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Gebirge zwischen Bingen und Bonn. Bimssteinlager bei Andernach. Vulkanistische Hypothesen. Basaltberge, insbesondere der Basaltbruch bei Unkel. Naturaliencabinet des Kurfürsten von Köln in Bonn. Fälschlich sogenannter fossiler Menschenschädel. Charakteristik unsers Zeitalters.
Wohin sich das Gespräch der Edeln lenkt,
Du folgest gern, denn dir wird's leicht, zu folgen.
Hier, wo der Rhein sich zwischen ebenen Flächen schlängelt, blick' ich wieder nach den Gebirgen zurück, deren letzte Gipfel Bonn gegenüber am Horizont sich noch in schwachen Linien zeichnen.
Mit welchem ganz andern Interesse, als der unwissenschaftliche Reisende daran nehmen kann, hält der Naturforscher die Schau und Musterung über jene Unebenheiten unserer Erde, denen er noch die Spur ehemaliger Umwandlungen und großer entscheidender Naturbegebenheiten ansieht! Auf unserer kurzen Rheinfahrt haben wir oft mit den Pflanzen und den Steinen am Ufer gesprochen, und ich versichere Dich, ihre Sprache ist lehrreicher als die dicken Bücher, die man über sie geschrieben hat. Soll ich Dir von unsern Unterhaltungen nicht etwas wiedererzählen?
Die Gebirgskette, die sich durch Thüringen, Fulda und die Wetterau bis an den Rhein erstreckt, endigt sich oberhalb Bonn in dem sogenannten Siebengebirge Die neuere Geognosie bezeichnet das Gestein des Siebengebirgs als Trachyt. Wir dürfen wol im allgemeinen bemerken, daß Forster's Ansichten über die vulkanischen Erscheinungen des rheinischen Gebirges durch neuere Forschungen wesentlich berichtigt worden sind. Interessante Vergleichungspunkte mit Forster bietet A. von Humboldt's 1790 anonym erschienenes Erstlingswerk: »Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein«; es ist Forster gewidmet und legt von einer für das Alter des Verfassers ganz ungewöhnlichen Belesenheit, Kenntniß und scharfen Beobachtungsgabe Zeugniß ab. Anmerkung d. Hg., welches prallig in mehrern hohen Spitzen und Gipfeln seine Granit-, Gneis- und Porphyrmassen emporhebt, auf denen hier und dort andere kiesel-, thon- und bittersalzerdige Mischungen, wie Kieselschiefer, Hornschiefer und Basalte, nebst den zwischen ihnen durch verschiedene Verhältnisse der Bestandtheile verursachten Schattirungen von Gestein liegen. Die südlichen Zweige des hessischen Gebirgs setzen über den Rhein fort und gehen in die vogesische Kette über. Von Bingen bis Bonn enthalten sie Thon- und Kieselschiefer von mancherlei Gefüge, Härte, Farbe und Mischung, auf welchen man zuweilen große Sandsteinschichten antrifft. Im allgemeinen streichen die Schichten von Abend nach Morgen und gehen mit einem Winkel von sechzig bis fünfundsechzig Graden nach Süden in die Tiefe.
Ehe uns die Nacht in Andernach überfiel, machten wir noch einen mineralogischen Gang nordwestlich von der Stadt. An einem Hohlwege, gleich unter der Dammerde, zeigte sich ein Bimssteinlager, welches an einigen Stellen mit Schichten von Tras, oder wie ich es lieber nenne, von zerstörten, zu Staub zerfallenen und dann vermittels des Wassers wieder zusammengekitteten Bimssteinen, abwechselte. Die Bimssteine sind von weißlicher Farbe, sehr leicht, bröcklich, löchericht, rauh anzufühlen und gewöhnlich in ganz kleinen Stückchen von der Größe einer Erbse und noch kleiner, bis zu zwei Zollen im Durchmesser. In diesen Stückchen finden sich zuweilen kleine Fragmente von Kohlen eingebacken.
