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Die Räuber

Maurische Räuber.
Leo Frobenius phot. 1907

Dreimal erschloß sich mir im Sudan unerwartet der Charakter des afrikanischen Mannes: zum ersten in einer den Rassenkampf überwölbenden Geschwisterliebe; zum zweiten im Sang der Barden vom alten Heldentum; zum dritten in einem alle negerhafte Lethargie überwindenden Hasse des Heidentums gegen den Islam. – Hier das Erlebnis von der Geschwisterliebe.

Im Spätherbst des Jahres 1907 war die D. I. A. F. E. (Deutsche Inner-Afrikanische Forschungs-Expedition) den Senegal, dann die Sudanbahn heraufgefahren. In der jüngsten Metropole französisch Innerafrikas, in Bamako am Niger, hatte ich die Station aufgeschlagen, die den Namen Sanssouci führte – womit gesagt sein sollte, daß die gesamten Schwierigkeiten, die diese Expedition durch die Länder der uns so wenig liebenden Nation erfahren mußte, mir keine Sorge bereiten könnten. Und in der Tat führten wir in Sanssouci ein erstaunlich reiches Leben, wurden fast täglich freudig erschüttert durch Eindrücke großen Formates, hatten täglich Erfahrungen und Belehrungen hohen spezifischen Gewichts aufzunehmen. Meine Lunge, die auf den langen Wanderungen im tropisch warmen und feuchten Klima des Kongostaates an schweres Arbeiten gewöhnt war, begann hier im weiten Steppenlande sich zu dehnen und zu schwellen, und oft schien es mir, als müsse der für solche Ausbreitung eines Innenlebens allzu schmal gewordene Brustkasten unter diesen gewaltigen Spannungen bersten.

Tagtäglich fielen Erlebnisse gleich Beilhieben in die Vorstellung des einheitlichen Afrika und spalteten durch wachsenden Riß. Dort Kongo und Wald und Enge. Hier Niger und Steppe und Weite. Dort Müdigkeit und hinsiechende Kraft im Erhalten uralter, durch Inzucht lebensschwach gewordenen Kulturseins. Hier sprungbreite Frische, machtvolles Bewußtsein von großer Vergangenheit, vor allem ein Kulturwerden, in dem wachstumsgleich die Ablösung im Tragen schwach Gewordenen durch zuchtstark Hoffnungsfreudiges erfolgte. Auch in der Steppe verbraucht die Kultur Völker und Menschen, wenn auch nicht annähernd so schnell und intensiv, wie die Waldgelände. Aber während die Waldgelände neue Zufuhr nur von dem auch nicht gerade hervorragend kräftigenden südafrikanischen Plateau bezogen, erhielt der Sudan von jeher Lungen- und Herzkraft aus der Sahara – der Wüste –, also einer Landschaft höchster Zucht. Seit Jahrtausenden rieselt der afrikanische Kraftborn aus der Sahara in den Sudan und erhält damit die Kraft zur Kultur frisch. Dadurch gewinnt das Leben im Sudan ein großes Format.

Von größerem Format ist hier alles Schicksal, das der Völker und das der Menschen.

Vor allem hart umrissen und scharf geprägt ist das Wesen der zwei großen Gegenspieler in allem, was die beiden Landschaften Sahara und Sudan hervorbringen. In der Rasse, dem Blutsmäßigen ebenso wie in der Kultur, dem Paideumatischen, Seelischen. In der Sahara zähe, nervig sehnige Menschen aus dem Leben, das gleich einer Perlkette von Entbehrungen und Nöten verläuft, gehen nur widerstandsfähige, leidenschaftliche, unbändig willensstarke Menschen der Tat hervor. Den Taten der Einzelnen entspricht aber niemals Wille zum Gemeinsamen, zum Ausgleich im Sinne eines Ineinandergreifens der Kräfte. Nie setzt die schnelle Tat sich um in Arbeit zum Ständigen. Die Sudaner dagegen muskelstark, vierschrötig, behäbig, arbeitsam. Die Arbeit und überhaupt das Leben gehen hier aus von der festgegliederten Ordnung der Verhältnisse. Besitz und Gesellschaft, Arbeit und Kunst sind nur denkbar als Eigenart hochentwickelter Organität. Und als hohe Pflanzen saugen diese Kulturen, ausgedrückt als Staaten, Weltanschauungen und Wirtschaftsformen die Völker, die sie tragen, verhältnismäßig schnell aus – schneller noch als in unseren gemäßigten Zonen. Ermüden die Träger, dann drängen gar bald die wilden Menschen der Tat aus dem Norden herein – die Tuareg oder Berber, die Mauren – und ergreifen Besitz von den hohen Gütern der Kulturreichen und Ermatteten – den Songhai, den Mande, den Haussa. Der Saharer trägt frisches Blut hinein, der Sudaner nimmt es in sich auf. Die Assimilierung geht schnell vor sich.

