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Drüben im Roten Hirsch ging es allerdings nicht so lebhaft zu wie in der Krone, aber doch saßen auch hier ziemlich viel Gäste an den Tischen, und besonders hatten die reichen Bauern aus dem Dorf, wie die Bauern überhaupt, den Hirsch zu ihrem Hauptversammlungsort gewählt. Bauern und Jäger sind einander selten grün; das war vor dem Jahr 48 so, ist nachher eher noch schlimmer wie besser geworden, und läßt sich eigentlich beiden Teilen nicht verdenken.
Der echte Weidmann hegt und pflegt sein Wild, schießt nur eben ab, was dringend nötig ist, und hat seine Freude an jedem Stück, das draußen den grünen Wald durchzieht. Er würde ebensobald daran denken, seinen eigenen Hund totzuschießen, als jagdbare Tiere – in der Zeit, in der sie geschont werden müssen – vom Hirsch herunter bis auf den Hasen oder das Rebhuhn. Der Bauer dagegen kennt keine solchen Rücksichten. Nur wo es ihm das Gesetz verbietet, hält er die Schonzeit ein, und selbst dann nicht, wenn er glaubt, daß es unbemerkt geschehen könne. Daß den Weidmann solche »Aasjägerei« verdrießt, läßt sich denken, und nur die Bauern überall mit den nichtsnutzigsten Schießprügeln umherlaufen zu sehen, ohne sie hindern zu dürfen, ärgert ihn jetzt desto mehr.
Was kümmert das aber den Bauer? Er hat durch die neuen Gesetze das Recht bekommen, auf seinen eigenen Feldern »zu jagen«, wie er's nennt, und mit seinem alten Haß gegen den armen Hasen, der ihm früher ungestraft den Kohl fraß, rottet er alles aus, was ihm vor die Flinte kommt. Die edle Jagdpassion selber kennt er nicht, es ist ihm also auch gleichgültig, ob es im nächsten Jahr noch etwas zu schießen gibt, nur »umbringen« will er das »Viehzeug«, das draußen auf seinen Feldern herumläuft, und wenn er das vollbracht, ist sein Zweck erreicht. Das nennt er Jagd.
Die Bauern in Hollendeik wußten dabei recht gut, weshalb die »Grünröcke« dem Hirschenwirt aufsässig waren. Daß die ihn eben nicht leiden konnten, hob ihn aber nur in ihrer Gunst, und der Hirschenwirt stand sich gerade nicht schlecht dabei. Ob er gestohlenes Wild kaufte oder nicht, ging sie nichts an, ja, wenn sie es gewußt hätten – von ihnen würde ihn keiner verraten haben.
Trotzdem war der Rote Hirsch heut abend schwächer besetzt als gewöhnlich, denn manche hatten sich doch verleiten lassen, ihr Bier heute in der Krone zu trinken, nur um das Leben dort mit anzusehen. Während indessen ein Mädchen mit ein paar jungen Burschen die Aufwartung im Hirsch besorgten, saß der Wirt mit dreien von seinen Gästen bei seinem gewöhnlichen Abendvergnügen hinter dem Kartentisch und spielte Skat. Das Spiel schien ihn auch zu interessieren; aber seine kleinen lebendigen grauen Augen flogen doch zu gleicher Zeit nach allen Seiten des Zimmers, zu überwachen, was um ihn her vorging – und doch verlor er dadurch keinen Stich, oder machte sonst nur den geringsten Fehler.
Kerdelmann war ein noch junger kräftiger Mann von vielleicht acht- oder neunundzwanzig Jahren, ein Bauernsohn aus der Braunschweiger Gegend, der sich, wie das Gerücht ging, mit seinem Vater überworfen hatte und darum hierher gezogen war. Von seiner Mutter mußte er aber ein ganz hübsches Vermögen geerbt haben, denn er kaufte in Hollendeik den Gasthof, worin ihm eine alte Tante die Hauswirtschaft besorgte. Die alte Tante war eine vortreffliche Köchin, und der Rote Hirsch bekam bald einen so guten Ruf im Lande, seiner Küche, wie der Eigentümer desselben einen schlechten des schon vorerwähnten Wildbrets wegen.
Kerdelmann kümmerte sich indes gar wenig darum, ob ihm die Jäger freundlich gesinnt oder nicht. An Gästen fehlte es ihm nicht; die reichen Bauern im Dorfe waren ihm auch gewogen, und wenn er in seinem Hause Tanzmusik hielt, kamen die hübschesten Mädchen aus der ganzen Nachbarschaft zusammen. Daß er sich aber unter diesen noch keine Frau für seine Wirtschaft ausgesucht, war seine eigene Schuld, obgleich es die Mädchen der wirklich unschuldigen Tante in die Schuhe schoben.