Die Erscheinung dieser unbezweifelten Erzeugnisse des Feuers am friedlichen Rheinufer hat schon manchen Gebirgsforscher in Erstaunen gesetzt, welches vielleicht vom ruhigen Wege des Beobachtens abwärts führt. In der Strecke von Andernach bis Bonn glaubten Collini, Hamilton, de Luc Alexander »Collini«, geb. 1727 zu Florenz, gest. 1806 zu Manheim, pfälzischer Historiograph und Director des naturwissenschaftlichen Cabinets, schrieb unter anderm um 1777 verschiedene Werke über den Basalt und die vulkanischen Berge. – William »Hamilton« (1730-1803), englischer Gesandter in Neapel, Kunstkenner, veröffentlichte 1772 seine »Bemerkungen über Vesuv, Aetna und andere Vulkane der Beiden Sicilien«, 1776 ein ähnliches Werk: » Campi Phlegraei«. – Jean André »de Luc«, geb. zu Genf 1727, gest. 1817 zu Windsor, bedeutender Physiker. Er lebte meist zu London und hat zahlreiche Werke über Fragen der Physik, Meteorologie und Geologie geschrieben. Anmerkung d. Hg. und andere Freunde der Feuertheorie die deutlichsten Spuren ehemaliger feuerwerfenden Schlünde zu sehen. Vulkane dampften und glühten; geschmolzene Lavaströme flossen, kühlten sich plötzlich in dem Meere, das damals alle diese Länder bedeckte, und zerklüfteten sich in säulenförmige Theile; ausgebrannte Steine, Asche und Kohlen flogen in die Luft und fielen in Schichten nieder, die man jetzt angräbt und zum Wasserbau nach Amsterdam versendet; kurz, ehe es Menschen gab, die den Gefahren dieses furchtbaren Wohnorts trotzten und das plutonische Gebiet mit Weizen oder mit Reben bepflanzten, kreißte hier die Natur und die Berge wanden sich in gewaltsamen Krämpfen. Ist das nicht prächtig – geträumt? Es kommt ja nur auf uns an, ob wir den Hekla und Aetna, den Vesuv und den Chimborasso an dem Gestade unsers vaterländischen Rheins erblicken wollen. Wenn die Erscheinungen, die das hiesige Gebirge uns zeigt, Vergleichungen dieser Art begünstigen, wer dürfte uns verbieten, unserer Einbildungskraft die Ergänzung einer Lücke in den Annalen der Erdumwandlung aufzutragen? Ueber jene Erscheinungen aber ist man bisjetzt noch nicht einig.
Der Bimsstein ist zwar zuverlässig ein Feuerproduct; allein, daß wir uns ja nicht mit der Folgerung übereilen, es müsse deshalb bei Andernach einst ein Vulkan gelodert haben! Hier ist nirgends eine begleitende Spur von Vulkanen sichtbar; nichts leitet auch nur von fern her auf die Vermuthung, daß diese Schichte, wo sie liegt, im Feuer entstanden sein könne. Ihre Lage unmittelbar unter der Dammerde scheint sie vielmehr für fremdartig zu erklären. Wer kann nun bestimmen, durch welche Revolutionen und wie viele tausend Meilen weit her diese Bimssteine hier angeschwemmt sind: welche Flut sie von weit entlegenen Gebirgen abwusch, um sie hier allmählich abzusetzen? Das Dasein eines über alle hiesigen Berggipfel gehenden Meeres muß man ja bei der Feuertheorie ebenfalls voraussetzen, um die Möglichkeit der Entstehung des Basalts nach den Grundsätzen dieser Theorie zu erweisen; folglich verlangte ich hier nichts Neues. Allein auch ohne dieses Element zu Hülfe zu nehmen: soll denn immer nur das Feuer eines Vulkans im Stande gewesen sein, hier ein Bimssteinlager hervorzubringen? Konnte nicht etwa ein Kohlenflötz in dieser Gegend in Brand gerathen, ausbrennen und den Letten, der ihm zum Dach und zur Sohle diente, zu einer bimssteinähnlichen Masse verändern? Es ist in der That zwischen den Substanzen, die man mit dem gemeinschaftlichen Namen Bimsstein belegt, sehr oft ein weiter Unterschied, über den man in der Mineralogie nicht so leichtsinnig wie bisher hinwegsehen sollte. Im Grunde hat man den Bimsstein wol noch nicht anders definirt, als daß er ein sehr leichtes, bröckliches Feuerproduct sei; denn die unzähligen Verschiedenheiten der Farbe, der Textur und der übrigen äußerlichen Kennzeichen, die ich in Cabineten an den sogenannten Bimssteinen bemerkt habe, ließen keine andere allgemeine Form als diese übrig. Offenbar aber sind darunter Steine von dem verschiedensten Ursprunge begriffen, die nicht einmal immer einerlei Umwandlungsproceß erlitten haben. So viel ist gewiß, daß der Bimsstein von Andernach nicht zu jener Art gehört, welche die Mineralogen von der Zerstörung des Asbests im Feuer herzuleiten pflegen, und auch nicht wie der Bimsstein von Tanna aus kleinen spitzigen Krystallen besteht, sondern, wenn er seine jetzige Gestalt im Feuer erhielt, wahrscheinlich aus Letten verändert worden ist.
