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Fritz war gleich so fest eingeschlafen, daß er die Sonne nicht aufgehen sah. Er war zehn Stunden auf den Beinen und Flügeln gewesen und hatte so viel von dem Wunder der Träume gehört, daß er sich sehr auf den Schlummer freute. Deshalb spielte noch ein flüchtiges Lächeln durch seine Züge. Aber das dauerte nicht länger als der Vorbeiflug eines Falters an einer Blume, in der er nicht einkehren will. Dann vergingen ihm die Sinne.
Elsalutz dagegen hatte eine recht unruhige Nacht. Für ihr Mädchenherz waren die Ereignisse des Tages zu bedeutsam. Auch war ihr Körper empfindlicher gegen die Einflüsse der Nacht. Ein leises Zittern durchbebte sie. Neugierig, wie sie war, hätte sie gar zu gern alles beobachtet, was um sie her geschah. Das große Leuchten legte sich so schmeichlerisch um ihre jungen Glieder wie die Blätter einer Rose. Ganz andere Düfte schwebten herzu; viele, die ihr am Tag besonders lieb geworden, waren verflogen. Sie bohrte die Augen förmlich hinein in die purpurne Glut, um wachzubleiben. Und dennoch: oft war nichts da als eine fürchterliche Finsternis (dachte sie). Wenn die eine Zeitlang gewährt hatte, trippelte Elsalutz ängstlich mit den Füßen – bis sie erwachte. Sie konnte wieder sehen. Aber jedesmal hatte sich das Licht gewandelt. Sie dachte daran, daß ihr Fritz gesagt hatte: wenn die Sonne verblüht, dann ist es Nacht.
Das war nun der Fall. Aschgrau fiel es in das letzte Scheinen des Tages. Wenn sie über den goldenen Rand ihres Bettes hinausschaute, lag die Welt vor ihr wie ein Sack. Weder Blumen noch Gold waren darin. Nur droben am Himmel blühten kleine Sterne auf. Die sahen genau so aus wie der, in dem sie ruhte. Plötzlich war auch das vorbei (sie war wieder eingeschlafen).
Da surrte etwas um ihr Lager. Es klang wie ein Papierrädchen im Winde, das die Menschenjungen mit einer Nadel an einen Stock stecken. »Fritz! Fritz!« rief Elsalutz; denn sie fürchtete sich. Sie stieß ihn mit den Flügeln. Sie berührte ihn mit den Beinen, weil sie wußte, dagegen war er sehr empfindlich. Aber er war nicht zu erwecken – wie es sich für einen ordentlichen Zitronenvogel in der Nacht auch gehört.
So sehr sie sich bemühte, sie konnte den schwirrenden Gegenstand nicht klar erkennen. Meist stolperte er wie ein Schatten um die Nachtkerze herum. Manchmal stand er still in der aschgrauen Dämmerung.
Elsalutz graulte sich entsetzlich. Sie dachte an den Aurora, der von Gesindel gesprochen hatte, das sich in der Nacht umhertreibe. Und nachmittags, auf der Quendelbank – ehe sie ihren Bräutigam kannte – war von Gespenstern gesprochen worden.
So rangen Furcht, Kühle, Schlaf um ihre erregten Sinne. Der Schatten stand jetzt ganz dicht hinter ihr. Das hörte sie an dem Schnurren. Plötzlich stieß er eine lange Nadel gegen sie. Die glitt zwar von ihr ab, ohne ihr Wehzutun, wurde aber zurückgezogen und von neuem in die gelbe Blüte gepfeilt.
»Ach,« sprach eine etwas brummige Stimme, »entschuldigen Sie, wenn ich Sie gestört habe, mein Fräulein! Ich wollte mir nur ein Schlückchen Honig gönnen.«
Elsalutz schien die Rede sehr verdächtig. »Dazu brauchen Sie doch nicht diese schreckliche Nadel! Passen Sie auf, ich rufe sofort meinen Bräutigam, wenn Sie einen Überfall beabsichtigen!«
»Lassen Sie ihn ruhig schlafen,« entgegnete der Schatten, »ich spinne keine Ränke! Auch ist das keine Nadel, womit ich Sie aus Versehen berührt habe, sondern es ist meine Rollzunge. Ich pflege nämlich im Fluge zu trinken, wie alle Nachtschwärmer. Ich bin ein Karpfenschwänzchen und als harmloser und lustiger Gesell bekannt. Ich habe Sie für eine Blüte der Nachtkerze gehalten …«
Aber die Sache schien den Fremdling zu fesseln. Elsalutz hörte zwar, daß er behaglich den süßen Trank schlürfte; aber er warf seine Zunge, die so lang war wie er selber, wohl viel öfter in die Blüte, als es unbedingt sein mußte. Dabei richtete er es so ein, daß er Elsalutz immer ein bißchen kitzelte. Sie zuckte natürlich jedesmal zusammen, und das Lachen überkam sie. Aber das durfte sie unmöglich merken lassen; sonst hätte er wohl gar gedacht, das Spiel mache ihr Spaß.
