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Ein buntes, unruhiges, aber reiches Bild bietet die Gartenkunst in den Gebieten deutscher Zunge. Wie in den andern Zweigen deutscher Kultur in der Zeit der Renaissance wirkt auch an dem Aufblühen unserer Kunst eine vielgestaltige Reihe von Arbeitern, die sich aus Fürsten, Bürgern und Gelehrten zusammensetzten. Nach mancher Richtung ist diese Zersplitterung der Interessen hemmend für die Entfaltung großer, vorbildlicher Gärten geworden. Überall hat sich bisher die Entwicklung unserer Kunst von einzelnen großen Zentren aufwärts gerungen. In Italien gab eine große Stadt der andern gleichsam die Führerschaft in die Hand; in Spanien, Frankreich und England blickt alles auf den einen Hof und den eng damit verbundenen Adel; in Deutschland ist ein solch ruhig einheitlicher Gang völlig ausgeschlossen. Mächtig bricht am Ende des XV. Jahrhunderts der Strom der italienischen Kunst ein, aber er fließt gleich in eine Menge verschiedener Kanäle, deren befruchtende Tätigkeit sich nur zu häufig unserm Auge entzieht. Darum überrascht eine plötzlich aufblühende Kunstschöpfung, deren notwendiger Zusammenhang mit der übrigen Entwicklung sich nicht deutlich nachweisen läßt. Darum fühlen wir nicht, wie in Frankreich in so hohem Maße, ja selbst in England, daß der fremde Einfluß nur die Nahrung für eine wurzelständige eigene Kunst werden konnte; denn diese Schöpfungen scheinen meist ohne rechte Nachfolge wieder hinzuwelken.
Fast um die gleiche Zeit, da Karl VIII. seinen abenteuerlichen Zug durch Italien nach Neapel machte, zog auch ein deutscher Fürst über die Alpen, der Herzog Eberhard von Württemberg Reuchlin, Ars Cabbalistica, Prooemium.. Er aber reiste bescheiden, mehr als Tourist, mit kleinem Gefolge, unter dem sich der Gelehrte Reuchlin befand. In Florenz empfing ihn Lorenzo Medici als Gast und zeigte ihm unter seinen Schätzen mit besonderem Stolze seine Gärten. Der Herzog und sein gelehrter Freund bewunderten alles dies auf das höchste, aber sein kleines Ländchen bot ihm die Mittel nicht, daheim etwas Ähnliches nachzuschaffen. Seine Reise ist eher einzureihen in den Strom der Studienreisen von Gelehrten nach Italien, die dann nicht so sehr einen gewaltig wirksamen Kunsteindruck nach der Heimat brachten, als an den großen Universitäten das damals in Italien aufblühende botanische Interesse in sich sogen und ihm auch in Deutschland von den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts an rege Verbreitung schufen O. Teichert, Geschichte des Ziergartens in Deutschland, 1865, S. 52 ff; Karl F. W. Jessen, Botanik der Gegenwart und Vorzeit in kulturhistor. Entwicklung, Leipzig 1864.. Die genaue Kenntnis der Arzneimittel war ein Haupterfordernis des medizinischen Studiums, und als Arzneimittel galten damals noch nahezu alle bekannten Pflanzen. Unter diesem Gesichtspunkte wurde in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts noch der größte Teil der ausländischen Pflanzen eingeführt. Darum sind die ersten Botaniker die Ärzte; sie waren es auch, die sich, wenn sie von ihren italienischen Studienreisen zurückgekehrt waren, in der Heimat eigene botanische Gärten anlegten. Sie waren meistens Bürger der reichen, blühenden Städte, wo ihre Praxis ihnen bald die Mittel bot, dieser Neigung zu folgen. Bei dem regen Verkehr, den diese Gelehrten unaufhörlich untereinander aufrecht hielten, wurden die Gärten zu einer Sehenswürdigkeit, die fremde Besucher anzog. Gewiß waren sie in erster Linie aus botanischem Interesse angelegt; einmal aber hatten doch diese gebildeten Besucher Italiens, die sich dort meist jahrelang aufhielten, genug von dessen hoher Kunst in sich aufgenommen, dann aber verstand es sich für jene frühe Zeit, in der Nutz- und Ziergarten sich noch selten getrennt hatten, von selbst, daß man auch dem ersteren alle Zierde angedeihen ließ.
Alle bedeutenden Namen unter den Schöpfern deutscher Botanik werden auch als Besitzer schöner Gärten genannt. So gründete schon um 1525 in Erfurt Henricus Cordus, nachdem er sich in Ferrara seinen Doktorgrad geholt hatte, einen Garten und fügte der Stadt damit einen neuen Ruhmestitel zu; sie wurde damals schon um ihrer reichen ausgedehnten Gärten willen »des heiligen römischen Reiches Gärtner« genannt Teichert, a. o. O., S. 128.. Und als Cordus fünf Jahre später als Professor nach Marburg ging, war es eine seiner ersten Taten, auch dort einen Garten anzulegen. Sein Sohn Valerius, wie er ein berühmter Botaniker, war ein naher Freund Konrad Gessners, des allbekannten Züricher Arztes und Polyhistors, der sein Leben ganz der Wissenschaft widmete und mit 49 Jahren 1560 an der Pest starb, die er in seiner Heimatstadt zum zweiten Male zu bekämpfen suchte. Gessner war der Mittelpunkt des gesamten botanischen Interesses in Deutschland und weit darüber hinaus. Er selbst besaß in Zürich einen schönen Garten, reiste viel und hat in seinen Schriften Jessen, Botanik der Gegenwart und Vorzeit, S. 215. Namen und Nachrichten von manchen der damals viel genannten Gärten hinterlassen. Diese ursprünglich privaten Gelehrtengärten wurden bald an den Universitäten akademisches Eigentum. Nachdem die Gründung der italienischen botanischen Gärten in Padua, Pisa und Bologna um die Mitte des Jahrhunderts die Vorteile für Medizin, Pflanzenforschung und Akklimatisation fremder Gewächse gezeigt hatte, folgten die Niederländer und Deutschen als die ersten ihnen nach. Schon 1577 wurde der botanische Garten zu Leiden, 1580 der zu Leipzig und 1597 der zu Heidelberg gegründet, um nur die berühmtesten zu nennen, während kleinere bald in jeder Universität sich fanden.
Das botanische Interesse stand damals in deutschen Gebieten so im Vordergrunde, daß es auch den privaten Hausgärten vornehmer und gebildeter Besitzer einen gewissen wissenschaftlichen Charakter lieh. Erasmus läßt in seinem »Convivium religiosum« Erasmus, Colloquia Familiaria: »Convivium religiosum«. den Gast vor dem Essen in einen wohlgepflegten Garten treten, der ein von Mauern umgebenes Quadrat ist: »Der Ort ist dem ehrbaren Vergnügen geweiht, die Augen zu erfreuen, die Nase zu erfrischen, den Geist zu erneuen«. Nur wohlriechende Kräuter wachsen darin; in größter Ordnung sind die Pflanzen gereiht, jede Gattung hat ihre Stelle, sie sind gleichsam wie Fähnlein zusammengepflanzt, und jedes hat sein »vexillum« mit seinem Titel, der zugleich die besonderen Kräfte, die ihnen innewohnen, anzeigt. So sagt z. B. der Majoran: »Bleibe von mir, o Schwein, nicht dir dufte ich«, denn obgleich er süß duftet, können die Schweine seinen Duft nicht vertragen; so hat der Besitzer nicht stumme, sondern redende Kräuter. Die einzelnen Beete sind mit Staketzäunen umfriedet, hier grün gestrichen, während andere die rote Komplementärfarbe bevorzugen. Der ganze Garten wird durch einen Bach in zwei Hälften geteilt; dieser fließt in ein Bassin von Stuckmarmor, auf dessen Boden allerlei bunte Tiere liegen, in seinem klaren Wasser spiegeln sich die Pflanzen. Rings um diesen Garten führen bedeckte Hallen, die, zweistöckig, eine schattige Verbindung vom Hause her bilden. Die untere von Säulen aus Stuckmarmor getragene Halle ist ganz ausgemalt, die Bilder stellen einen zweiten Garten voll Blumen und Tieren dar. Die Berechtigung der Bilder wird ausdrücklich verteidigt, auch hier überwiegt das wissenschaftliche Interesse an der fremden Fauna und Flora, im Gegensatz zu den oberen Wandelhallen, die, nach außen durch Fenster erleuchtet, mit ernsten religiösen Bildern ausgemalt sind. Man gelangt dorthin unmittelbar aus der Galerie, die sich am Hause vor der Bibliothek hinzieht; am Ende dieser Wandelgänge liegen kleine Sommerhäuser, wo man sich ausruht und in den Nutzgarten herabschaut. Dieser teilt sich in den Gemüsegarten, »das Reich der Frauen«, und in den medizinischen, der die Heilkräuter für das Haus enthält. Links davon liegt der Spielplatz, eine Wiese, von lebendigen Hecken umgeben, in einer Ecke ist ein Sommerhaus errichtet, in dem man Mahlzeiten nehmen kann, das aber auch bei ansteckenden Krankheiten als Isolierhaus benutzt werden kann. Rechts vom Gemüsegarten liegt der Obstgarten, wo auch ausländische Bäume gezogen werden; an einem Ende ist das Bienenhaus und nach dem Säulengang des Ziergartens zu ein Vogelhaus angebracht, zu dem man auf einem fliegenden Brücklein hineingeht, das also wohl von Wasser für die Wasservögel umgeben ist. Die Elemente, aus denen Erasmus seinen Garten zusammensetzt, sind durchaus nordisch: Die zweistöckigen Wandelgänge in dem Ziergarten, der ein botanischer ist, nach botanischen Interessen angelegt, das helle, in ein Bassin gefaßte Bächlein, der besondere, heckenumsäumte Wiesenspielplatz, alles dies zeigt den nordischen, wir dürfen sagen, den bürgerlichen Garten eines wohlhabenden Gelehrten, und es ist sehr wahrscheinlich, daß Erasmus einen bestimmten Basler Patriziergarten vor Augen gehabt hat.
Denn früher als in irgendeinem anderen nordischen Lande weiß sich in deutschen Gebieten der Bürgergarten seinen Platz zu erobern. Ja, die blühenden Städte Oberdeutschlands, hier allen voran Augsburg, haben durch ihren Handelsverkehr mit Italien früher als die Residenzen der Fürsten den Einfluß der neuen Kunst erfahren. Die Gärten der Fugger spielen in der Geschichte der Stadt eine große Rolle. Als Karl V. sie 1530 besucht, sieht er voller Bewunderung ihren Glanz. Beatus Rhenanus schreibt ein Jahr später mit Begeisterung von ihnen und stellt sie über die französischen Gärten von Blois Beatus Rhenanus, Briefwechsel, ed. Ad. Horawitz und Karl Hartfeld, Leipzig 1886.. Gegen das Ende des Jahrhunderts nehmen diese Gärten eine solche Ausdehnung, daß die Bürger sich 1584 beklagen, ihnen würden die Wohnstätten dadurch beengt Stetten, Geschichte der Stadt Augsburg I, S. 676.. Damals sah sie Montaigne auf seiner Reise nach Italien, und er weiß besonders viel von ihren Wasserkünsten und Scherzen zu berichten Montaigne, Journal de Voyage, éd. Lautry, p. 124 ff.. Stiche einer etwas späteren Zeit (Abb. 358) zeigen eine große Menge berühmter Gärten Augsburgs, deren Anlage in das XVI. Jahrhundert zurückgeht, und die sowohl innerhalb der Stadt wie vor den Mauern lagen: ein meist längliches Gartenstück, mit Laubengängen umgeben und mit schönen Blumenrabatten geschmückt Kraus, Augsburger Gärten.. Aber das botanische Interesse war auch in diesen Gärten immer eine Hauptsache. Im Jahre 1560 reiste der berühmte Botaniker Karl Clusius mit dem Erben des Grafen Anton Fugger, um neue Pflanzen für dessen Gärten zu sammeln. Denn mit eifersüchtiger Aufmerksamkeit trachtete jeder danach, zuerst in seinem Garten eine neue Pflanze zum Blühen zu bringen. Es war ein besonderer Ruhmestitel für den Augsburger Ratsherrn Johann Heinrich Herward, daß in seinem Garten 1559 die erste Tulpe erblühte, deren Knollen der kaiserliche Gesandte Busbecq nach Augsburg gesandt hatte Teichert, Geschichte der Ziergärten in Deutschland, S. 122.. Konrad Gessner reiste hin und ließ sofort einen Holzschnitt für sein Werk »de hortis Germaniae« davon machen. Bald sollte diese Blume zu ihrer schicksalsschweren Bedeutung für den niederländischen Handel heranreifen.