Als wir am folgenden Tage unsere Wasserfahrt fortsetzten, kamen wir dem Flecken Unkel gegenüber an die merkwürdigen Basaltgruppen, über deren säulenförmige Bildung schon Trembley Abraham Trembley, geb. 1700 zu Genf, gest. daselbst 1784, geachteter Naturforscher. Forster beschreibt hier den auch von Humboldt in seinem Werkchen ausführlich besprochenen Unkelstein. Anmerkung d. Hg. erstaunte, ohne jedoch etwas von dem Streite zu ahnen, den man zeither über ihre Entstehung mit so vieler Wärme geführt hat. Bei niedrigem Wasser ragen sie aus diesem hervor und sind, soweit es sie bedecken kann, mit einem kreideweißen Schlamm überzogen, welcher auch die Thonschieferfelsen bei Bingen bedeckt. Wahrscheinlich macht dieser Schlamme den Rhein so trübe, wenn er von Berggewässern hoch angeschwollen ist. Wir wanderten über die Gipfel oder Enden der convergirenden Säulen und gingen in den Steinbruch, der jetzt einen Flintenschuß weit vom Ufer hinaufwärts liegt, ob er sich gleich ehemals bis dicht an das Wasser erstreckte. Hier standen die sehr unvollkommen und regellos gegliederten Säulen von ziemlich unbestimmt eckiger Form und Mannsdicke aufrecht auf einem Lager von braunem, thonartigem Gestein voll Höhlen, die zum Theil noch mit verwitterndem Kalkspat angefüllt waren. Die Säulen sind von ziemlich festem Korn, dichtem Bruch, mattschwarz mit schwarzen Schörlpunkten und lauchgrünen Olivinen reichlich angefüllt, die sich zuweilen in faustgroßen Massen darin finden. Außerdem enthalten diese Basalte öfters Wasserkies in dünnen Streifen, desgleichen einen gelbbraunen Tropfstein oder Kalksinter, womit sie durchwachsen sind, und endlich, nach Aussage der Arbeiter, auch klares Wasser in ganz verschlossenen Höhlungen, die zuweilen im Kern einer Säule angetroffen werden.
Das Losbrechen der Säulen sieht gefährlich aus. Es geschieht vermittels eines spitzen Eisens, das an einem langen Stocke befestigt ist und das der Arbeiter zwischen die Fugen bringt. Der Sturz ganzer Massen von Säulen hat etwas Fürchterliches, und sobald man merkt, daß sie stürzen wollen, rettet sich ein jeder, um nicht beschädigt zu werden. An vielen Säulen, welche auf diese Art in unserer Gegenwart losgebrochen wurden, bemerkte ich einen weißen, vermuthlich kalkigen Beschlag oder Anflug, dessen Ursprung sich so wenig wie der Ursprung des bereits erwähnten Sinters erklären läßt, wenn man anders nicht künftig Kalkarten in der Nähe findet. Doch können auch die Wasser auf sehr langen Strecken Kalktheilchen aufgelöst enthalten und weit mit sich führen, ehe sie dieselben wieder absetzen.
Sowol auf diesem westlichen als auf dem entgegengesetzten östlichen Ufer des Rheins, bis in das Siebengebirge hinunter, sind diese Basaltbrüche häufig genug, um für die ganze Gegend Bau- und Pflastersteine zu liefern. Das ehemalige Jesuitencollegium in Koblenz ist von außen mit Basaltstücken bekleidet, und die Heerstraßen werden damit in gutem Stande erhalten. Was suchen wir also weiter nach den Werkstätten, wo die Natur den Bimsstein von Andernach bereitete, wenn, wie es heutigentags bei so manchem Naturforscher für ausgemacht gilt, Basaltberge und erloschene Vulkane völlig gleichlautende Benennungen sind? Können wir noch die Spuren des ehemaligen Brandes vermissen, wo der Basalt sogar, wie hier bei Unkel, auf einer braunen, löcherichten Lava steht? Haben die Basaltberge nicht die charakteristische Kegelgestalt, und ist hier nicht ein Krater vorhanden, den de Luc zuerst entdeckt hat und dessen Oeffnung er mit der Hand bedecken konnte?
