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5. Kapitel.
Auf der Lingenburg

Der Tag war im Verscheiden, und aus den Fenstern der Wohngebäude der Burg winkten bereits die Lichter, als die drei Reisegenossen die Zugbrücke überschritten, welche den breiten Graben, der die Burg rings umgab, überbrückte. Der Turmwart ließ sein Horn erschallen, und nach genauer Erkundigung, wer die Ankömmlinge seien, wurde das Fallgitter, welches die Burgpforte sperrte, geöffnet, und an Wirtschaftsgebäuden und Ställen vorbei, trabten Paulus und Heinrich dem Burghofe zu, wo ihre Reittiere von zwei Pferdeknechten in Empfang genommen wurden. Aus dem Sattel gestiegen, dehnten der Mönch und der Ritter ihre von dem langen Ritt steifgewordenen Glieder, während Hunold sie lächelnd dabei betrachtete und zu dem Ritter sagte:

»Schustersrappen, lieber Freund, gelten doch mehr, als Pferd und Esel; denn sie lassen mich nicht erkalten, sie verlangen keine Bedienung und haben auch keine hungrigen Mäuler.«

»Aber Ihr werdet dafür müde sein,« entgegnete Heinrich lachend.

»Ein fröhlicher Sänger hat keine Zeit dazu,« scherzte der schlagfertige Hunold, indem er vor dem Hausmeister der Burg, welcher im Namen des Herrn den Ankömmlingen den Willkommengruß bot, eine tiefe Verbeugung machte. –

Ottokar von Lingenburg war nicht verheiratet. Seine Schwester überwachte die Obliegenheiten der Dienerschaft und führte ein streng geregeltes Regiment. Sie war einem Ritter vermählt gewesen, der in einer Fehde mit den Städtern des Niederrheins Gut und Leben verlor, und Hedwig, so war ihr Name, rettete nichts, als ihre eigene Person aus den Flammen, in welchen die feste Burg ihres Gatten aufging. Die erzürnten Städter, welche lange unter dem Druck und den Raubzügen der Ritter jener Gegend geseufzt und gelitten hatten, vernichteten alles, was Eigentum dieser Adligen war, brannten die Burgen und die Dörfer, welche diesen gehörten, nieder, und da bei ihrem Nahen die Bevölkerung die Flucht ergriff, machten sie leichte Beute. Hedwig war mit einer Dienerin durch einen geheimen Gang aus der Burg ins Freie entflohen, und tagelang irrten beide, indem sie aufs Geratewohl in die Wildnis hinausliefen, ohne Obdach und ohne ausreichende Nahrung umher. Da war es am Abend des dritten Tages – ihre Flucht führte sie durch die breite Gasse eines Dorfes, das ehedem blühend und volkreich, am Tage vorher der Verwüstung anheimgefallen und nur noch ein Trümmerhaufen war – als sie ein klägliches Schreien aus einer halb verschütteten Hütte vernahmen. Die Edelfrau, deren Herz und Gemüt trotz der wilden Zeit hilfreich und gut geblieben waren, vergaß ihre wunden Füße und ihre Müdigkeit und bahnte sich durch die Trümmer, welche den Eingang jener Hütte versperrten, einen Weg. Doch ehe sie, der Abmahnungen ihrer Dienerin uneingedenk, den Eingang erzwingen konnte, kroch ein Kind im jugendlichsten Alter aus den Schutthaufen derselben hervor und sein thränenfeuchtes Gesicht verklärte sich, als es menschliche Stimmen vernahm. Auf den Knieen liegend, schien es bittend seine von dem zersplitterten Fachwerk wunden Ärmchen zu den beiden Frauen zu erheben, als möchte es jene zu seinem Schutze anrufen. Hedwig hatte zwei Jahre vorher ihr einziges Kind im frühsten Alter verloren, und die Erinnerung an dasselbe, sowie an den verlorenen Gatten überkam sie, denn frommen Herzens erblickte sie in diesem hilflosen Wesen ein Geschenk des Himmels. Unter Thränen nahm sie das Kind in ihre Arme und brachte es nach vielen Widerwärtigkeiten wohlbehalten auf die Lingenburg. Vierzehn Jahr waren seitdem verflossen, und Hilda, so wurde dieses Kind von Hedwig und Ottokar genannt, war zu einer Jungfrau empor gewachsen. Der Ruf ihrer Schönheit erklang weit und breit, und mehr noch ward ihre Sanftmut und Klugheit von Hoch und Niedrig gerühmt. Aus dem edlen Gesicht, das stets bleich erschien, blickte die Unschuld und eine namenlose Güte, und wie eine Krone erhoben sich die dicken Flechten ihres braunen Haares über ihrem Scheitel. Ihre Gestalt war zart, eher klein als groß, ihre Bewegungen ruhig und gemessen. Stets schienen ihre Augen zur Erde zu blicken und lange Wimpern umrandeten die Lider. Da die Dienerin, welche Hedwig bei ihrer Flucht begleitete, wenige Zeit darauf gestorben war, und die Schloßherrin dem Kinde nie von seiner Herkunft gesprochen hatte, so wußte Hilda nur, daß sie eine Anverwandte des Ritters von der Lingenburg sei, und weil Ottokar keine Leibeserben hatte, so wurde sie bereits von aller Welt als Erbin der Güter Ottokars angesehen und vielfach umworben.

