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Ludwig Feuerbach wurde am 28. Juli 1804 zu Landshut in Bayern als vierter Sohn des berühmten Kriminalisten Anselm von Feuerbach geboren. (Der Maler Anselm Feuerbach war seines Bruders Sohn.) Er studierte in Heidelberg Theologie, wurde durch Daub für Hegel begeistert und ging, um diesen selbst zu hören, 1824 nach Berlin. Wie er später bekennt, fühlte er damals schon die innere Zwietracht zwischen Philosophie und Theologie, die Notwendigkeit, daß man entweder die Philosophie der Theologie oder die Theologie der Philosophie opfern müsse. Er hörte Schleiermacher und Neander, aber er konnte es nur kurze Zeit bei ihnen aushalten. »Der theologische Mischmasch von Freiheit und Unabhängigkeit, Vernunft und Glaube waren meiner Wahrheit, d. h. Einheit, Entschiedenheit, Unbedingtheit verlangenden Seele bis in den Tod zuwider.« Er entschied sich für die Philosophie, hörte und verehrte zwei Jahre lang Hegel.
Im April 1826 kehrte er nach Bayern zurück, voll von Hegel, aber schon entschlossen, sich mit seinen Fragen, anstatt an die spekulative Philosophie, an die Wirklichkeit, an die Natur selbst zu wenden. In Erlangen, wo er seine Studien abschloß, beschäftigte er sich vor allem mit Naturwissenschaften, speziell Anatomie, Botanik und Physiologie. Der Schritt vom Hegelschen Idealismus zum entschiedenen Naturalismus bereitete sich vor. Während Hegel alles Sein aus dem Denken erzeugen wollte, beschließt jetzt Feuerbach seine Fragen und Zweifel mit der These: »Gäbe es keine Natur, nimmermehr brächte die unbefleckte Jungfer Logik eine aus sich hervor.« Während Hegel auf die Übereinstimmung mit der Religion, namentlich mit den Lehren der christlichen Religion drang, begann Ludwig Feuerbach die Religion als eine Stufe der geistigen Entwicklung aufzufassen. Während Hegel seine Philosophie, in ihrer Übereinstimmung mit dem Christentum, als die absolute, nicht zu überbietende Offenbarung des objektiven Geistes betrachtete, fragt Feuerbach kühl: »Wie verhält sich überhaupt die Hegelsche Philosophie zur Gegenwart und Zukunft? Ist sie nicht die vergangene Welt als Gedankenwelt? Ist sie mehr, als eine Erinnerung der Menschheit an das, was sie war, aber nicht mehr ist?«
1829 läßt er sich in Erlangen als Privatdozent nieder und liest über Cartesius und Spinoza, über Logik und Metaphysik und über die Geschichte der neueren Philosophie. Noch ganz in Hegelscher Diktion, veröffentlicht er 1830 »Gedanken über Tod und Unsterblichkeit«, worin er sich entschieden auf die radikale »Hegelsche Linke« stellt und die Unsterblichkeit verneint. Wie aber immer, so bleibt auch Ludwig Feuerbach schon hier nicht in der bloßen Negation stecken. Die positive Tendenz seiner Schrift kennzeichnet er selbst mit den Worten: »Jetzt gilt es vor allem, den alten Zwiespalt zwischen Diesseits und Jenseits aufzuheben, damit die Menschheit mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen auf sich selbst, auf ihre Welt und Gegenwart sich konzentriere; denn nur diese ungeteilte Konzentration auf die wirkliche Welt wird wieder neues Leben, wird wieder große Menschen, große Gesinnungen und Taten zeugen. Statt unsterblicher Individuen hat die »neue Religion« vielmehr tüchtige, geistig und leiblich gesunde Menschen zu postulieren, die Gesundheit hat für sie mehr Wert als die Unsterblichkeit.«
Ludwig Feuerbach bewegt sich mit diesen Gedanken ganz im Geiste Goethes, der (1824) zu Eckermann bemerkt: »Die Beschäftigung mit Unsterblichkeitsideen ist für vornehme Stände und besonders für Frauenzimmer, die nichts zu tun haben. Ein tüchtiger Mensch aber, der schon hier etwas Ordentliches zu sein gedenkt, und der daher täglich zu streben, zu kämpfen und zu wirken hat, läßt die künftige Welt auf sich beruhen und ist tätig und nützlich in dieser.« Gedanken, die am Schlusse des Faust wiederkehren in den prometheisch-trotzigen Worten:
Der Erdenkreis ist mir genug bekannt,
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
Tor, wer dorthin die Augen blinzend richtet,
Sich über Wolken seinesgleichen dichtet.