Ich gebe Dir mein Wort, daß der Muthwille des Reisenden, der den ganzen Tag hindurch in frischer Luft und in munterer Gesellschaft schwelgte, keinen Antheil an dieser Darstellung der vulkanischen Logik hat. Es ist wahr, daß man unaufhörlich von dem Punkt ausgeht, den man erst beweisen sollte und dann, wie gewisse Exegeten, zurückbeweist: Basaltberge sind erloschene Vulkane; also ist der Basalt ein vulkanisches Product; oder: Basalt steht auf löcherichter Lava, also ist Basalt feste Lava; oder: Vulkane sind kegelförmige Berge, also sind kegelförmige Basaltkuppen Vulkane; oder endlich: ein Schlund, aus welchem der Rauch und die Flamme des Vulkans emporsteigen und Bimssteine und Felsstücken herausgeschleudert werden, ist ein Krater, also ist ein Loch auf einem Basaltberge, welches man mit der Hand bedecken kann, ein Krater und der Basaltberg ein Vulkan. Ohne das Geringste von der Sache zu wissen, sieht man ein, daß diese sämmtlichen Schlüsse nichts beweisen, da bald der Obersatz, bald die Folgerung ungegründet ist. De Luc's Krater lasse ich für sich selbst sprechen. Die Kegelform der Vulkane, die natürlich genug durch die Anhäufung der ausgeworfenen Steine, Erde und Asche entsteht, beweist nichts für die Entstehung der festen säulenförmig zerklüfteten Basaltkegel, zumal da es auch kegelförmige Kalkberge genug gibt und wiederum Basaltmassen, die sich in ganz verschiedenen Gestalten zeigen. Die löcherichte Steinart bei Unkel ist darum noch keine Lava, weil sie einigen Laven ähnlich sieht; und nun möchte es um den ersten willkürlich angenommenen Satz, daß Basaltberge Vulkane sind, etwas mislich stehen. Diejenigen, die sich auf die Urtheile anderer verlassen und die Vulkanität des Basalts auf Treu und Glauben annehmen, sollten sich erinnern, daß das nullius in verba »Auf niemands Worte schwören«, niemand ungeprüft Glauben schenken. Forster läßt das jurare, welches die Gesammtausgabe beifügt, aus. Anmerkung d. Hg. nirgends unentbehrlicher ist als im hypothetischen Theile der Naturgeschichte. Bescheidene Forscher, die der vulkanistischen Vorstellungsart gewogen sind, erkennen dennoch, daß sie nur Hypothese bleibt und vielleicht nie zur Evidenz einer ausgemachten Sache erhoben werden kann. Allein die mineralogischen Ketzermacher, die auch in den Erfahrungswissenschaften die Tyrannei eines allgemein geltenden Symbols einführen wollen, verdammen gern einen jeden, der ihren Träumen nicht ebenso viel Glauben beimißt wie ihren Wahrnehmungen.
Ich bin weit davon entfernt, den Basalt geradezu für eine im Wasser entstandene Gebirgsart zu halten; allein ich gestehe zugleich, daß mir keine von den bisher bekannten Erklärungen derer, die seinen Ursprung vom Feuer herleiten, Genüge leistet, ja, daß mir insbesondere seine Entstehung in den brennenden Schlünden, die wir Vulkane nennen, völlig widersprechend und unmöglich scheint. Wäre der Basalt vulkanischen Ursprungs, so müßte man die Gebirgsart entdecken können, aus welcher er in sein jetzige Form und Beschaffenheit geschmolzen ward. Aber noch nie hat man in irgendeinem Naturaliencabinet oder auf irgendeinem Gebirge ein Stück Basalt gezeigt, an welchem sich hätte erkennen lassen, ob es aus Granit, aus Gneis, aus Porphyr, aus Thonschiefer, aus Kalkstein u. s. w. zu Basalt geschmolzen worden sei.