Ihr Sinnen stand nicht nach Glanz und Prunk; sie hatte von ihrer Base Hedwig gelernt aus heilkräftigen Kräutern Salben und Arzneien herzustellen, und hiermit ging sie in die Hütten der Armen, denen sie in ihrer Güte und Zartheit wie ein Engel erschien. Ein steter Begleiter war ihr Lupus, ein junger Wolf, der sich eines Tages in einer der Fallen, wie sie der älteste Knappe Ottokars, Udo, so gut zu stellen verstand, gefangen hatte; sein klägliches Geschrei lockte die Pflegetochter des Ritters heran, die seine Befreiung und seine Zähmung veranlaßte; und als wenn der Wolf wüßte, daß er der Jungfrau sein Leben verdanke, so wich er weder Tag noch Nacht aus ihrer Umgebung. Bei ihren Ausgängen begleitete er sie, und Nachts lagerte er sich vor ihrem Bette und bedrohte jeden, der sich ihr nahen wollte, mit der ganzen, ihm angeborenen Wildheit. –

Heinrich war den beiden andern vorangegangen, um seiner Base von dem Besuche zu berichten und bald erschien ein Knecht des Hauses, um Paulus und Hunold in das Gemach der Hausfrau zu bitten.

Sie durchschritten einen Gang, welcher gegen den Burghof offen war, und traten, indem sie an dem Wachtturm vorübergingen, welcher sämtliche Burggebäude um Erhebliches überragend, einen weiten Ausblick in das Land gestattete, in das Frauenhaus. Hier erklommen sie eine breite Stiege, aus braun gebeiztem Holze, deren Geländer aus kunstvoll gedrechselten, schweren eichenen Säulchen bestand. Vorsichtig folgten sie dem Knecht, denn, da es Neumond war, so empfing der Treppenflur das sonst gewohnte Mondlicht nicht. Ihre Tritte hallten laut durch den mit Fliesen gepflasterten Korridor, bis der Diener vor einer hohen Thür Halt machte, und dreimal gegen diese pochte. Von innen wurde dieselbe geöffnet, und die beiden Fremden traten ein. Eine wohlthuende Wärme, welche der hohe, vielfach verzierte Kamin dem Zimmer gab, empfing sie. Der hölzerne Boden des rundum in Manneshöhe braun getäfelten Raumes war mit frisch duftenden Binsen bestreut und von der Decke hing an eiserner Kette ein wunderlich geformter Kronenleuchter hernieder, auf welchem eine Anzahl Wachslichter brannte. In einer tiefen Nische, um welche sich Bänke herumzogen, befand sich ein mächtiges Fenster, welches jetzt mit einem dichten Vorhang verhüllt war, am Tage aber dem Raum wohl nur wenig Helligkeit spenden konnte. Gewirkte Tapeten bedeckten das Zimmer oberhalb des Paneels und längs der Wände zogen sich weichgepolsterte Bänke hin. Unter dem Kronenleuchter, in der Mitte des Zimmers, stand der aus hartem Holz gefertigte braun gebeizte Tisch, welcher, seiner massigen Form nach, für die Ewigkeit gemacht zu sein schien. Ein Tuch von feinstem Linnen war darüber gebreitet, und eine goldgestickte Leier zierte seine Mitte.