Daß Kerdelmann trotz alledem schon gewählt, davon hatte keine von ihnen – eine einzige ausgenommen – auch nur die geringste Ahnung.
Eben schlug es auf der alten Schwarzwälder Uhr, die noch von dem früheren Besitzer her im Zimmer hing, neun. Das war die gewöhnliche Zeit, zu der die Spieler, einige hartnäckige Kartenfreunde abgerechnet, ihre Marken einlösten, ihr Bier austranken und nach Hause gingen. Auch heute war Kerdelmann um diese Zeit frei geworden, strich seinen Gewinn ein, und hatte sich an einen der anderen Tische gesetzt, dem dortigen Spiel noch ein wenig zuzusehen, als die Tür aufging und ein Mann hereintrat, der die Wirtsstube des Roten Hirsch seit Jahr und Tag nicht betreten hatte. Kerdelmann sah auch etwas erstaunt nach ihm hinüber, blieb aber ruhig auf seinem Platz, es einem der Leute überlassend, den späten Gast zu bedienen.
Schöffel, der Kreiser vom Herslinger Revier, nahm im Anfang keine Notiz von dem Wirt, ließ sich ein Glas Bier und etwas zu essen geben, und beschäftigte sich, als ihm das gebracht war, angelegentlich damit, bis der Wirt endlich aufstand, langsam an seinem Tisch vorbeiging, dann plötzlich wieder umdrehte und auf dem ihm gegenüberstehenden Stuhl Platz nahm.
»Guten Abend, Schöffel,« sprach er dabei, »Wetter noch einmal, Mann, es ist eine lange Zeit, daß wir einander nicht gesehen haben – wohl bekomm's.«
»Danke schön,« sagte der Kreiser – »daß wir übrigens einander so lange nicht gesehen haben, ist Eure eigene Schuld. Ich mag mit keinem Menschen Streit, aber –«
»Na, laßt die alte Geschichte, Schöffel,« sagte der Wirt, ihm die Hand hinüberreichend, die jener langsam nahm – »wir hatten damals vielleicht beide unrecht und sind jetzt mitsammen so viel älter und vernünftiger geworden. Ich kann Euch auch sagen, ich freue mich darüber, daß Ihr wieder zu mir gekommen seid, noch dazu, da mir Eure Leute eben nicht besonders grün sind.«
»Meine Leute?« sagte der Kreiser und sah von seinem Essen auf.
»Nun – die Förster, meine ich. Sie haben nun einmal –«
»Hol' sie der Teufel,« knurrte Schöffel zwischen dem Kauen durch – »mich reut's genug, daß ich mich mit ihnen eingelassen habe. – Früher war ich ein unabhängiger Kerl und verdiente reichlich. – Jetzt muß ich mich für ein paar lumpige Taler wie ein Hund placken, und noch dazu jedes – Jungen gehorsamer Diener sein.«
»Hm – Ihr seid nicht zufrieden?« sagte Kerdelmann, ihn scharf beobachtend. Schöffel sah aber nicht von seinem Essen auf und antwortete mürrisch vor sich hin:
»Zufrieden – muß wohl zufrieden sein, denn ich habe ein paar Kinder zu Haus, und wenn ich ihnen jetzt den Dienst aufsagte, so passen sie mir so auf, daß ich nur getrost tagelöhnern könnte.«
»Was hat Euch denn heut abend nach Hollendeik gebracht?« frug der Wirt, als jener eine Weile geschwiegen und sein Mahl beendet hatte.
»Hierher gebracht?« sagte Schöffel – »was anderes, als einem der Laffen den Bedienten zu machen. Mußte unserm Förster sein Gewehr herüberbringen – Gott verdamm' mich, wenn die jetzt nicht so vornehm werden, daß sie die Flinte nicht einmal mehr selber tragen mögen – aber – hm –« unterbrach er sich plötzlich, leerte seinen Krug und warf einen flüchtigen, aber vorsichtigen Blick dabei in der ziemlich leer gewordenen Wirtsstube umher.
»Hier, Rosel, mehr Bier,« sagte Kerdelmann laut, eins der Mädchen herbeirufend, und bis das Getränk gebracht war, wechselten die beiden weiter kein Wort. Kerdelmann merkte jedoch, daß der andere irgend etwas auf dem Herzen habe, und hütete sich daher doppelt, sich neugierig zu zeigen. Daß Schöffel bei ihm eingekehrt war, hatte jedenfalls einen Grund. Aber es blieb immer besser, daß Kerdelmann jenen davon anfangen ließ, als daß er ihn ausfrug.