Hinter Augsburg standen die anderen Städte wenig zurück; denn die wandernden Gelehrten brachten die Anregung überallhin. In Breslau machte sogar schon 1489 ein Garten des Kanonikus Mariensüß auf der Dominsel von sich reden; dieser, wie der zwischen 1540/60 blühende Garten des Arztes Woysel, gehören natürlich in die Reihe der privaten botanischen Gärten, aber Erasmus' Schilderung hat uns gelehrt, daß solchen botanischen Gärten Stil und Kunst nicht fehlten. Im letzten Drittel des Jahrhunderts gibt ein anderer Breslauer Arzt, Laurentius Scholz, ein Bild von seinem Garten, das in vielem an Erasmus' Schilderung erinnert Ferdinand Cohn, Dr. Laurentius Scholz: Deutsche Rundschau, 1890, Heft 7, S. 109 ff.. Laurentius Scholz hatte in Padua studiert, das er 1579 verlassen hatte. Sechs Jahre später ließ er sich in seiner Vaterstadt nieder, hier wuchs mit seinem Vermögen auch die Freude an seinem Garten, dessen Pflege er selbst als eine patriotische Tat ansah und der bald über Breslau hinaus Berühmtheit erlangte. Wie des Erasmus Garten war der Scholzsche ein regelmäßiges Quadrat, das durch die beiden sich kreuzenden Hauptalleen in vier Compartimenti geteilt war. Das Haupttor trug in Stein gemeißelt die lateinische Inschrift: »Zum Lob und Preis dem allmächtigen Gotte, zum Ruhm der Vaterstadt, zur Benutzung für Freunde und Studierende der Botanik, endlich sich selbst zur Erholung, habe er diesen von altersher verwahrlosten Garten auf eigene Kosten neu eingerichtet und mit einheimischen und ausländischen Pflanzen ausgestattet«. Die erste der Abteilungen, zu der man durch das Haupttor gelangte, war der Blumengarten, der, in Rabatten ausgelegt, wohl mit Staketenzäunchen umgeben und mit den Blumen bepflanzt war, die zu Kränzen und Sträußen verwendet wurden. Dr. Scholz hat dafür Sorge getragen, daß wir die Pflanzen seines Gartens gut kennen; nicht nur er selbst war ein fruchtbarer medizinischer Schriftsteller, der immer gerne von seinem eigenen Garten ausgeht, er ließ auch nach der Sitte der Zeit seine Pflanzen von einem Breslauer Maler der Natur getreu nachbilden. Noch bilden den Hauptbestandteil des Blumengartens die alteinheimischen, die Frühlingsblumen Schneeglöckchen, Veilchen, Krokus und Primeln, Aurikeln und Kaiserkronen, der Sommerflor Akelei, Löwenmaul, Kornblumen, Mohn und Lilien, aber seit fast 30 Jahren sind dazu die Tulpen aus dem Osten gekommen, die auch unser Garten voll Stolz aufweist. Dem Arzt und Botaniker wichtiger aber ist die zweite Abteilung, der eigentlich medizinische Garten. Hier werden 385 Sorten, unter ihnen auch viele ausländische Pflanzen, die sich der Doktor durch seine weiten Verbindungen aus Spanien, Italien und Österreich verschafft hat, auf zierlichen Beeten gepflegt, auch hier gibt es für jede der Pflanzen ein besonderes. Neben den medizinischen Kräutern, wie wir sie aus dem Kapitulare und dem St. Gallener Klosterplan kennen, wachsen hier die Gewürzkräuter italienischer Gärten, wie Basilikum, Majoran, Melisse, Ysop, Rosmarin, Raute und Diptam. Dann aber blühen hier auch Neuheiten, die erst unlängst portugiesische Seefahrer aus Indien brachten, wie Canna und Balsamine, und vor allem das bisher noch unbekannte Kraut der Kartoffel. Neben dem Blumengarten liegt das Viridarium, der Obstgarten, indem auch Ziersträucher, wie Goldregen, Schneeball und türkischer Flieder, blühen. In schattigen Laubengängen sind hier allerlei Spiele aufgestellt. Die letzte Abteilung enthält das Labyrinth, dessen verschlungene Wege mit Spalieren, von allerlei Schlingpflanzen überwachsen, eingefaßt sind, weiter den Rosengarten mit seinen neun, aus dem Orient eingeführten Sorten, und verschiedene Weinlauben. Die Mitte der Quartiere schmücken Brunnen, der eine ist überschattet von einem Lebensbaum, dem größten und schönsten, und auch ältesten, dessen sich Schlesien rühmt. Der Lebensbaum war unter Franz I. nach Paris aus Kanada eingeführt und hatte sich von dort sehr schnell in Europa verbreitet Gregor Kraus, Der Botanische Garten der Universität Halle, 1894, S. 94.. Nach Westen war unser Garten durch ein Winterhaus für Lorbeer, Granate, Oleander und Myrte abgeschlossen, dessen Wände augenscheinlich mit italienischen Szenen ausgemalt waren. Auch zwei Vogelhäuser und ein verzierter Eiskeller waren zu sehen, und in der Grotte wurde u. a. ein Polyphem, der den Felsblock schleudert, viel bewundert. In der Mitte des Gartens stand das Sommerhaus, das, nach vier Seiten offen, im Innern mit Bildern, Kunstwerken und Musikinstrumenten geschmückt, der heitersten Geselligkeit gewidmet war. Der weitgereiste, vornehme Arzt, der auch eine Kunstkammer »ausbündiger Raritäten« sein nannte, feierte hier Feste, die von antikem Geiste beseelt waren. Die Freunde und Freundinnen, die er zu heiterem Mahle, zu Gesang, Vorträgen und Gespräch versammelt, bekränzten sich und ihre Becher, wie einst die Völker des Mittelmeeres es taten. Und das allzeit reimlustige Völkchen der Schlesier dankte seinem Mitbürger seine Garten- und Festesfreude; nicht weniger als 70 Gedichte hat Scholz selbst gesammelt, in denen sein Werk gepriesen wird. Welch ein Lichtblick ist dieses Bild in einem Lande, dessen Blüte so bald unter dem ehernen Fußtritt des Dreißigjährigen Krieges vernichtet werden sollte!
Neben Breslau rühmten Nürnberg und Frankfurt sich frühe schöner Gärten. Eoban Hesse hatte in einem lateinischen Gedichte das Lob der Nürnberger Gärten schon 1532 gesungen Eoban Hesse, Norimberga, 1532., und Hans Sachs spricht von ihnen in seiner schlichten Weise Teichert, a. o. O., S. 131 u. Anm. 1.. Gegen das Ende des Jahrhunderts erwarb sich der Garten des Arztes und Botanikers Camerarius weitgehörten Ruhm. Ein Stich Sandrarts zeigt einen Nürnberger Patriziergarten, den des reichen Christoph Peller, wie er noch um die Mitte des XVII. Jahrhunderts sein ziemlich unverändertes Aussehen hatte. Das Fachwerkgebäude umschließt zunächst einen Hof, der vorne durch eine prächtige Balustrade mit zwei von Obelisken flankierten Toren abgeschlossen ist. In dem Hof vergnügt man sich mit allerlei Ball- und Kegelspiel. Der Garten, den wir wohl nur zur Hälfte übersehen können (Abb. 359), ist in vier Reihen von steinumfaßten Beeten eingeteilt, jedes Beet nach alter Weise für die Aufnahme einer Pflanzenart bestimmt. Rings um je drei zu einer Einheit zusammengefaßte Beete sind niedere Steinbänke aufgestellt, auf denen verzierte Kübel mit mannigfachen Gewächsen stehen, mit Pomeranzenbäumen und anderen ausländischen, kostbaren, den Winter über im Warmhaus aufbewahrten Pflanzen. Rechts und links schaut man in Baumgärten hinein, die durch hübsche Holzgitter getrennt sind Die Stiche von Nürnberger Gärten bei Volkamer, Nürnberger Hesperiden 1701, tragen größtenteils einen ausgesprochenen französischen Charakter und sind daher für den Renaissancegarten nur in wenigen älteren Gärten zu gebrauchen. Vgl. Schroeder, Studien über die Renaissancegärten in Oberdeutschland, S. 41..
Prächtiger als dieser noch einfache Garten ist der gleichzeitige des Johannes Schwindt (Abb. 360), des prunkliebenden Bürgermeisters von Frankfurt a. M. Das Abschlußgitter ist hier durch hohes, grün bezogenes Lattenwerk mit Säulen, Fenstern und Toren gebildet. In den Fenstern stehen Kübel mit Pflanzen; die Säulen, von kleinen Obelisken überragt, sind mit Büsten geschmückt. Zuerst tritt man in ein reiches, in geometrischen Mustern angelegtes Parterre von Buchs, mit Bäumchen in den Ecken, ringsum, entlang den umgebenden Hecken, stehen wieder Bänke mit Kübelpflanzen. Der breite Mittelweg führt in den dahinterliegenden Blumengarten, den zwei mächtige Statuen, ein Merkur und ein Herkules, einleiten, dahinter liegt, von zwei Obelisken flankiert, wieder ein Parterre. Um den zweiten und dritten Teil führen Laubengänge aus grünüberzogenem Lattenwerk mit Eingangstoren und Fenstern. An den Seiten stehen noch einige Brunnen und Statuen, darüber hinaus wird der Blick in andere Gärten geleitet.
Ein überaus anmutiges Bild entwirft auch der Ulmer Patrizier und Architekt Joseph Furttenbach von dem Gärtchen Jos. Furttenbach, Architectura privata, p. 1 ff., das er sich neben seinem schönen Hause nach seiner Rückkehr aus Italien anlegte (Abb. 361). Der Garten ist zwar klein, »jedoch also abgeteilt worden, daß man darinnen für eine gemeine Privatperson die erwünschten Delizien haben kann«. Wegen seiner Lage, die, nach Süden, »die holdselige Sonne« recht genießen kann, vermag er einen großen Reichtum von Blumen zu erzielen. Die Anordnung der Beete dieses 1638 beschriebenen Gartens in ihren einfachen ummauerten Stücken zeigt noch genau den gleichen Geist wie der Garten des Erasmus im Anfange des XVI. Jahrhunderts, wie der Scholzsche Garten in Breslau am Ende dieses Jahrhunderts. Nur durch den Flor der Zwiebelgewächse ist eine größere Farbigkeit eingezogen. Rings ist das Gärtlein auch gegen das Haus zu durch Laubengänge abgeschlossen, zwischen denen am einen Ende der Stolz des italienisch gebildeten Architekten, die Grotte, liegt, ein kleiner Rustikabau mit schönen Wasserkünsten. Noch hinter dieser Grotte, das Gärtlein seitlich vom Hause ganz abschließend, liegt ein Gartenhaus, als Speisesaal gedacht, »in welchem etwann der Hauswürth nach Ermattung und Ertragen seiner täglichen Labores bissweilen auch mit seinen Haussgenossen in bona caritate, sein Stück Brodts genießen und GOTT darneben zu dancken hiezugegen auch eine feine Gelegenheit hat«.
Alle Gärten, die wir bisher kennen gelernt haben, sind, so prächtig sie auch gehalten wurden, Bürgergärten. Von den fürstlichen Gärten verlangte man aber auch damals eine besondere Gestaltung. Schon Gessner Jessen, Botanik der Gegenwart und Vorzeit, S. 251. teilt im Jahre 1560 die Gärten, wenig methodisch, aber aus dem Wunsche, allen Arten gerecht zu werden, ein in: »1. gewöhnliche Nutzgärten mit Gemüsen, Wein, Obst und Rasen zur Nahrung von Mensch und Vieh, 2. Medizinalgärten, die außer jenen Sachen noch ausländische und einheimische Heilkräuter enthalten, 3. mannigfache Gärten, in denen außer edlen Heilkräutern seltene Gewächse zur Betrachtung und Bewunderung der Natur sich finden, 4. elegante Gärten, welche nur zur Zierde dienen, mit Lauben, Lusthäusern und Irrgärten mit edlen immergrünen Bäumen und allen Arten von Figuren, welche die Gartenkunst durch Biegen und Flechten hervorrufen kann. So sind die Gärten vornehmer Damen und wohlhabender Menschen, vorzüglich die der Mönche, 5. Prachtgärten, wie weise Männer und Fürsten oder Staaten sie besitzen, mit prachtvollen Gebäuden, Teichen und Wasserwerken, mit künstlichen Hügeln, Turn- und Ballspielplätzen«. Eine Illustration zu diesen Forderungen an einen Fürstengarten bietet das Bild der aus'm Weerthschen Sammlung (Abb. 362). Dem Schlosse zunächst liegt der geräumige, von Arkaden umgebene Spielplatz, dahinter das Labyrinth und eine prächtige Fontäne, daneben wieder ein Ziergarten mit Badebassin und anderm Schmuck.
Unter den Fürsten haben sich die des Hauses Habsburg früh der Gartenpflege zugeneigt. Schon Kaiser Maximilian I. verfaßte selbst Gartenschriften. Karls V. Bedeutung für Spanien lernten wir schon kennen. Er benutzte sein großes Herrschaftsgebiet, wie sein Bruder Ferdinand, seltene Pflanzen auch in die deutsche Hauptstadt Wien einzuführen. Wien, seit dem XI. Jahrhundert Residenz, war damals, vor dem ersten Türkeneinfall, ein Sitz blühender Kultur. Im XV. Jahrhundert rühmt Bonfini Wiens herrliche Lage, das wie ein Palast inmitten seiner Vorstädte liegt, deren mehrere an Schönheit und Größe mit ihm wetteiferten. Wiens ganzes Gebiet sei ein ungeheuerer Garten, mit schönen Rebhängen und Obstgärten gekrönt. In diesem liegen anmutige, heitere Vorberge, geziert mit den lieblichsten Landhäusern und Fischteichen Österreichische Kunsttopographie II, S. XIII.. Doch diese frühe Schönheit ist durch das erste böse Türkenjahr 1529 zum größten Teil vernichtet worden.
Die erste Gartenindividualität, die uns als Schöpfung eines habsburgischen Fürsten entgegentritt, zeigt nicht Wien, sondern Tirol in dem Schloß Ambras bei Innsbruck v. Sacken, Die k. k. Ambraser Sammlung, Wien, 1855 S. 10 ff.. Der Erzherzog Ferdinand, der zweite Sohn des Kaisers Ferdinand I., hatte dieses Schloß seiner Gemahlin Phlippine Welser im Jahre 1564 geschenkt. Durch Umbauten und herrliche Gartenanlagen hatte er aus der mittelalterlichen Bergfeste einen höchst anmutigen Fürstensitz gemacht. Dort lebte die schöne Frau, die ihr ritterlicher und im echten Sinn fürstlicher Gatte, einer Welt von Hindernissen und kaiserlich-väterlicher Ungnade zum Trotze, zu seiner rechtmäßig anerkannten Gemahlin erhoben hatte, ihr romantisches, von Sagen umwobenes Liebesleben in einer ihrer würdigen Umgebung.