»Ist denn das nötig?« fragte sie in strafendem Ton. »Sie sehen doch – hihi! – Sie sehen doch, daß Sie uns im Schlafe … hihi!« kicherte sie.
Das Karpfenschwänzchen schien die Wirkung seines Zungenschlages sehr sicher abzuschätzen; denn es wiederholte das neckische Spiel in immer kürzeren Abständen.
»Nötig?« fragte es. »Natürlich ist das nötig! Je knapper der Trunk wird, desto rascher muß meine Zunge arbeiten.«
»Hihihi,« lachte Elsalutz.
»Ich finde es nicht hübsch, daß Sie ein anständiges Karpfenschwänzchen auslachen.«
»Ich lache Sie gar nicht aus! Ich wünsche Sie weit, weit weg … Hihi …«
»Sie können mir doch nicht verwehren, daß ich lebe, mein Fräulein!«
»Ach bitte, pieken Sie mich nicht immer so, hi … Es ist ja lächerlich!«
»Wenn Sie das nicht lieben, so müssen Sie sich morgen ein anderes Quartier suchen. Man logiert doch nicht in einem Nachtcafé, wenn man Ruhe haben will!« sagte der Karpfenschwanz. Und damit hatte er zweifellos recht.
Elsalutz hielt sich ganz fest an einem Staubgefäße, kniff die Lippen zusammen und sagte kein Wort mehr. Das half. Es war aber eine nervenzerrüttende Aufgabe. Das Karpfenschwänzchen machte sich davon.
Es dauerte nicht lange, so kamen andere Gäste, und zwar ein ganzes Trüpplein Goldeulen. Die waren geringerer Herkunft, zogen singend in das Lokal und torkelten darin herum. Aber auch sie waren keine groben Gesellen. Jedennoch: das Karpfenschwänzchen, das sozusagen ein paar Stehschoppen getrunken hatte, war Elsalutz lieber gewesen. Denn die Goldeulen stolperten einfach über sie weg und nahmen auch Fritz nicht in acht.
»Kameraden!« rief einer, »es sind schon ein paar drin, wie ich eben merke!«
Ihre krabbelnden Füße hatten eine noch aufwiegelndere Wirkung als die sanfte Zunge des Karpfenschwanzes.
»Bitte, stören Sie nicht,« bat Elsalutz.
»Ach was, hier ist ein Nachtcafé! Wenn Sie sich belästigt fühlen, so logieren Sie gefälligst im Erdgeschoß!« Das klang unmanierlich, hatte aber natürlich seine Berechtigung. Danach kamen ganz kleine silberne Motten. Die bummelten meist einzeln durch die Sommernacht und kehrten bei jeder offenen Haustür ein.
Fritz ahnte von allem nichts. Elsalutz aber kam es vor, als sei ihr Bett mit Nesseln gestickt. Sie hatte keine ruhige Minute. Um den Vormitternachtschlummer, der am meisten kräftigt, war sie endgültig betrogen. Da geriet noch die Raupe eines Nachtkerzenschwärmers von dem benachbarten Gasthaus zum Weidenröschen auf den verlorenen Einfall, ihrer Mutterpflanze einen Besuch abzustatten. »Na, hören Sie mal,« fuhr Elsalutz auf, »das finde ich doch sehr rücksichtslos!«
»Sagten Sie etwas?« fragte die Raupe.
»Jawohl! Wollen Sie hier die ganze Nacht an Stengel und Blättern herumsägen?«
»Nur ein paar Stunden,« begütigte die Raupe. »Aber: ich säge überhaupt nicht, meine Dame; sondern ich verzehre nur eine Portion Nachtkerzensalat. Ich habe seit vierzehn Tagen Weidenröschen gegessen. Man will doch auch eine Abwechslung haben – verstehen Sie das?«
»Ich verstehe gar nichts!« rief Elsalutz. »Am wenigsten die nächtliche Ruhestörung.«
»Davon merke ich wieder nichts!« entgegnete die Raupe gemütlich. »Sie können nicht verlangen, daß ich wegen Ihnen hungere.«
Elsalutz schlugen alle Nerven; es war ihr, als nage die Raupe daran herum. War es nicht unverantwortlich von Fritz, ein derartiges Lokal zu wählen? – Da ereignete sich schon wieder etwas Neues.
