auf der entgegengesetzten Seite in einer schönen Kaskade empor, die ihr Wasser in ein Bassin der Talsenke gießt (Abb. 505).

Abb. 505
Kgl. Garten, Groß-Sedlitz, »Stille Musik«

Aus Koch, Sächsische Gärten

Ursprünglich wollte man das Orangeriemotiv auf der andern Seite wiederholen, so daß das Schloß mit der von ihm ausgehenden Wasserachse in die Mitte gekommen wäre, was sich als ein wahrhaft königliches Lustschloß entfaltet hätte. In gleicher Weise hatten Pöppelmann und Longuelune, der als Gartenarchitekt an seiner Seite arbeitete, für das königliche Lustschloß Pillnitz Koch, a. o. O., S. 169. an der Elbe eine Reihe geradezu gewaltiger Pläne ausgearbeitet. Was schließlich zur Ausführung gelangte, ist eine Seite des ursprünglichen Gartenplanes mit zwei Pavillons (Abb. 506): ein großes Spielding, das in seiner feinen Durchführung ein Riesenfräulein in Entzücken versetzt hätte. Die Zeit aber verlor sich damals auch mehr und mehr in unendlich variierten Spielen, und die Anlage von Pillnitz ist ein klassischer Ausdruck dafür. Zwei kleine identische Palais, eines am Fluß, das zweite nach dem Berge zu, verraten sich schon durch ihren Stil als ursprüngliche Gartenhäuser: es sind sogenannte chinesische Pavillons, auf die man, auf einem barocken Unterbau mit verkröpften Säulen und einer offenen Vorhalle, geschweifte chinesische Dächer gesetzt und das Gesims mit allerlei chinesischem Zierat versehen hat. Der ganze Garten nun, der sich als Parterre zwischen den Palais und um sie herum nach drei Seiten zwischen Fluß und Berg ausdehnt, war zum Zwecke der Ausübung verschiedener Spiele angelegt. Zu 44 kleinen viereckigen Spielplätzen, die meist von Hecken umschlossen waren, kommt noch eine Schießbahn hinter dem Bergpalais (Plan D), wo der Kugelfang als Grotte am Berg angelegt ist. Zur Seite des Gartens liegt dann noch die Mailbahn (29), ein kleines Billardhaus und eines zum Ringrennen (O, P). Ein Zeichen von dem großen Können und der Stilsicherheit der Gartengestaltung jener Zeit ist es, daß man es verstanden hat, auch diesem Spielgarten durch einen imposanten Aufgang von der Elbe her, durch geschickt angelegte große Bahnen, durch schmale Wasserterrassen mit Fontänen, im Plane Wasserlichter genannt (f), wodurch eine Querachse betont wurde, nicht nur Rhythmus, sondern auch eine gewisse Größe zu verleihen.

Abb. 506
Garten zu Pillnitz, Grundriß

B. C. Anckermann del. A. Gläser fec.

Mit König August I. ging die große Zeit für Sachsen auch in der Gartenkunst schnell zu Ende. Was jetzt noch neu geschaffen wird, sind reizvolle Einzelheiten. In dem Wurf großer Gartenanlagen ist man ideenlos geworden. Solche Einzelheiten haben sich in Dresden selbst noch manche erhalten. In der Brunnenkunst besonders hat man eine erstaunliche Virtuosität erreicht in der Art, wie der Statuenaufbau sich mit den Wassern vermischt; ein Musterbeispiel hierfür ist der Brunnen im Marcolinischen Garten (Abb. 507), dessen spielende Wasser das sonst verlorene Bild dieses Gartens zurückzaubern. Und wie in der Brunnenkunst weiß diese Zeit das zierliche Lattenwerk der Renaissance, das die spätere Zeit Ludwigs XIV. sehr zurückgedrängt hatte, wieder reich zu gestalten. An dem Garten, den sich Graf Brühl auf der schmalen Elbterrasse anlegte, interessiert im Grundriß nur, wie er sich dem gegebenen ungünstigen Raum anzupassen gewußt hat. Seinen Hauptschmuck bilden die Laubengänge aus Lattenwerk, die den großen Vorgarten umgeben und von dem Belvedere des hintern Gartens im Halbrund herabführen. Dieser hintere Gartenteil, mit der vorderen baumbestandenen Terrasse durch mehrere Baumreihen verbunden, schmiegt sich mit der kreisrunden Anlage geschickt in die unregelmäßige Ecke hinein, überragt von dem Belvedere, das heute durch einen Neubau ersetzt ist. Neben den Lattenwerkgängen sind es auch hier die gut berechneten und darum noch heute wirksamen Brunnen, die immer das Bild bestimmt haben. Wirklich originell ist diese Spätzeit immer nur, wo sie sich halbem oder ganzem Spiel hingeben kann. Und was Pillnitz nach einer Seite im großen leistete, das boten kleinere Anlagen überall. Eine ganz besonders amüsante und konsequent durchgeführte Spielanlage ist das kleine Fasanerieschloß Falkenlust bei Moritzburg. Das Schlößchen selbst ist ein sehr niedlicher, in den kleinsten Abmessungen gehaltener Rundbau mit chinesischem Dach und Figurenschmuck, der auf einem künstlichen, mit allerlei Getier verzierten Fels steht. Hieran schlossen sich ursprünglich die Fasaneriegebäude, alle aus grün bewachsenem Lattenwerk kunstvoll hergestellt, mit verschiedenem, zum Teil noch erhaltenem Brunnenwerk geschmückt. Das Schlößchen liegt im Kreuzungspunkte der großen Alleen des Parks. In der Hauptallee nach der Moritzburg zu fließt ein großer Kanal mit einer Felsenwasserkunst, und ihm zur Seite erhebt sich ein gärtnerisches Kunststück. Fichtenhecken sind zu gewaltiger Höhe so gezogen, daß sie, schräg von einem Meter zu acht bis zehn aufsteigend, »die Buchstaben A. F. A. als die Anfangsbuchstaben der erhabenen Namen ihrer Majestäten recht deutlich klarstellen« Koch, a. o. O., S. 279.. Vom Schlosse ab führt diese Hauptallee zum See, und hier ist nun gar ein vollkommen befestigter Hafen mit Damm, Leuchtturm, Bastionen, Forts, von einer kleinen Fregatte belebt, alles auf das zierlichste und niedlichste dargestellt. So darf sich Sachsen rühmen, auch in dieser Chinoiserie einen nicht zu überschreitenden Höhepunkt erreicht zu haben.