Im Jahre 1574, als das Schloß und seine Bewohner auf der Höhe ihres Glückes standen, besuchte der gelehrte Jesuit und Jurist Stephanus Pighius als Begleiter des jungen Prinzen Karl von Jülich-Berg, eines Neffen des Erzherzogs, Tirol auf seiner Reise nach Italien. Er schildert Steph. Pighius, Hercules Prodicius, Cöln 1609, p. 160 ff., wie sie hinausritten nach dem Sommeraufenthalt, der villa suburbana des Erzherzogs. Das Schloß liegt auf dem Berge, »an Pracht die schönsten Villen der Alten übertreffend«. Bei dem Frauenhause sehen die Besucher zuerst hängende Gärten und drahtumflochtene Vogelhäuser, wobei es unsicher ist, ob er wirklich Dachgärten oder nur hochgelegene Gartenterrassen meint, denn die eigentlichen Gärten ziehen sich am Fuße des Hügels hin. Hier unten sehen sie Paradiese, wahrscheinlich von Säulenhallen umgebene Blumenparterres, Labyrinthe, allerlei Nymphen geheiligte Grotten mit künstlichen Brunnen; die zahlreichen Springbrunnen erhalten ihr Wasser von den Wildbächen. Die offenen und bedeckten Lauben, in denen man speist, sind mit dem schönsten opus topiarium bekleidet, besonders eine kreisrunde, in deren Mitte ein Tisch steht, an dem die Gäste tafeln; dieser bewegt sich schnell und immer schneller im Kreise, bis ihnen schwindlig wird. Das Prachtstück aber in den Augen der Besucher ist ein unterirdischer Weinkeller, wo sie durch verschiedene Grotten in das Heiligtum des Bacchus eingeführt werden. Um diese wohlgepflegten Gärten legt sich der Park, dem es nicht an Bosketts, Fischbassins, Tierkäfigen und Wildgehegen mangelt. Gegen das Haus zu sind große Spielplätze für ritterliche Spiele eingerichtet, Rennbahnen, Stadien, ein Ballspielhaus, in denen sich der Erzherzog mit seinen Gästen übte. Anfang des XVII. Jahrhunderts gibt die Radierung des älteren Merian (Abb. 363) ein anschauliches, wenn auch etwas abgekürztes Bild der Gärten des Schlosses. Von den hochgelegenen Gärten bei der Frauenwohnung kann man nur eine Ecke sehen. Zu Füßen des Hügels aber liegt der große, für Aufzüge und ritterliche Spiele bestimmte Platz, von Gebäuden umgeben, unter denen links vorne die Kunstkammer mit der berühmten Sammlung ein besonderes Interesse verdient. Neben der Kunstkammer liegt die Kornschütte und auf der anderen Seite die Bibliothek. Oberhalb schließt sich daran die Edelknabenwohnung, neben der ein Ziergarten liegt; von einer Seite ist sie von einem luftigen Gange begrenzt, dessen Unterbau wohl die Rüstkammer bildet. Dieser kleine Garten war vielleicht eines der Paradiese, die die Fremden sahen. Dicht unter das Schloß ist an die Futtermauer der große Festsaal angebaut, dessen Fenster auf den darunter liegenden Prunkgarten herabschauen. Die zweite Seite dieses großen quadratischen Parterres nimmt das gedeckte Ballspielhaus ein, eine niedere Mauer schützt die dritte Seite, die vierte scheint nach dem Parke offen, nur durch eine hochgewachsene Baumreihe abgeschlossen. Die Bäume laufen auch das Haus entlang. Das Parterre ist in neun geometrisch ausgelegte Quadrate geteilt, die augenscheinlich mit niederen Gittern umgeben sind. In der Mitte steht ein kleiner, offener, runder Säulenpavillon, wahrscheinlich, um darin zu speisen; schon im Park, der den ganzen Schloßhügel an dieser Seite umgibt, liegt erhöht an der Mauer der große runde Pavillon mit dem sich drehenden Tische. Ein langer schmaler Platz zwischen Mauern neben dem Parterre kann wohl das Stadion sein, neben ihm liegt die Kellerei, die die unterirdischen Freuden birgt. Diese Anlage entspricht dem, was Gessner von einem fürstlichen Garten verlangt. Wir dürfen dabei an die frühen französischen Gärten, wie Blois und Gaillon, denken. In der reichen Anlage von Spielplätzen mit ihren Gebäuden spricht sich, wie in der Kunstsammlung, ein persönlicher Zug des Fürsten aus, dessen ritterliches Wesen wie seine Kunstliebe weit berühmt waren. Auf diesem schönen Edelsitze fanden die prächtigen Fastnachtsfeste, Aufzüge und Turniere des Jahres 1580 statt, da sich Ferdinand im Glanze und Glück und in der Liebe seines Weibes sonnen durfte. Wenige Wochen darauf starb die Herrin des Schlosses, Philippine Welser, ganz plötzlich und nahm auch die höchste Blüte dieses Fürstensitzes mit ins Grab.
Nur wenig später, nachdem Ferdinand Ambras zu einem Glanzpunkte seiner tirolischen Lande gestaltet hatte, erbaute sich sein älterer Bruder, Kaiser Maximilian II., in der Nähe von Wien ein Lustschloß, das nicht nur bei den Zeitgenossen Bewunderung und den späteren Generationen Unverständnis und Staunen erregte, sondern uns auch heute noch manch Rätsel aufgibt. Im Südosten der Stadt liegt heute auf einer Anhöhe ein von Zinnenmauern umfaßtes Viereck. Die Mauern sind in bestimmten Intervallen von Türmen gekrönt, nur an der vorderen, der Donau zugekehrten Seite, wo das Hauptgebäude liegt, fehlen die Türme. Dieser Anblick berührt so kriegerisch, daß es nur natürlich scheint, wenn heute dort ein Pulvermagazin von einer Reihe Posten vor ihren Schilderhäusern ringsumher bewacht wird. Und doch hatte sich in diesem scheinbaren Festungsgürtel einer der friedliebendsten Fürsten sein Tuskulum geschaffen Albert Ilg, Das Neugebäude bei Wien: J. d. A. K. XVI, S. 81 ff.; Knoršil, Altwien, 1893, S. 167.. Maximilians II. Regierungszeit brachte dem schlicht und edel denkenden Fürsten Konflikte und Sorgen, die sein Leben zerrissen und innerlich unstet machten; aus all seiner Gewissensnot heraus klingt immer die Sehnsucht nach dem Frieden, den er in den Arbeiten der Baukunst und der Hortikultur fand, wie er selbst wiederholt an seinen venetianischen Gesandten und Freund Veit von Dornburg schreibt. Um 1569, wo zuerst eine Kunde von des Kaisers Villa zu uns dringt, sind die Arbeiten am »Fasanengarten«, so heißt sie damals, im vollen Gange. Der Name war wahrscheinlich von einer früheren Fasanenzucht an dieser Stelle übernommen; schon ein Jahrzehnt später taucht der phantasielose Name Neugebäude auf, der darauf hinweist, daß erst Maximilians Nachfolger, Rudolf II., das Hauptgebäude vollendete. Was hier Maximilian geschaffen, war schon ein paar Generationen später ein seltsam fremdes Gebilde, das den guten Wienern mit Recht außerhalb jedes Zusammenhanges erschien: von der Mitte des XVII. Jahrhunderts wurde die Sage allgemein und unausrottbar, der Kaiser habe ein altes Feldlager Sultan Solimans für sein Landhaus umgestaltet. Bei seiner Vollendung muß allerdings das Neugebäude noch einen weit kriegerischeren Eindruck als heute gemacht haben, denn innerhalb des äußeren turmgekrönten Mauergürtels lag eine zweite Umfriedung (Abb. 364): ein Viereck, genau in der Breite der Villa, war an den vier Ecken der breiten Arkadenmauer, die es einschloß und auf ihrem Dach einen schönen Spaziergang gewährte, von hohen zweistöckigen Türmen überragt, deren kupfergedeckte Kuppeldächer weit über die Außenmauern schauten. Dieses Viereck umschloß den oberen Ziergarten, der in 16 geometrisch ausgelegte Beete, von welchen zwei das österreichische Wappen, den Doppeladler, zeigen, eingeteilt und reichlich mit Brunnen versehen war; die Arkaden und die Gartenpavillons in den Ecktürmen waren reich ausgemalt. Aus dem oberen Garten trat man zunächst in einen schmalen Hof, der den Garten von der Villa trennte. Diese entfaltete nach der Talseite eine heitere Loggia in rein italienischem Stile. Man schaute von hier auf die unteren Gärten, die in vier weiteren Terrassen nach der Donau zu abfielen: erst zwei schmale Baumterrassen, die dritte trug einen Ziergarten nahezu von gleicher Größe und Anlage wie der obere, endlich auf der untersten Stufe ein großer Weiher, so wenigstens zeigen die Stiche das Bild. Ein schweizerischer Besucher, Bongarsius, der die Gärten in ihrer Vollendung 1585 schaut Herrmann Hagen, Jacobus Bongarsius, Bern 1874, S. 62; Öster. Kunsttopographie II, S. 16., spricht von zwei Weihern, doch ist diese Schilderung wohl kaum genau, erwähnt er doch auch nicht die schönen statuengeschmückten Brunnen, die den Rechnungen zufolge im unteren Garten aufgestellt waren Ilg, Das Neugebäude bei Wien, a. o. O., S. 91.. Um den Ziergarten der obersten Terrasse erstreckte sich innerhalb der großen, turmgeschmückten Zinnenmauer der Park, in den zu beiden Seiten des Ziergartens zwei monumentale Tore führten. Bongarsius schildert ihn: Rings um den Ziergarten ist ein Park von Fruchtbäumen, in Reihen wohl gepflanzt, und ein schönes Labyrinth; in der Mitte des ganzen Parkes ist ein drei oder vier Schritt breiter Graben, mit Steinen ausgekleidet, der das Wasser von einem 1½ Meilen fernen Berge aufnimmt.
Welcher Art ist nun das Gesamtbild dieser Schöpfung, die in der deutschen Entwicklung so einzigartig dasteht? Der Erbauer ist unbekannt. Der Habsburger Hof war damals ganz international, Maximilian selbst, so sehr ihn persönliche Neigung dem deutschen Protestantismus zuführte, beschäftigte doch für seine Kunstschöpfungen fast nur ausländische Künstler: Italienische Bildhauer und Maler arbeiteten für das Neugebäude. Zu seinen Festungsbauten, deren stete Vervollkommnung Österreich damals um der drohenden Türkengefahr willen brauchte, beschäftigte der Kaiser unausgesetzt auch italienische Baumeister. Das Haus in Neugebäude läßt um seines italienischen Charakters willen keinen Zweifel über die Nationalität des Erbauers, es wäre daher wohl möglich, daß einer der Festungsbaumeister des Kaisers vielleicht den Plan des ganzen Gartens entworfen hat. Wir haben italienische Vorbilder in Vignolas Schöpfung in Caprarola und San Micheles reizender Villa San Vigilio am Gardasee; mit letzterer hat Neugebäude zudem das Motiv der Schwalbenschwanzzinnen auf der Außenmauer gemeinsam, und wenn San Michele dort eine befestigte Landzunge als Gartenmotiv umschuf, warum sollte nicht hier ein Lagerzelt einem venetianischen Baumeister als Grundriß einer Villa dienen. Seltsam bleibt nur, daß der Künstler in der Terrassenfolge der Gärten etwas sehr Unitalienisches geschaffen hat. Die strenge axiale Anordnung der Gärten hat etwas Nüchternes, wie es im italienischen Garten immer, sei es durch eine Durchbrechung der schematischen Anordnung, sei es durch wichtige Querachsen, sei es durch die Wasserverteilung, sei es durch malerische Anordnung der Terrassen, wie etwa in San Vigilio, vermieden wird. Andererseits wird in Italien die axiale Anordnung selber durch Rampentreppen oder scharfe Betonung der Mittelachse gegliedert, man denke an Villa d'Este. Hier fehlt dies alles. So streng axial die Gärten übereinander liegen, sind sie doch jeder für sich in nordischer Weise behandelt und abgeschlossen. Den oberen, arkadenumschlossenen Garten trennt die Zinnenmauer von Hof und Haus. Die unteren Terrassen haben überhaupt keinen Zugang zueinander, und man würde gar nicht begreifen, wie man überhaupt zu den einzelnen Gärten gelangen könnte, wenn nicht noch heutigentags ein geneigter Korridor als gedeckter Weg zu den unteren Gärten führte. Das Wasser ist nur als Schalenbrunnen, Kanal und Weiher verwendet: alles Motive und Anordnungen, wie wir sie viel eher in Frankreich kennen gelernt haben. Man vergleiche den oberen arkadenumgebenen Garten etwa mit dem von Bury; die Ecktürme sind hier wie dort durch Ausmalung zu Gartenpavillons umgestaltet. Die Art der Arkadenbehandlung findet sich fast in allen französischen Gärten, und noch mehr erinnert daran der breite Kanal und der abschließende Weiher. Die Beziehungen des Habsburger Hofes nach Frankreich waren in jener Zeit allerdings meist gespannt, doch wurde der spätere König Heinrich III. auf seiner Reise nach dem Polenthrone in Wien mit großen Festen empfangen. Die Künstler auf allen Gebieten waren damals ein fahrendes Volk, und am Wiener Hof fanden sie immer reichlich Beschäftigung. Von der eigentlichen Bepflanzung hören wir nicht viel, doch wußte Maximilian 1537 den damals berühmtesten Botaniker Clusius als Garteninspektor zu gewinnen, und seine Anwesenheit bürgt dafür, daß Bäume und Blumen seltener Art in diesen Gärten gezüchtet wurden. Die Blüte dieser Villa war von kurzer Dauer; schon Ende des Jahrhunderts begann man über Verfall zu klagen, und um die Mitte des XVII. Jahrhunderts waren Gebäude und Gärten nicht nur ihrer Schönheit, sondern auch ihrer Bestimmung entkleidet. Statt der heiteren Gäste waren wilde Bestien dort eingezogen, man hatte Gebäude und Gärten in eine Menagerie verwandelt. Damals zuerst entstand auch das Märchen von dem türkischen Zeltlager, und als dann wirklich die gefürchteten Türken 1683 einzogen, wurde es noch dahin ausgeschmückt, daß die fremden Soldaten beim Anblicke des alten Feldlagers ihres Sultans Soliman geweint hätten.
Für uns aber bleibt dieses Neugebäude ein eigenartiges Dokument deutscher Gartenkunst, gerade weil es so einzeln, außer Zusammenhang, erscheint. Immer wieder dringt der Kunststrom mächtig von außen ein, wird mit Begierde ergriffen, doch ohne Stetigkeit, ohne jede nationale Kraft, die das Fremde nur als einen Anstoß eigener fruchtbarer Weiterentwicklung aufnimmt.
Rudolfs II. immer größere Entfremdung von Wien, sein bald erlahmendes Interesse für seine dortigen Besitzungen hatte den schnellen Verfall des Neugebäudes mit sich gebracht. Mehr und mehr spann sich der Kaiser in die Kreise, die er sich selbst gezogen, hinein, bis er sich aus seiner eigentlichen Residenzstadt Prag gar nicht mehr entfernte. Doch nur in den letzten Jahren seiner Regierung schloß er sich in seiner menschenscheuen Melancholie von der äußeren Welt ganz ab. Vorher waren alle seine Herzensinteressen der Kunst zugewandt. Die Kunstkammer auf dem Hradschin hatte Weltruf wegen der fabelhaften Schätze, die sie umfaßte. Und mit besonderer Leidenschaft wandte er sich der Gartenpflege zu J. M. Schottky, Prag, II, S. 101 ff.. Er fand auf dem Hradschin schon ein überaus edles Lustschloß, das Belvedere, das, von einem Schüler Sansovinos erbaut (Abb. 365), wohl fraglos das schönste Bauwerk italienischer Renaissance diesseits der Alpen ist.
