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Ansicht von Brüssel. Pracht der Gebäude. Anekdote von Peter dem Großen. Veränderter Zustand der Stadt seit achtzehn Jahren. Kühner Spitzthurm des Rathhauses. Prinz Karl's Statue zu Pferde auf dem Giebel des Brauerhauses. Neue Häuser an der Stelle aufgehobener Klöster. Kornmarkt. Physiognomische Anzeichnungen über den Pöbel von Brüssel. St.-Gudulakirche. Vortreffliches Gemälde von Rubens. Kreuzigung Christi von Crayer in der Kirche des großen Beguinenhofs. St.-Jakobskirche zum Kaudenberg. Herrn Danhot's Gemäldesammlung. Danaë von Tizian. Porträt eines Frauenzimmers von Leonardo da Vinci.
Wir sind einige Tage nacheinander ausgewesen, um die Stadt zu besehen. Sie ist sehr unregelmäßig gebaut, die Straßen laufen krumm, kreuz und quer durcheinander; viele sind indeß ziemlich breit, und fast durchgehends sieht man schöne oder wenigstens solide Häuser, die ein gutes Ansehen haben. Die meisten Privathäuser sind nach der Straße hin sehr schmal und mit Giebeln, welche sich stufenweise zuspitzen, versehen. Fast alles, die großen massiven Gebäude ausgenommen, ist wie in den übrigen brabantischen Städten mit weißer Tünche überzogen. Die Gegend um den Park ist eine der schönsten und würde in jeder großen Stadt dafür gelten. Massive, große Gebäude von einfacher aber geschmackvoller Bauart zieren sie. Der Königsplatz, wo eine kolossalische Bildsäule des Prinzen Karl von Lothringen Karl von Lothringen (1712-80), österreichischer Feldmarschall im Siebenjährigen Kriege. Wiederholt durch Friedrich II. geschlagen, legte er seine Stelle nieder und ward Statthalter in den Niederlanden, wo er sich ungemein beliebt zu machen wußte. Anmerkung d. Hg. in Erz vor der St.-Jakobskirche, in einer Linie mit dem kühnen, leichten Spitzthurm des Rathhauses steht, ist mit eben solchen Gebäuden umringt. Der Gerichtshof von Brabant oder das sogenannte Conseil hält in einem neuen, von den Ständen errichteten Palast, der nach dem Park hinsieht, seine Sitzungen. Die Hotels des Herzogs von Aremberg, des Vicomte von Walkiers, des englischen Gesandten, imgleichen das Wappenhaus u. a. m. stehen sämmtlich in dieser Gegend.
Seit sechzehn oder achtzehn Jahren hat Brüssel, zumal um den Park herum, eine neue Gestalt gewonnen. Die alten Gebäude, die man hier noch sieht, wie zum Beispiel die Reitbahn, stehen beinahe unter der Erde; die neuen hingegen haben zwei oft drei Keller oder Souterrains übereinander, indem man das Erdreich bis zu einer Höhe von 30 Fuß und darüber aufgeschüttet hat, um die ehedem vorhandenen Unebenheiten auszufüllen. Der Park ist daher jetzt schon vollkommen geebnet bis auf zwei Vertiefungen, welche noch vor kurzem Sümpfe waren, jetzt aber mit schönem, hohem Gebüsch bekleidet und mit festen Sandgängen ausgelegt sind. In einem dieser Gründe sahen wir eine Grotte mit einem Springbrunnen, der aber jetzt nicht floß. Das viereckte Becken von Stein unter der Nische, worin eine lesende weibliche Figur von Marmor liegt, hat auf seinem Rande folgende merkwürdige Inschrift: » Petrus Alexiowitz Czar Moscoviae Magnus Dux margini huius fontis insidens illius aquam nobilitavit libato vino hora post meridiem tertia die XVI. Aprilis anni 1717.« Der große Stifter des russischen Kaiserthums hatte nämlich bei einem Gastmahl, welches man ihm zu Ehren gab, ein wenig zu tief ins Glas gesehen. Indem er nun hierherspazierte, um in der frischen Luft die Dünste des Weins verrauchen zu lassen, fiel er in das Wasserbecken, und es geschah, was die Inschrift sehr zierlich und fein mit dem libato vino ausdrückt.