Abb. 507
Neptunbrunnen im Marcolinischen Garten, Dresden

Phot.

Der regelmäßige Gartenstil sieht sich jetzt von allen Seiten bedroht, überall nimmt er die Elemente des neuen Stils auf, sucht sie aber immer noch unter seinen alten Bann der geraden Linie und der Symmetrie zu zwingen, bis er schließlich doch völlig kapituliert. Es kann geschehen, daß derselbe Bauherr und Baumeister an demselben Werke diese Umwandlung vornimmt. Ein gutes Beispiel eines solchen Übergangsgartens bietet der Schloßgarten zu Schwetzingen. Karl Theodor ließ ihn im regelmäßigen Stil durch den Hofgärtner Petri und den Baumeister Pigage anlegen R. Sillib, Schloß und Garten in Schwetzingen, 1907.. Er entstand in den Jahren 1753 bis 1770 in einem ausgereiften französischen Stile (Abb. 508).

Abb. 508
Schwetzingen, Schloßgarten

Aus Jardin Anglo-chinois

Das Lehrbuch »Théorie et Pratique du Jardinage« hat hier den Grundplan stark geregelt: Das Parterre endet in einem länglichen Wasserbassin. Jenseits führt als Mittelachse zwischen den Bosketts das »tapis vert«, ein breiter, mit Statuen geschmückter Rasenstreifen, bis zu dem großen Querkanale, der eine kleine Erweiterung in den Park hinein zeigt. Auch den halbrunden Abschluß des Parterres durch Laubengänge aus Lattenwerk empfiehlt das französische Gartenlehrbuch. In Schwetzingen schließen sich diese mit den ebenfalls halbrunden Galeriegebäuden auf beiden Seiten des Schlosses zu einem Kreise zusammen, was dem Garten ein besonderes Gepräge gibt, um so mehr, als das Parterre, das Frankreich immer ganz offen bildete, hier längs und quer von Alleen durchzogen ist, die natürlich ganz niedrig im Verschnitt gehalten wurden. Es war dies ein Nachgeben an den Zeitgeschmack, der die Heimlichkeit und den Schatten den offenen Prachtgärten vorzog. Vom Piano nobile des Schlosses konnte man doch das Ganze überschauen: das kreisförmige Parterre mit den schmalen blumenverzierten Mittelbeeten und den trapezförmigen Seitenstücken. Die heute hochgewachsenen Bäume verschleiern diesen Eindruck, so schön auch ihre Laubmassen sind. In dieser großen Linienführung bleibt der Garten noch in besten französischen Traditionen, dagegen zeigt sich in der Anlage der Bosketts eine wachsende Unsicherheit. Es waltet hier ein deutliches Bestreben, dem stilfremden Evangelium der Schlängellinie sich zu bequemen. Freilich hatte hier schon die ganze Entwicklung in der Linienführung der Parterremuster vorgearbeitet. So reich aber die Broderie in den Mustern Ludwigs XIV. auch war, sie wurde niemals ausschweifend und kleinlich. Der Takt der breiten Massen und des klaren symmetrischen Musters hielt sie zurück, aber schon unter Ludwig XV. und Madame de Pompadour dringen in den Parterres mehr und mehr die zerstückten kleinen Dessins, die von einer völlig gelösten Arabeske durchflochten werden, durch. In den Bosketts hatte man sich immer freier ergehen mögen, und das Boskett Les Sources im Grand Trianon zeigte sogar schon die Schlängellinie. Was aber anfangs nur als Abwechslung geduldet wurde, verbreitete sich nun um so lieber, als man sich dadurch