Solches Kräftespiel bereitet eine Leidenschaftlichkeit vor, die dem Europäer in seinen speziellen Formen so gut wie unausdenkbar ist. Aus den alten Dichtungen (vergl. Atlantisausgabe, Bd. VI) schreit sie dem staunenden Hörer entgegen. Aus den Geschicken des Lebens der Einzelnen wird es jedem, der es für wert erachtet, solches zu belauschen, noch deutlicher werden. Schon während des ersten Aufenthaltes in Bamako mußte sich dies mir aufdrängen. Ich will das hier belegen mit der Wiedergabe des Berichtes über die Schicksale zweier Brüder, die mir bald als Vertreter der zwei typischen Varianten der sogenannten Mauren vorgestellt wurden. Diese beiden Männer, Ali und Bukari, wurden mir im Laufe meines mehrmaligen Aufenthaltes gute Freunde. Sie sahen so ungleich aus, wie nur Brüder in diesen Ländern sein können, denn der eine, der ältere, konnte als typischer Vertreter der Berberrasse bezeichnet werden, während der jüngere von einem jeden als Neger in Anspruch genommen werden konnte. Langsam im Laufe ihrer Unterhaltungen erhielt ich sehr gute Berichte über die Geschichte dieser Burschen, deren Schicksal so deutlich aus klarer Rassenzugehörigkeit sprach, dieser Entgegensätzlichkeit der Rassensymptome, die sie zu dem gemacht hatte, was sie waren – zu Mördern aus Liebe.

 

Der Vater der beiden Burschen wurde Musa Ibn Sadi genannt, das war ein angesehener und wohlhabender Mann. Musa Ibn Sadi zog jedes Jahr mit reichen Ladungen von Gummi an den Senegal und strich auf den Handelsstationen seinen Gewinn ein. Als er bei Jahren war, nahm er Hat'ma, eine reiche Berberin, zur Frau und gewann mit ihr festen Aufenthalt in der Umgegend von Ras el Ma. Nach einiger Zeit wurde Ali aus dieser Ehe geboren. Musa Ibn Sadi zog Jahr für Jahr mit seinen Leuten zum Einsammeln und Verkaufen des Gummis. Sein Vermögen wuchs. Er wurde angefeindet. Mehrfach mußte er sich und seine Transporte schwer verteidigen, eines Tages sogar gegen seinen neidischen Schwiegervater, den er erschoß. Das brachte Zwist in seine Ehe. Fatma war ein zänkisches Weib. Musa Ibn Sadi war das ständig wachsende Hauselend bald satt. Eines Tages kaufte er sich einen schönen Besitz im südlichen Bakunu. Ein alter Ulussu (höriger Neger) übernahm die Leitung der Landwirtschaft. Nun residierte Musa Ibn Sadi bald in Ras el Ma bei Fatma, bald in Bakunu bei seinem Ulussu. Als Ali acht Jahre alt war, nahm Musa Ibn Sadi den Sohn zum erstenmal mit nach dem Bakunu.

Ali fühlte sich das erstemal schon sehr, sehr glücklich. Auch ihm ward das ständige Keifen der Mutter zur Qual, trotzdem sie ihm gegenüber meist ›süß war, wie die Milch der Kühe‹. Hier in Bakunu lernte Ali den Frieden kennen. Der alte Ulussu hatte eine prächtige alte Frau und ein allerliebstes etwa 16jähriges Töchterlein mit Namen Njelle. Die alte Frau verhätschelte den Knaben, das Mädchen spielte mit ihm wie eine Schwester. Ali war unglücklich, als er nach Ras el Ma zurückkehren mußte. Der Vater aber sagte: ›Du kannst jedes Jahr einmal hierher kommen, aber du gehörst zu deiner Mutter.‹

Der Vater selbst hatte dem Spiele der ungleichaltrigen Kinder im Hause des Ulussu zugeschaut. Er sah die still-gütige Frau des Hörigen. Er sah das zierlich bescheidene Wesen des Mädchens. Sein Auge fiel auf Njelle. Das Mädchen blickte ihn freundlich an.