Bei Jacci in Sicilien hat man Basaltsäulen unter einem Lavalager gefunden. Daraus folgt aber nicht, daß beide von gleichem Ursprunge sind. Der Basalt konnte, als ein ursprüngliches Gebirgslager, längst vorhanden sein, ehe die Lava darüber hinfloß. Hoch hinauf am Aetna liegt ebenfalls Basalt. Nach der vulkanistischen Hypothese wäre dies im Wasser zu Prismen abgekühlte Lava; folglich ging bei seiner Entstehung das Mittelländische Meer fast bis an den Gipfel des Aetna! Wohlan, eine solche Wasserhöhe zugegeben, erkläre man nun auch, warum tief am Fuße des Vesuv uralte Laven, unweit von dem jetzigen Stande der Meeresfläche, noch ungebildet geblieben sind, da es nicht einen Augenblick bezweifelt werden kann, daß, jenen hohen Stand der Mittelländischen See vorausgesetzt, auch diese Laven von ihr hätten bedeckt werden und folglich säulenförmig zerspringen müssen. Viele wirklich geflossene Laven haben in ihren Bestandtheilen, in ihrer Farbe und selbst in ihrem Gewebe eine auffallende unleugbare Aehnlichkeit mit Basalt. Unbegreiflich ist es mir daher, weshalb man nicht ebenso leicht hat annehmen wollen, solche Laven wären aus Basalt entstanden, welcher von dem vulkanischen Feuer ergriffen, verändert oder geschmolzen worden sei, als man sich die entgegengesetzte Meinung, Lava verändere sich durch plötzliches Erkalten in Basalt, annehmlich gedacht, ob man gleich noch in keinem Basalt die Steinart nachgewiesen hat, aus welcher die ihm ähnliche Lava geschmolzen worden ist. Mit dem nämlichen Rechte könnte man auch behaupten, alle andere Steinarten, die einer italienischen Lava ähnlich sehen und deren es so viele gibt, wären im Feuer der Vulkane entstanden. Allein mir kommt es einmal natürlicher vor, daß, je nachdem der Brand in einem Berge einen Granit, einen Gneis, einen Porphyr, einen Thonschiefer, einen Basalt, einen Marmor ergriff, und je nachdem er diese ursprünglichen Steinarten mehr oder weniger veränderte, heftiger oder gelinder, einzeln oder mit andern zugleich durchdrang, daß demgemäß die Producte gerade so mannichfaltig verschieden ausfallen mußten, wie man sie wirklich unter die Hände bekommt. Eine der schönsten und vollständigsten Sammlungen von vesuvischen Producten, welche ich je gesehen habe, die im kurfürstlichen Naturaliencabinet von Bonn, enthält meines Bedünkens unverwerfliche Belege für diese Behauptung, die noch überdies durch den Umstand Bestätigung bekommt, daß die Laven aus verschiedenen echt vulkanischen Gegenden, wie zum Beispiel die isländischen und die santorinischen, von den italienischen sichtbarlich verschieden sind: augenscheinlich, weil die Mischung der Gebirgsart, aus welcher sie entstanden, verschieden war.
Nimmt man endlich noch hinzu, daß die Verwitterung sowol an Laven als an ursprünglichen Gebirgsarten völlig ähnliche Wirkungen hervorbringt, so wird es immer unwahrscheinlicher, daß sich etwas Positives über die Frage behaupten lasse: ob die Entstehung unserer Rheinlande dem Feuer zuzuschreiben sei. Porphyr, Porphyrschiefer, Mandelstein nebst den hierhergehörigen Gebirgsarten werden durch die leicht zu bewirkende Auflösung ihrer Feld- und Kalkspatkörner zu leichten löcherichten Massen, welche den schwammigen verwitterten Auswürfen der Vulkane aus Island und aus Italien ähnlich sehen. Aber eine echte glasige, geflossene, schlackige Lava, die vor allen diesen Namen verdient, eine Lava, wie man sie in Island, am Vesuv, am Aetna findet, wie ich sie auf der Osterinsel, in Tanna und zuletzt auf der Ascensionsinsel selbst gesehen habe, ist mir weder in den rheinländischen, noch in den hessischen, hannöverischen, thüringischen, fuldischen, sächsischen, böhmischen und karpatischen Basaltbergen vorgekommen.