In dem schwarzen Loche der Nacht gingen zwei leuchtende Punkte auf! Für die Augen von Elsalutz waren die anzusehen wie die Scheinwerfer eines Automobils. Sie nahten in rasender Geschwindigkeit und machten einen Spektakel wie ein Flugzeug. Denn die Fühler eines Schmetterlings hören alles in vielfältiger Verstärkung.
Elsalutz wurde von einer tödlichen Angst gepackt. »Achtung! Achtung!« schrie sie; sie dachte, das fauchende Ungetüm mit den feurigen Augen würde sie überfahren. Aber ihr Stimmlein drang ja nicht einmal über die goldene Blüte hinaus.
Zum Glück bogen die Lampen kurz vor den Weidenröschen aus und schlugen etliche Kreise um die Nachtkerze. Wahrhaft schrecklich war das! Dann fuhr es auf die hohen Stauden der Weidenröschen zu und ward still. Nur die beiden Lichter brannten weiter.
Elsalutz zitterte der Atem. Sie versuchte, Fritzen zu wecken. Weil sie sich im Nachbarhaus aber nicht bemerkbar machen durfte, so blieb ihr Bemühen erst recht ohne Erfolg. Da gingen in der Ferne abermals zwei Lichter an. Wieder rauschte die Luft vor einem ähnlichen Ungetüm; aber der Ton, den dies Neue von sich gab, erinnerte fast an den Schrei eines jungen Menschenkindes. Es geschah nun genau wie vorhin: geradeswegs sausten die Lichter heran, bogen vor dem Quartier von Elsalutz aus, schlugen etliche heftige Kreise und fuhren gegen die Weidenröschen. Da hörte Elsalutz reden. Die Stimmen waren tief und schwer.
»Guten Abend, gnädige Frau,« sagte die eine. »Ich heiße Ursula und bin die Ehefrau eines Totenkopfs.«
»Mariotta ist mein Name,« sagte die andere, »ich bin die Witwe von Ettore dem Oleanderschwärmer.«
Es waren also zwei Frauen, die die Nacht bis ins Herz erschüttert hatten! Elsalutz konnte sich nicht genug wundern. Beide hatten sich von dem Weindufte des Weidenröschens anlocken lassen, für den sie – als Nachtschwärmerinnen – offenbar eine feinere Nase besaßen als Elsalutz. Es war demnach kein Zufall, daß sie sich an dieser Stelle trafen.
»Wir sind also beide Fremdlinge in diesem nördlichen Lande,« begann Mariotta. »Wo kommen Sie her, und was hat Sie veranlaßt zu Ihrer Reise?«
Ursula antwortete: »Ich wohne in der Nähe des Bodensees. In jedem Jahre müssen etliche von uns die Fahrt nach Mitteldeutschland antreten. Wir sind nämlich schon seit Jahren bemüht, auch hier seßhaft zu werden. Leider nur mit halbem Erfolg. Die Raupen gedeihen recht gut auf Kartoffelkraut und Teufelszwirn. Aus vielen Puppen erstehen auch Totenköpfe. Aber diese sind nicht fortpflanzungsfähig. Es liegt wohl daran, daß sich unsere Sippe über die Mainlinie hinaus noch nicht genügend akklimatisiert hat. Sie sehen, meine Reise hat eine schöpferische Bedeutung. Und was hat Sie hierher geführt? Soviel ich weiß, gedeihen die Oleanderbüsche in Deutschland nicht im Freien.«
Mariotta war eine sehr schöne und abenteuerlustige Frau. Sie wollte hinter Ursula nicht zurückstehen; deshalb schützte sie für ihre weite Reise den gleichen Grund vor – nämlich den: an geeigneter Stelle ihre Eier abzulegen. »Mein Fahrtziel ist Braunschweig,« sagte sie. »Da soll der Oleander recht in Mode sein und in den Gärten ausgezeichnet gedeihen.«
»Wohl, wohl,« bestätigte Ursula, »aber im Herbst ist die Herrlichkeit vorbei; und Sie wissen doch …«
»Aber ich bitt' Sie, das langt ja auch zu für uns! Ich wollte mich nur einmal genau unterrichten. Wir brauchen vom Ei bis zum Schwärmer neunzig Tage. Und Sie?«
»Oh, bei uns dauert die Verwandlung mitunter zwei Jahre! In der Regel freilich verpuppen wir uns im Spätsommer und steigen im folgenden Frühling in unserer berühmten Einmaligkeit aus der Erde.«
Die Oleanderschwärmerin wollte von dieser Einmaligkeit mehr wissen. Da antwortete Ursula: »Wir sind die einzigen Schmetterlinge, die einen markerschütternden Schrei ausstoßen können …«
»Das habe ich gehört!« sagte Mariotta.