Musa Ibn Sadi machte Njelle zu seiner Tara-Mussu (Kebsweib). Njelle gebar einen Knaben, der wurde Bukari genannt. Als Ali zum drittenmal nach dem Bakunu zurückkehrte, sah er Njelle als Mutter seines Bruders, und die ganze Liebe, die der Knabe vom erstenmal an aus dem Frieden im Hause des Ulussu geschöpft hatte, floß nun zusammen in einer leidenschaftlichen Hingabe an das kleine Kind. Und dieses blieb so.

Auch diesmal kehrte Ali nur widerstrebend mit dem Vater nach Ras el Ma zurück. Dort empfing sie sogleich das Kreischen der Mutter. Ali mußte es anhören, wie die Mutter den Vater beschimpfte. Er stand am Kamel und war mit der Lösung der Gurte beschäftigt. Er hörte, wie die Mutter schrie: ›Du Herumtreiber, du schlechter Mann, du Zerstörer meiner Familie!‹ Er hörte das und sah den Vater schweigend und still dastehen. Der Knabe stand auf, ergriff den Vater bei der Hand und sagte: ›Komm, laß uns zu Njelle zurückkehren.‹ Der Orkan brach nun erst mit voller Gewalt los. Er wütete tagelang. Alle Männer und Frauen des Lagers zitterten. Eines Nachts kam Hat'ma an das Lager des Sohnes. Sie weinte und schluchzte: ›Mein Ali, gehe nicht wieder mit dem Vater in das Haus der Njelle. Sieh, ich will dir heute schon alles schenken, was ich besitze, meine Rinder, meine Kamele, meine Schafe. Aber bleibe für immer bei mir.‹ Ali sagte: ›Ich werde mit dem Vater sprechen.‹ Hat'ma schrie: ›Du bist meine Sache, du hast nichts mit dem Vater zu reden!‹ Und Ali stritt mit der Mutter. Er stritt mit ihr viele Nächte. Er ging zum Vater und sprach mit ihm. Der Vater sagte: ›Das ist Angelegenheit deiner Mutter. Ich habe hierin kein Recht.‹

Ali lief in die Wüste. Er trieb sich tagelang zwischen den Akazien umher. Er verspürte nicht Hunger und Durst. Ali ward gesucht. Die Leute fanden ihn unter einem Busch. Er ward ohnmächtig. Ali war sehr krank. Die Mutter pflegte ihn. Er wollte nach der Mutter schlagen. Musa Ibn Sadi, der Vater, hielt ihm die Hand fest. Er drückte den Jungen auf das Lager nieder. Er sagte: ›Du verschlägst dir das Leben (im Jenseits).‹ Nur langsam wurde Ali gesund.

Ali zog dann mit andern Burschen fort in die große Steppe und hütete die großen Herden. Er sprach aber nie mit den andern. Er blieb stets für sich. Er schloß keine Freundschaft. Das währte eine ganze Reihe von Jahren. Ali befolgte den Wunsch der Mutter, den Befehl des Vaters. Er blieb im Norden. Wenn der Vater nach dem Süden aufbrach, zog er in die Wüste. So ward Ali ein verschlossener Bursche von 17 Jahren. Dann bekam er vom Vater eine Flinte, von der Mutter ein Pferd. Er ritt auf dem ersten Kriegszug mit. Es war ein Geplänkel. Aber Ali zeichnete sich aus. Er hatte einen Kunta getötet. Alle Leute ehrten ihn. Die Mutter sagte zum Vater: ›Es wird Zeit, daß du ihn verheiratest.‹ Musa Ibn Sadi sagte: ›Sprich mit Ali; dies ist deine Sache. Die Gabe steht bereit.‹ Die Mutter beschimpfte den Vater. Sie sagte ihm, daß er zu nichts gut sei, als für eine Tara-Mussu und einen Bastard. Der Vater schwieg wie immer. Ali hörte das alles. Ali trat herzu und sagte zu seiner Mutter: ›Du beschimpfst den Vater und verjagst mich.‹ Die Mutter schrie: ›Ich tue doch alles um dich!‹ Der Vater und der Sohn gingen.

Hat'ma suchte Ali; sie traf ihn. Sie fragte ihn: ›Ali, weshalb willst du nicht eine Frau haben. Du wirst eigene Kinder besitzen.‹ Ali sagte: ›Meine Mutter, ich habe nur den einen Wunsch, das ist, meinen Bruder Bukari zu sehen.‹ – Die Mutter kreischte. Ali ging.