Von dem edelgeformten Säulenumgang schaute man auf einen langgestreckten Garten, der, ebenso wie das Lusthaus, unter Ferdinand I. und seinem Sohne, dem Erbauer von Ambras, von einem italienischen Gärtner angelegt wurde. Leider ist kein Bild, keine Schilderung dieser frühen Anlage vorhanden; wir hören nur von phantastischen Festen, so jenem Nachtschauspiel, dem Kaiser Ferdinand I. bei seinem Einzug 1558 vom Säulenumgang des Belvedere zuschaute, eines der Maskenspiele, in denen die Feuerwerk- und Automatenkunst jener Zeit ihre erstaunlichen Triumphe feierte. Rudolf aber wandte bald seine ganze Vorliebe dem Garten zu. Von der Hofburg selbst ist er durch den tieferen Hirschgraben getrennt. Hölzerne Brücken führten vom Hauptschlosse herüber, und der Graben selbst war zu Rudolfs Zeiten nicht mehr mit Wasser ausgefüllt, sondern als Wildpark verwandt. Es war ein besonderes Vergnügen, die Tiere von den hohen überdeckten Brücken aus zu beobachten, »insbesondere zur Brunstzeit, wie sie einander über den Berg und Wall hinunterstürzen« Redel, Das sehenswerte Prag, 1729, S. 75.. Der Garten selbst ist fast eben und auf das Lustschloß orientiert, die Hauptachse ist durch Brunnen bezeichnet, von denen ein zweischaliger, mit Figuren geschmückter, vor der Gartenfront des Belvedere sich noch heute erhalten hat (Abb. 366).
Er trägt seinen Namen »singender Brunnen« von dem ihn krönenden Dudelsackpfeifer, der das Wasser wohl durch seine Pfeife mit singenden Geräuschen geblasen haben wird. Es scheint, daß von hier aus ein Laubengang die Mitte des Gartens bezeichnet hat. Die Grotten des Gartens werden besonders gerühmt. In seiner späteren, trüben Zeit hielt der Kaiser sich gerne darin auf und ergötzte sich an den Wunderspiegeln und der unsichtbaren Musik. Die Besucher aber erfreuten sich vor allem an den wilden Tieren. Am anderen Ende des Gartens beherbergte man in hölzernen Käfigen Löwen, Kamele und andere Tiere. Später, gegen die Mitte des XVII. Jahrhunderts, empfand man die laute Nähe im Schloß zu unbequem und entfernte sie; wahrscheinlich hat man damals das Neugebäude zu einer Menagerie eingerichtet. Rudolfs Hauptleidenschaft aber war die Pflanzenzucht, und dies gab den Gärten die größte Berühmtheit: aus Italien, Spanien und Asien ließ er die Pflanzen zusammentragen, Granatäpfel, Pomeranzen, Zitronen und Limonen kommen nach einer Schilderung von 1632 Zeiller, Reisebuch durch Hoch- und Niederdeutschland, 1632, S. 170. dort vor. Auch die Ehre, die früheste Tulpe in Europa beherbergt zu haben, um die sich so viele Gärten streiten, geben ihm die Reisebücher. Rudolf schmückte diesen Garten mit einer Reihe schöner Statuen. Nach dem Schlosse zu erhoben sich zwei Ballhäuser, die aber, wie der größte Teil des Gartens, in den Belagerungen des Siebenjährigen Krieges zerstört wurden. In diesem Garten lebte der menschenscheue Fürst seine letzten kranken, verdüsterten Lebensjahre; die Fremden, die den Kaiser sehen wollten, zogen Gärtner- und Stallkleidung an, um ihre Neugierde zu befriedigen.
Unter den Künstlern, die den Schutz des kunstsinnigen Kaisers erfuhren, standen obenan die Niederländer. Die vlämischen Provinzen boten damals durch ihre Verbindung mit der spanischen Weltmonarchie einen glücklichen Boden für die Erstarkung einer Kunst, die hier von Anbeginn ein besonderes Streben zeigte, über die nationalen Grenzen hinaus zu wirken. Mit einem unendlichen Heißhunger bemächtigten sich die vlämischen Künstler der Stoffe der realen Welt. Auch die niederländische Gartenkunst jener Tage lebt für uns in einem großen Reichtum von Bildern, in der Malerei, dem Holzschnitt, besonders aber dem damals von den Vlamen mit Leidenschaft gepflegten Kupferstich. Diese große Breite der Produktion verwischt besonders in der Gartenkunst das Individuelle der Darstellung. Auf den zahlreichen Monats- oder Jahresbildern werden Frühling und Sommer, April, Mai, meist auch ein Herbstmonat, fast immer als Gärten dargestellt, die durch die treue Wiedergabe dieser realistischen Kunst in manches wichtige Detail der Anlagen jener Zeit einführen. Wie wenig individuell aber solche Gärten zu nehmen sind, zeigen die Wanderungen, die manche Darstellung von Bild zu Bild macht: Ein Gemälde von Breughel im Museum zu Lille (Abb. 367) und eines von Abel Grimmer in Antwerpen (Abb. 368) zeigen genau den gleichen Garten mit geringer Veränderung der Staffage. Ein italienischer Goldschmied findet auf zwei Stichen nach Hans Boll Gartendarstellungen, die er auf getriebenen Tellern abbildet, nachdem er einige Schmuckdetails in sein italienisches
Formgefühl übersetzt hat Den Nachweis dieser Motivwanderung verdanke ich Herrn Professor Henry Thode. (Abb. 369).
Schwieriger noch läßt sich das besonders Vlämische in Bildern auffinden, die von niederländischen Künstlern gemalt sind, welche an fremden Höfen ihr Brot fanden. Die schöne Gartenlandschaft Valckenborchs (Abb. 370) im Wiener Museum schildert ohne Zweifel einen österreichischen Fürstensitz mit Labyrinth, Weiher und verschiedenen Gärten, die, unter sich abgeschlossen, vollkommen in den Kreis der deutschen Gartenentwicklung hineingehören.
Auch der Architekturmaler Vredeman de Vries lebte und starb am Hofe Rudolfs II. Seine zahlreichen Gartenentwürfe, die er in einer Stichfolge unter dem Titel »Hortorum viridariorumque formae« im Jahre 1568 und 1583 veröffentlichte, tragen einen mehr bürgerlichen Charakter, und wenn er auch dabei vor allem die Gärten seiner Heimat als Vorbild genommen hat, so reihen auch sie sich am besten in die deutsche Entwicklung ein. De Vries studierte eifrig Vitruv und glaubte auch seinen Gärten keine bessere Empfehlung zu geben, als wenn er sie nach den Vitruvschen Ordnungen in Dorica, Jonica und Corinthica einteile. Doch ist von einem wirklichen Stilunterschied hier nicht die Rede. Die Gärten sind einander sehr ähnlich, soweit auch im einzelnen der Versuch einer großen Mannigfaltigkeit gemacht ist.
Immer sind eine Reihe von verschiedenen Gartenteilen einer Anlage durch Hecken oder Zäune getrennt, selten in irgendeiner axialen Anordnung; als Mittelpunkt ist häufig ein Baum, selten ein Pavillon (Abb. 371) mit einer Fontäne, hier und dort auch ein vertieftes Bassin, verwendet. Um die prächtigeren Gärten führen Pergolen mit Türen, Fenstern und Kuppeln (Abb. 372), die Lauben sind oft von schönen, hermengeschmückten Säulen getragen, Statuenschmuck aber findet sich nur sehr selten. Die Beete sind durchweg geometrisch angelegt, manchmal mit Bäumchen an den Ecken oder in der Mitte; Stein- oder Buchseinfassungen umgeben sie. Manchmal ist auch der ganze Garten von Galerien eingeschlossen. Selten stößt solch ein Parterre unmittelbar an das Haus, meist liegt diesem ein Rasenplatz zunächst, der als Spielplatz gedacht ist. Das Wasser ist spärlich, höchstens als Fontäne im Mittelpunkte, niemals als Kanal oder auch nur als großes Bassin behandelt, was der gleichzeitige französische Garten, wie gezeigt, so vielseitig ausbildete. Vergleicht man mit den de Vriesschen Entwürfen einen etwa gleichzeitigen wirklich ausgeführten Garten, wie den Kielmännschen bei Wien (Abb. 373), so zeigt sich deutlich die nahe Verwandtschaft. Auch dieser, wahrhaft vornehme Garten zerlegt sich trotz scheinbaren größeren Zusammenschlusses in eine ganze Reihe von Einzelgärten, von denen jeder von einem prächtigen Gartenhause beherrscht wird, denen sich ebenbürtige Brunnen als Hauptschmuck der geometrischen Beete anreihen. Die Umrahmung mit Laubengängen wie die Eingangstore erinnern an den Schwindtschen Garten, dem dieser zwar an Großräumigkeit und Pracht, nicht aber an Stilempfinden überlegen ist.
Dieser Periode gehört auch noch der Garten an, den Rubens sich bei seinem prächtigen, an malerischen Reizen überreichen Haus in Antwerpen anlegte E. Michel, Rubens, sa vie, son oeuvre et son temps, 1900, p. 296. (Abb. 374). Aus einem großen Hof neben dem Hause gestattet ein dreiteiliges Triumphtor einen Durchblick in den Garten, der hier als Abschluß ein sehr zierliches Gartenhaus hat, das in dem eigenartigen Gemisch von italienischem Stil und vlämischen Motiven, in dem das ganze Haus erbaut wurde, errichtet ist. Tritt man in den Garten, so liegt das große, mit Vasen geschmückte Parterre zur Seite vor dem Hauptsaale des Hauses. Auf dieses folgt noch ein besonders abgeteiltes Gartenstück, in dem ein sehr reicher Pavillon aus Lattenwerk zwischen einer dicht überwachsenen Pergola den Abschluß nach dem Nachbargarten oder auch nach einem letzten Baumgarten bildet. Die Gestaltung der Parterres auf dem Stich von 1692 weist auf eine spätere Zeit, die Anlage jedoch, auch der gänzliche Mangel des Wassers, die helle Zierlichkeit, mit der sich die Bauten in den Garten stellen, die Einfachheit des plastischen Schmuckes bewahrt den Geist, der um die Wende des Jahrhunderts das reiche Antwerpen beherrschte, wo sein größter Künstler sich als einer seiner vornehmsten Bürger dieses schöne Heim schaffen durfte.
Das platte Land von Holland kommt damals für die Gartengestaltung noch kaum in Betracht. Noch wohnten die Geschlechter außerhalb der Städte, meist auf ihren festen Wasserschlössern. Erst als in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts der holländische Handel seinen schnellen, erstaunlichen Aufschwung nahm, konzentrierte sich zuerst der Blumenhandel und die Ausfuhr ausländischer Pflanzen mehr und mehr auf Holland. Welch ein neues Aussehen die Zwiebelgewächse, in erster Linie die Tulpe, den europäischen Gärten geben mußten, liegt auf der Hand; trotzdem sollte sich die Entwicklung des immer mächtiger werdenden französischen Parterregartens bald von diesem bunten Schmuck entfernen. Dazu kam, daß der vielberüchtigte Tulpenhandel mehr und mehr, zuletzt vollkommen, von allem gärtnerischen Kunstinteresse abrückte und ein Terminhandel wurde, der die unschuldige Zwiebel nur noch als Vorwand nahm. Doch trug das botanische Interesse für Holland zeitig Früchte. Schon 1577 wurde der botanische Garten zu Leiden gegründet, der zeitweilig an der Spitze der wissenschaftlichen Gärten stand. Die eigentliche Bedeutung des holländischen Gartens gehört aber erst einer späteren Zeit an, als sich im XVII. Jahrhundert dies Land der reichen Handelsherren um die wachsenden Städte herum und längs der Kanäle mit blühenden Villen bedeckte.
In Deutschland war um die Wende des Jahrhunderts, vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, das Interesse für die Gärten aufs höchste gestiegen. In Wien führten im Fastnachtszuge 1613 die Freiherren Georg Wilhelm Jörger und Wolf Tonradtel »einen Garten, mit schönen Bäumen, Zitronen usw. behängt, samt Musika umher« Teichert, Deutsche Ziergärten, S. 86.. Die französischen und italienischen Gartenschriftsteller begann man ins Deutsche zu übersetzen. 1597 erschien auch das erste deutsche Gartenbuch von Johan Peschel, das in einem langen Titel eine ordentliche Unterweisung aller Gartendinge verspricht Joh. Peschel, Gartenordnung etc., 1597. Ein langer Titel verspricht Belehrung über Wein- und Rosengänge, Labyrinthe, über Pflanzen der Bäume im Quinkunx und manches andere.. Für die Anlage verlangt er vor allen Dingen, daß alles erst auf dem Papier erdacht werden soll, wie man alles in richtige Vierung bringe, dann die Beete hineinzeichne, aber auch überdeckte Gänge, »Stackete, Gelender oder auch Khemerer« genannt. Erst, wenn man alles in richtiges Maß gezeichnet, solle man es auf das Gelände übertragen. Auch in dieser Forderung zeigt sich der theoretisch gerichtete deutsche Geist. Peschels Buch erlebte viele Auflagen, erst im ersten Drittel des XVII. Jahrhunderts machte ihm dann das Gartenbuch des Rostocker Arztes Peter Laurenberg seinen Erfolg streitig; allerdings kam von diesem eine deutsche Ausgabe erst 1671 Peter Laurenberg, Horticultura, 1632, lib. 2. heraus. Aber wirksam waren die vielen Kupfer von Parterres, die hier nach französischen Vorbildern geboten wurden.
Um diese Zeit fehlte es jedoch überhaupt nicht mehr an Vorbildern aller Art. Besonders die Kupferstecher begannen nach dem Vorgang der Niederländer ihre Kunst in den Dienst der Gärten zu stellen. Allen voran steht der Ulmer Joseph Furttenbach, der zehn Jahre in Italien gelebt und als Architekt dort seine Studien gemacht hatte. Er hielt sich hauptsächlich in Norditalien auf, hat aber auch die anderen Teile Italiens bereist und besonders in Caprarola eifrig studiert. Seine Entwürfe auch von Gärten zeigen häufig eine Neigung zu festungsartiger Umrahmung. Heimgekehrt, veröffentlichte er erst einen damals vielgelesenen Reiseführer, dann von 1628 an seine Studien und Entwürfe Jos. Furttenbach: Architectura civilis 1628, Arch. privata 1641, Arch. recreationis 1640, Mannhafter Kunstspiegel 1663.. Aber während das Gärtchen an seinem eigenen Hause, das wir schon kennen gelernt haben, über die Grenzen des Bürgergartens der heimischen Renaissance nicht hinausgeht, zeigen diese Entwürfe deutlich den fremden Einfluß. Es sind Architektenpläne, die in ihrer strengen Regelmäßigkeit und axialen Anordnung den Schulcharakter ausgeprägt tragen, häufig sind die Gärten, wie gesagt, von einem festungsartig behandelten Wassergraben umgeben, wo zum Zeitvertreib auch noch kleine Kanonen auf den Auskragungen aufgestellt sind. Der überaus tätige und phantasievolle Mann war außerdem eifrig für das Wohl seiner Vaterstadt besorgt und hat sich eine soziale Fürsorge ausgedacht, die, seinerzeit weit voraus, zum Teil erst heute wieder in den Interessenkreis eingetreten ist. Nicht nur ein Schulgebäude entwarf er, wo Bänke und Tische für die Gesundheit der Schulkinder zuträglich hergestellt wurden, er dachte sich auch vor dem Tore gelegen einen Schulgarten aus, den er das Paradiesgärtlein s. Furttenbach, Mannhafter Kunstspiegel, S. 46. (Abb. 375) nannte, »hierdurch den Kindern gute Gedancken zu erwecken, in dass Paradies zu spazieren, daselbst ihr Christentuhmb und andere gute und nützliche und rühmliche Künsten zu exerzieren«.
