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Eines Tages pfeilte die Amazone Teufelsnadel über den Hügelhang. Fritz hatte sie nach der Verstimmung, die durch die Florfliege hervorgerufen worden war, nicht mehr gesprochen. Zu seinem Erstaunen bemerkte er, daß Teufelsnadel im Fluge kämpfte. Sie klapperte in wildem Zorn mit dem Rüstzeug, schoß sprungweise durch den goldenen Herbsttag, stand wie eine Sternblume aus grünem Glas klirrend still, als sei sie an einem Sonnenfaden aufgehängt – kurz: Teufelsnadel befand sich in ungeheuerer Aufregung. Todesangst durchzitterte sie.
»Es muß ihr etwas Unerhörtes geschehen sein,« sagte Fritz zu seiner Frau. Sie wirbelten sich also empor in die Luft. »Was ist Ihnen denn, Gevatterin Teufelsnadel?« rief ihr Fritz zu. Aber die Wasserjungfer hörte es nicht. Sie stieg in engen Schraubenwindungen und mit rasender Schnelligkeit hoch hinauf, ließ sich fallen, als wären ihr in den blauen Höhen die Flügel geknickt, und stürzte schließlich auf ein Thymiankissen. Dort surrte sie wie eine Brummfliege unter einem umgestülpten Weinglase.
Fritz und Elsalutz, die sich in der Nähe niederließen, erkannten: Teufelsnadel focht einen Kampf auf Leben und Tod. Es ging so wild her, daß die Zitronenvögel nicht daran denken konnten, ihr zu helfen.
»Sie ganz gemeine Skorpionfliege,« schrie Teufelsnadel, »ich werde Sie langsam ersäufen!«
»Da muß ich auch dabei sein! Denken Sie etwa, Sie könnten mir Furcht einflößen durch Ihre Gasmaske? Das Ding macht auf mich nur einen komischen Eindruck! Sie sind zwar eine sieggewohnte und äußerst grausame Kämpferin, aber gegen mich können Sie mit all Ihrem Teufelswerkzeug doch nichts ausrichten.«
»Das werden wir ja sehen! Verlassen Sie sich darauf: ich werde für Sie einen ganz besonders qualvollen Tod ersinnen.«
Dieses Gespräch konnte nur geführt werden, weil Teufelsnadel sich nicht mehr auf dem Thymiankissen herumwarf. Sie fühlte sich bereits stark erschöpft. Aber die Hoffnung auf Sieg gab sie nicht auf.
Die Skorpionfliege saß ihr auf dem Nacken und bohrte ihr die schnabelartigen Freßzangen und die Schienensporen tief in den Leib. Sie hatte vier gläserne Flügel mit schwarzen Tupfen und erinnerte in dieser Tracht entfernt an das Schachbrett, das Elsalutz gestern auf einem Ausfluge kennengelernt hatte. Sie trug gelbe Ledergamaschen und drei feuerrote Ringe an ihrem Leibe, die darumgeschmiedet waren wie glühendes Eisen. Das sah sehr ritterlich aus. Den Schluß des Hinterleibes bildete eine geknotete Haftzange. Die täuschte den Giftstachel des Skorpions vor.
»Haben Sie nun genug?« fragte die wunderbare Reiterin.
»Genug?« höhnte Teufelsnadel. »Sie sind ein größenwahnsinniges Geschöpf! Ich sinne noch über Ihren Tod nach, den ich mit allen Grausamkeiten würzen möchte.«
»Und wie denken Sie sich das, wenn man fragen darf?«
»Zuerst schneide ich Ihnen den Bauch auf. Dann stürze ich mich mit Ihnen ins Wasser und ergötze mich an Ihren Qualen. Ich esse Sie bei lebendem Leibe und werfe den Rest Ihrer zuckenden Glieder unseren Larven vor zum Fraße – das sind die Haifische des Teiches, müssen Sie wissen.«
»Das ist ja sehr interessant! Fangen Sie also gefälligst an, aufzureißen!«
Teufelsnadel öffnete den Mund. Sie wollte noch eine Drohung ausstoßen, aber die Sinne vergingen ihr.
»Sehen Sie nun ein, daß Sie verloren sind?« fragte die Skorpionfliege. Da schwirrten schon etliche von der Besatzung ihrer Festung heran. Sie durchschnitten geschmeidig die Luft und fielen über das Opfer her. Die Neuangekommenen hatten keine Haftzangen; es waren also Damen.