Der sogenannte Große Markt ist wirklich nicht so groß, wie man ihn sich nach diesem Beinamen vorstellen möchte; allein das Rathhaus mit seinem hohen gothischen Thurme ziert diesen Platz und gibt ihm Ansehen. Das Einfache pflegt selten die stärkste Seite der gothischen Bauart auszumachen; bei diesem Thurme halten jedoch die vielen kleinen Spitzen und einzelnen Theile den Beobachter nicht ab, Einen großen Eindruck von kühn und leicht emporstrebender Höhe zu empfangen. Es wird immer den Gebäuden in diesem Geschmack zum Vorwurf gereichen, daß ihre Gestalten stachelicht und gleichsam zersplittert scheinen, zu scharfe, eckige, in die Länge gezerrte Verhältnisse und Formen darbieten und dem Auge keine Ruhe lassen. St.-Michael steht nicht übel auf der Spitze dieses Thurms in kolossalischer Größe, die jedoch von unten immer noch klein genug erscheint, und mit dem besiegten Feinde zu seinen Füßen. Auf dem benachbarten Giebel des Brauerhauses steht des Prinzen Karl von Lothringen vergoldete Bildsäule zu Pferde lange nicht so schön und gewiß nicht an ihrem Orte; allein die Brüsseler scheinen diesen Fürsten so lieb gehabt zu haben, daß sie ihn gern über ihren Köpfen reiten ließen.
Zu den Veränderungen in Brüssel muß man noch die seit der Aufhebung der Klöster angebauten Plätze rechnen, auf denen jetzt schon eine große Anzahl neuer Häuser stehen. Eins von diesen Klöstern, welches innerhalb der Stadt ansehnliche Gärten besaß, brachte durch seine Aufhebung zum ersten mal den Einwohnern und ihrem Handel einen wichtigen Vortheil, indem der Kaiser daselbst einen schönen, geräumigen Platz zum Kornmarkte einrichten ließ, auf welchem jeder Gattung von Getreide ihr besonderer Ort angewiesen ist; es stehen Pfähle errichtet, mit Bretern daran, worauf man »Bohnen, Buchweizen, Weizen, Roggen, Hafer, Gerste« u. s. w. liest. In einer andern Gegend baute man nur noch im vorigen Jahre mehr als zwanzig neue Häuser auf den Schutthaufen eines Klosters. Diese Veränderungen und Verschönerungen einer Stadt, die, wenn man einzelne Gebäude ausnimmt, im ganzen bereits an Schönheit mit Berlin verglichen werden darf, werden jetzt eine Zeit lang ins Stocken gerathen; wenigstens werden die noch übrigen Klöster vorderhand wol mit dem Schicksal, das Joseph II. ihnen drohte, verschont bleiben. Das fromme, katholische Volk von Brabant hängt mit ganzer Seele an seinem Herkommen in der Religion wie in der Politik, und wenn man es aufmerksam beobachtet, so begreift man nicht, wie es möglich und wirklich geworden ist, daß dieses Volk mit der Anstrengung eines Augenblicks seinen Oberherrn vertrieben hat.