Dahinaus sollten nämlich die Lehrer ihre Schulkinder führen, damit sie dort ihr öffentliches Examen ablegten. Als Prüfungssaal hatte er sich eine große Kuppel als Gartensaal in der Mitte gedacht, die mit vier Kanzeln versehen war, auf denen immer je ein Kind, Buben und Mädchen gegeneinander, ihre kleinen Disputationen halten und an den Wänden ringsum ihre Arbeiten ausstellen sollten. Vier Türen führten je in ein Gartenviertel des großen, von breiten Wegen durchschnittenen Vierecks. Jede dieser Abteilungen ist von Laubengängen in vier kleine Blumengärtlein eingeteilt, von deren blühenden Beeten die kleinen Prüflinge sich zur Belohnung ein Kränzlein pflücken durften; in der Mitte stand je ein großer Springbrunnen. In dem ersten Teile war Adam und Eva abgeformt, und die Menschenmutter pflückte hier von einem lebendigen Paradiesapfelbaume eine Frucht, die sie ihrem Gatten reichte, darunter lasen die Kinder, in Stein gemeißelt:
»Im Garten durch Adams Fall
Der Mensch verderbt wird überall.«
Aber der Trost war gleich in dem rechten Gartenteil zu finden, wo auf einem »sehr holdseligen Hügelin in der Mitte die von Stein gehauene Figur unseres Herrn und Alleinseligmachers Jesu Christi als er im Garten auss dem Grab ufferstanden, mit folgender Underschrifft«:
»Im Garten und durch Christi Todt,
Der Mensch erlöst ward aus der Noth.«
sich befindet. Und wenn die Not des Examens vorüber war, dann sollten die Kinder im Garten umherlaufen und sich an seiner Herrlichkeit erfreuen, Früchte und Blumen pflücken dürfen, und dazu sollte noch jedes Kind einen besonders gebackenen Kringel erhalten. Es verlautet nicht, ob die Ulmer dieses höchst liebevolle und kinderfreundliche Werk ausgeführt haben, oder ob auch dies nur ein Architektentraum geblieben ist.
Neben Furttenbach begann, wenn auch nicht mit einer so starken Betonung des Gartens wie dieser, damals auch der ältere Merian seine fruchtbare Tätigkeit, und er bringt auch eine Fülle von Abbildungen deutscher Schlösser mit ihren Gärten. Sie haben dafür den Vorzug, Bilder wirklich ausgeführter Gärten zu sein. Neben den deutschen Gärten aber werden den Zeitgenossen besonders die Darstellungen fremder, italienischer und französischer Gärten, reiche Anregung geboten haben.
Unter den Gärten, die unmittelbar von Italien beeinflußt waren, steht obenan Hellbrunn bei Salzburg. In den Jahren 1613–1619 saß auf dem Salzburger Bischofstuhl Marcus Sittich, aus der Familie der Hohenems, die schon ihres Ursprungs willen auf der Grenze des romanischen Sprachgebietes sehr viele Beziehungen zum Welschland hatte. Seit Pius IV. aber entwickelten sie als Nepotenfamilie in gleicher Weise in Italien, wo wir sie als Vorgänger der Borghesi mehrfach antrafen, wie in Deutschland ihre Baulust und Gartenfreude. Marcus Sittich vollendete zuerst das von seinen Vorgängern erbaute Mirabellschloß (Abb. 376). Der Schmuck des Gartens, die Parterrezeichnung, gehört erst der französischen Zeit an, die ganze Anlage hat aber ihren Renaissancecharakter bewahrt. Nicht nur, daß die Beziehung auf das Schloß ganz fehlt, der Hauptgarten ist mit hohen Mauern, die nur von schmalen Toren unterbrochen sind, von den Seitengärten getrennt, auch die einzelnen Parterrebeete sind von Balustraden umgeben, die den Zusammenschluß ihrer Zeichnung verhindern. Der eine Seitengarten ist von einer Galerie mit flachem Dachumgang abgeschlossen. Das ganze Bild unterscheidet sich wenig von den uns bekannten Stadtgärten in Augsburg, Nürnberg, Wien.
Die eigenste Schöpfung von Marcus Sittich ist das reizende kleine Lustschloß Hellbrunn L. Hübner, Beschreibung von Salzburg, 1792, II, S. 520 ff. vor den Toren von Salzburg (Abb. 377). Er hat es gleich nach seinem Regierungsantritt begonnen und in 15 Monaten vollendet. Trotzdem der Garten in einigen Teilen zum englischen Parke umgewandelt ist, in andern unter fanzösischem Einflusse erweitert wurde, so bewahrt er doch in seiner ganzen Reihe von Anlagen noch heute den Charakter, den Marcus Sittich ihm gegeben.
Im Schlosse selbst sind, sowohl nach der Eingangsseite (1) wie nach der Gartenseite, im Erdgeschosse Grotten angebracht. Nach dem Garten zu befindet sich unter der breiten Terrasse ein ganzes Grottenstockwerk; die Fülle von Statuen, Wasserscherzen und Automaten, deren Schilderung wir aus den italienischen Gärten kennen, können wir hier, noch zum großen Teil erhalten, bewundern: Die Regengrotte, die Spiegelgrotte, eine andere, in der ein Drache aus einem Felsenloch hervorkommt, aus einem Brunnen trinkt und wieder verschwindet, Vogelstimmen aller Art, ja das beliebte »ruinöse Gewölbe«, in dem die Steine hinabzufallen drohen, fehlen nicht. Vor dieser Gartenfassade breitet sich der große, vertieft liegende Sternweiher (2) aus, in den eine dreistufige Kaskade fließt, oben in einem halbrunden Theater endigend. Die Steinböcke, das Wappentier der Hohenems, sind überall angebracht, ein sicherer Führer für die Anlagen des Marcus Sittich. Von diesem Sternweiher aus zieht sich ein langer, schmaler Kanal hin, der auf beiden Seiten mit einer unerschöpflichen Fülle von Grotten und kleinen Wasserscherzen besetzt ist. Einige Anlagen am Ende des Kanals stammen aus späterer Zeit, wie das mechanische Theater, das kostbare Spielzeug, in dem eine Fülle verschiedener Puppen in allerlei Beschäftigungen auftreten. Die Grottenleidenschaft findet in diesem Garten ihren höchsten Ausdruck. Ein Merianscher Stich zeigt eine Fülle von Grottenhäuschen, die, oben offen oder geschlossen, den Garten beleben.
Auf der andern Seite des Grottenweges lag seitlich vom Hause ein kleines Lusthäuschen, das als Zentralbau mit vier Ecktürmen auf einen kleeblattartigen Weiher orientiert war. Man begann damals in Deutschland im Wetteifer mit den italienischen Casini solche besonderen Lusthäuser im Garten anzulegen. Wir finden sie noch verschiedentlich in den mitteldeutschen Fürstensitzen, und es scheint, daß sich hier ein eigenartiger Zentralbaustil mit starker Betonung der Ecktürme ausgebildet hat. Das Hauptparterre des Heilbrunner Gartens war ein großer Wassergarten: vier Bassins umschließen kleine Parterres, von denen das mittelste auf einem kreisrunden Hügel die Sommerlaube trug, zu der man auf dreißig Stufen emporstieg. Auch vor der Ostfassade des Hauses liegt eine Wasseranlage (3), die sich im Gegensatz zum Hauptgarten noch heute großenteils erhalten hat (Abb. 378): drei Bassins hintereinander, das mittlere oval, die beiden anderen viereckig, sind durch schmale Kanäle verbunden, jedes hat eine Brunnengruppe, dahinter steht ein Steintisch, mit zehn Steinsesseln umstellt. In der Mitte quoll Wasser empor zum Spülen der Gläser; wehe denen aber, die sich auf die Sessel niederließen. Schnell verjagte sie Wasser, das daraus hervorsprudelte, und wenn sie sich dann rückwärts nach der Stufe des halbrunden Grottentheaters flüchten wollten oder nach den schönen balustradengeschmückten Galerien zur Seite, so begrüßte sie ein feiner Sprühregen aus vielen kleinen Röhrchen. Von ihren Steinpostamenten schauten auf dieses lustige Spiel Demokrit und Heraklit, die allegorischen Gestalten von Komödie und Tragödie, und oben in dem mit blauen Steinchen und Muscheln verzierten Halbrund in gebrochenem Giebel Roma, über dem Wappenschilde des Marcus Sittich. Rechts neben dieser Anlage kommt gleich wieder ein kleines Grottenhaus, das Orpheus mit der schlafenden Eurydice und allerlei Getier beherbergt. Daneben liegt eine kleine anmutige Menagerie.
Ein anderes, für die Zeit höchst bemerkenswertes Werk schuf der Erzbischof in seinem Parke auf der Höhe des Waldberges, den er Hohenems nannte. Hier erbaute er ein kleines Kasino, das Monatsschlößchen genannt, weil erzählt wird, daß der Erzbischof, um den Wunsch eines durchreisenden bayerischen Herzogs zu befriedigen, ihn bei seiner Rückkunft nach einem Monat mit dem fertigen Bau überraschte; von den Gartenanlagen ist nichts erhalten, doch führt von der Rückseite des Schlößchens eine breite Straße in eine überaus interessante Anlage. Durch eine Felsenöffnung steigt man hinab in ein in den lebendigen Fels gehauenes antikes Theater mit ringsum führenden Sitzen und Ein- und Ausgängen durch den Fels. Es ist heute sehr verwahrlost, und die eigentliche Schaubühne wurde wohl ad hoc aufgerichtet. Aber Marcus Sittich hat hier Schäferspiele und Opern aufführen lassen, so am 31. Oktober 1617 vor einer fürstlichen Gesellschaft, die von einer Jagd von Berchtesgaden zurückkehrte Hübner, a. o. O., II, S. 540 ff.. Dieses Theater, nicht nur bedeutsam durch den Versuch, nach Palladios großem Vincentiner Vorgang das antike Theater zu beleben, ist auch besonders interessant durch seine Lage in der Einsamkeit des Parks, der abgelegenen Felsenkluft, die eine Stimmung hervorbringt, die wir gewohnt sind in den Gärten des späteren XVIII. Jahrhunderts zu treffen. Zudem ist es auch das erste feststehende Theater im Freien, von dem die Kunde zu uns gedrungen ist, da die große Entwicklung der Naturbühne, die allerdings später lebendige Hecken als Kulissen gebrauchte, erst ein ganzes Jahrhundert später einsetzt. Wie nahe beieinander der Renaissance die Empfindung von Lust, Spiel und Frömmigkeit lagen, haben wir schon in den spanischen und französischen Anlagen gesehen. Auch Marcus Sittich führte wohl seine Gäste vom Schauspiel im Felsentheater wenige Minuten durch den Hirschgarten, wo weiße Hirsche gehalten wurden, zu seiner Einsiedelei. Er bewirtete sie in dem kleinen Schlößchen Belvedere in dem bildergeschmückten Saale, aus dessen Fenster man die herrliche Aussicht über die Salzach nach Hallein hat, und führte sie zu den daneben gelegenen acht Einsiedlerzellen, die er mit sechs kleinen Kapellen dort angesiedelt hatte. In einer dieser Einsiedeleien wohnte damals ein französischer Bruder, Antonius der Fünfte genannt, dessen Grabstein im nahen Pfarrhof von Anif von seinem Leben berichtet:
Nicolaus Mudet war ich genannt,
Lyon das war mein Vaterland.
In Gottesforcht und in Einsamkeit
Bey Hellenbrunn verfloß mein Zeit.
Oftmahls Rom ich besuechet hab,
Letzlich fand ich hier mein Grab.
Diese Fülle der Motive, ihre phantasievolle Anordnung, verdankt der Garten der nahen Verbindung seines Erbauers mit Italien.
Aber auch im übrigen Deutschland war jetzt überall der gespannte Wetteifer der vielen kleinen Fürsten erwacht. Man beobachtete eifersüchtig den Fortschritt des Nachbars. Andererseits zwang der gute Ton, gerne von den neuen Errungenschaften mitzuteilen. Einen amüsanten Einblick in diesen Austausch, der sich natürlich in erster Linie auf seltene botanische Merkwürdigkeiten bezieht, gibt uns das Reisebuch des Augsburger Patriziers Philipp Hainhofer von 1611 bis 1613 Die Reisen des Augsburger Philipp Hainhofer, herausg. von Chr. Häutle: Zeitschr. des hist. Vereins für Schwaben u. Neuenburg, 1881, S. 1 ff.. Hainhofer war fürstlicher Kunstmakler, wohl eine der frühesten Erscheinungen auf diesem Gebiete, ein Mann von großer Kenntnis, feinem Geschmack, mit hellem, scharfem Blick, der ihm die nötige Menschenkenntnis erwarb, eitel und Snob genug, um die Fürsten seine Freude an ihrer Herablassung und Vertraulichkeit fühlen zu lassen, klug und gewissenlos genug, um selbst eine kleine Achselträgerei geschickt durchzuführen, wenn es sein Vorteil erheischte. Er war den Fürsten bald so unentbehrlich geworden, daß sie ihn auch für kleinere diplomatische Sendungen verwandten, bei denen er aber sein Hauptziel, ein Kunstunterhändler zu sein, nie aus den Augen ließ. Zu Kunstkammern und Lusthäusern mit ihren Gärten sucht er stets zuerst Zutritt, und manch eine glückliche Schilderung verdanken wir seinen Relationen. Seine frühesten Verbindungen scheint er mit dem pommerschen Herzog Philipp II. geknüpft zu haben, der sich 1611 ein Lustschloß bauen wollte und sich durch Hainhofer Abbildungen von Pflanzen, Zeichnungen und Aufrisse von anderen deutschen Schlössern verschaffen wollte. Der alte Herzog Wilhelm V. von Bayern, der die Muße nach seiner Abdankung zugunsten seines Sohnes Maximilian besonders der Kunst widmete, wollte sich dem pommerschen Herrn erkenntlich zeigen und bestimmte Hainhofer bei einem Besuche in Augsburg, eine Reise nach Eichstätt zu machen, wohin damals alle botanischen Interessen sich richteten. Der gelehrte, feinsinnige, wenn auch sehr kränkliche Kirchenfürst Johann Conrad von Gemmingen hatte sich sein Schloß Willibaldsburg in der Nähe seines Bischofssitzes Eichstätt prächtig umbauen lassen und die Gärten umher neu angelegt. Hainhofer zählt acht verschiedene Gärten auf, »solche alle unterschiedlich von Ländern, von partimenti, von blumenwerckh, sonderlich von schönen Rosen, Lilien usw. geziert sind« Hainhofer, a. o. O., S. 24/25.. Sie liegen alle, wie in Ambras, um den Fuß des Hügels, den das Schloß krönt, das nach seiner Schilderung mit einem Graben umgeben ist. Der Bischof war damals gerade mit dem Umbau des Schlosses beschäftigt und wollte auch die Gärten wieder ganz »umbkehren und umb das Schloß herunter am berg einander gleich machen«. Ob dies zur Ausführung kam, ist zweifelhaft, da der Bischof schon 1612 stirbt; die Schweden haben dann das Schloß 1634 dem Boden gleich gemacht. Der Prälat aber hat seinem Garten bei seinen Zeitgenossen und bei der Nachwelt durch ein monumentales Werk dauernde Berühmtheit verschafft. Er ließ alle Pflanzen seines Gartens zeichnen und in Kupfer stechen. Wöchentlich wurde ein reitender Bote mit einer Schachtel frischer Blumen nach Nürnberg geschickt, wo der Apotheker Basilius Beseler sie gleich zeichnete und sie daher auch nach ihrer Blütezeit ordnete. Dieses Werk wurde auf 3000 fl. geschätzt und kam erst nach des Bischofs Tode 1613 unter dem Titel »Hortus Eychstedtensis« heraus. Wenn auch nicht in so kostbarer Ausstattung, so legten sich doch die Fürsten alle solche Pflanzenbilder an und tauschten sie dann als Höflichkeitsgruß untereinander aus.