Hat'ma wälzte sich schreiend und schluchzend in ihrem Zelt auf die Erde. Sie hatte sich alle Kleider vom Körper gerissen. Sie riß sich mit den Nägeln tiefe Wunden in die Brust. Sie wälzte sich mit den Haaren im Unrat. Das ganze Lager kam in der Nacht nicht zur Ruhe. Musa Ibn Sadi saß vor dem Zelt auf der Erde. Ali kam herüber. Ali sagte: ›Was tust du hier, mein Vater?‹ Musa sagte: ›Ich wache, damit deine Mutter sich nicht ein Leid antut.‹ – Am andern Tage schlief Hat'ma ein. Musa Ibn Sadi sattelte sein Kamel. Er ritt mit einigen Leuten fort. Er zog in das Bakunu zu Njelle.

Als Hat'ma ausgeschlafen hatte, bereitete sie für Ali dessen Lieblingsspeise, ein in der Sandhöhle gebackenes Lamm. Hat'ma sagte: ›Wir sind alle töricht. Wir werfen uns selbst Steine in den Weg. Iß und laß es dir gut gehen.‹ Am Abend bereitete Hat'ma mit saurer Milch und viel Sumbala eine gewürzige Kost. Hat'ma sagte: ›Wir sind nicht arm. Weshalb sollen wir darben?‹ Am andern Morgen brach Hat'ma mit zwei Sklaven und der Dienerin Kumba auf. Sie sagte: ›Mein Sohn, ich komme bald wieder. Ich will dir ein Geschenk bringen.‹ Nach zwei Tagen war sie wieder da. Auf einem Packochsen ritt neben ihr ein sehr schönes Mädchen. Hat'ma sagte: ›Diese habe ich gekauft, damit sie in Zukunft dir diene.‹ Abends war Hat'ma im Zelt mit Kumba allein. Sie hatten die Matte vorgelegt. Hat'ma sprach lange und eingehend mit Kumba. Ali sagte: ›Was will meine Mutter?‹

Am andern Morgen hörte Ali in aller Frühe die Schritte eines Packochsen im Lager. Er sah durch die Spalte neben der Mattentür. Er sah Kumba davonreiten. Seine Mutter stand vor ihrem Zelt und winkte Kumba nach. Kumba ritt auf dem Wege nach dem Süden, nach den Bakunu von dannen. Ali sprang auf.

Als Ali nachher aus dem Zelt kam, näherte sich ihm sogleich die neue Sklavin mit einem Getränk aus Milch und Mehl. Sie reichte es Ali. Die Mutter kam herzu und sagte: ›So gut sollst du nun stets bedient werden. Ich werde dir heute ein Lamm rösten lassen.‹ Ali sah seine Mutter an. Er sagte: ›Meine Mutter, dein Mund lacht, aber dein Herz ist voll schwarzer Nacht.‹ Hat'ma sagte: ›Mein Sohn, du schlägst die Hand, die dir Kühlung zuweht.‹

Ali ging den ganzen Tag nicht.

Er konnte keine Ruhe finden.

Gegen Abend trieb er sein Kamel vor das Lager und hieß einen Burschen, seiner zu warten. Als alles im Lager schlief, erhob er sich, hängte seine Büchse um und schlich von dannen. Er ging zu seinem Kamel und sattelte es. Er sagte zu dem Burschen: ›Berichte meiner Mutter, daß ich auf dem Wege bin, die Hyänen zu töten, die meine Schafe bedrohen.‹ Ali ritt von dannen.

Ali trabte in der Richtung auf das Bakunu. Am andern Nachmittag erreichte er Kumba. Er rief sie an. Kumba erschrak. Ali sagte: ›Steige ab.‹ Beide standen auf dem Boden. Kumba weinte: ›Töte mich nicht, Ali, ich bin die Sklavin deiner Mutter.‹ Ali sagte: ›Welches ist dein Auftrag?‹ Kumba sagte: ›Deine Mutter will mit Njelle und Bukari Frieden machen. Sie hat mich mit Speise zu ihnen gesandt.‹ Ali sagte: ›Das ist gut, ich will dabei helfen. Wir reiten zusammen.‹ Ali ritt mit Kumba zum nächsten Dorf. Dort stellte er den Packochsen unter. Ali nahm Kumbas Gepäck. Er lud es auf. Er ließ Kumba hinter sich auf dem Kamel aufsitzen. So ritt er mit Kumba und der Friedensgabe Hat'mas in das Dorf Bakunu. Sie ritten tagaus und tagein. Sie langten an.