Er stehe fest und sehe hier sich um,
Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm,
Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!
Was er erkennt, läßt sich ergreifen.
Angehängt sind den Gedanken über Tod und Unsterblichkeit theologisch-satirische Xenien gegen das Unwesen der Frömmelei, gegen die Liebäugelei zwischen Philosophie und Theologie, gegen die Halbheiten und Wortklaubereien der modernen Bibelauslegung im Interesse des absterbenden Glaubens, gegen die »Heuchler im Talar« und die »Zeloten auf der Kanzel« usw. usw. Es läßt sich denken, wie die Schrift Feuerbachs auf die reaktionäre, glaubenseifrige Gesellschaft seiner Zeit gewirkt hat. Sie wurde sofort polizeilich konfisziert; sein Vater prophezeite ihm: »Die Schrift wird dir nie verziehen, nie bekommst du eine Anstellung.« Und so war es auch. Mit Feuerbachs akademischer »Karriere« war es aus. Die außerordentliche Professur, um die er sich drei Jahre nach seiner Habilitation bewarb, wurde ihm versagt. Auch spätere Bemühungen um eine Professur schlugen fehl. Im Bewußtsein des schneidenden Widerspruches seines Geistes mit dem sanktionierten und privilegierten Geist der Universitäten hatte er im Grunde seiner Seele eigentlich nie auf eine Professur gehofft und spekuliert. Er suchte nichts als einen Ort, wo er frei und ungestört dem Studium und der Entwicklung und Äußerung der in ihm schlummernden Gedanken und Gesinnungen leben konnte.
Diesen Ort fand er, abseits vom akademischen Markt, in dem Schloß Bruckberg zwischen Ansbach und Nürnberg. Hier besaß die Familie Löw eine Porzellanfabrik. Ludwig Feuerbach heiratete im Jahre 1837 die liebreizende Berta Löw, die Mitbesitzerin der Fabrik, und hier hat er in der Folge 25 Jahre lang in der Stille gelebt und gearbeitet. Es waren die schönsten und glücklichsten Jahre seines Lebens. »Jetzt«, so schreibt er, »beginnt eine neue Periode in meinem Leben, jetzt bin ich berechtigt, wozu ich mich berufen fühle, jetzt ist mein innerster Wille mir zu äußerlicher Notwendigkeit gemacht, jetzt kann ich meinem Genius huldigen, frei, rücksichtslos der Entfaltung des eigenen Wesens mich weihen.« Und weiter: »Einst in Berlin und jetzt auf einem Dorfe! Welch ein Unsinn! Nicht doch, mein teurer Freund! Siehe, der Sand, den mir die Berliner Staatsphilosophie in die Zirbeldrüse wohin er gehört aber leider auch in die Augen streute, wasche ich mir hier an dem Quell der Natur vollends aus. Logik lernte ich auf einer deutschen Universität, aber Optik, die Kunst zu sehen, lernte ich erst auf einem deutschen Dorfe.« Und endlich: »Der Philosoph, wenigstens wie ich ihn erfasse, muß die Natur zu seiner Freundin haben; er muß sie nicht nur aus Büchern, sondern von Angesicht zu Angesicht kennen. Längst sehnte ich mich nach ihrer persönlichen Bekanntschaft; wie glücklich bin ich, daß ich endlich dieses Verlangen stillen kann.« Auch den Wissenschaften von der Natur brachte er tiefes und dauerndes Interesse entgegen, getreu seiner Maxime, daß die Wahrheit nur in der Wirklichkeit zu finden sei. Auch in seinem eigenen Felde wollte er nichts anderes sein als ein Naturforscher des Geistes.
