Gustaf af Geijerstam
Frauenmacht
Gustaf af Geijerstam

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Sechstes Kapitel

Aber es kam der Tag, an dem ich ernstlich einsehen sollte, daß ich nicht so hoch über der Welt stand, daß ihr Schmutz mich dort nicht erreichen und niederziehen könnte. Es kam der Tag, an dem ich lernte, mich selbst, mein eigenes Heim, überhaupt mein ganzes Leben mit denselben Augen anzusehen, wie andere es schon lange getan hatten. Dieses kam indessen nicht über Nacht, sondern allmählich, und die Zeit des Zweifels war die schlimmste.

Signe lebte ihr eigenes Leben während der Zeit, da mein kleines Mädchen und ich uns fester aneinanderschlossen, und ich merkte es nicht. Ich merkte wohl, wie sie sich von uns zurückzog, und ich fühlte auch zuweilen, daß sie uns beide betrachtete, als hätte sie verstanden, daß die Zärtlichkeit, die uns aneinanderband, sie von uns trennte. Signe wurde es müde, immer im Schatten zu leben; sie verlangte danach, sich als meine Frau zu zeigen; und ebenso stark wie sie sich früher zurückgezogen hatte, ebenso übertrieben wurden jetzt ihre Ansprüche. Nichts war ihr gut genug, nichts war ihr recht. Es begann sich eine Unruhe über ihr ganzes Wesen zu verbreiten, die in jede Ecke des Hauses drang, die auf der Lauer lag und die unschuldigste Freude störte und das bedrohte, was ich aufgebaut zu haben meinte. Ich merkte es wohl, ich wollte es aber nicht sehen, machte mich absichtlich blind, zufrieden, wenn ich in meinem Zimmer sitzen durfte und mit meinem Kinde, das zu einem guten und verständigen Mädchen heranwuchs, spielen oder mich mit ihm unterhalten konnte.

Daß der Boden unter mir auf irgend eine Weise untergraben war, ahnte ich freilich. Aber es dauerte lange, ehe ich zum erstenmal diesen scharfen Stich im Herzen spürte, der mir unwiderruflich sagte, daß mein Heim, das ja immer gering und geistig arm gewesen, nicht einmal ein Heim mehr genannt werden konnte. Ich weiß die Veranlassung nicht mehr, weshalb Signe und ich gerade an dem Tage in einen Wortwechsel miteinander gerieten. Solche Veranlassungen kamen während der Zeit so oft, daß ich mich keiner einzelnen mehr erinnere. Aber ich weiß noch, daß sie in meinem Arbeitszimmer vor mir stand, mit einem vor Zorn geröteten Gesicht, mit halberstickter, schluchzender Stimme und laut schrie:

»Weshalb hast du mich denn geheiratet?«

Ich konnte nichts antworten, ich starrte nur dieses Weib an, das ich buchstäblich zum ersten Male zu sehen glaubte, aber ich konnte nichts von alledem verstehen.

»Du antwortest nicht«, fuhr sie fort. »Du bist natürlich zu vornehm, um zu antworten, da du ja ein feiner Herr bist und ich nur ein armes Mädchen, das so verrückt war, sich von dir anführen zu lassen. Hätt' ich mein Glück verstanden, hätt' ich gewußt, was für ein Mensch du bist, so hätte ich mich vor dir hüten müssen. Und ich hätte zehn haben können, die besser gewesen wären als du. So, jetzt weißt du es.«

Das Ganze war mir noch so neu, daß ich noch nichts von dem allem begriff.

»Was meinst du eigentlich?« sagte ich mit einem Blick auf das, was uns umgab. »Haben wir es nicht ganz gut hier?«

»Nein«, sagte sie und lachte mir ins Gesicht. »Nein, das haben wir nicht. Haben wir jemals was anders gesehen, als diese ärmlichen Zimmer hier? Hast du auch nur ein einziges Stück Möbel gekauft, seitdem wir in diese Bude eingezogen sind? Glaubst du, daß ich darauf eingegangen wäre, mich mit dir zu verheiraten, wenn ich gewußt hatte, daß ich mein ganzes Leben hindurch dein Dienstmädchen sein sollte? Wenn du das geglaubt hast, so hast du dich schön getäuscht.«

Ich schob sie durch die Tür hinaus, die ich verschloß, und ich konnte noch immer nichts begreifen, als daß ein Unglück über mich hereingebrochen war und daß ich mein Kind retten mußte.

 


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