auch Alleen »à l'anglaise« anlegen konnte, die der regelmäßige Stil doch noch bändigte. Von eigentlichen Sentimentalitäten halten sich die Bosketts des Schwetzinger Gartens jener ersten Periode noch frei. Pigage, der Architekt der kleinen Bauwerke im Parke, war kein großer Geist, aber feines Empfinden für Anmut und Grazie zeigt er in solchen Anlagen wie dem Naturtheater mit dem Apollotempel als Hintergrund (Abb. 509), wie auch dem Badepavillon mit der reizenden Volière davor. Beide Anlagen brauchen freilich, um ganz zu wirken, die alte Umgebung streng verschnittener Hecken als Kulissen der Naturbühne, wie als äußere Umrahmung die Lattengänge, die Voliere. Auch der Felsbrunnen mit seiner Kaskade hat, in diesen Heckenverschnitt gestellt, noch nichts von dem malerischen Kolorit des englischen Parks. Kaum aber hatte Karl Theodor diese Anlagen beendet, als er dem Strome des neuen Geschmacks nicht mehr widerstehen konnte und dem aufsteigenden Stern der Gartenkunst, Ludwig Skell, anbefahl, seine Anlagen nach der neuen Mode fortzusetzen. Immerhin hatte Karl Theodor für seine eigene Schöpfung so viel Pietät, diesen neuen Garten nur wie einen Gürtel um den alten französischen Teil herumzulegen. Der Kanal, der die Grenze bildete, wurde von dem Gartenkünstler, als höchst geschickte Überleitung, mit seiner Front zum alten Garten gerade gelassen, um mit seinem anderen Ufer in allerlei tief einschneidenden Buchten sich dem malerischen Kunststile zuzuwenden.

Abb. 509
Schwetzingen, Apollotheater

Stich von Verhelst

Keiner von all den kleineren und größeren Höfen hat in diesem reichen Jahrhundert verfehlt, seine Blüte zu dem Kranz schöner Gärten beizutragen, der des Deutschen Reiches Gaue damals durchzog. Auch der junge, aufstrebende Berliner Hof hat ein eigenartiges und vielseitiges Bild aufzuweisen. Den Großen Kurfürsten haben wir als Förderer der Gartenkunst schon getroffen; in seiner Residenz hatte er freilich noch zu viel zu tun, sein Haus zu bestellen, und der Lustgarten des Berliner Schlosses war nur ein kleiner, wenn auch blühender Garten. Erst Friedrich, der erste König von Preußen, fand für seine Prachtliebe auch in Schlössern und Gärten ein reiches Feld. Die Gärten von Oranienburg und Charlottenburg wurden damals in rein französischem Stile angelegt. Sie gehörten auch zu den Gärten, die sich beide legendarisch rühmten, nach Plänen von Le Nôtre angelegt worden zu sein.

Charlottenburg war durch einen ungewöhnlichen Wasserreichtum ausgezeichnet (Abb. 510); die Spree begleitet den Garten in seiner ganzen Länge, und neben dem Fluß liegt ein sehr großer, sogenannter Karpfenteich, um den 6 Baumreihen hippodromartig herumgeführt sind. Außerdem durchziehen den hintern Teil des Parkes eine Menge aus der Spree abgeleiteter Wasserarme, die alle zu Gondelfahrten und zur Zucht verschiedener Fische dienten. Neben dem Schloß liegt die Mailbahn und die Orangerie. Das sehr große Parterre, »Lustquartiere« genannt, wies viele Statuen auf, besonders berühmt waren 12 Kaiserbüsten, die noch heute in einer Pergola links vom Eingang stehen.