Im Anschluß an seine Erlanger Vorlesungen beschäftigte er sich zunächst mit der Geschichte der Philosophie. 1833 ließ er seine »Geschichte der neueren Philosophie von Bacon bis Spinoza« erscheinen; 1837 folgt eine Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibniz'schen Philosophie«, auch heute noch »eine der wichtigsten und wertvollsten Anleitungen zu tieferem Eindringen in die eigenartige und schwierige Gedankenwelt des Leibniz« (Friedrich Jodl). Endlich 1838 die Monographie »Pierre Bayle. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Menschheit Das Werk erscheint neu in Kröners Taschenausgabe.. Bayle war einer der ersten und hervorragendsten Kämpfer für Aufklärung, Toleranz und Humanität, überzeugt, daß der Mensch auch ohne Religion moralisch sein könne. In Bayle verkörperte sich gleichsam der Widerstreit zwischen der Vernunft und dem orthodoxen Glauben. Feuerbach stellt diesen Widerstreit dar und entscheidet ihn zugunsten der Vernunft. »Erkennen wir«, so ruft er aus, »daß die Religion für sich selbst, wenn sie nicht durch die Vernunft erleuchtet wird, den Menschen in der Finsternis läßt, ja daß die Religion, wenn sie, statt der Vernunft zu gehorchen, die Vernunft beherrschen will, die Menschheit in die barbarischsten, greuelvollsten, irrigsten, grundverderblichsten Lehren stürzt! Denn das Dogma vom Gewissenszwang hebt alle Begriffe, alle Gesetze der Sittlichkeit und Gerechtigkeit auf, rechtfertigt jedes Verbrechen, wie Bayle trefflich nachweist. Erkennen wir, daß gerade die Ungläubigen, die Freigeister, kurz diejenigen, welche die unterdrückte Macht der Vernunft wieder zu heben suchen, es waren, welche der Menschheit die Unterschiede zwischen Recht und Unrecht, zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen gut und schlecht wieder offenbarten. Erkennen wir, daß es kein Heil für die Menschheit außer der Vernunft gibt. Der Glaube mag den Menschen beseligen, beruhigen; aber soviel ist gewiß: er bildet, er bessert, er erleuchtet nicht den Menschen; er löscht vielmehr das Licht im Menschen aus, um angeblich ein anderes übernatürliches Licht an seine Stelle zu setzen. Aber es gibt nur Ein Licht das Licht der Natur, das in den Tiefen der Natur der Dinge gegründete Licht, das allein auch das göttliche Licht ist; wer dieses Eine Licht verläßt, begibt sich in die Finsternis.«
Im Sinne dieser Entscheidung für die Vernunft schildert Feuerbach in seinem »Pierre Bayle« mit wenigen, aber scharfen Zügen die historische Auflösung des Christentums und zeigt, daß das Christentum längst nicht nur aus der Vernunft, sondern auch aus dem Leben der Menschheit verschwunden ist; daß es nichts mehr ist als eine fixe Idee, welche mit unseren Feuer- und Lebensversicherungs-Anstalten, unseren Eisenbahn- und Dampfwägen, unseren Pinakotheken und Glyptotheken, unseren Kriegs- und Gewerbeschulen, unseren Theatern und Naturalienkabinetten im schreiendsten Widerspruch steht.
