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Das sind die Stunden deiner tiefsten Macht, wenn du in deinem weißen Kleid am Flügel sitzest und deine Finger die Tasten küssen, und wenn ich im Lehnstuhl liegend deinen Tönen lauschen darf; wenn dein feiner Kopf unter der Last der reichen Flechten sich leicht nach vorne beugt und deine Arme, leuchtender als das festliche Gewand, schwellend aus seinen seidenen Falten emportauchen und die Wogen der Töne teilen, die meine Seele zur Insel der Seligen tragen, wo Sünde und Tod nicht sind.
Das sind die heiligen Feierstunden unserer Liebe, wo unsere Seelen sich schweigend an den Händen halten und nebeneinander hinschreiten Durch eine Wolke von weißem Weihrauchduft.
Und die Nebelgestalten meiner Träume, die deine Töne heraufbeschworen, steigen empor und stehen um mich oder lagern sich zu meinen Füßen, 22 und sehen mich an mit ihren großen Augen, die nach Gestaltung verlangen.
Es brennt kein Licht in dem großen Zimmer, als die Kerzen beim Klavier. Aber von ihnen geht ein Glanz aus, dessen goldener Schimmer meine Welt erleuchtet.
Es war gestern Abend.
Du spieltest das Pagenlied aus Figaro. Das hohe Lied der verhaltenen, keuschen Liebessehnsucht des jungen Knaben, das Lied meiner eigenen tiefen und ewig ungestillten Sehnsucht nach der reinen Liebe.
Und auf meiner alten Geige spielte ich leise die Melodie mit. Aber dann stützte ich das Instrument auf den Stuhl und legte die Linke leicht um seinen Hals, daß meine Finger leise die Saiten berührten; denn auf deinem Antlitz lag ein solch glücklicher Schimmer von stiller Heiterkeit, daß ich innehalten und dich verstohlen betrachten mußte.
Und du spieltest weiter; ich aber fühlte plötzlich, wie die Geige in meiner Hand heimlich zu leben begann. Die Saiten klangen und schwangen mit, ich fühlte ihr leises Beben in meiner Hand, ich hörte sie klingen . . . . und ich stand auf und ging auf den Zehen zu dir heran. Der weiche Teppich dämpfte meinen Schritt. Und je näher ich dir kam, desto mehr zitterten die Saiten in 23 meiner Hand, und als ich die Geige zum Ohr hob, da sang sie leise, ganz leise deine Melodien mit.
Ich stand dicht hinter dir, aber du bemerktest mich nicht und warst versunken in die liebliche Musik.
Ich fühlte den Duft deines blonden Haares und dachte an unsere große Liebe. An die Liebe, die wir beide zur Wahrheit machen wollen, so gut wir es können nach unserer schwachen Kraft.
Denn so ist deine keusche Seele mein, so fühle ich jede leise Regung deines Herzens, so schlägt sie an die Saiten in meiner Brust, daß sie mitschwingen, mitklingen müssen von deinen Freuden und deinem Leid und deiner eigenen Sehnsucht, als hielte ich einen kleinen Vogel in der hohlen Hand und fühlte das warme Leben, das klopfende Herz des weichen Körpers.
Und als ich die Geige hingelegt hatte und es mir heiß ins Auge stieg, da schlang ich plötzlich von rückwärts meinen Arm um dich und küßte dich.
Und es war damals das erstemal, daß du nicht wußtest warum . . . . 24