Abb. 510
Charlottenburg, Grundriß

Stich von Corvinus

Unter Friedrich Wilhelm I. wurde alles auf das möglichste Minimum des Schmuckes beschränkt und die größte Ertragsfähigkeit festgehalten. Die Lustgärten vor seinen Schlössern in Berlin und Potsdam machte er zu Exerzierplätzen. Sein liebster Aufenthalt für seine Erholung war ein Gemüse- und Obstgarten, den er sich im Nordwesten der Stadt Potsdam um ein kleines Lustschloß hatte anlegen lassen. Er beehrte dies mit dem pomphaften Namen Marlygarten, »ich weiß nicht warum«, erzählt die Markgräfin Wilhelmine Mémoires de Frédérique Sophie Wilhelmine, Margrave de Bareith, Nouvelle éd. Brunswick 1845, II, p. 94., die sehr ungern die Erholung ihres Vaters teilte. Uns ist dies bestes Zeichen, wie Marly damals eine reine Sachbezeichnung für ein kleines, abseits der Residenz gelegenes Lustschloß war; der König hätte es ebensogut auch Eremitage oder ähnlich nennen können. Sein großer Sohn hatte aber schon früh, als Kronprinz, die größte Neigung zur Gartenkunst. Sein Schloß Rheinsberg hat er mit Liebe und Mühe gepflegt und geschmückt. Diese Gartenliebe war eine Erbschaft seiner Mutter, die ihren Sommersitz, ein kleines, aber überaus reizendes, an der Spree bei Berlin gelegenes Schlößchen, zu einem wahren Juwel gestaltet hatte, das seinen Namen Monbijou mit Recht trug (Abb. 511). Noch bis zum Jahre 1725 war es nur ein kleines, mitten im Garten gelegenes Lusthäuschen, ein wahres Trianon, zu gleichem Zwecke und in gleichem Geiste ausgestattet, mit Porzellan und kleinen erlesenen Kunstwerken. Lattenwerkgänge mit Pavillons begleiteten es nach beiden Seiten Paul Seidel, Das Kgl. Schloß Monbijou bis zum Tode Friedrichs des Großen, S. 178 ff.: Hohenzollern-Jahrbuch, 1899.. Von dem etwas erhöht liegenden Schlößchen zog sich zum Fluß herab ein zierliches Blumenparterre mit Springbrunnen und anmutigen Seitenkulissen. Zwei Gartenhäuschen, Gitter und Treppengänge grenzten es nach dem Fluß zu ab. Nach der Straße zu war der Garten in Bosketts angelegt, die unmittelbar vor der Hausfassade einen großen Platz, wahrscheinlich für Spiele, frei ließen. Zur Seite lag die Orangerie mit ihrem Parterre, ihr gegenüber eine kleine Menagerie für einheimische Tiere. Im Jahre 1717 hatte dieses Schlößchen eine Gefahr durch den Besuch des Zaren Peter zu erleiden, der hier mit seinem Hofstaat ein paar Tage einquartiert wurde. Man wußte freilich schon, was für Gäste zu erwarten waren, die Königin hatte daher alles Zerbrechliche vorher entfernen lassen. Trotzdem sah Haus und Garten nach ihrer Abreise »wie bei der Verwüstung in Jerusalem aus« (Markgräfin von Bayreuth), und die Königin mußte es ganz von Grund herrichten lassen. Dieses Haus bewohnte die kunstliebende Mutter Friedrichs des Großen 46 Jahre lang, und sie hat Schloß und Garten in dieser Zeit unaufhörlich vergrößert und geschmückt, ohne seinen Grundgedanken zu ändern.

Abb. 511
Monbijou bei Berlin, Grundriß

Nach Seidel

Als Friedrich der Große zur Regierung kam, wollte auch er sich in der Nähe von Berlin eine kleine Eremitage nach seinem Sinn schaffen. Er erwählte dazu den Hügel gegenüber dem Marlygarten seines Vaters und legte im Jahre 1744 den Grundstein zu seinem Lustschloß Sanssouci. Sanssouci Höckendorf, Sanssouci: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hauses Hohenzollern, 1903; E. J. Siedler, Die Gärten und Gartenarchitekturen Friedrichs d. Gr.: Zeitschr. f. Bauwesen LXI, 1911, Heft 1-3; F. Zahn, Die geschichtliche Entwicklung Potsdams: Zeitschr. Die Gartenkunst, 1909, S. 5 ff., 70 ff.; H. Hath, Die Gärten von Sanssouci, Berlin 1921; B. Meier, Aus Schlössern und Gärten Potsdams, Berlin 1922. würde schon als die eigenste Schöpfung Friedrichs des Großen einer besonderen Beachtung wert sein, doch nimmt es auch in der Geschichte des Gartens ein eigenartiges Blatt ein. Des Königs Wesen, das eine glückliche Mischung der auseinanderstrebenden Eigenschaften seiner beiden Eltern zeigt, spricht sich deutlich auch in dieser Lieblingsschöpfung aus. Friedrich beschäftigte sich schon als Kronprinz mit Vorliebe mit Obstkultur; in dem kronprinzlichen Garten in Neuruppin hatte er sich eine Obst- und Weinplantage geschaffen, die er Amalthea nannte, ein Name, der zeigt, wie sehr er seinen Cicero mit Liebe und Verständnis las. In Rheinsberg machte er noch ein anderes Experiment: hier hatte er sich einen Weingarten in Form eines Labyrinthes, mit einem Bacchustempel in der Mitte, anlegen lassen Höckendorf, a. o. O., S. 58.. In Sanssouci wollte der König nun nicht mehr und nicht weniger als einen Weinberg zum Mittelpunkte eines großen Lustgartens machen. Ob Friedrich anfangs überhaupt nur einen Weinberg hat schaffen wollen, mit einem kleinen Gartenhause, wie ja auch der anfängliche Name »Vigne« darauf hinweist, darauf kommt es hier nicht an, um so weniger als, dem Grundplan des wirklich erbauten Lusthauses gemäß, auch der Garten schon im ersten Jahre eine bedeutende Ausdehnung annahm. Die Hauptsache ist, daß in diesem Jahrhundert, das den reinen Lustgarten, mit Verbannung aller und jeder eigentlichen Gartenkulturen, zu seiner letzten Aufgabe gemacht hat, wo jeder kleinste Fürst und reiche Privatmann in diesen Luxusgärten eine Schaustellung ihrer Macht und ihres Vermögens erblickten, dieser König unbekümmert auf eine Gartenstufe zurückgriff, die als längst überwunden und versunken gilt. Und wie einst jener erste Garten geschaffen wurde, von dem in uralten Zeiten die Ägypter uns Kunde geben, schuf der König einen Plan, der um eine Weinkultur als Zentrum alles andere gruppiert.