Kurz nachdem Hainhofer seine Reise nach Eichstätt zur Zufriedenheit seines Auftraggebers erledigt hatte, ging er nach München, um bei Herzog Wilhelm Bericht zu erstatten. München war schon unter dem Vater Herzog Wilhelms, dem Herzog Albrecht V., in seine erste große Bauperiode eingetreten, schon dieser hatte im Osten seiner Residenz, jenseits des Stadtgrabens, den Lustgarten erweitert und in italienischem Stile angelegt. In diesem Lustgarten, »Rosengart« genannt, hatte einst bei einem Feste zu Ehren Karls V. der Kaiser mit dem Gemahl des Herzogs den Vortanz geführt. Hainhofer, der, überall gut aufgenommen, Eintritt erhält, sieht diesen Garten, dessen Tage gezählt waren, schildert eine sehr schöne Pergola und ein Lusthaus, das prächtig ausgemalt war und nach der Rückseite in einen Hirschpark schaute. Weit wichtiger aber waren ihm die beiden Gärten, die in dem neuen südlichen Teil der Residenz Herzog Wilhelm während seiner Regierung erbaut hatte. Der kleinere davon, das schöne Gärtlein genannt (Abb. 379), existiert noch heute unter dem Namen Grottenhöfchen, der anmutigste Teil der Residenz. Die Grotte zeigt noch jetzt ihren phantastischen Aufbau aus Tropfstein und Muscheln, mit allerlei Halbedelsteinen geschmückt, von einem goldenen Merkur, der an Giovanni da Bologna erinnert, gekrönt, von andern Brunnenfiguren begleitet. Auch die Ausmalung der Wände ist größtenteils heute wiederhergestellt. In dem kaum 30 zu 20 m großen Gärtchen ist nur der schöne Mittelbrunnen, eine Nachbildung von Benvenuto Cellinis Perseus, der ja auch als Brunnenfigur gedacht war, erhalten; das Wasser »läufft zum Halss und Kopf heraus, als wenn bluet auss den Menschenröhren und Adern lieffe«, erzählt Hainhofer.
Zu seiner Zeit aber war der Garten »inn vier partimenti aussgeteult, die länder (soviel wie Beete) mit weissem Marmelstain aufgesetzt, in jedem partiment ain steinerner Trog mit springendem Wasser, die länder drauss zu beguessen«. Außerdem waren die Mauern ringsumher mit Statuen besetzt und vor der Grotte ein Mosaik aus blauen Steinchen in italienischer Manier gepflastert. Von einem Altan mit vergoldeter Brüstung überschaute man diese liebliche Schöpfung. Wandte man sich auf dieser luftigen Warte nach der andern Seite, so schaute man über den »andern Garten«, der von einem »offen Säälin« beherrscht wird, das im Innern reich mit Brunnen und Statuen geschmückt ist (Abb. 380).
Der Garten selbst, ein langgezogenes, in acht »compartimenti« geteiltes Viereck, ist auf einer Seite von einer langen, offenen Loggia, auf der andern von grün bezogenem Lattenwerk eingeschlossen, bei den compartimenti sind sechs von Hecken, zwei von weißen Steinen umsäumt. In den Ecken stehen Bäumchen, und darin ist »allerlei schön Blumwerkh«. Der Hauptschmuck aber ist ein großer Weiher am Ende des Gartens mit einem figurenreichen Brunnen, den ein Neptun krönt, und diesem gegenüber ein Grottenwerk, dessen Spitze einst jene lebensgroße Bavaria trug, die heute das Rondell im Hofgarten bekrönt. Endlich stand hier auch noch ein runder Tempel, der von einem Pegasus überragt war: eine erstaunliche Menge von Brunnenschmuck in dem immerhin nicht großen Garten. Hainhofer vergißt über diesem Schmuck einmal gänzlich sein botanisches Interesse Hainhofer, a. o. O., S. 73 ff. Die Abbildungen aus M. Wening, Historico-topographica descriptio. Das ist die Beschreibung deß Churfürsten- und Herzogthumbs Ober- und Niederbayerns, München 1701–26.. Herzog Wilhelm hatte hier ein Musterstück eines Residenzgartens geschaffen, einen Aufenthalt im Freien, bei dem der künstliche Schmuck die Hauptsache war. Wilhelm wohnte damals aber nicht in der Residenz, die sich eben sein regierender Sohn prächtig ausbaute, er hatte sich einen besonderen Palast, die heutige Maxburg, erbaut, in der Hainhofer zwar keine Gärten, dafür aber eine Eremitage zu rühmen hat, die zeigt, daß man solche Anlagen nicht nur in entlegenen Parks wie in Gaillon und Hellbrunn anlegte, sondern auch mitten in der Stadt,in einer Residenz. »Alle diese grotta ist zusammengemacht als wie mann in den gemählden und kupferstukhen die patres und eremitas abconterfeit sihet«, meint der gebildete Hainhofer. »Sie ist von rechtem Felsen gemacht, mit eingehauenen Zellen mit Dannen und wilden Bäumen besetzt, quilt ein wässerlein auss dem Felsen heraus, dass macht ein bächlein und ein weyherlein, darin liegen bleygegossene Schlangen, Edechsen, Krotten, Krebs und der suplex, in dieser grotta ist alles nur von bast, strohreiss und stecken zusammengeflochten, der Altar von Felsen. Im stübelin auf den Winter gar ein schlecht öfelin und sihet alles gar finster, melancholisch, andächtig, ja forchtsam auss. Auf der maur ist St. Franciscus in der Wildnuss gemahlet, die Deckhin nur von raiss und gestreiss zusamen geflochten wie hüttenen. An der maur hats ein baum, darin steckt ein Zapfen, wenn man ihn herauszücht, so sihet man durch den Baum hinauss an Stadtthurm und an die Uhr, wieviel es geschlagen, und ist dieses das Merkzeichen dieser grotten. Es hat auch eine kleine loggia über das wasserlin, darin liegt ein lang Brett auf stelzen und seind ein zwölf nidere stüele auss stro und reiss zusamengeflochten, welch man für die fürstlichen Personen hineingetan ... als sie in dieser grotten bey den Cartheüsern tafel gehalten haben. Es hat zwei Cartheüser in dieser grotte, ein Priester und ein Layenbruder. Den Priester fragte ich, ob ihm die weil nie lange seye, sagte er nein, er meditiere immer: quid Deus fecerit pro se, quid Deus faciat in se, quid Deus facturus sit de se« Hainhofer, a. o. O., S. 64 ff.. Das war ganz etwas für Wilhelms Sinnesart, der immer geistlich, in grobes Tuch gekleidet, ging, seine ganze Dienerschaft in schwarze Gewänder steckte, sich geheime Gänge von dem Schlosse zu den Jesuiten und den Kapuzinern bauen ließ, und doch der weltlichen Kunst und Pracht seine ganze Neigung und Zeit zuwandte.
Der Hauptgarten der Residenz aber war zur Zeit von Hainhofers erstem Besuch noch nicht einmal begonnen, ihn legte erst Maximilian als letztes Prunkstück seiner vollendeten Residenz bald darauf im Norden jenseits des Stadtgrabens an, nachdem der alte Lustgarten, wie gesagt, Erweiterungsbauten zum Opfer gefallen war. Erst die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zog diesen Garten in die Stadtbefestigung hinein. Bei Ausbruch dieser schicksalsschweren Zeit aber war der Garten schon ganz fertig. Maximilian hatte noch als Thronfolger eine Reise nach Italien gemacht, dort seinen Kunstgeschmack geläutert, wovon besonders die Innenausschmückung seiner Residenz viel zu sagen hat.
Der Garten (Abb. 381) hat zwar ein feines italienisches Kasino mit flachem, balustradengeschmücktem Dach und offener Halle als beherrschendes Bauwerk, zeigt aber in seiner ganzen Anlage eine weit mehr nach französischen Vorbildern neigende Gestaltung. Vor dem Kasino liegen zwei durch einen Mittelgang getrennte balustradengesäumte Weiher mit Springbrunnen in der Mitte. Auf halbem Wege des Mittelganges, der sich in ein Rondell erweitert, wurde erst später ein grüner Pavillon errichtet. Dagegen scheint von Anfang an der große Mittelpavillon, der die einzelnen Teile des großen Gartens zusammenhält, mit der Bavaria aus dem Garten der Residenz geschmückt worden zu sein. Dieser Hauptgarten liegt höher als die Weiher. Hinauf führt ein geneigtes, in sechs Teile zerlegtes Gartenstück. Alle vier Teile des Hauptgartens sind durch besondere, grünbewachsene Tore zugänglich. Die Bepflanzung der Abbildung gehört einer späteren Zeit, dem Ende des XVII. Jahrhunderts, an, die weit einfachere Einteilung der Parterrebeete hat der Meriansche Stich aufbewahrt.
Neben Maximilian pflegte auch sein Bruder Albrecht eifrig die edle Gartenkunst; seine prächtigen Gärten lagen am sogenannten Schiffertor jenseits des Stadtzwingers. Dort erging sich Albrecht mit seinem Freunde und Günstling, dem Jesuiten Jakob Balde, der, der letzte und beste der neulateinischen Dichter, zum Danke ihr Lob in Horazischen Versen sang. In Herders Übersetzung sind sie in unsere Literatur übergegangen. Balde nennt sie hängende Gärten; über die Säulen gelehnt schaut er mit seinem königlichen Freunde in die Tiefe des Zwingers, der in friedlichen Zeiten selbst als Garten angelegt war. Am Eingang stand ein holdseliger, marmorner Knabe:
Hat Flora, nachdem sie hier
Die Blumen alle dieses Gartens
Mütterlich ordnete, dich geboren?
heißt es in einem besonderen Lobgedicht auf diese Statue, und den Überreichtum der Blumen weiß der Lobgesang auf diese Sternenau, wie der Dichter den Garten nennt, nicht genugsam zu preisen. Das war schon mitten im Dreißigjährigen Kriege, der auch in Bayern die Bautätigkeit hemmte. Aber wenigstens erhalten sich im schützenden Weichbild der Stadt die Gärten, bis eine ruhigere Zeit sich ihnen neu wieder auch draußen zuwenden durfte. Reizvolle Schöpfungen hat diese angeregte Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg auch außerhalb Münchens in Bayern hervorgebracht. Das Schloß Haimhausen (Abb. 382) zeigt ein fast italienisches Stilempfinden in dem feinen Aufbau der Terrasse mit Grotte und Treppenaufgang. Am Ende des Gartens ziert den Wirtschaftshof eine prächtige Fontäne, sie flankieren zwei große Bäume, in die in mehreren Etagen Zimmer und Sitze gebaut sind; eine Sitte, die vom Altertum in das Mittelalter vererbt wurde, in Deutschland sich aber besonders reich entwickelt hat.
Im Wetteifer mit den Münchner Fürsten erbaute sich auch der Herzog Friedrich von Württemberg ein neues Lustschloß in Stuttgart (Abb. 383).
Die fürstliche Residenz mit ihren Parterres steht auch hier nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ziergarten, sondern ist durch einen breiten Weg von ihm getrennt Merian, Topographie IV, Schwaben.. Dieser Garten hat zwar auch ein Lusthaus als architektonischen Mittelpunkt, überrascht aber durch den nordischen Geist, der ihn beherrscht. Das prächtige Lusthaus, mit seiner etwas wunderlichen Mischung von gotischen und Renaissanceformen, hat einen großen, malerischen Reiz; der luftige, breite Altan, der um das mit Ecktürmchen und hohem Giebel geschmückte Haus läuft, bot einen herrlichen Raum für heitere Geselligkeit. Hierin wäre nun wohl auch die unmittelbare Überleitung vom Hause nach dem Garten gegeben, aber man vergleiche nur die strenge axiale Anlage der Münchner Gärten unter französischem Einfluß mit diesem. Eine Fülle von Einzelmotiven zeigt sich; jeder Teil aber ist ganz für sich behandelt, ohne Beziehung auf seinen Nachbarn. Das Hauptstück, der große Blumengarten, liegt zwar zur Seite des Hauses, aber ohne Beziehung auf dasselbe, es sei denn, daß das Mittelstück, ein kreisrunder Stufenhügel, durch die Behandlung des krönenden Pavillons als kleines Kastell mit dem Stil des Hauses übereinstimmt. Unter den äußeren Teilen des Gartens, Spielplätzen und Baumgärten, bildet eine besondere Zierde die Orangerie, die eine der ältesten und berühmtesten in Deutschland war.