Schöffel schien nichtsdestoweniger etwas Ähnliches zu erwarten, und nur als Kerdelmann hartnäckig schwieg und ruhig mit den Fingern auf dem Tisch trommelte, begann er nach längerer Pause:
»Sagt einmal, Kerdelmann, was habt Ihr den Jägern eigentlich zuleide getan, daß sie auf Euch so furchtbar schimpfen und Euch alles Schlechte und Schlimme nachsagen?«
»Mir?« frug Kerdelmann erstaunt – »wer tut denn das, und was können sie über mich reden? – Vor mir hat doch ihr Wild wahrhaftig Ruh' genug.«
»Bah,« winkte ihm Schöffel mit dem einen Auge zu, während er mit etwas leiserer Stimme sagte: »von dem ›Können‹ wollen wir eben nicht reden; aber hol's der Teufel, andere treiben es noch viel ärger, und so wird doch nicht auf sie eingehackt wie auf Euch!«
»Wer schimpft denn über mich?« sagte Kerdelmann ruhig, während er vergebens in Schöffels pockennarbigem Gesicht den Grund dieser Teilnahme zu lesen suchte.
»Wer? – nun, besonders unsere Jäger,« sagte dieser, »die noch dazu die wenigste Ursache hätten. Unser Förster ist überhaupt ein nichtsnutziger Halunke. Wenn er einem Menschen etwas Schlechtes nachsagen kann, tut er's gewiß – und knapp wird man da gehalten. – Na, jetzt bei den teuren Zeiten soll einmal einer mit dreißig Talern und Frau und Kindern auskommen, auch wenn man das bißchen Holz und die Wohnung frei hat.«
»Dreißig Taler ist freilich wenig,« sagte der Wirt, »wenn man's auf das ganze Jahr verteilt, und große Sprünge kann einer dabei nicht machen.«
»Das weiß Gott!« brummte der Kreiser; »wenn man sich daher einen kleinen Nebenverdienst –«
Er schwieg wieder still und sah sich im Zimmer um. Es war halb zehn Uhr und die Gäste hatten ihre Plätze fast alle geräumt. Nur an dem einen Tisch saßen noch vier Kartenspieler, eifrig mit ihrer Unterhaltung beschäftigt, während der eine Bursche, der sie bedienen sollte, daneben auf einer Bank eingenickt war.
»Hm,« sagte Kerdelmann leise, »Ihr habt mir irgend 'was zu sagen. Von denen hört's keiner, wenn Ihr mir's anvertrauen wollt.«
»Und Ihr würdet einen armen Teufel nicht verraten?« frug der Kreiser mit noch vorsichtiger gedämpfter Stimme.
»Fällt mir nicht ein,« brummte der Wirt, »ich bin ganz zufrieden, wenn sie mich nur ungeschoren lassen.«
»Dann will ich Euch auch gestehen, was mich hergeführt hat, und – ganz aufrichtig mit Euch sprechen. Ihr wißt, daß wir vor längerer Zeit einen Streit miteinander gehabt haben, und wenn ich Euch auch keinen Groll deshalb nachgetragen, mochte ich doch immer nicht den ersten Schritt zur Versöhnung tun. Es liegt das so in einem und man weiß eigentlich selber nicht recht, woher es kommt.«
»Nun ja,« sagte Kerdelmann ermutigend, »es will sich niemand gern 'was vergeben, wie man so denkt. Übrigens war die Sache nicht so schlimm, und Ihr nahmt den Handel nur so krumm, weil Ihr glaubtet, es wäre auf Euch abgesehen gewesen.«
»Es ist jetzt vorbei,« sagte der Kreiser, »und daß ich wieder zu Euch komme und Euch – eigentlich mehr vertraue, wie ich vielleicht tun sollte, mag Euch beweisen, wie ich jetzt über die Geschichte denke.«
»Na, aber da bin ich doch neugierig,« sagte Kerdelmann und rückte sich seinen Stuhl etwas näher zu dem Gast hinüber.
»Ihr kauft Wild, nicht wahr?« frug da dieser mit kaum hörbarer Stimme, indem er sich zu dem Wirt hinüberbog.