Alles, was ich hier von unsern vermeintlichen Vulkanen am Rhein mit wenigen Worten berühre, findet sich in den beiden Quartanten des Dr. Nose Karl Wilhelm Nose, Dr. med., veröffentlichte »Orographische Briefe über das Siebengebirge und die benachbarten zum Theil vulkanischen Gegenden beider Ufer des Niederrheins« (2 Thle., Frankfurt a. M. 1789-90). Anmerkung d. Hg. und in den zusammengedrängten Beobachtungen unsers scharfsinnigen Freundes A. v. H. bestätigt. Wenn nun aber der Basalt nicht Lava ist, wie entstand er denn? Aufrichtig gesagt, ich weiß es nicht. Ich kenne weder den Urstoff noch die chemische Operation, woraus und wodurch die Natur die sämmtlichen Gebirgsarten werden ließ. Wird mir jemand beweisen, daß, ehe es noch Vulkane gab, ein ganz anderer Brand, ein fürchterliches allgemeines Feuer den Basalt in allen fünf Welttheilen erzeugte; wird er mir den Urstoff nennen können, aus welchem dieses Feuer, wie noch keins war und dem wir folglich nach Willkür Eigenschaften und Wirkungen beimessen können, den Basalt geschmolzen habe: so will ich das nicht nur geschehen lassen, sondern sogar dieser Meinung beipflichten, sobald sie mehr als ein bloßes Meisterwort, sobald sie gründliche Beweise für sich hat. Bis jetzt wissen wir indessen noch wenig oder nichts Zuverlässiges von der Bildung unserer Erdrinde; denn wir haben von einer weit spätern Bildung, von der Bildung der Pflanzen und Thiere auf diesem Boden, nicht einmal einen Begriff! Wo wir Schichten regelmäßig übereinanderliegen sehen, halten wir uns für berechtigt, sie einem allmählichen Niederschlag aus dem Wasser zuzuschreiben. Allein ob alle Kalklager unsers Planeten aus Gehäusen von Würmern entstanden, oder ob das Meer, welches einst die ganze Kugel umfloß, ein von den jetzigen Meeren sehr verschiedenes chaotisches Flüssiges war, worin theils Kalk, theils Thon und Bittersalzerde, unausgeschieden, vielleicht als mögliche Bestandtheile schwammen, das ist und bleibt unausgemacht. Wir wissen zwar, daß der uralte Granit bei seiner seltsamen Mischung von Quarz, Feldspat und Glimmer keine Spur von einer geschichteten Entstehung zeigt; aber darum ist noch nicht entschieden, ob auch diese Gebirgsart ein Präcipitat aus jenem elementarischen Meere, oder, wie der große dichterische Buffon Jean-Louis Leclerc, Graf von Buffon, berühmter französischer Naturforscher und Naturbeschreiber, geb. zu Montbard 1707, gest. zu Paris 1788. Seine »Naturgeschichte« (44 Bde.) erschien 1749-1804. Anmerkung d. Hg. will, ein Werk des Sonnenbrandes sei. Vielleicht ist er keines von beiden. Ehe wir dahin gelangen, über die Ereignisse der Vorwelt etwas mehr als schwankende, von allem Erweis entblößte Muthmaßungen in der Naturgeschichte vortragen zu können, müssen wir zuvor in der unterirdischen Erdkunde ungleich wichtigere Fortschritte machen als bisher; wir müssen wo nicht Maupertuis' Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1697-1759), berühmter französischer Mathematiker; er lebte seit 1740 meist in Berlin bei Friedrich II., der ihn zum Präsidenten der Akademie berufen hatte. Anmerkung d. Hg. berühmten Schacht bis zum Mittelpunkt der Erde abteufen, doch wenigstens ein paar Meilen tief unter die Oberfläche, die wir bewohnen, senkrecht hinabsteigen und von dorther neue Gründe für eine Theorie der Erd-Entstehung und Umwandlung entlehnen. Bedenkt man aber, mit welchen Schwierigkeiten wir bisher nur wenige Klafter tief in das Innere der Gebirge gedrungen sind, so müssen wir über die Arbeit erstaunen, die nicht uns, sondern den späten Nachkommen des Menschengeschlechts aufgehoben bleibt, wenn sie vor lauter ewigem Frieden nicht wissen werden, was sie mit ihrer Zeit und ihren Kräften anfangen sollen.