Abb. 512
Sanssouci, Potsdam, Terrassengarten

Nach Dohme

Für diese Weinbergterrasse (Abb. 512), auf deren Höhe der König sein anmutiges Lustschloß errichtete, wurde mit allem Bedacht die beste südliche Lage ausgewählt; um den Trauben die günstige Sonne zu geben, wurden die Futtermauern schräg abgestützt, erhielten sie ihren parabolischen Verlauf, um für die edelsten Sorten im nordischen Klima jeden Sonnenstrahl aufzufangen; Fenster schützten sie im Winter vor Frost. Um den Kern dieser Weinkultur entfaltete nun Friedrich alle Kunst, die die Stilvollendung seiner Zeit ihm zu Gebote stellte. In der Mitte der ausgebogenen Terrassen, die schon ihr Zweck zu schöner Linienführung zwang, steigen breite Freitreppen empor, während sanft ansteigende, in Stein gefaßte Rampenwege zur Seite heraufführen. Die schmalen Terrassen waren vorn durch niedere Hecken mit Taxuspyramiden abgeschlossen, dahinter standen im Sommer blühende Orangen- und Granatbäume. Das Schloß auf der Höhe erinnert mit seinen tief herabreichenden Fenstern an das erste Monbijou, es sollte trotz aller Pracht den ländlichen Charakter nicht verleugnen. Je ein Boskett war zu beiden Seiten der oberen Terrasse mit Statuen geschmückt, das Haus flankieren Laubengänge aus Lattenwerk mit Pavillons; in einem von ihnen stand der schöne betende Knabe des Berliner Museums; Büsten und Vasen fanden reichliche Aufstellung, aber kein Parterre lag hier oben. Dieses wurde erst am Fuße der Terrassen um ein großes Bassin angelegt, dessen Mitte eine vergoldete Statuengruppe zierte. Den Abschluß des Parterres bildete ein den Terrassen entgegengesetzt geschwungener Kanal, der weiterhin auch den ganzen Park umfloß. Jenseits des Kanals führte eine Allee, an deren oberem Ende zwei Sphinxe standen, zu zwei Gärtnerhäuschen; seitlich rahmten diesen Hauptgarten Baumreihen ein. Des Königs ursprünglicher Gedanke war es gewesen, hier eine kleine Winzerhausanlage zu machen, »une espèce de vide bouteille«, schreibt des Königs Jugendfreund aus seiner Rheinsberger Zeit, Bielefeld 1794, »mais ce vide bouteille commença par être une retraite de Roi et finit par former un palais d'été digne de Frédéric. S. M. entraça Elle même le premier dessein«. Zwei Federzeichnungen bestätigen diese Behauptungen.