Die große Masse des Volks in Brüssel ist, soviel ich nach dem Haufen urtheilen kann, der sich in den Straßen sehen läßt, nichts weniger als eine schöne Rasse. Sei es verderbte Lebensart, Eigenheit des hiesigen Bodens oder Einwirkung der Verfassung und anderer zu wenig bekannter Umstände; aber gewiß ist es, daß das gemeine Volk eher unter als über der mittlern Statur gerechnet werden muß. Besonders ist dies an dem andern Geschlechte auffallend sichtbar, das überdies noch im Verhältniß des Körpers kurze Arme und Beine hat. Ihre Gesichtszüge kann man nicht eigentlich häßlich nennen; allein bei einer ziemlich regelmäßigen Bildung ist etwas Schlaffes und Grobfleischiges zugleich bemerklich, welches das physiognostische Urtheil von gutmüthiger Schwäche und uninteressanter Leere nach sich zieht. Jene schönen vollwangigen Gesichter mit hoher Stirne und schöngebogener Nase, mit Feuer im großen Auge, starken Augenbrauen und scharfgeschnittenem weiten Munde, die uns im Limburgischen und selbst noch in dem an Lüttich grenzenden Tirlemont gefielen, sahen wir hier nicht wieder. Es scheint, als hätte auf dem niederländischen Grunde der französische Firnis die Züge nur mehr vermischt, nicht charakteristischer gemacht. Dies kann vielleicht paradox, vielleicht gar unrichtig klingen; allein ich bin für meinen Theil überzeugt, daß auch ohne wirkliche Vermischung der Rassen, blos durch das Allgemeinwerden einer andern als der Landessprache, durch die vermittels derselben in Umlauf gekommenen Vorstellungsarten und Ideenverbindungen, endlich durch den Einfluß, den diese auf die Handlungen und auf die ganze Wirksamkeit der Menschen äußern, eine Modification der Organe bewirkt werden kann. Rechnen wir hinzu, daß von alten Zeiten her Ausländer über Brabant herrschten; daß Brüssel lange der Sitz einer großen, glänzenden Hofstatt war; daß auch mancher ausländische Blutstropfen sich in die Volksmasse mischte; daß der Luxus und die Ausschweifungen, die von demselben unzertrennlich sind, hier in einem hohen Grade, unter einem reichen, üppigen und müßigen Volke seit mehrern Jahrhunderten im Schwange gingen: so kann die besondere Abspannung, die wir hier bemerken, sich gar wohl aus natürlichen Ursachen erklären lassen. Es ist indeß nicht der niedrige Pöbel allein, dessen Gestalt zu jener Skizze paßt; das ganze Corps der freiwilligen Bürger, das wir täglich auf dem Markte sehen, und dessen Glieder wenigstens bemittelt genug sind, um auf eigene Kosten alles, was zu ihrer Equipirung gehört, sich anzuschaffen, ja unter denen viele ein reichliches Einkommen haben; dieses Corps, sage ich, so schön es gekleidet ist, so eine kriegerische Miene es macht und so viel Standhaftigkeit und Edelmuth es wirklich beseelen mag, besteht gleichwol durchgängig aus kleinen, schmächtigen Menschen, auf deren Wange selten einmal etwas von einer martialischen Farbe glüht.
Die Hauptkirche zu St.-Gudula ist ein ungeheueres altes Gebäude von ehrwürdigem Ansehen, inwendig mit einer sehr großen Anzahl von Kapellen ausgeschmückt. Die vornehmste, des wunderthätigen Sakraments, bot uns den schönsten Rubens dar, den wir bisjetzt gesehen hatten; den schönsten, ich sage es dreist heraus, den ich von seiner Hand nicht übertroffen zu sehen erwarte. Das Sujet, welches er sich gewählt hat, ist Christus, indem er Petro die Himmelsschlüssel übergibt. Es herrscht eine erhabene, göttliche Ruhe in dieser schönen Gruppe von Köpfen, deren Kraft und Glanz so frisch ist, als wären sie gestern gemalt. Die Farben haben einige Härte, die man aber über den Eindruck des Ganzen nicht merkt. Der Christuskopf ist schön und sanft, nur diesmal gar zu still und unbeseelt. Die Künstler scheinen manchmal zu wähnen, daß die Sanftmuth des Dulders sich nicht zu innerm Feuer gesellen dürfe, durch welches sie doch erst ihren größten Werth erhalten muß; denn sanft sind ja auch die frommen Thiere, die einen hier, am unrechten Orte angebracht, um das allegorische »Weide meine Schafe!« anzudeuten, wirklich ärgern. Die linke Hand des Heilands ist von großer Schönheit, wie jene berühmte Hand von Carlo Dolce in Düsseldorf. Petrus, der sich über die rechte Hand seines Herrn beugt, ist ein Kopf voll Hingebung, Vertrauen, Glauben und Festigkeit. Jacobus ist alt und ehrwürdig; die andern beiden Köpfe, von weniger Bedeutung, dienen jedoch zur Verschönerung der so großgedachten Gruppe. Das Bild ist nur ein Kniestück von den vielen Gemälden von Crayer, Coxis, van Cleef Die Kunstgeschichte erwähnt mehrere Maler dieses Namens; hier ist wol Johann van Cleef aus Venloo gemeint (1646-1716), Schüler von Craeyer. – » Philipp de Champagne« aus Brüssel (1602-74), berühmter Heiligen- und Porträtmaler, lebte zu Paris und Brüssel. Anmerkung d. Hg., Champagne, Otto Venius und andern, welche die zahlreichen Kapellen dieser Kirche zieren; von den Statuen der Heiligen, den kostbaren Altären, den gemalten Fenstern und den Mausoleen kann ich nach dem Anblick eines solchen echten Kunstwerks nicht sprechen. Das wahrhaft Vollendete der Kunst füllt die Seele so vollkommen, daß es für geringere Gegenstände keinen Platz darin läßt.