Ich kann dieses Blatt, das ohnehin so viel Naturhistorisches enthält, nicht besser ausfüllen als mit ein paar Worten über das schon erwähnte Naturaliencabinet in Bonn. Von der herrlichen Lage des kurfürstlichen Schlosses und seiner Aussicht auf das Siebengebirge will ich nichts sagen, da wir die kurze Stunde unsers Aufenthalts ganz der Ansicht des Naturaliencabinets widmeten. Die dabei befindliche Bibliothek füllt drei Zimmer. In den reichvergoldeten Schränken steht eine Auswahl brauchbarer theuerer Werke, die eines solchen Behältnisses wohl werth sind. Ich bemerkte darunter die besten Schriftsteller unserer Nation in jedem Fache der Literatur, ganz ohne Vorurtheil gesammelt. Aus der Bibliothek kommt man in ein physikalisches Cabinet, worin sich die Elektrisirmaschine, der große metallene Brennspiegel und der ansehnliche Magnet auszeichnen. Die Naturaliensammlung füllt eine Reihe von acht Zimmern. Das größte enthält vierfüßige Thiere, Vögel, Amphibien und getrocknete Fische in keiner systematischen Ordnung, theils in Glasschränken, theils im Zimmer umhergestellt, theils hangend an der Decke und mit Kunstsachen vermischt, die nicht alle von gleichem Werth oder ihres Platzes würdig sind. Die ausgestopften vierfüßigen Thiere sind meistentheils sehr misgestaltet; ein Tadel, der mehr oder weniger alle Naturaliensammlungen trifft. Die Vögel sind weniger verzerrt und man sieht darunter manche seltene Gattung nebst ihren Nestern und Eiern. Die Decke des Zimmers ist mit verschiedenen Vögeln bemalt, die der Sammlung fehlen. Das Conchyliencabinet hat nicht viele Seltenheiten, Kostbarkeiten und sogar nicht viele Gattungen; es enthält nur die gemeinsten Sorten und eine Menge Doubletten. Desto reicher ist aber die schöne Mineraliensammlung, die zwar keine methodische Ordnung hat und ebenso wenig eine vollständige Folge aufweisen kann, aber gleichwol, wenn man sie nicht als ein Ganzes beurtheilen will, manches Kostbare enthält und dem Kenner willkommene und lehrreiche Bruchstücke darbietet, besonders die unvergleichliche vesuvisch-vulkanische Sammlung in einem draußenstehenden Schranke, einen reichen Vorrath von Goldstufen, sehr schönen weißen Bleispat vom Glücksrad am Harz, Eisenglaskopf von den seltensten Configurationen, prächtiges rothes Kupferglas, Flußspatdrusen, Versteinerungen u. dgl. m. Das Merkwürdigste war mir ein Menschenschädel, der gleichsam aus gelbbraunem Tuff von sehr dichtem, festem Bruch, woran keine Lamellen kenntlich sind, besteht. An einigen Stellen ist die Substanz desselben zolldick, ohne daß man auf dem Schnitte die geringste Spur von Incrustation erkennen kann. Der halbe Oberkopf ist nämlich bis an die Augenbrauen und hinten bis auf die Hälfte des Hinterhauptes wie ein Segment ausgeschnitten, sodaß man es herausnehmen und inwendig alles besehen kann. Ein Umstand ist dabei sehr auffallend: die Substanz dieses Schädels hat in ihrer Veränderung fast alle feinern Hervorragungen so bedeckt und alle Vertiefungen so ausgefüllt, daß man sowol auf der innern als auf der äußern Oberfläche nur kleine abgerundete Spuren erblickt; gleichwol sind die Gelenkflächen des Kopfes und des Unterkiefers allein verschont und in ihrem natürlichen Zustande geblieben. Dies allein beweist schon, daß dieses seltene Stück nur zur Erläuterung der Lehre von den Krankheiten der Knochen dienen kann und keineswegs, wie man vorgibt, ein versteinerter Menschenschädel ist. Solche Versteinerungen sind zwar von andern Thierklassen nicht selten, hingegen vom Menschen ist bis jetzt noch schlechterdings kein einziges unbezweifeltes Petrefact gefunden worden. Die Krankheit, welche hier diese sonderbare Erscheinung an einem Menschenschädel hervorgebracht, ist eine der ungewöhnlichsten gewesen, nämlich ein Ueberfluß von wucherndem Knochensaft oder Knochenstoff, wodurch bei Lebzeiten des unglücklichen Individuums die Theile des Schädels zu einer unförmlichen Gestalt angewachsen sind und ihn allmählich aller Sinnorgane beraubt haben müssen. Dabei ist es vorzüglicher Aufmerksamkeit werth, daß die Nervenlöcher doch verhältnismäßig nur wenig verengt worden sind. Man hat bereits in d'Argenville's Oryktologie die Abbildung eines dem hiesigen vollkommen ähnlichen Schädels, und unser Sömmerring Samuel Thomas Sömmerring, geb. 1755 zu Thorn, Forster's Freund zu Kassel und Mainz, 1804 Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu München und Geheimrath, seit 1820 wieder in Frankfurt a. M., wo er bereits nach der Aufhebung der Mainzer Hochschule als Arzt gelebt und 1830 starb. Er war einer der ausgezeichnetsten deutschen Anatomen und Physiologen. Anmerkung d. Hg. besitzt einige auf ebendieselbe Art unförmlich angequollene Hühnerknochen.