Abb. 513
Sanssouci, Gesamtplan

Stich von Salzmann

Des Königs Baumeister, Knobelsdorf, hat die künstlerische Durchführung des ganzen Planes gemacht, doch behielt sich Friedrich bis in jede Einzelheit die Entscheidung vor, die gewiß dem großen Werke auch hier und dort einen dilettantischen Zug aufgedrückt hat. Sanssouci ist dem König allmählich wirklich zu seinem Marly ausgewachsen. Nicht in der Hauptachse des Schlosses erweiterte sich der Garten, sondern zu beiden Seiten an den Hängen des Hügels (Abb. 513). Auf der Höhe erbaute der König auf jeder Seite seines Wohnhauses zwei weitere einstöckige Gebäude, westlich ein zuerst als Orangerie gedachtes Kavalierhaus, das auf einen kleinen Kirschgarten schaute, östlich die Bildergalerie; von dieser zog sich ein Terrassengarten herab; die Futtermauern waren mit Muscheln ausgelegt; mit Grotten und Treppen geschmückt, leiten sie in den sogenannten holländischen Garten herab, ein Parterre d'émail, d. h. eines, das mit Glaskorallen ausgelegt war und holländische Vasen als Schmuck hatte. Halbrunde Berceaux führen nach einer unteren, mit Balustraden abgeschlossenen Terrasse. Ein weiterer kleiner, noch heute friderizianischen Geist atmender, abgeschlossener Garten liegt wieder östlich von diesem, ihn bekrönt die Neptunsgrotte mit dem Gott, von Nymphen und Tritonen geleitet. Friedrich schwebte wohl in diesem Gartenteil eine Art Nymphäum vor. Er hatte großartige Wasserwerke geplant, die diese und andere Grotten und Kaskaden speisen sollten. Er war aber – ein für jene Zeit erstaunlicher Umstand –- schlecht beraten, so daß er zu seinem Schmerze niemals zu genügendem Wasser für diese Anlagen kommen konnte. Neben dieses Nymphäum zu Füßen des Hügels war der Haupteingang in den Garten gelegt: ein halbrundes Gitter, von dem schönen, mit gekoppelten Säulen geschmückten Tore in der Mitte durchbrochen, das einst dazu passende niedere Gitter abschlossen. Sie sind leider heute durch die ungeheueren, protzenhaften Weltausstellungstore ersetzt, die die ganz feine, geistvolle Eingangsanlage totdrücken. Von hier führt die breite und sehr lange Allee erst durch einen boskettartigen Vorgarten, weiter mitten durch das Hauptparterre, darauf durch den ganzen Park (Abb. 513) hindurch, der sich westlich vom Schlößchen, ursprünglich als Reh- und Fasanengarten angelegt, hinzieht. Diese Hauptachse durchschnitt hinter dem Parterre wieder Bosketts mit reizenden, reich mit Statuen und Bassins geschmückten Anlagen, führte durch die Abschlußmauer, die anfangs westlich den eigentlichen Lustgarten vom Park trennte, und traf etwa in der Mitte des Parkgebiets auf einen entzückenden Bau Knobelsdorfs, die Marmorkolonnade (Abb. 514).

Abb. 514
Sanssouci, Kolonnade aus dem Park

Nach Dohme

Sie war eine Nachahmung der Kolonnade aus dem Versailler Boskett, wurde aber leider später abgebrochen, um ihre Säulen zum Bau des Marmorpalais unter Friedrich Wilhelm II. herzugeben. Als Abschluß und point de vue war usprünglich ein großer Grottenbau gedacht, bis nach dem Siebenjährigen Kriege das Neue Palais etwas weiter dahinter erbaut wurde, dem diese Grottenanlage weichen mußte. Im Parke selbst hatte der König, um den nördlichen Berg darüber mit diesem in Zusammenhang zu bringen, verschiedene kleine Bauten anlegen lassen, so das schöne Belvedere, einen zweistöckigen, von korinthischen Säulen umgangenen Rundbau auf der nordwestlichen Höhe, darunter einen chinesischen Pagodenbau. Weiter östlich, unmittelbar über dem Schloß, wurden auf der Höhe römische Ruinen erbaut, die ein geplantes Wasserreservoir umgeben sollten, sie bestimmen den Blick von dem länglichen Kolonnadenhof, der vor der Rückfassade des Schlosses liegt. In der südöstlichen Ecke des Parkes entstand noch kurz vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges das chinesische Teehaus (Abb. 515), einer der ausgelassensten Versuche, dieser fremden Stilart beizukommen. Der lustige kleine Rundbau ist mit einem von einem Chinesen gekrönten überhängenden Dache bedeckt, das von goldenen Palmstämmen getragen wird; um diese Palmsäulen lagern teetrinkende Chinesengruppen. Der Bau will sich selbst wohl nur als eine chinesische Phantasie geben, er lag reizvoll inmitten eines heckenumsäumten Platzes, der sich nach drei Seiten auf schmale, perspektivisch verengte Rasenwege öffnete, mit Vasen aus Meißner Porzellan als Schlußpunkt.