In der zum großen Beguinenhofe gehörigen Kirche sahen wir an dem Altar zur Rechten ein schönes Gemälde von Crayer; es war eine Kreuzigung Christi. Der Kopf des Erlösers war edel und sogar erhaben; Johannes nicht schön, aber von bewundernswürdigem Ausdruck. Den Blick auf den Gekreuzigten gerichtet, scheint er fast noch mehr als dieser zu leiden. Die Mutter Gottes ist nicht so glücklich gefaßt, aber dennoch von vorzüglicher Kraft und schön drapirt, zumal um den Kopf. Die Magdalene zu den Füßen des Kreuzes ist ebenfalls ihres Platzes in diesem Stücke würdig, wiewol sie mit dem Johannes nicht verglichen werden kann. Die Farbe des Stücks ist wahr und der Ton in schöner Harmonie. Die Gruppe ist einfach und natürlich; kurz, so wenig es mir gegeben ist, mit Enthusiasmus und Liebe an einer der Kunst so heterogenen Wahl zu hangen, so unverkennbar ist Crayer's Verdienst in der Behandlung. Unmöglich konnte man einen Gegenstand, der an sich das Gefühl so fürchterlich verletzt, wie die Marter des menschlichen Körpers, auf eine interessantere Weise darstellen, sodaß man über den Geist und den Adel der Charaktere beinahe die Gräßlichkeit des körperlichen Leidens und der vom Henker verzerrten Gestalt vergißt.
Die St.-Jakobskirche am Königsplatz, sonst auch die Kirche vom Kaudenberg genannt, überraschte uns nach so vielen theils gothischen, theils in einem barbarischen Geschmack mit Kleinigkeiten und Spielereien überladenen Kirchen, auf eine sehr angenehme Art. Ihre äußere Facciate ist edel und groß, und hat nur den Fehler, daß sie zu beiden Seiten zwischen Häusern steckt, die zwar nicht übel gebaut, aber doch keineswegs an ihrem Platze sind und den übrigen Bau der Kirche verstecken. Die Basreliefs im Fronton und über der Thüre sind unbedeutend; aber in der schönen korinthischen Architektur ist Reichthum mit Simplicität auf die glücklichste Art verbunden. Noch mehr gefiel mir der Anblick des Innern von diesem höchst regelmäßigen Tempel. Die Proportionen der korinthischen Säulen sind untadelhaft, ihre Capitäler schön geschnitzt und die Decorationen der Kuppel, der Bogen und der Soffiten von ausgesuchter Schönheit und Eleganz. Die ganze Form des Schiffs und die Verhältnisse des Kreuzes entzücken das Auge, und diese durch keine kleinliche, unnütze Zierathen verunstaltete, durch nichts Heterogenes gestörte Harmonie wird durch die weiße Farbe, womit die ganze Kirche überzogen ist, noch erhöht. Hier ruht das Auge und der Geist; hier fühlt man sich wie zu Hause und glaubt an die Verwandtschaft des Bewohners mit unserm Geiste; hier ist nichts Finsteres, nichts Schauerlich-Erhabenes. Größe ist es, mit gefälliger Grazie, mit Schönheit und Liebe umflossen. Die Verschwendung der köstlichsten Marmorarten in den hiesigen Kirchen beklagten wir erst recht lebhaft, nachdem wir dieses schöne Gebäude betrachtet und uns vorgestellt hatten, welch einen herrlichen Effect es machen würde, wenn man sie hier angewendet und die Vollkommenheit der Form durch die Pracht und Vortrefflichkeit des Stoffs erhöht hätte. Aber daß sich nur niemand in Zukunft auf den Geschmack der vermeinten Kunstkenner verlasse! Diese Kirche und Crayer's Gemälde bei den Beguinen hatte man uns mit Achselzucken genannt. Dafür loben sie uns das Portal der Augustinerkirche und Landschaften von Breughel Unter den verschiedenen Künstlern dieses Namens mag wol gemeint sein der zu Antwerpen um 1560 arbeitende Peter Breughel, gest. zu Antwerpen 1569, genannt der Bauern-Breughel, oder sein Sohn Johann, geb. zu Antwerpen 1568, gest. 1625, genannt Sammt-Breughel. Anmerkung d. Hg.!