»Es war mir eine Fledermaus auf den Fersen! Ich habe sie durch meinen Ruf in die Flucht geschlagen. Selbst viele Menschen entsetzen sich vor diesem Laut. Und dann: wir tragen auf unserem Brustschild den Totenkopf mit den gekreuzten Knochen.«
Mariotta betrachtete sich die Zeichen sehr aufmerksam. »Wie lange sind Sie denn geflogen vom Bodensee her bis auf diesen sächsischen Hügel?«
»Ein und eine halbe Nacht. Und woher kommen Sie?«
»Ich komme aus Florenz. Ha, Florenz, wenn alle Berge blühen! Das sollten Sie mal sehen! Jetzt im hohen Sommer ist es freilich nicht sehr kurzweilig. Deshalb reisen wir in den kühleren Norden. Kleinigkeit! Sehen Sie, ich bin nur eine Nacht länger unterwegs als Sie …«
Wer weiß, wie lange diese Unterhaltung noch gedauert hätte – da wurde eine Fledermaus aufmerksam auf die vier Lampen und flatterte unheimlich geräuschlos in immer engeren Kreisen um sie her. Das hatten sie schon bemerkt, verabschiedeten sich und brausten augenblicklich von hinnen. Denn ein Brausen war das für die feinen Ohren von Elsalutz.
Die war froh, daß es nun still wurde. Da nahte ein schwerer kurzer Tritt und ein behagliches Grunzen begleitete ihn. Es klang gar nicht furchtbar. Aber Elsalutz und ihre aufgewühlten Nerven berührte es unangenehm: Lutz, der Igel, war auf seinem Nachtgange.
Weil sie ihn nicht kannte, wirkte sein Aussehen geradezu herzbeklemmend auf sie. Sie konnte ihn zwar nicht gut erkennen, aber er war nun schon im Erdgeschoß der Nachtkerze und hob die Blätter, die sich wie eine Rosette ausbreiteten, in die Höhe. »Ist vielleicht jemand da, den ich essen kann?« fragte er gemütvoll.
Elsalutz gerann das Blut in den Adern.
»Ah,« rief der Igel erfreut und guckte nach oben, »da ist ja eine rundliche kleine Person! Nach Ihnen hab' ich gerade Appetit. Kommen Sie gleich einmal her!«
Elsalutz dachte, er meinte sie; denn er machte sich ordentlich lang und setzte sich dann auf seine Keulen.
»Strampeln Sie doch nicht so,« sagte er, »es hilft Ihnen doch nichts!« Da hatte er die Raupe des Nachtkerzenschwärmers schon mit seinem Munde gefaßt. Elsalutz hörte, wie sie zwischen seinen Lippen mit einem schwachen Knall zerplatzte. »Sehen Sie, so verfährt man mit Ihresgleichen!« sagte er lachend. »Sie müssen doch bedenken, daß Ihr ausgezeichneter Geschmack das einzig Wertvolle an Ihnen ist.« Er bedachte gar nicht, daß die Raupe das nicht mehr hören konnte; denn er zerbiß sie mit unendlichem Behagen. Darum waren seine Worte auch nicht sehr deutlich. Dann pürschte er sich des Wegs. Er witterte zwar verdächtig mit dem Rüssel in die Höhe, aber er hielt die beiden Zitronenvögel offenbar für Blumen.
So ging der Tod in dieser ersten Nacht ganz nahe an ihnen vorüber. Fritz hatte also doch recht daran getan, daß er ein Zimmer gewählt hatte mit der gelben Schutzfarbe. Hätten sie im Erdgeschoß übernachtet, so wären sie nun im Munde dieses stachligen Ungeheuers verblüht gewesen!