Fast bei jedem Garten, oder doch Gartenkomplex, haben wir noch einen neuen Stileinfluß feststellen können. Trotz nahen Verkehrs, trotz regsten Austausches wollte sich in Deutschland selbst in dieser lebendigen Zeit keine Stileinheit bilden. Wir schreiten von Gartenindividualität zu Gartenindividualität, um wieder ein neues, ganz anderes Bild zu finden. Frankreich und Italien beginnen sich um die Herrschaft in Deutschland zu streiten. Ein hohes Ziel des Wetteifers mit Italien setzen sich die Gartenschöpfer des Stuttgart benachbarten Heidelberger Schlosses (Abb. 384). Es gibt wohl kaum ein Bauwerk in der Welt, das, wie dies Schloß im anmutigen Neckartal, so vielseitige und immer wieder wache Aufmerksamkeit erregt; ebenso einst, als es in seiner ganzen Schönheit prangte, wie jetzt, da es in Ruinen einen neuen Zauber erhalten hat. Der steil aufsteigende Abhang des Königsstuhles mußte jede Anlage von Gärten in größerem Stile sehr erschweren, darum hatten sich die Pfalzgrafen auch lange Zeit begnügt, unten in der Ebene vor den Mauern des Städtchens Zwischen Plöck und Hauptstraße erstreckte sich dieser Garten. einen Garten zu pflegen, der der Hof- oder Herrengarten genannt wurde. Er muß nicht ohne Bedeutung gewesen sein: schöne Brunnen schmückten ihn, vor allem aber genoß schon Ende des XVI. Jahrhunderts sein Pomeranzengarten eine gewisse Weltberühmtheit. Olivier de Serres hebt in seinem Buche Olivier de Serres, Théâtre d'Agriculture, 1651, cap. XVI, p. 618. das Heidelberger Pomeranzenhaus als ein Prachtbeispiel heraus. Man pflanzte damals die edlen Bäume, wie auch die Feigen, nicht in Kübeln, sondern direkt in die Erde und baute im Winter ein hölzernes Haus darüber, so daß man sich im Sommer zwischen den Bäumen wie in einem südlichen Orangenhain ergehen konnte. Man kannte diese Art des Schutzes der südlichen Bäume in Deutschland schon lange. Auch hier schickten sich die Fürsten gegenseitig ihre Modelle, schon 1559 erhält Joachim II. von Brandenburg ein Modell von Kurfürst August von Sachsen. Von der Größe und Schönheit der Heidelberger Bäume spricht nicht nur Olivier de Serres mit Bewunderung, sondern auch der seltsame pfälzische Abenteurer Michael Heberer, den man um seiner Seeirrfahrten, türkischen Gefangenschaft und wunderbaren Befreiung willen den pfälzischen Robinson genannt hat. Der Vielgereiste hat »desgleichen nicht in Italien und Ägypten viel gefunden«. »Ferner«, berichtet er weiter, »hat ihre kurfürstliche Gnaden noch einen großen, schönen Garten, der Seegarten genannt, nächst an der Vorstadt, unten an dem Berg (Gaisberg), welcher zum Teil mit einem herrlichen Weinwuchs mit in die Mauern gefaßt ist. In diesem Garten hält man oftermals ritterliche Übungen und Musterungen des Ausschusses von dem Landvolk« Michael Heberer, Aegyptiaca Servitus, p. 9.. Allmählich aber empfand man den weiten Weg vom Schlosse herab zu diesen Gärten als unbequem. Als Friedrich V. von der Pfalz sich 1613 mit Jakobs I. von England Tochter Elisabeth vermählte und bald darauf Herrscher in seinem Lande wurde, plante er die Anlage eines großen Prachtgartens neben seinem Schloß, wie Deutschland noch keinen gesehen hatte.
Elisabeth wußte den für die Ausführung geeigneten Mann zu finden, sie berief ihren Lehrer Salomon de Caus, der nach ihres Bruders Tode und ihrem Fortgang seiner Tätigkeit beraubt war. Elisabeth hatte ihren Bruder Heinrich Friedrich besonders geliebt – hatte dieser doch geplant, die Schwester nach Deutschland zu begleiten, um dort Brautschau zu halten – nun freute sie sich, als sie nach Heidelberg einzog, in diesem gemeinsamen Lehrer eine lebendige Erinnerung an den geliebten Toten zu behalten; so kam Salomon de Caus als Architekt an den pfälzischen Hof. Das Büchlein mit den Grotten- und Fontänezeichnungen sammelte er und widmete es 1615 Elisabeth als ein Andenken an den Bruder Salomon de Caus, La perspective avec la raison des ombres et miroirs, 1612, dem Prinzen von Wales gewidmet. Salomon de Caus, Raisons des forces mouvantes, Livre II, où sont dessinées plusieurs grottes et fontaines propres pour ornements des palais, maisons de plaisance et jardins., dem er schon 1612 ein früheres gewidmet hatte. Es sollte ihm zudem als eine wichtige Unterstützung und Ideenvorratskammer für das große Werk dienen, das er nun unverzüglich und mit größtem Eifer begann: die Erbauung des Heidelberger Gartens. Er fand damals neben dem Schlosse außerhalb des Wallgrabens nichts als einen kleinen, 1508 errichteten ebenen Platz, etwa 200 Fuß im Geviert, mit Mauern umfangen. Der Platz, in dessen Mitte das Küferhaus stand, wurde Hasengarten genannt, die wenigen Abbildungen zeigen hier nichts von eigentlichen Gartenanlagen, doch dürfen wir schon Gemüsezucht oder ähnliches annehmen. Über diesem Platze stieg der Berg steil empor, durch die tiefe störende Talfalte des Friesenberges unterbrochen. Das Gelände war für die Anlage eines großen Terrassengartens, wie Salomon de Caus ihn plante, so ungünstig wie nur möglich; und bewundernswert ist, was der Baumeister durch Abtragen des Berghangs und Auffüllung des Tales geleistet hat. Selbst Villa d'Este bot keine größeren Schwierigkeiten; an manchen Stellen beträgt die Aufmauerung bis zu 70, ja 80 Fuß, so daß die sichtbaren kolossalen Mauernischen der großen Terrasse nicht einmal das Bedeutendste dieses Erdbewegungswerkes sind. Und in kaum zwei Jahren war dies ganze Werk, die Schaffung von vier resp. fünf Terrassen, fertig, bereit, um darauf den vielbesprochenen Heidelberger Schloßgarten zu tragen (Abb. 385). Wenn Salomon de Caus in diesen Grundarbeiten der Terrainbewegung sich als Meister gezeigt hatte, so hatte er, trotz seiner italienischen Reisen, trotz seiner Studien in Villa d'Este und Pratolino, nicht vermocht, sich den künstlerischen Einheitsgedanken, die Proportionen, die Unterordnung des Vielen unter das Ganze, zu eigen zu machen. De Caus war ein vielseitiger Kopf, nicht ohne künstlerische Begabung auch für die Gartenkunst, wie der Reichtum an Motiven, von denen unser Garten mehr aufweist als irgendeiner seiner Zeit, zeigt. Es war ihm hier zudem eine außerordentlich schwierige Aufgabe gestellt: das Schloß lag außer jeder Zusammenhangsmöglichkeit mit dem Garten, ein Gebäudekomplex, den die verschiedensten Jahrhunderte, jedes in seinem Stil, unter sich malerisch, aber nicht einheitlich zusammengeschlossen hatten. Der unregelmäßig verlaufende Wallgraben trennte das Schloß von dem Berge. Um wirklich etwas Befriedigendes zu erreichen, hätte sich der Pfalzgraf einen ganz neuen architektonischen Sammelpunkt in einem Lusthause auf der Höhe schaffen müssen, dazu aber lag kein Bedürfnis vor.
Bei dieser Unsicherheit des architektonischen Anschlusses verzichtete nun de Caus auf jede axiale Anordnung; dies entsprang aber auch aus der künstlerischen Unfähigkeit, vor allem Treppen anzulegen. Der Heidelberger Garten ist das beste negative Beispiel dafür, wie sehr ein harmonisch proportional entworfenes Treppensystem den Aufbau eines Terrassengartens unterstützt. Nur so hätte de Caus trotz der Ungunst des einschneidenden Friesentals ein harmonisches Bild erreichen können. Seinen Treppen aber mangelt jede künstlerische Konstruktion, sie sind nichts weiter als steile halsbrecherische Verbindungswege von Terrasse zu Terrasse. Der Italiener, der Römer in erster Linie, hatte damals längst begriffen, welch eine Folie bequem und schön angelegte Treppen für jede pomphafte Entfaltung großer Geselligkeit waren. Auf den Treppen jener glücklichen Gärten schafft sich die Phantasie die Gruppen lachender schöner Frauen und stolzer Edelleute, die sich dort auf und ab bewegen – auf den steilen Treppen des Heidelberger Gartens sehen wir höchstens Liselotte in wilden Sprüngen herunterhüpfen, wenn sie sich auf der obersten Terrasse beim Ball- oder Kegelspiel müde getummelt hatte. Doch auch abgesehen von den Treppen lag eine axiale Anordnung für Salomon de Caus außerhalb seiner künstlerischen Möglichkeiten. Das Friesental zwang ihn, den Garten zweischenklig im rechten Winkel umzubiegen, dadurch erhielt er zwei Terrassenfluchten. Jedesmal schmückte er die oberste Terrasse mit einer phantastischen, doch wirksamen Grottenbekrönung. Auf keiner Seite aber wird diese dazu benutzt, den Blick unter einem Mittelpunkt zu ordnen, beide Male sind die Grotten wie absichtlich zur Seite gerückt, während das Auge fast mit Sehnsucht nach diesem Abschluß sucht. In gleicher Weise ist das Wasser vielseitig, aber systemlos behandelt. Dem Baumeister lag die mittelalterliche Einzelbehandlung verschiedener Gartenteile noch zu sehr im Blute. Nicht einmal eine Terrasse behandelt er einheitlich. Salomon de Caus hat, nachdem im Jahre 1618 durch die Berufung Friedrichs V. auf den böhmischen Königsthron und den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges der Bau jäh unterbrochen wurde, zwei Jahre später den Garten selbst genau beschrieben und durch Kupfer erläutert, so daß nicht nur alles, was mit erstaunlicher Geschwindigkeit bis zum Jahre 1618 gefördert war, sondern das Bild des ganzen Gartens, wie der Entwurf des Architekten ihn erdacht hat, vor uns steht Salomon de Caus, Hortus Palatinus, 1618..
Nach dieser Publikation ist dann das Fouquièresche Bild gemalt, das wieder als Vorbild des Merianschen Stiches diente. Auf der breiten Hauptterrasse des Gartens, die auf gleicher Höhe mit dem Schloßeingang liegt, durchwandern wir, wenn wir ein abschließendes Gebäude, eine Art Vogelhaus, durchschritten haben, zuerst fünf verschiedene Parterres, jedes für sich behandelt, oft sogar mit besonderen kleinen Eingangstoren abgeschlossen (Abb. 386), im Zentrum ein Brunnen oder eine Statue, die Wege mit Hecken gesäumt oder von Pergolen mit Pavillons überdeckt. Die Beete sind in verschiedenen Mustern angelegt, zur Aufnahme von Blumen oder kleinen Orangenbäumen auf kleinen Rasenflächen. Dahinter, dicht an der Futtermauer der höheren Terrasse, liegt ein Wassergarten.
Aus einem Bassin in der Ecke der höheren Seitenterrasse fließt das Wasser in einen Brunnen, ein tieferes Bassin gibt es in zwei mit Statuen geschmückte (Abb. 387) Becken weiter; die Anlage endet in einem zierlichen, wirkungsvollen Wasserparterre (Abb. 388), das aber seltsamerweise auch nicht axial zu den Bassins angeordnet ist.
In der Futtermauer zur höheren Terrasse liegt hier, fast an der Ecke des Gartens, der Eingang zu der großen Grotte, die ihr Wasser aus einem wieder zur Seite gerückten, oberen, mit hübschen Balustraden umsäumten Reservoir erhält, das ein Venusbrunnen schmückt. Das Wasser stürzt auf einer Treppe im Innern der Grotte herab und speist dort noch verschiedene Brunnen (Abb. 389). Von dem Venusbrunnen führt seitlich eine eigenartige konvexe Doppeltreppe zu der zierlichen, aus Grün geschnittenen Architektur der höchsten Stufe. Die seitliche, lange Terrasse, zu der die zwei steilen Treppen emporführen, hat unbedeutende Parterrebeete, darüber liegt der schmale, lange Ballspielweg, den gegen den Berg eine mächtige, noch vorhandene Nische, mit dem Bilde Friedrichs V. gekrönt, abschließt. Auf der andern Seite sollte eine gleiche Architektur den Schlußpunkt bilden. Ebenso beabsichtigte der Baumeister, diese Bahn im rechten Winkel bis an das Ende der großen Terrasse fortzuführen. Dem Eingang des Schlosses gegenüber waren auf aufsteigender Terrasse noch großartige Grottenanlagen geplant mit prächtiger Fassadenverzierung, mit Brunnen- und Statuenschmuck im Innern; diese Teile sind niemals ganz fertig geworden. Auch die große Terrasse, die sich dem Schloß gegenüber auf mächtigen Schwibbogen über dem Friesental erhebt, hat nur teilweise ihre Ausgestaltung erhalten. Zuerst hatte man hierher die alten berühmten Pomeranzenbäume aus dem Herrengarten mit unsäglicher Mühe den Berg heraufgebracht und in einem schmalen, langen Garten wieder eingepflanzt, was mit Recht allgemeine Bewunderung erregte. Das hölzerne Winterhaus wollte de Caus durch ein steinernes ersetzen, dessen Dach und Fenster im Sommer herausgenommen werden konnten, so daß die Säulenarchitektur wie eine durchbrochene Mauer wirken sollte. Über diesem 280 Fuß langen Garten sollte auf erhöhter Terrasse ein Labyrinth angelegt werden, das diesen Garten zugleich schützte und krönte, doch ist dieses nie fertig geworden. Dahinter folgte in zierlicher Anlage mit Eckpavillons der medizinisch-botanische Garten und endlich als Abschluß ein großer viereckiger Turm, neben dem Kabinette, aus grünen Hecken geschnitten, lagen; auch der Turm hat sich nie über die Fundamente erhoben. Im Winkel dieser großen Mittelterrassen gelangte man auf einer mächtigen, dreiseitigen, aber recht ungeschickten Treppe zu dem untersten Garten, der um seiner Kleinheit willen einheitlich behandelt wurde: um das große figurengeschmückte Mittelbassin liegen zu beiden Seiten je vier von einer Statue zusammengehaltene Parterrebeete, je zwei Rampentreppen an der vorderen Futtermauer, die eine kleine Brunnenarchitektur umsäumen, leiten zur oberen Terrasse; alles dies muß für sich einen stimmungsvoll anmutigen Garten gebildet haben. Salomon de Caus' Beschreibung meldet seltsamerweise nichts von der Anlage des sogenannten Stückgartens vorne an dem neuen Bau, den er für seine junge Herrin Elisabeth errichtete; und doch war dieser ebene Garten auf der der Stadt zugewandten Terrasse sicher fertig angelegt. Das hübsche, dekorativ wirksame Eingangstor, das heute noch steht, zeigt die gleiche Architektur, wie sie de Caus für das steinerne Pomeranzenhaus projektierte. Eine Inschrift meldet, daß der Pfalzgraf dieses Tor seiner Gemahlin zu Ehren errichtet habe; es schloß sich an eine Mauer, an deren anderm Ende an der Terrassenmauer sich ein Vogelhaus erhob. Kein Bild meldet die innere Einteilung dieses Gartens, der durch Brücken mit dem neuen Bau des Schlosses verbunden war. Nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges wurde der Garten wiederhergestellt Johann Metzger, Beschreibung des Heidelberger Schlosses und Gartens, 1829., hier und dort kleine Veränderungen angebracht, bis er mit den Gebäuden des Schlosses selbst völlig zerfiel. Im Jahre 1805 endlich legte man auf den Terrassen einen Garten im englischen Stile an, der, unglücklich genug, seine malerischen Baum- und Strauchgruppen dem mächtigen Terrassengerippe anzupassen suchte. Heute muß man mit Mühe einzelne zerstörte Reste der Grotten und Nischen zusammensuchen, um sich mit Hilfe solcher Angelpunkte das alte Bild aufzubauen.