Das Zimmer machte auf die Eintretenden, welche eine rauhe Tagfahrt hinter sich hatten und eben aus der eisigen Wildnis kamen, einen ungemein behaglichen Eindruck. Der Mönch schlug seine Kapuze zurück, und ließ die langgeformten Finger seiner weißen Hand als ein Zeichen seiner Befriedigung durch den dichten Bart fahren. Er setzte sich auf die Polsterbank nieder, und mit Kenneraugen musterte er schweigend die reich verzierten Gefäße, welche den oberen Sims des Kamins zierten. Der Spielmann jedoch ging im Zimmer unstät hin und her. Er genösse erst rechte Behaglichkeit, sagte er zu Heinrich, als dieser ihn zum Sitzen aufforderte, wenn holde Frauen ihm den Willkommengruß geboten hätten. Heinrich erwiderte: »Die Hausherrin wird wohl bald ihrer Pflicht nachkommen, und,« setzte er hinzu, »Herr Hunold, Euch wird süßer Willkommen auch gar zart von den Lippen meiner Muhme Hilda entgegen klingen, denn ihr wird nachgesagt, daß sie die holdeste Maid im ganzen Weserlande sein soll. Ich selbst, fuhr er fort, kann mich nicht ihrer Bekanntschaft rühmen, denn noch habe ich sie nicht gesehen, seitdem ich hier weile. Der Ohm Ottokar hieß mich, da ich des Abends mit meinen Gesellen von weiter Reise in die Burg einritt, bereits am frühen Morgen zur Jagdfahrt, die das Kloster zu Hameln veranstaltete, aufbrechen, und so kam es, daß ich nur Frau Hedwig begrüßte. Und wie wußte diese durch ihre Güte im Sturm mein Herz zu gewinnen!«

Hunold nickte und sagte, indem er seine Hand auf die Schulter des Jünglings legte:

»Merket, junger Freund, echt deutscher Weiber Art ist, andere zu erfreuen, während drüben im Welschland der Wunsch der meisten Frauen ist, das Leben und seine Freuden zu genießen. Hier in Deutschland ist die Familie ein Heiligtum und die Frauen sind die erkorenen Priesterinnen darin.« – Der Mönch hatte sich erhoben. Er nahm von dem Sims ein Gefäß herab und es gegen das Licht haltend, sagte er, zu dem Sänger: »Ihr seid doch viel herumgekommen, Herr Spielmann, sagt, wißt Ihr, wo dieses Stück gearbeitet ist?«

Hunold lächelte unmerkbar, und indem er seine treue Begleiterin, die Mandoline, vom Rücken nahm, erwiderte er dem Mönch:

»Ehrwürdiger Bruder – nie gab ich auf das Äußere, weder bei den Menschen, noch bei goldblinkenden Gefäßen; denn hier wie dort nimmt uns der Schein Anfangs ein – um uns in Zukunft eine schmerzhafte Enttäuschung zu bereiten. Was kann uns auch der schönste Mensch geben, wenn er nicht voller Anmut und inneren Gehaltes, und was ist uns der kostbarste Becher – ohne edlen Wein! Ja – mag er von Holz sein der Pokal, und sein Inhalt erfreut unser Herz – wie dankbar sind wir ihm! So auch bei den Menschen; dort siegt ein edles Herz, eine hilfreiche Hand, über das unscheinbarste Äußere, und nehmt Ihr die schönste Frau Italiens, deren Sinne nur nach der Außenwelt gerichtet sind, und stellt das Deutsche Weib dagegen, die nur in ihrem Heim ihre Zufriedenheit sucht und findet, und mag sie auch vorerst Eurem Auge nicht gefallen – zuletzt siegt sie über jene – dessen bin ich sicher.« – –

Seine Finger glitten durch die Saiten seiner Mandoline und hell erscholl seine Stimme:

Heißt mich froh willkommen sein!
Der euch neues bringet, das bin ich;
Eitle Worte sind's allein,
Die ihr noch vernahmt: jetzt fraget mich!
Wenn ihr Lohn gewähret
Und den Sold nicht scheut,
Will ich manches sagen, was die Herzen freut;
Seht, daß Ihr mich würdig ehret.