»Na, das konntet Ihr lauter fragen,« lachte dieser, »daraus mache ich eben kein Geheimnis, denn ich verkaufe es portionsweise an alle wieder, die davon essen wollen.«
»Hm – ja – ich weiß,« sagte der Kreiser, wie es schien, etwas verlegen, »aber wenn Ihr nun von den Förstereien keins bekommen könnt und es notwendig braucht?«
Der Wirt erwiderte nichts hierauf, sah aber den Kreiser so forschend an, als ob er dessen innerste Gedanken durchdringen wollte.
»Ach was,« fuhr dieser aber plötzlich fort, »ich sehe auch nicht ein, weshalb ich so lange hinter dem Berge halten und nicht mit der Sprache heraus soll. Ich will ganz aufrichtig mit Euch sein und glaube, wir werden uns dann am besten verständigen.«
»Teufel noch einmal,« versetzte der Wirt, »was Ihr für eine Vorrede macht! Ihr habt doch keinen Menschen totgeschlagen?«
»Nein – das nicht,« sagte Schöffel, dem nichtsdestoweniger in diesem Augenblick fast so zu Mute war – »aber Ihr gebt mir vorher Eure Hand darauf, daß Ihr mich nicht verraten wollt.«
»Muß ich's wissen?« frug Kerdelmann vorsichtig, indem er die Hand noch zurückhielt.
»Ja,« sagte der Mann, »ich – wäre sonst nicht zu Euch gekommen.«
»Gut denn,« sprach der Wirt, in die dargebotene Hand einschlagend. »Aber nun schießt auch los, denn es ist wahrhaftig schon dreiviertel auf zehn Uhr, und um zehn gehe ich jeden Abend regelmäßig zu Bett.«
»Wohlan,« sagte der Kreiser. – »Ich bin ein armer Teufel und kann von dem nicht leben, was ich an Gehalt bekomme. Die Herren, die einen so knapp besolden, zwingen uns ja förmlich dazu, daß man sich nach einem andern Einkommen umsieht, und da hab' ich denn heut abend, wie ich mit der Flinte von drüben herüberkam – ein altes Tier geschossen.«
»So?« sagte Kerdelmann und sah den Burschen fest dabei an, »das ist aber eine verfluchte Geschichte und kann Euch den Dienst kosten.«
»Hm ja – wenn's 'raus käme,« brummte Schöffel. »Ich werde aber nicht so dumm sein und das den Herren unter die Nase reiben. Ich wußte nun, Kerdelmann, daß Ihr Wild kauft – ob vom Förster oder von anderen Leuten geht mich nichts an, und da kam ich zu Euch, daß Ihr mir das Tier abnehmen möchtet – denn ich weiß nicht recht, an wen ich mich sonst wenden könnte.«
»Also darum seid Ihr zu mir gekommen?« lachte Kerdelmann still vor sich hin. »Na, ich muß Euch aufrichtig gestehen, ich habe gleich von vornherein so einen Gedanken gehabt, daß Euch nicht bloße Versöhnlichkeit hierherführe. Doch das bleibt sich gleich, die Hauptsache ist, Ihr habt ein Tier geschossen –«
»Nicht so laut,« warnte ihn Schöffel – »wenn die da hinten es hörten.«
»Ach, die passen nicht auf uns auf, aber was kann ich dabei tun?«
»Was Ihr tun könnt? – abkaufen sollt Ihr's mir, daß ich es aus dem Weg kriege, und – da ich damit in der Klemme sitze, sollt Ihr das ganze Stück auch zu einem Spottpreis bekommen. Es ist ein alt Gelt-TierGelt-Tier nennt man die Hirschkuh, die in dem Jahr kein Kalb gehabt., feist wie Butter und schwer genug, und wenn Ihr mir fünf Taler gebt, schaff' ich es Euch heute nacht noch hier ins Haus. – Wahrhaftig, es stand so verlockend vor mir, als ich den Berg herunterkam, daß ich schießen mußte, ich mochte wollen oder nicht. Ehe ich nur recht wußte, was ich tat, knallte es, und da lag's und zuckte und rührte sich nicht mehr.«
»Und wo liegt es jetzt?«
»Droben, gleich über dem neuen Schlag; vielleicht hundert Schritt von dem Birschweg, der durch die Kieferdickung führt. Soll ich's herunterschaffen? – ich verlange das Geld nicht eher, als bis Ihr das Wild im Hause habt, – gefällt Euch das Geschäft, so, denk' ich, können wir mehr derartige miteinander machen. Meiner Seel' – es läuft genug solch Zeug im Wald herum, und ich sehe nicht ein, weshalb eine Familie hungern soll, nur damit sich die Bestien den Wanst da draußen voll süßen Grases äsenÄsen: fressen, vom Wild. – 's ist keine Vernunft drin.«
»Wenn's aber verraten wird, kommen wir beide in Teufels Küche,« sagte Kerdelmann nachdenkend.