Der alte Musa war da; er half Ali beim Absteigen. Die alte Frau war da; sie eilte, Ali ein Bad zu bereiten, wie es in Bakunu Sitte ist. Njelle war da; sie brachte Ali einen Trunk. Bukari war da; er ergriff den Bruder bei der Hand. Musa Ibn Sadi trat herzu. Er war nicht freundlich. Musa Ibn Sadi sagte: ›Mein Sohn, was willst du hier?‹ Ali sagte: ›Meine Mutter sandte Kumba, um mit Njelle und Bukari Frieden zu machen. Ich nahm sie auf mein Kamel, um sie schneller hierher zu bringen.‹ Musa Ibn Sadi sagte: ›Hamdulahi!‹ Ali sagte: ›Hier ist die Speise, die meine Mutter Njelle und Bukari sendet.‹ Njelle nahm die Speise und trug sie in das Haus. Bukari lief stets neben Ali her.

Die alte Frau des Ulussu badete Ali. Bukari stand daneben. Die alte Frau hieß Ali auf einer Tara (Rohrbank) Platz nehmen. Sie hüllte ihn in Tücher. Bukari saß neben Ali. Der alte Ulussu brachte eine Schale mit geröstetem Reis. Die alte Frau sagte: ›Sogleich wird auch Njelle mit der Speise kommen.‹ Sie warteten. Njelle kam nicht. Als die Alte in das Haus Njelles kam, lag diese am Boden. Ihre Augen starrten. Njelle hatte von Hat'mas Speise gegessen. Njelle starb. Musa Ibn Sadi, Ali und Bukari und der alte Ulussu standen daneben. Bukari ließ Alis Hand nicht frei.

Njelle war gestorben. Sie standen neben dem Lager der Leiche Njelles. Alle Leute kamen hinzu. Die Frauen schrien. Ali hielt Bukari mit der Hand fest. Ali trat zu seinem Vater und sagte: ›Gib mir mein Vieh, daß ich als eigner Herr fortziehe. Laß mir den Knaben. Ich will meinen Bruder schützen.‹ Musa Ibn Sadi sagte: ›Du bist Ding deiner Mutter. Ich habe keinen Spruch in dieser Sache.‹ Ali sagte: ›Mein Vater, du wälzest Qual und Unglück auf den Berg der Schmach und des Todes.‹ Musa Ibn Sadi sagte: ›Allah il Allah. Mohammed rassul Allah! Ich schulde dich deiner Mutter!‹ Ali sagte: ›So machst du es zu deiner Sache.‹

Ali ging mit Bukari aus dem Hause. Er sattelte sein Kamel. Er bestieg mit Bukari sein Kamel. Ali ritt von dannen, dem Süden zu. Ali hielt Bukari fest in den Armen. Lange ritten sie, dann hielt Ali an. Er stieg mit dem Knaben ab. Er bettete das schlafende Kind unter einen Baum. Er selbst wachte. Als es Morgen war, hörte er die Laute trabender Pferde. Ali wußte, daß der Vater ihn verfolgen ließ,um ihn zu seiner Mutter zurückzubringen. Er lud seine Büchse.

Die Reiter tauchten auf. Als sie so nahe herbeigekommen waren, daß er ihre Umrisse erkennen konnte, legte er an und schoß. Einer der Reiter stürzte vom Pferde. Die andern aber stoben vor Schrecken auseinander. Als Ali der Leiche des Erschossenen nahte, sah er, daß dies sein eigener Vater war. Ali trug die Leiche des Vaters unter einen Baum. Dann sattelte er sein Kamel, nahm den Knaben in die Arme und ritt mit ihm weiter gen Süden.

Ali kam nach langen Wanderungen im Gebirge des Südens an. Unterwegs hatte er sein Kamel verkauft, seine guten Kleider verkauft, seine Ledertaschen verkauft. Der Knabe Bukari, seine Büchse und elende Lumpen waren sein einziges Besitztum. Eines Tages war die Not groß, Ali überfiel eine kleine Karawane. Er allein kämpfte mit fünf Leuten. Er gewann reiches Gut. Er verkaufte das im Süden und bereitete Bukari ein Gehöft. Er kaufte eine alte Negerin zu Bukaris Fürsorge. Ali wurde ein großer Räuber. Allen Gewinn brachte er Bukari. Bukari wuchs heran. Eines Tages ward Ali gefangen. Bukari kroch mit einem Messer zwischen den Zähnen dahin, wo der Bruder gefangen war. Er rettete ihn.

Eines Tages ward Hat'ma sehr krank. Sie rief Kumba und sagte ihr: ›Nimm reichlich mit dir. Suche Ali und sage ihm, daß ich gestorben bin. Alles meine gehört nun ihm.‹ Hat'ma starb. Kumba wanderte fort und fand Ali und Bukari. Ali empfing sein Erbe. Er eröffnete in einer Stadt am Niger ein Geschäft. Wenn er ausging, wurde er stets von seinem Bruder Bukari begleitet. Stets gingen sie Hand in Hand.

Ich sah sie nie anders.


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