Ich verkünde deutschen Fraun
Solche Dinge, daß sie alle Welt
Noch begierger wird zu schaun;
Dafür nehm' ich weder Gut noch Geld.
Was wollt ich von den Süßen?
Sie sind mir zu hehr.
Darum bescheid' ich mich und bitte sie nichts mehr,
Als daß sie mich freundlich grüßen.

Lande hab' ich viel gesehn,
Nach den besten blickt' ich allerwärts;
Übel möge mir geschehn,
Wenn sich je bereden ließ mein Herz,
Daß ihm wohlgefalle
Fremder Lande Brauch.
Wenn ich lügen wollte, lohnte mir es auch?
Deutsche Zucht geht über alle!

Von der Elbe bis zum Rhein
Und zurück bis an der Ungarn Land,
Da mögen wohl die besten sein,
Die ich irgend auf der Erden fand.
Weiß ich recht zu schauen
Schönheit, Huld und Zier,
Hilf mir Gott, so schwör ich: sie sind besser hier
Als der andern Länder Frauen.

Züchtig ist der deutsche Mann,
Deutsche Fraun sind engelschön und rein;
Thöricht, wer sie schelten kann,
Anders wahrlich mag es nimmer sein.
Zucht und reine Minne,
Wer die sucht und liebt,
Komm in unser Land, wo es noch beide gibt;
Lebt' ich lange nur darinne! Simrock: Gedichte Walthers von der Vogelweide.

Paulus und Heinrich hatten zuerst überrascht dann teilnehmend zugehört. Eben wollte der Mönch dem Spielmann seinen Dank aussprechen, als sich die Thür des Nebenzimmers aufthat und Hedwig in einem Oberkleid von schimmernder Seide, das mit Zobel ringsum besetzt war und an dessen weitem Gürtel sie ein Schlüsselbund, das Zeichen der Hausfrau, trug, mit Hilda hereintrat. Die Burgherrin schritt auf Heinrich zu und indem sie sich vor den beiden andern artig verneigte, wandte sie ihren Kopf nach dem noch in der Thür stehenden jungen Mädchen und rief ihr zu:

»Komm her, Hilda, mein Kind, um Deinen Vetter zu begrüßen.«

Heinrich eilte ihr entgegen, doch befangen hielt er inne als Hilda, am Eingang stehen bleibend, seine ausgestreckte Rechte nicht ergriff.

»Ihr seid sehr zurückhaltend hier,« bemerkte er, indem er seine Hand sinken ließ. »Bei uns im Süden schlagen die Herzen weit eher dem Freunde, dem Verwandten entgegen.«

Auf dem Gesicht des jungen Mädchens malte sich schmerzliches Erstaunen.

»Wie das?« bemerkte sie, »warum sollte ich Euch freudig begrüßen, wo ich nicht weiß, ob Ihr gut oder böse seid, ob Ihr mit friedlichen Absichten kommt, oder Sturm und Unruhe in unser friedliches Haus bringt? Verzeiht,« so setzte sie hinzu, indem sie ihre Augenlider, die ihrer Gepflogenheit nach gesenkt waren, erhob, »mein Zögern scheint Euch zu mißfallen. Aber geduldet Euch, wir werden, wenn Ihr uns Gutes bringt, treue Freunde sein.«

Heinrich hatte zuerst, gekränkt von dem kalten Gruß, der ihm aus dem Munde des Mädchens entgegentönte, sich abgewandt, als sie ihm aber jetzt ihre beide Hände zum Gruß entgegenhielt und er ihr voll und ganz ins Antlitz sah, durchzuckte ihn ein jäher Schreck; glanzlos starrten ihm die Augensterne Hilda's entgegen, und erschüttert ergriff er die Hände des Mädchens. Sie ist blind, wiederhallte es in seinem Innern, und mit dem Ausdruck des tiefsten Schmerzes sah er der rührenden Gestalt nach, als sie, wie eine Sehende das Zimmer durchschreitend, zu ihrer Beschützerin Hedwig eilte, die inzwischen mit Paulus ein ernstes Gespräch pflog.