»Verraten – wer soll's verraten?« fragte Schöffel. – »Ihr habt doch gewiß irgendwo einen Platz, wo man es unbemerkt hereinschaffen kann, und hängt es erst einmal in Eurer Fleischkammer, wer kann dann beschwören, in welchem Revier es seine Fährten eingedrückt? Das brauch' ich Euch aber alles nicht weiter zu sagen, und heut ist insofern eine vortreffliche Zeit dazu, als die Förster und Forstgehilfen alle fest im Wirtshaus drüben sitzen. Den Schuß hat auch keiner gehört, und ein billigeres Stück Wild bekommt Ihr im ganzen Leben nicht wieder.«
Kerdelmann blieb noch eine Weile sitzen und sah still vor sich nieder. – Da schlug die Uhr zehn, und bei dem Schlag in die Höhe fahrend, sagte er rasch: »Gut – dann bringt es her – ich gehe jetzt mit Euch und zeige Euch, wo Ihr es hereinschaffen könnt. Das Geld mögt Ihr Euch dann morgen früh um neun Uhr holen; seid Ihr damit zufrieden?«
»Gewiß,« rief Schöffel und griff dabei in die Tasche, um das, was er verzehrt, zu bezahlen. Kerdelmann hielt ihm aber den Arm und sagte freundlich:
»Laßt's nur gut sein. Die Paar Glas Bier mögt Ihr auf unsere Versöhnung getrunken haben.«
»Dann dank' ich auch schön,« versetzte der Mann, die dargebotene Hand heftig schüttelnd – »auf unsere Versöhnung und auf – gute Geschäfte. Wenn wir beide zusammenhalten, sollen die Grünröcke wohl umsonst draußen die Augen offen halten. Ich dächte, wir beide wüßten, wie wir sie bei der Nase herumführten.«
Damit nahm er seinen Hut, und der Wirt ging mit ihm hinaus, ihm das kleine Tor zu zeigen, durch das er sein Wild in der Nacht auf seinen Hof schaffen konnte.
Gleich darauf verließ Schöffel das Haus und ging langsam die Straße hinauf, die aus dem Dorf hinaus nach dem Wald führte. Dieser Richtung folgte er nur etwa so weit, als er glaubte, daß er vom Hirsch aus beobachtet oder gehört werden könnte. Sobald er um die nächste Ecke gebogen war, blieb er stehen, wendete sich zurück und lachte still in sich hinein.
»So ist's recht, alter Fuchs; hast du die Witterung endlich einmal angenommen? – Nicht wahr, das schmeckte, fünf Taler für ein feist Tier und das Versprechen fernerer Lieferung? – Holzkopf du, daß du denkst, der Schöffel hätte dir schon die Prügel und die Schande vergessen, die du ihm angetan! Aber wart', mein Bursche, jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich dir's wett machen kann, und wenn ich dich einmal hinter dem eisernen Gitter sehe, trink' ich mir einen Rausch vor Vergnügen. Also morgen früh um neun Uhr; daß wir Zeugen dabei haben, dafür wird gesorgt sein. In dem Augenblick, wo du das Geld herausrückst, haben wir dich beim Kragen.«
Er rieb sich bei dem Gedanken vergnügt die Hände und bog dann mit raschen Schritten in die nächste Straße ein, die nach der Krone hinunterführte.
Kerdelmann blieb, als Schöffel die Straße hinaufschritt, noch einige Minuten in seiner Tür stehen. Er sah aber dem Davongehenden nur flüchtig nach und öffnete hierauf wieder die Gaststubentür.
»Franz!« rief er dort hinein – »Franz!« – der Junge saß noch auf der Bank und schlief, bis ihn einer der Gäste anstieß und er erschrocken in die Höhe fuhr – »Franz!«
»Ja – jawohl – hier bin ich!«
»Ich geh' zu Bett, Franz,« sagte Kerdelmann – »schlaf mir nicht wieder ein, halt die Augen offen.«
Damit ging er hinüber und schloß seine Tür hinter sich ab, nahm dann den Hut vom Nagel, öffnete leise das Fenster, das in den dunkeln Hof führte, und glitt, von seinen Leuten unbemerkt, hinaus auf die Straße, die entlang er eine der engen seitabführenden Dorfgassen hinabsprang.