Abb. 515
Sanssouci, Chinesisches Haus

Nach Dohme

Bis zum Siebenjährigen Kriege war der Park selbst von geraden Alleen durchzogen. Unterdes war aber gerade in Norddeutschland, als England am nächsten, der neue Stil eingezogen. Hier und dort wurden sogar schon Musterschöpfungen desselben aufgestellt. Überall begann man aufmerksam, wenn auch noch ängstlich und ohne rechtes Verständnis, auf das neue Evangelium zu horchen. Die Umgestaltung des Parkes von Sanssouci, die nach 1763 zugleich mit dem Bau des Neuen Palais vorgenommen wurde, ist ein wahres Musterbeispiel dieser etwas unbehaglichen Stimmung des Kompromisses. Das, was den Schöpfern dieser Übergangsgärten am stärksten eingeleuchtet hat, war das Dogma der geschwungenen Schönheitslinie. Wir trafen das schon in verschiedenen anderen Gärten, meist aber nur in kleinen Bosketts, mehr oder minder noch dem Zwange der Symmetrie unterworfen. Hier aber löste man die Wege rechts und links von der glücklicherweise nicht angetasteten geraden Mittelachse in die kuriosesten Schlangenlinien auf, die aber, auf beiden Seiten von Hecken umrahmt, für den Wandelnden durchaus den Eindruck eines unendlich langen Labyrinthes gemacht haben müßten, wenn nicht von Zeit zu Zeit Plätze und Ausblicke auf die Wiesenlandschaft, die überall an das schmale Boskett, das die Wege begleitete, herantrat, sie unterbrochen hätten. Besonders um das chinesische Teehaus gebärden sich diese Schlangenwege ganz wild, so daß hier vielleicht der Gedanke eines Labyrinthes wirklich zugrunde lag. Wir werden noch bei der Entwicklung der Grundgedanken des englischen Stiles auf das völlige Mißverständnis dieses Parks zurückkommen. Die Abschlußmauern nach dem Sanssoucigarten fielen damals, der Übergang in die regelmäßigen Anlagen war hier so unvermittelt und abrupt, wie nach der andern Seite zu denen der Umgebung des Neuen Palais, die wieder regelmäßig, aber zugleich frostig und steif ausfielen; der regelmäßige Stil hatte hier keine Zeugungskraft mehr. Es ist gewiß nicht zu bedauern, daß schon die allernächste Zeit diesem Park ein ganz modernes Gepräge gab. Wären dafür nur die Lustgärten von Sanssouci, namentlich das große Parterre, in ihrer alten Gestalt geblieben! Aber hier ist es gerade umgekehrt. Weil man mit einem neuen Geschmack zu einem Kompromiß anderer Art schritt, so hat man durch waldartige Partien am Fuß der Terrassen den schönsten Eindruck der friderizianischen Anlage verdorben. Doch auch heute noch können wir mit Freude und Genuß diese Schöpfung des Königs, die zu seinen liebsten Friedensarbeiten gehörte, leicht aus den fremden Zutaten herausheben. Friedrich hatte hier an der Schwelle eines neuen Kunstempfindens ein Werk geschaffen, das so sehr sein eigenstes Wollen kundgab, daß es schwer wird, von einem bestimmten Einfluß zu sprechen und zu scheiden, was er Frankreich oder Italien verdankt. Wir dürfen es als den Ausdruck seiner Persönlichkeit hinnehmen.

Die Kinder der Königin Sophie Dorothea waren alle große Gartenfreunde. Von den Schwestern des großen Preußenkönigs werden wir Luise Ulrike noch bei ihrem Wirken in Schweden antreffen. Die Lieblingsschwester, die Markgräfin von Bayreuth, ihrem Bruder in manchen Stücken am ähnlichsten, sagt von sich selbst, daß sie ihr Lustschloß Eremitage so habe verschönern lassen, »daß es jetzt einer der schönsten Orte in Deutschland« sei Mémoires de Frédérique Sophie Wilhelmine, Margrave de Bareith, Nouvelle éd. Brunswick 1845, II, p. 246 ff.. Wilhelmine hatte in eine baulustige Familie geheiratet Fester, Markgräfin Wilhelmine und die Kunst am Bayreuther Hof: Hohenzollern-Jahrbuch, 1902, S. 158 ff.; Fr. Hofmann, Bayreuth und seine Kunstdenkmale, München 1902.. Schon vom Beginne des XVIII. Jahrhunderts an hatten die Vorgänger ihres Gemahls ein Lustschloß nach dem andern um die Residenz Bayreuth herum gebaut. In dem reizvollen St. Georgen (Abb. 516) war auf einem kleinen See um eine kreisrunde, mit Gartenbeeten und Springbrunnen gezierte Insel eine ähnliche spielerische Flottenbefestigung wie in Moritzburg angelegt. Von dem anmutigen Schlößchen, das ursprünglich in dreiteilig gelöster Bauweise auf beiden Seiten von Parterres umgeben war, konnte der Markgraf den Wasserkämpfen und Wettfahrten zuschauen; später war dann mit dem Bau eines größeren Schlosses auch eine rationell angelegte kleine Residenzstadt dahinter entstanden.