Der Spielmann stand abseits, er hatte die Mandoline in der Hand, und die Wahrnehmung, daß die holde Maid nie das Licht der Sonne erblicken würde, ließ ihn sich in düstere Gedanken versenken. Dabei griff seine Hand in die Saiten und entlockte diesen einen klagenden Ton, so daß sich die Blinde erstaunt umwandte. Als wenn sie den Sänger deutlich vor sich sähe, so trat ein süßes Lächeln auf ihr Gesicht. »Ich liebe die edle Kunst des Gesanges,« sprach sie den Sänger an, »und gern möchte ich das Saitenspiel erklingen lassen, wenn meine Finger darin geübt wären. Ich hörte einst, daß vor grauen Jahren im Lande der Griechen, Arion das Saitenspiel so wunderbar schlug, daß die Tiere ihrer Wildheit vergaßen und gezähmt sich zu seinen Füßen lagerten. Mein Lupus zwar hört auch auf meine Stimme, und wenn ich Gesang ertönen lasse, so drängt er sich schmeichelnd an mich – sagt mir, Herr Spielmann, getraut Ihr Euch mit Eurer Leier ähnliches zu vollbringen wie der alte Griechensänger?«

Hunold sah die Fragende ernst an. »Wohl ist mir,« antwortete er, »viel Macht verliehen, und meinem Saitenspiel schenkte die heilige Cäcilia den höchsten Preis. Aber nicht Tiere des Waldes, nicht den Vogel in der Luft soll mein Spiel gefangen nehmen, sondern das Edelste, was die Natur erschuf, macht es sich unterthan, es rührt das Herz des Menschen.«

Das Mädchen schwieg, doch nach einigen Augenblicken richtete sie ihr Gesicht bittend zu Hunold und sagte mit leisem Ton:

»Wollt Ihr mir Lehrmeister sein in dieser Kunst, so will ich den Ohm Ottokar bitten, daß er Euch eine frohe Stätte in der Burg schafft. Wohl weiß ich,« setzte sie hinzu, »daß der fahrende Sänger heut zu uns kommt, um morgen in die Weite zu fliehen, denn auch der Flug der Nachtigall ist unbehindert, und ihr Lied ertönt nur, wenn sie ihre Freiheit preist. Aber, Herr Spielmann, denkt daran, daß Ihr einer Blinden – die nur die Sonne kennt, wenn sie Wärme strahlt, die nur die Sonne durch das Hörensagen der Leute sieht – ein Leben voller Freude verschafft, und Gott und Eure Schutzpatronin, die heilige Cäcilia, wird es Euch lohnen.«

Aus Hunolds Augen perlten Thränen. Heinrich war hinter ihn getreten und raunte ihm zu:

»Gewährt der Armen die Bitte, bleibt hier und erfreuet uns mit Eurer Anwesenheit und mit Eurem Spiel.« Auch Hedwig trat herzu, vereinte ihre Bitten mit denen der Jugend, und während Hunold sein strahlendes Auge auf die Blinde richtete, welche in rührender Demut, mit gefalteten Händen und das Köpfchen vornübergeneigt, vor ihm stand, sagte er nach einem Augenblick des Schweigens zur Schloßfrau: »Werte Frau, erwirket mir von dem Herrn des Schlosses die Gunst, daß ich bleibe, und Euch wie Eurer Pflegetochter sollen meine Dienste gewidmet sein.«

Dankend ergriff Hedwig die Hand des Spielmannes und fügte leise hinzu: »Es ist nicht um meinetwillen, der Armen dort ist so wenig Schönes von Gottes Welt beschert; gönnet ihr einige Tage Eures Lebens und der Dank guter Menschen wird Euer Verweilen lohnen.«

Bei den zusagenden Worten Hunold's hatte Hilda's Gesicht einen freudigen Ausdruck angenommen, und vergnügt schlug sie in die Hände als sie Heinrich zurief:

»Ihr werdet sehen, Herr Vetter, wie kunstfertig ich bald das Saitenspiel rühren kann. Und wenn ich dann wie einst der König David fromme Weisen ertönen lasse zum Lobe Gottes und der guten Menschen, so sollt Ihr nicht vergessen sein, Herr Spielmann, und auch Ihr nicht, Vetter.«

Der Mönch hatte sie unverwandt angeschaut, ohne ihr näher zu treten, und sie wußte von seiner Anwesenheit nichts. Die Hausfrau lud die Gäste zu einem Imbiß ein, und während sie sich mit den Männern in den Speisesaal begab, schlich sich Hilda in aller Stille davon.


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