Ich will mir den Glauben nicht nehmen lassen, daß diese wissenschaftlichen Ansichten, welche Dich gewiß sehr lebhaft beschäftigen werden, eine Seite haben, an der sie auch eine weniger vorbereitete Wißbegierde befriedigen können. Es kommt einestheils nur darauf an, diese allgemein interessirende Seite herauszukehren, und anderntheils müßte der Zuhörer nur eine gewisse Thätigkeit der eigenen Geisteskräfte und einen richtigen Sinn besitzen, um überhaupt alles Neue, sobald es nicht in Kunstwörtern verborgen bleibt, unterhaltend, richtig und anwendbar zu finden. Je reicher die Ausbildung unsers Zeitalters, je größer die Anzahl unserer Begriffe, je erlesener ihre Auswahl ist, desto umfassender wird unser Denk- und Wirkungskreis, desto vielfältiger und anziehender werden die Verhältnisse zwischen uns und allem, was uns umgibt. Daß wir uns auf diesem Punkte der Geistescultur befinden, das beweist der gegenwärtige Zustand der Erziehungsanstalten, der Universitäten, der belletristischen und ernsten Literatur, der politischen und statistischen Verfassungen, der physischen und hyperphysischen Heilkunde, ja sogar der raisonnirten Schwelgerei und raffinirten Sinnlichkeit, worin alles auf einem encyklopädischen Inbegriff und Zusammenhang aller möglichen Zweige der Erkenntniß beruht. Dieser nunmehr in allen Fächern ausgesuchten und mit so vielem Glück verfolgten Verwebung und Verbindung der verschiedenartigsten Kenntnisse sind wir es schuldig, daß der Gang unserer Erziehung sich beflügelt und daß unsere sechzehnjährigen Jünglinge ein vollständigeres, zusammenhängenderes System von nützlichen, praktischen Begriffen innehaben, als man sich zu Locke's John Locke (1632-1704), berühmter englischer Philosoph. Anmerkung d. Hg. Zeiten mit dreißig Jahren erwerben konnte. Die Spreu ist besser von reinem Korn geschieden, und wir genießen, wenigstens in gewisser Rücksicht, die Frucht des Schweißes von Jahrtausenden. Unsere Frauenzimmer selbst finden es leicht und anmuthig, alle Gefilde des Wissens zu durchstreifen, sie wie Gärten geschmückt zu sehen und ihre Blumen in einen Strauß zusammenzubinden, den man im bunten gesellschaftlichen Kreise nicht ohne Selbstgefallen jedem zur Erquickung darreichen kann. Wir wollen uns über diese oberflächliche Weisheit nicht entrüsten; denn sie ist reeller, als man denkt und als es mürrische oder pedantische Sittenrichter zugeben mögen. Alles ist gewonnen, wenn es zur Gewohnheit wird, die Geisteskräfte zu beschäftigen und die Vernunft, die man dem größten Theile des Menschengeschlechts so lange und so gern abgeleugnet oder auch wol unmenschlich entrissen hat, in ihrer Entwickelung überall zu begünstigen. Nur der Geist, welcher selbst denkt und sein Verhältniß zu dem Mannichfaltigen um sich her erforscht, nur der erreicht seine Bestimmung. Wie wir anfingen, so endigen wir dann; durch die Wirbel aller möglichen Zusammensetzungen hindurch kehren wir, reich in uns selbst und frei, zu der ursprünglichen Einfalt zurück.
Du weißt, ich kenne auch die Rückseite des schönen Gepräges, welches unsere Einbildungskraft den Weltbegebenheiten aufdrückt; allein jede Ansicht hat nur Einen ihr eigenen Gesichtspunkt, und wer ihn verrückt, der hascht nach einem Schatten, über welchen das Wesentliche selbst ihm entgeht. Wenn wir uns am heitersten Frühlingsmorgen des Lichtes freuen, dessen milder Strom den Himmel und die Erde verjüngt und Lebenswonne in der ganzen Schöpfung anzündet: was kümmert uns der Sonnenstich oder die Donnerwolke, die möglichen Folgen der Einwirkung jenes wohlthätigen Elements in einen unvollkommenen, ungleichartigen Planeten?