Der Abbé Mann, ein alter Engländer, verschaffte uns Gelegenheit, das Gemäldecabinet des hiesigen Bankiers Herrn Danhot zu sehen, und ich kann nicht zu früh von dieser vortrefflichen Sammlung sprechen, die mich mitten in Brüssel so angenehm an italienische Kunst und ihre Vollkommenheit erinnerte. Ich sage Dir nichts von dem schönen Lukas van Leyden Lukas Huygens van Leyden, geb. zu Leyden 1494, gest. daselbst 1533, bedeutender Maler und Kupferstecher. Anmerkung d. Hg., dessen Verdienst in seinem Alterthum besteht; von den kleinen Stücken, worunter ein Mieris Franz van Mieris (Forster schreibt unrichtig Miris), geb. zu Delft 1635, gest. zu Leyden 1681, vortrefflicher eleganter Genremaler. Anmerkung d. Hg. befindlich ist, der dem Eigenthümer 4000 Gulden gekostet hat; von den meisterhaften Landschaften des wackern van Goyen Jan van Goyen, geb. zu Leyden 1596, gest. im Haag 1656, Landschaftsmaler. Anmerkung d. Hg.; von dem Salvator Rosa geb. 1615 bei Neapel, gest. 1673 zu Rom, sehr bedeutender und eigenthümlicher Landschaftsmaler. Anmerkung d. Hg., dem Bassano Jacopo da Ponte, genannt Bassano (1510-92), Heiligen- und Genremaler. Anmerkung d. Hg., den Teniers groß und klein, fünf an der Zahl, so schön ich sie je gesehen habe; von dem St.-Franciscus von Guido und einer Jungfrau, angeblich von demselben Meister, die ich aber beide für Copien halte; von den zwei Obst naschenden Knaben des Murillo Bartolomé Esteban Murillo, geb. 1618 zu Sevilla, gest. daselbst 1682, der größte der spanischen Maler, Meister des Helldunkels, in Heiligen- und Genrebildern gleich vortrefflich. Anmerkung d. Hg., die, wie alles von diesem Künstler, aus der Natur leibhaft ergriffen sind; ich mag nicht von van Dyck's schönen Skizzen sprechen, worunter besonders die Abnehmung vom Kreuze so lieblich gedacht ist, daß man den Tod des Adonis zu sehen glaubte, wenn nicht ein Priester im Meßgewande vorn die Illusion zerstörte; nicht von Rembrandt's Paul Rembrandt van Ryn, geb. 1608 bei Leyden, lebte zu Amsterdam, wo er um 1669 starb; der ausgezeichnetste der holländischen Maler, besonders als Meister des Helldunkels hervorzuheben. Anmerkung d. Hg. zwei unnachahmlichen Porträts, dem Maler und dem Philosophen; nicht von dem vermeintlichen Rafael, der diesen Namen nicht verdient; nicht von Rubens' Sabinerraub, von seiner Bürgerschaft von Antwerpen vor Karl V.; nicht einmal von seiner Rückkehr aus Aegypten, mit Figuren in Lebensgröße, wo Gott der Vater sehr gemächlich in den Wolken sitzt, der Christusknabe hingegen, mit einem lieblichen Kopf, eine vorzügliche Leichtigkeit im Gange hat. Was konnte ich von diesem Reichthum noch sehen, nachdem ich eine Danaë von Tizian und ein Porträt der Frau des Malers Joconde von Leonardo da Vinci's Hand gesehen und verschlungen hatte? Die Danaë ist eine köstliche Figur; sie liegt da und lebt. Mehr wird kein Mensch zu ihrem Lobe sagen können. Farbe, Gestalt der Muskeln, Frische und Sammtweiche der Haut sind wahr bis zum Angreifen und in der Fülle der Reize. Es ist nur schade, daß der große Meister diesem schönen Körper keine Seele schuf; der leere Kopf mit den geschlossenen Augen ist auszeichnend häßlich; man möchte ihn aus dem Bilde