Egon Friedell
Wozu das Theater?
Egon Friedell

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Penthesilea

Kerrisch

I

Es ist, o Freunde, glaubet mir, enorm vieles an diesem königlichen preußischen Offizier, worüber die Zeit hinweggerutscht ist. Den Griff hat er. Das Profilumreißende hat er. Den Schmiß ins Überlebensgroße hat er. Und wirkt dennoch (für uns) als Puppiges, Attrappiges, Cancanmäßiges, Riesenspielzeughaftes.

Alles in allem: ein Zinn-Gulliver.

II

Es bleibt (für uns) zweierlei. Erstens:

III

Also erstens: diese hinreißende, unwahrscheinlich gefühlssichere Musikalität der Sprache. Diese ›Penthesilea‹ ist, stelle ich hiermit fest, kein Dichterwerk, sondern eine Partitur.

IV

Und zweitens: Denken S' amol noch, Herr Nochbör, wie man in der Stadt der leckeren ›Marüllenschinken‹ und holden ›G'spussis‹ sagt, denken S' amol noch: ist da nicht die ganze Zauberlehre jenes p.p. Freud vorgewittert?

Ein Volk von jungen Damen, die nur das Waffenhandwerk lieben . . . aber was lieben sie da eigentlich so inbrünstig? Eine Seminararbeit für einen strebsamen Psychoanalytiker. Ich jedoch muß weitereilen.

V

Also . . . da wäre . . . zunächst Herr Herr-terich.Franz Herterich, Hofrat; Schauspieler, Burgtheaterdirektor der Zwischenkriegszeit. Ein strammer Expressionist. Probieren Sie's doch mal und kommen Sie dem mit was nicht Würfligem. Rausschmeißen tut er sie, so wahr ich lebe. (Näheres, Belichtendes, endgültig Bilanzierendes über Neukunst lese man nach in ›Die Welt im Drama‹, Band II, Seite 326-331.)

Herr Aslan: Raoul Kainzowitsch Moissisohn. Nur ein Enkel des großen Leuchtsprudlers Josef, aber immerhin ein Enkel (oder andersrum ausgedrückt: ein Windhund, aber mit erstklassigem Pedigree).

Die Pünkösdy›Die Pünkösdy‹ war Burgschauspielerin bukolischen Aussehens; Episoden-Schauspielerin, zuletzt komische Alte. hinwiederum ist eine Helene Thimig für Taschengebrauch. Oder: für Unterklassen. Oder wie's im Baedeker heißt: für einfache Touristen.

Und nun noch die vielen anderen süßen Beeneken, och, och, och! Da wär' ich och gern genug amol Myrmidone gwen. (Mecht ma sprechen.)

VI

Fass' ich zusammen all die Bilder,
Mit denen ich erlabet war,
So sag' ich schließlich als ein milder,
doch selbstbewußter Kritiker:
Ich danke Meister Herterichen,
Daß er dies Dichtwerk uns geschenkt
Und mit ein paar beherzten Strichen
Vor unser heut'ges Aug' gelenkt.
Jedoch ich kann mir nicht verhehlen,
Daß das Gelauf von Menschenschar,
Das ganze Rasseln mit den Stählen,
Nicht dringend war,
Nicht dringend war.


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