Abb. 516
Schloß und Garten St. Georgen bei Bayreuth

Stich von Delsenbach

Auch die Eremitage hatte der Erbauer von St. Georgen, der Markgraf Georg Wilhelm, angelegt; und zwar sollte ihm seine Eremitage kein stilvolles Marly werden, sondern ein Gebäude, das auch äußerlich mit seinen unbehauenen Steinen die Vorstellung erwecken sollte, daß die Zimmer Zellen seien, und wenn die Zimmer auch nicht so ausschauten, so hauste doch darin der Markgraf mit seiner Gemahlin und seinem Hofe, als Eremiten verkleidet, und ließ sich durch ein Glöcklein zum Gebet rufen. Wilhelmine hat, als sie die Eremitage als ein persönliches Geschenk ihres Gatten erhielt, das Schlößchen umgestaltet, ohne ihm doch den ursprünglichen Charakter ganz zu nehmen; sie selbst sagt in der höchst anschaulichen Schilderung, die sie von ihrem »Tusculum« gibt: »von außen hat das Haus keinen architektonischen Schmuck, man würde es für eine Ruine unter Felsstücken halten. Doch ist vor der Hauptfront ein kleines Blumenparterre mit einer Kaskade im Hintergrund, die in einen Felsen gehauen scheint und bis an den Berg fließt, wo sie sich in ein großes Bassin ergießt.« Und unvergleichlich führt ihre Schilderung weiter das Bild dieser Übergangszeit vor Augen. »Jeder Weg im Walde führt zu einer Einsiedelei oder sonst etwas Neuem (einer variété). Ein jeder von uns hat seine eigene Einsiedelei, und sie ist immer von der anderen verschieden. Die meinige hat die Aussicht auf die Trümmer eines Tempels, der nach dem Muster derer, die uns von dem alten Rom übrig geblieben sind, gebaut ist. Ich habe sie den Musen geweiht, man findet die Porträts aller berühmten Gelehrten des Jahrhunderts darin, Descartes, Leibniz, Locke, Newton, Bayle, Voltaire, Maupertuis usw. Zur Seite ist ein runder Saal und zwei kleinere Zimmer und eine kleine Küche, die ich mit altem Porzellan von Raffael habe verzieren lassen. Beim Austritt aus den kleinen Zimmern kommt man in einen kleinen Garten, an dessen Eingang die Trümmer einer Portikus stehen ... Höher hinauf wird das Auge von neuen Gegenständen überrascht. Man sieht ein Theater aus Quadersteinen mit getrennten Bogen, so daß man in freier Luft Oper spielen kann.«

Abb. 517
Eremitage Bayreuth, Orangerie

Phot.

Unterhalb dieser ganz sentimentalen Anlage aber ließ dieselbe Fürstin ein neues Schloß erbauen, die sogenannte Orangerie, das eine bewußte Nachbildung von Grand Trianon sein sollte und, in seiner heiteren Arkadenanordnung (Abb. 517), der prächtigen Wasserkunst davor, innerhalb eines streng regelmäßigen Gartenparterres, auch erstaunlich viel von dem großen Stile des XVII. Jahrhunderts zum Ausdruck gebracht hat. Bayreuth bietet uns ein wahres Musterbeispiel dieses unruhig suchenden Eklektizismus jener Tage. Überall klingen Motive an, Altes und Neues wird begierig begriffen und einstweilen noch dem alten Stilbewußtsein unterworfen. Das Innere der Orangerie birgt noch einen seltsamen Raum, der allerdings erst nach Wilhelmine entstanden ist. Ein Gartenzimmer mit einem Springbrunnen in der Mitte ist an den Wänden mit niederem Gitter umgeben, wo Schlingwerk zu hohen Bäumen emporstrebt; in dem Laub glühen reife Orangenfrüchte und schaukeln sich exotische Vögel, alles dies ist plastisch gebildet und in bunten Farben gemalt und ragt in den blau mit weißen Wölkchen gemalten Himmel der Zimmerdecke hinein (Abb. 518). Eine lange Ahnenkette verbindet auch diesen seltsam phantastischen Raum mit jenen ersten, uralten Gartenzimmern, doch scheint mit diesem grob naturalistischen Raume in der Bayreuther Eremitage die Kette ihren Abschluß erreicht zu haben; das XIX. Jahrhundert hat mit dem Spieltrieb auch die Neigung dazu verloren. Was uns hier in Bayreuth besonders anzieht, ist die Atmosphäre von Friedrichs des Großen geistvoller Schwester.

Abb. 518
Eremitage, Bayreuth, Gartenzimmer

Phot.

Die Eremitage aber scheint um jene Zeit keine Ausnahme. Lesen wir die Gartenschilderungen in den Reisewerken um die Mitte des Jahrhunderts, so wird uns dünken, als wären die Lustschlösser samt ihren kostbaren Sammlungen und Gärten die eigentlichen Etappen und Zielpunkte der Reisenden jener Zeit gewesen. Und das war nicht etwa nur in Deutschland so; auch in jenen Ländern, die sich eben erst für die Neugierde der Reisenden geöffnet hatten, wie die skandinavische Halbinsel und Rußland, begegnen wir den gleichen Bildern.


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