Andreas Harten, ein wunderlicher Heiliger und schwärmerischer Protestant, gab im Jahre 1648 ein kurioses Gartenbüchlein heraus, in dem er auf 233 Seiten die Bibel mit einem Lustgarten vergleicht. Der Titel seines Büchleins, das voll Aberglauben und Hexenwahn ist, führt den Namen »Geist- und weltlicher Gartenbau« Andreas Harten, Geist- und Weltlicher Gartenbau, 1648.. Er war aber trotz allem und trotz seiner Herkunft als Schenkwärter ein tüchtiger Gärtner, damals bei dem Freiherrn Christian von Schönburg-Glauchau-Waldenburg zu Rochsburg in Sachsen angestellt. Harten schildert diesen Garten, den er selbst zu großer Blüte brachte: mit Heckengängen, die mit Kuppeln, Türmen, Türen und Fenstern versehen waren, mit symmetrisch angelegten Blumenparterres, welche wieder in kleine, durch Buchsbaum getrennte Abteilungen zerfielen, deren jede ein Gewächs aufnahm, ganz in der alten, uns bekannten Weise. In seinem Buche erzählt er, wie nach der Reformation, der er alles Gute zuspricht, »das nützliche und nötige Gebäude der Gärten und Kräuter wiederum in einen solchen Flor geraten sei, wiewohl mit großen Kosten, daß sich fast kein Bürgersmann in einer Stadt läßt etwas dauern, auf Gartengebäude Kosten zu wenden, will geschweigen Potentaten, Herren und die vom Adel«. Dieser glücklichen Zeit vor dem Dreißigjährigen Kriege setzt er die traurige entgegen, die er eben erlebt. »Den lieben Gartenbau noch täglich zu hindern, wendet der Teufel allezeit möglichen Fleiß an und sucht am rechten Orte, nämlich er verhetzt (um unserer Sünde willen) große Potentaten aneinander und zusammen, daß sie alle ruhigen Augen- und Herzenslust (so sie vor Zeiten an den Gärten gehabt) aus den Augen setzen und fahren lassen und wenden allen möglichen Kosten auf unsäglichen Unfried und Krieg (dabei sie doch nur Angst, Not und Gefahr und alle Widerwärtigkeit haben), welche sie vor Zeiten haben auf schöne Lustgärten gewendet, davon sie allerhand ergötzliche Nutzbarkeiten zu genießen gehabt und auch noch zu genießen haben.«
Doch inmitten aller dieser kulturfeindlichen Kriegsstürme, die der Gartenkunst besonders abhold waren, gab es doch manche Ausnahmen. Harten rühmt selbst von seinem Herrn, »daß er zu dem löblichen Gartenbau eine sonderliche Affektion und Beliebtheit trage«. In dem gleichen Jahre wie Harten gibt ein anderer fürstlicher Gärtner eine ausführliche Schilderung von seines Gebieters, des Herzogs von Braunschweig, Garten. Bei Wolfenbüttel liegt der schöne, von Wasser umgebene Garten von Hessem Joh. Royer, Beschreibung des gantzen Fürstl. Braunschweigischen Gartens zu Hessem, 1648., dessen einzelne Parterres besonders reich von allerlei Figuren verschnittener Hecken umgeben sind (Abb. 390). Die Parterrebeete sind auch besonders künstlich in Sternen und Wappen angelegt. Eines davon trägt den Hauptschmuck, einen prachtvollen Brunnen, der einst um 8000 Gulden von Augsburger Kaufleuten erhandelt war.
Und mitten aus dem Kriege, da, wo sein Herzschlag am wildesten und unruhigsten pochte, hören wir eine Stimme, die unermüdlich, von den großen Kunstanlagen bis in die kleinsten Details hinein, sich um das friedliche Handwerk der Gärtenanlagen sorgt und kümmert. Und diese Stimme gehört dem Manne an, der das Kriegssteuer in fester Hand hält: Wallenstein, Herzog von Friedland. Es ist ein seltsames Schauspiel, zu sehen, wie dieser Mann, dessen weitschauende Pläne die Herrscher beunruhigten, der fortwährend seine Blicke nach den Höhen der Welt richtete, nie, und mochte er selbst am schwindelnden Abgrund stehen, die Sorge für sein Hauswesen aus den Augen verlor. Als der Fürst Gitschin in Böhmen zu seiner Residenz erhob, war es ein elender Flecken von 198 Schindelhäusern; durch unermüdliche Sorge, Ermahnung, Drohung, und vor allem Geldunterstützung, brachte er die Bürger dazu, sich bessere Häuser zu bauen, Ordnung und Sauberkeit einzuführen. Er selbst erbaute sich dort ein prächtiges Schloß, dessen Bau er unaufhörlich betreibt. Der Garten, den er sich hinter dem Schlosse anlegte, scheint ähnlich wie der später in Prag ausgeführte entworfen zu sein. Im Juni 1630, kurz ehe er nach dem Sturz durch den Regensburger Fürstentag in Gitschin seine Residenz aufschlug, schreibt er: »ist mir recht, so ist in dem disegno vom Garten keine Fontana gleich vor der Loga designiert gewest. Sagt dem Baumeister, daß gleich in der Mitte auf dem Platz vor der Loga muß eine großmächtige Fontana seyn, dahin alles Wasser laufen wird, alsdann aus derselben, daß sich das Wasser auf die rechte und linke Hand teilt, und sie andere Fontanen so in den Quadri seyn, laufen macht. Schickt mir das disegno vom Garten, wie nicht weniger von einer jeden Fontana mit Numeri und geschrieben, was ein jeder bedarf« Forster, Wallenstein als Feldherr und Landesfürst, S. 367 ff.. Gitschin hatte einem Landschlosse gemäß einen bedeutsamen Park, von dessen 12+000 m im Geviert betragenden Quadrat eine breite, vierfache Lindenallee nach der Stadt führte. Der Fürst ordnete Wächter an, »damit die Linden von den vollen, aus der Stadt kommenden Leuten nicht verderbt werden«. Im Parke zog der Herzog die seltensten ausländischen Bäume und Sträucher. Das Wasser des Gartens, der sechs Springbrunnen und einen Schwanenteich hatte, war in acht künstlichen Wasserleitungen herbeigeführt; ein Fasan- und Tiergarten fehlte nicht. Eine deutlichere Vorstellung können wir uns noch heute von dem Garten seiner städtischen Residenz in Prag machen, »des Herzogs Haus«, dem seine Fürsorge in den letzten Jahren vor seiner Ermordung galt. Einige zwanzig Bürgerhäuser und andere Gebäude ließ der Fürst niederreißen, um hier einen prächtigen Palast anzulegen. Auch hier schmückt wie in Gitschin die Gartenfront des großen, unregelmäßigen Baues eine offene Loggia in rein italienischem Stile (Abb. 391). Auf einer Seite liegt das Badekabinett des Fürsten, als Grottenarchitektur behandelt. Eine Wendeltreppe führt von hier zu des Herzogs privatem Arbeitszimmer hinauf. Vor dieser Loggia liegt ein breiter Gartenplatz mit einer schönen Fontäne als Mittelpunkt, ringsum ein Parterre von vier Beeten. Die Ungunst der Lage läßt dem Garten nicht zu, sich von hier aus in seiner ganzen Länge zu entfalten, so daß weder die edle Loggia, noch der Garten zu einem vollendet geschlossenen Bilde kommt. Man muß zur Seite der Halle vor das große Vogelhaus treten, um nun die Längsachse des Terrains abzusehen. Auch hier sind die Parterres durch Springbrunnen zusammengehalten und der Garten hinten in seiner ganzen Breite durch einen großen Wasserspiegel eingenommen, in dessen Mitte eine Insel lag, auf der vielleicht eine Brunnengruppe den point de vue gebildet hat. In den arkadenartigen Nischen haben einst Statuen gestanden, von deren Aufstellung die Briefe viel sprechen. Unter andern stand hier noch 1793 ein bronzener Herkules. Das Vogelhaus ist ein großes Drahtgebäude, dessen Wände mit allerlei Muschel- und Tropfsteinwerk verkleidet sind, das auch heute noch die Mauer daneben schmückt. In dem Vogelhause waren nach italienischer Sitte Hecken, Buschwerk und Bäume gepflanzt, in denen die Vögel nisteten, wie im Palazzo Doria in Genua. In allen Einzelmotiven herrscht deutlich italienischer Einfluß, der um diese Zeit überall zu spüren ist. Baccio di Bianco, der später nach Spanien übersiedelte Gartenkünstler, war eine Zeitlang hier tätig. Aber das ganze Bild der Kleinseite in Prag muß damals in ihrem Aufbau einen italienischen Eindruck gemacht haben. Auf der Höhe der köstliche Bau des XVI. Jahrhunderts, das Belvedere, an den Abhängen die Terrassengärten der Lobkowitzschen und Fürstenbergschen Palais, bei denen man noch an einzelnen Überresten von Rampentreppen, Grotten und Pavillons ihre einstige Anlage ahnen kann, endlich in der Ebene das Haus des Fürsten Waldstein.
Eine Wallenstein in mancher Hinsicht ähnliche Natur, die der lange Krieg zum Helden gebildet hatte und der ihr Abenteuerleben doch nur die Lust zur Friedensarbeit des Bauens und Pflanzens vermehrte, war Moritz von Nassau. Er hat den Krieg freilich überlebt, und seine Bautätigkeit in Deutschland gehört auch erst der Zeit nach diesem Kriege an, doch hatte er schon vorher bewiesen, wie er Krieg und Frieden mit starker Hand zusammenhalten konnte. Fabelhaftes erzählt man sich von seiner Tätigkeit als Bauherr in Brasilien, wohin er im Dienste des holländischen Staates geschickt wurde. In der kurzen Zeit von sieben Jahren hatte er auf der Stelle des heutigen Pernambuko nicht weniger als drei große Bauten geschaffen, darunter zwei Paläste, die Freiburg und Boa Vista (Bellevue), die nach den flüchtigen Schilderungen grabenumflossene Paläste, von Türmen flankiert, waren. Brücken führten zu herrlichen Lustgärten, wo wohl ebenso, wie in den Bauten, der Einfluß der französischen Renaissance vorgeherrscht haben wird, denen aber die üppige südliche Vegetation einen besonderen Ton verliehen hat. Nach Moritz' Heimkehr nach Europa 1644 verfiel seine Schöpfung. Er aber schuf sich ein neues Feld der Tätigkeit, als er 1647 in den Dienst des Großen Kurfürsten trat. Sein Fürst war wie er ein Held, der sich nur durch Wegräumen der schlimmsten Kriegsgeschäfte ein wenig Luft zu schaffen brauchte, um sich sofort nicht nur mit dem Ausbessern der Kriegsschäden, sondern auch mit der Verschönerung des Landes zu beschäftigen. Darum billigte und unterstützte er mit Freuden die Pläne seines Statthalters, als dieser in seinem Gebiet und Dienste, doch mit dem Geiste eines unabhängigen Fürsten, zu bauen begann. Wie Wallenstein Gitschin, schuf Moritz Cleve aus einem elenden Orte binnen kurzem zu einer blühenden Residenzstadt um. Er legte überall Alleen an, ließ dort, wo er eine Aussicht, aber keine genügende Erhöhung fand, künstliche Hügel aufschütten, erbaute eine Reihe von Landsitzen, die nach den Nachrichten starken italienischen Einfluß zeigen, besonders der Lustgarten des sogenannten neuen Tiergartens, der in Terrassen übereinander aufgebaut war, die mit prächtigen Fontänen geschmückt wurden. Die unterste sprudelte 24 Fuß hoch aus dem Schnabel eines schwarzen Adlers, der inmitten eines Bassins stand, dessen Hinterwand mit Grotten und Masken verkleidet war, das Wasser herab. Den untersten Abschluß bildeten zwei gemeißelte heraldische Löwen, ein Geschenk des Amsterdamer Rates, darüber verstreute eine Sternfontäne ihr Wasser. Auf der dritten aufsteigenden Terrasse blies ein auf einem Delphin sitzender Putto in eine Muschel. Endlich wurde die ganze Anlage gekrönt durch eine Minerva aus weißem Marmor, auch ein holländisches Geschenk; sie stand in einem Amphitheater, das mit Vasen, Urnen und Bassins geschmückt war. Moritz war weit gereist und kannte die südlichen Gärten, und wenn auch naturgemäß sein Auge vielfach auf das nahe Holland gerichtet war, so war solch eine Anlage dort nicht gewachsen, und mit Recht konnte er immer aufs neue an den Kurfürsten berichten, daß seine Gäste aus Holland voll Staunen seine Schöpfung bewunderten Galland, Der Große Kurfürst und Moritz von Nassau, 1893, S. 31 ff..
Solch ein reiches Aufblühen in Deutschland, unmittelbar in und aus dem Kriege heraus, war aber eine seltene Ausnahme. Nur langsam und allmählich begann man in den ganz verwüsteten Landstrecken sich zu erholen, sie aufs neue zu bebauen und zu bepflanzen. Darum schließt der Dreißigjährige Krieg im ganzen die Renaissanceperiode der Gartenkunst in Deutschland ab. Als dann die deutschen Fürsten sich wieder in sicherer Macht und Wohlstand fühlten, so daß Schmuck und Luxus in ihren Wohnungen ihr steigendes Bedürfnis wurde, da war für sie ein neuer Stern aufgegangen, der der Kultur auf allen Gebieten, in der Gartenkunst aber mit besonderem Schwunge, eine unwiderstehliche Richtung gab: Ludwig XIV.