herausschneiden, damit er dessen Harmonie nicht störte. Frau Joconde erinnerte mich augenblicklich an mein Lieblingsbild in der landgräflichen Galerie zu Kassel, wo dem Künstler genau dasselbe Gesicht zu einer himmlischen Madonna gedient haben muß. Das Colorit des hiesigen Stücks hat indeß vor jenem einen entschiedenen Vorzug. Sie hält die eine Hand mit einer Agleienblume ein wenig steif nach Art der ältern Maler empor; in der andern hat sie blühenden Jasmin und im Schose liegen noch einige Blumen. Ein wenig Härte und Trockenheit mag immer der Pinsel beibehalten haben; es ist doch unmöglich eher daran zu denken, als bis man an den Wundern der Zeichnung geschwelgt hat und einen Vorwand sucht, um endlich sich loszureißen. Umsonst! diese kleinen Unvollkommenheiten, die so innig mit der Schönheit und dem Seelenadel des Weibes verwebt sind, werden bei ihr zu neuen Fesseln für unser Auge und für das Herz. Man überredet sich gern, daß etwas so Vortreffliches nicht anders, als wie es ist, vortrefflich sein könne, und liebt den Flecken um des Platzes willen, den man ihm beneidet. Die Natur hat die Talente nicht vereinigen können, nicht Tizian's Sinn für den zarten Hauch des Lebens, mit unsers Leonardo leiser Ahnung des Seelenausdrucks! Sie gehen also wol nicht beisammen und wir begnügen uns – begnügen? so vermessen dürften wir vom Genusse der edelsten Schöpfungen des Genius sprechen? –, wir sind überglücklich, uns in den Gesichtspunkt eines jeden einzeln zu versetzen und ihre Seele in einer Sprache von unaussprechlichen Ausdrücken mit der unserigen in Gemeinschaft treten zu lassen. Ein jeder wähle, was ihm frommt! Ich halte mich hier an den Zauberer, der Geister vor mir erscheinen läßt; wohlthätige Erscheinungen, die, einmal gesehen, ewig unvertilgbare Spuren ihres Daseins im Innern des Schauenden hinterlassen. Ist das eines Malers Frau? dann werft eure Paletten weg, ihr andern Maler, wenn ihr Madonnen und Engel, die seligen Bewohner des reinen Aethers, malen sollt. Sie hat in sich die Fülle alles dessen, was andern Regel und Muster ist; ihr selbst unbewußt, denn sie kennt weder Regel noch Muster. Ihr Sinn ist Jungfräulichkeit, ihr Thun lauter wie das Element, in dem eure Götter athmen; Sanftmuth und die äußerste Feinheit umschweben ihren wahren, zarten Mund, unbeschreiblich leise sinnt es nach in ihr im Eindruck des Kopfes um die Gegend der Schläfe; heilig und rein ist das große niedergeschlagene Augenpaar, das die Welt in sich aufnimmt und sie schöner wiedergibt. Wer möchte nicht unsichtbar sie umschweben in ihrer dunkeln Grotte, deren Grund fast nicht zu erkennen ist, wo sie einsam und in stiller Ruhe die Natur der Blüten ergründet, sie selbst die zarteste und schönste der Blüten! Die Mauerraute wuchert in den Ritzen der feuchten Felsenwand, und die Ranken des Zimbelkrauts hangen üppig daran herunter und wollen gedrückt sein von ihr! Alles ist vollendet und bis auf die zartesten Merkzeichen ausgemalt, alles in seinen unbedeutendsten Umrissen wahr und bestimmt. O Carlo Dolce! wehe dem, der von einem solchen Meister wie Leonardo da Vinci nicht lernte, die Sorgfalt der Natur von der ekelhaften Pinselei der Manier unterscheiden!