»Hör' mal, Robert,« sagte die eine, »wir können die Grüne hier nicht verzehren.« Alle vier zusammen waren nicht so groß wie die gefällte Amazone! Die war noch im Sterben nicht ungefährlich; denn sie warf ihre Gasmaske mit jedem Atemzuge vor und entblößte die Freßzangen.
»Nicht verzehren?« fragte der Kämpfer Robert und wurde steil.
»Es sind da zwei Batterien Artillerie mit sechzehn Geschützen vor unserer Festung aufgefahren. Es ist nicht anzunehmen, daß sie nur Biwak halten, und sieht aus, als warteten sie auf Alarm, um augenblicklich Kampfstellung gegen uns zu beziehen.«
Robert war im Bilde. Die Artillerie war die einzige Waffe, vor der er Respekt hatte. »Was ist es denn für Artillerie?« fragte er keineswegs sorglos.
»Die blaue mit den roten Aufschlägen.« Das waren kleine Leute, an Wuchs nicht halb so groß wie die Skorpionfliegen; denn ihr Körpermaß betrug nur ein Zentimeter. Sie trugen auch rote Hosen. Und an den feuerroten Kragen schloß sich ein metallisch glänzender Rückenpanzer. Sie kehrten dem Feinde während des Kampfes nie die Vorderansicht zu. Diese Fechterstellung hatte ihren Grund darin, daß sie die Geschützrohre am Hinterleibe trugen.
Robert hatte nach dem schweren Kampfe mit Teufelsnadel wenig Lust zu einem Scharmützel. »Zwei Batterien?« wiederholte er gedankenvoll. Da kam ein Meldereiter aus der Erdburg der Skorpionfliegen: etliche Mann des Feindes seien eingebrochen und hätten acht Larven geraubt! Es war nur noch ein Wachtposten daheim, der einzige Mann der Besatzung außer Robert. Die Frauen verteidigten gegen weniger gepanzerte Kräfte zwar ausgezeichnet und schreckten dann auch vor keinem noch so starken Angriff zurück; aber – wie gesagt – diese Artillerie war auch für Robert eine gefährliche Waffe. Jedennoch: ungesäumt stürmte er in den Kampf. Wie ein Held drang er, gefolgt von den Frauen, in die Festung ein und faßte einen der Räuber von unten mit der Haftzange. Im Nahkampf verlor der Gegner ein Bein.
Augenblicklich begannen die Geschütze zu spielen. Ein übelriechender Pulverdampf erfüllte die Burg. Mehr als eine Batterie fuhr darüber vor den Toren auf, und unablässig zischte der Qualm aus den Rohren. Das Atmen für die Skorpionfliegen in der Festung wurde zur Unmöglichkeit. Auf ein Zeichen brachen auch die anderen Kanoniere mit ihren Geschützen herein. Die Skorpionfliegen wurden vertrieben, und ihre wackelnden Larven, die betäubt waren von dem üblen Geruch, wurden verzehrt. Robert und der Posten fielen auf dem Felde der Ehre. Es erging ihnen wie den Larven; denn diese Artillerie gehörte zu der Sippe der Raubkäfer. Es war aber auch höchste Zeit, daß der Sieg erfochten wurde: die Batterien hatten ihr Pulver verschossen! – In der Festung richteten sie sich sofort häuslich ein.
Elsalutz und Fritz, die sich noch kurze Zeit bei der Leiche der Teufelsnadel aufgehalten hatten, kamen erst an, als die Erstürmung des Kastells bereits Tatsache geworden war. Die Frauen der Skorpionfliegen schalten noch vor den Toren und führten die Schmähreden der Besiegten.
Die Zitronenfalter waren den Sommer über so oft Augenzeugen von Kämpfen gewesen, daß sie sich längst nicht mehr entrüsteten. Namentlich in diesem Falle kamen sie sich vor wie Schlachtenbummler im Manöver. Die feindlichen Parteien standen ihnen zu fern, und von den Skorpionfliegen hatten sie so viel Unangenehmes gehört, daß sie beim besten Willen kein Mitleid aufbringen konnten. Mit den Bombardierkäfern dagegen befreundeten sie sich ein wenig; denn als die mit der Arbeit in der Burg fertig waren, breiteten sie die stahlblauen Flügeldecken und falteten die hauchdünnen Schwingen, die darunter verborgen waren, zu einem frohen Flugspiel über der Festung. Das sah bunt und gefällig aus. Und weil sie so kleine Leute waren, blühten sie in ihren roten und blauen Uniformen wie Vergißmeinnicht der Luft, die noch ein verspätetes Fest feierten.