So rasch die schönen goldenen Sonnenstunden verflogen, so langsam kroch die Finsternis an Elsalutz vorüber. Noch etliche Male tauchten darin die glühenden Augen von Nachtschwärmern auf. Schnurrend oder brummend strichen sie ihres Wegs. Elsalutz kümmerte sich nicht mehr darum. Sie konnte sich nach all den seelischen Qualen weder fürchten noch fesseln lassen von einem neuen Ereignis.
Einmal flogen zwölf tiefe Klänge über den Hügel. Die kamen sehr weit her; denn sie waren so müde, daß man meinte, sie würden auf dieser Höhe übernachten. Es war auch so: sie entschliefen zwischen den Blumen. Aber Elsalutz wußte das nicht.
Einige Zeit danach – Elsalutz konnte nicht ermessen, ob Minuten oder Stunden vergangen waren –, einige Zeit danach zog ein kühler Wind über das Land. Der war nicht sehr heftig; denn die Köpfe der Blumen wiegten nur leise darin, und die Nachtkerze bewegte sich so sanft, als wollte sie Elsalutz in den Schlummer schaukeln. »Ah,« sagte sie, und die Worte wollten auf ihren Lippen sterben vor Müdigkeit, »jetzt kommen gewiß die schönen Träume.« Sie dachte, die stiegen aus dem kühlen Winde der Nachmitternacht. Da lehnte sie ihre geschlossenen Flügel an die des Fritz. Sie hörte sein Blut in den Adern fließen und vernahm sein leises Atmen. Aber die Kühle der Luft verscheuchte ihr Schlaf und Traum.
Elsalutz war sehr enttäuscht. Sie fror. Es war zum ersten Male, daß sie dies unfreundliche Gefühl hatte. Es kamen auch keine Gäste mehr. Und die Fledermaus, die manchmal tief über das Land strich, getraute sie sich nicht zu fragen. Endlich verirrte sich ein merkwürdiger Spätling in das Nachtcafé. Der trug einen weißen Rock mit dottergelben und schwarzen Tupfen, die in Reihen standen. Er hatte einen geisterhaften Flug. »Denken Sie nicht etwa, ich hätte zu viel getrunken,« sagte er zu Elsalutz, »ich taumle nur so in der Luft herum, weil es für unsereinen praktischer ist – wegen der Fledermäuse, wissen Sie! Wir lassen uns von ihnen in den seltensten Fällen erwischen.«
»Wie heißen Sie denn?« fragte Elsalutz mit müder Stimme.
»Harlekin,« sagte er, »ich werde mich vorübergehend auf der Festwiese aufhalten.«
»Wissen Sie vielleicht, ob die Nacht ewig dauert?«
»Ewig? Haha! Es tropft ja schon ein bißchen Hellblau in die Finsternis! Deshalb muß auch ich nun an ein geeignetes Quartier denken; denn gegen Morgen und am Tage fliege ich nicht. Wenn Sie gestatten, richte ich mich gleich hier ein. Ich liebe Nachtkerzenduft sehr und kann wohl auch noch einen Schlummerschoppen vertragen.« Damit setzte sich der Harlekin fest. Es wurde ein wenig eng. Er mußte dicht seitlängs neben ihr Platz nehmen. Aber bei der Kühle, die immer empfindlicher wurde, war ihr das nicht unangenehm.
»Können Sie vielleicht Ihre Flügel ein wenig emporschlagen?« fragte Elsalutz. »Es wird dann bequemer und wärmer.«
Galant wie er war, gab sich der Harlekin Mühe. Aber es gelang nur halb. Immerhin, es war ein Schutz. Dann kam der langersehnte Schlaf. Freilich: Träume, Träume blühten nicht darin! Aber es geschah doch etwas sehr Merkwürdiges: vor den ersten Strahlen des neuen Tages faltete sich die gelbe Blume zu wie die Kleeblätter im Felde, wenn es Abend ist. Dabei fiel der Harlekin aus dem Bett, schimpfte ein bißchen und kroch schlaftrunken unter die grüne Decke im Erdgeschoß. Er war dort auch besser aufgehoben.
Und als es ganz hell wurde, hatte sich die gelbe Blüte geschlossen und hatte zwei Zitronenfalter im Munde!
Fritz und Elsalutz erwachten hinter dem goldenen Vorhange sehr spät und fühlten die Wärme der Sonne als ein holdseliges Wunder in ihre Glieder schlagen.