Diese »fixe Idee« nun nahm sich Feuerbach zunächst in einer Broschüre »Philosophie und Christentum« (1839) und sodann in seinem Hauptwerke vor, das ihn, als den Begründer der neuen Religionsphilosophie, für alle Zeiten berühmt gemacht hat: »Das Wesen des Christentums« (1841). Feuerbach macht sich hier zur Aufgabe, nachzuweisen, daß den übernatürlichen Mysterien des Christentums, der Religion überhaupt, ganz einfache natürliche Wahrheiten zugrunde liegen: er betrachtet als geistiger Naturforscher die Theologie als Psychopathologie, als eine eigentümliche Krankheitserscheinung des menschlichen Geistes. Theologie ist für Feuerbach Anthropologie. »In seinen Göttern malet sich der Mensch«, aber ohne es selbst zu wissen, und projiziert sich selbst, sein Wesen, seine Wünsche in die Unendlichkeit und nennt das Projektionsbild Gott und Jenseits. »Die Religion«, sagt Feuerbach, »ist der Traum des menschlichen Geistes. Aber auch im Traume befinden wir uns nicht im Nichts oder im Himmel, sondern auf der Erde im Reiche der Wirklichkeit; nur daß wir die wirklichen Dinge nicht im Lichte der Wirklichkeit und Notwendigkeit, sondern im entzückenden Scheine der Imagination und Willkür erblicken. Ich tue daher der Religion auch der spekulativen Philosophie oder Theologie nichts weiter an, als daß ich ihr die Augen öffne, oder vielmehr nur ihre einwärts gekehrten Augen auswärts richte; d.h. ich verwandle nur den Gegenstand in der Vorstellung oder Einbildung in den Gegenstand in der Wirklichkeit »Das Wesen des Christentums« von Ludwig Feuerbach erscheint gleichfalls neu im Verlag Alfred Kröner. Eine kurze Darstellung des Inhalts seiner sämtlichen Schriften gibt Feuerbach in den ersten »Vorlesungen über das Wesen der Religion« (Kröners Taschenausgabe)..« In der Tat hat Ludwig Feuerbach das Wesen des Christentums, das Wesen der Religion überhaupt und damit das Wesen oder vielmehr Unwesen der Theologie tiefer erfaßt, als je ein Denker vor ihm. Seine Religionspsychologie, auf tief eindringenden Studien des religiösen Denkens ruhend, war grundstürzend und grundlegend; die Mitwelt empfand es sofort.
Das Buch erregte ungeheures Aufsehen und erwarb Feuerbach viele Freunde, und noch mehr Feinde, als er sich durch seine kritische Stellung zur Religion schon gemacht hatte. Mit maßloser Entrüstung fielen die offiziellen Glaubenshüter über das Buch her. 1843 erschien eine zweite Auflage, 1849 die dritte. Die danach eintretende Reaktion hat das Buch beinahe vergessen lassen, bis es in unseren Tagen wieder neu entdeckt wurde, um von neuem als wirkungsvolles Kampfmittel in den religiösen Kämpfen der Gegenwart verwendet zu werden.
In mehreren Schriften über die »Philosophie der Zukunft« (1843), über das »Wesen der Religion« (1845) und über die »Unsterblichkeitsfrage vom Standpunkte der Anthropologie« die hier neu veröffentlicht wird führte Ludwig Feuerbach seine Gedanken weiter aus. Im Winter 1848/49 hielt er in Heidelberg auf Einladung von Studenten »Vorlesungen über das Wesen der Religion«, die im Jahre 1851 als 8. Band der 1846 begonnenen Gesamtausgabe von Feuerbachs Werken erschienen, dem 1857 als 9. Band die »Theogonie nach den Quellen des klassischen, hebräischen und christlichen Altertums« folgte; diese die durchsichtigste, schlichteste und zugleich mit dem reichsten empirischen Material ausgestattete Darstellung seiner Religionsphilosophie, jene die Synthese seiner religions- und naturphilosophischen Gedanken (Jodl).
Der Lebensabend des einsamen Denkers gestaltete sich recht trübe. Die Fabrik, deren Mitbesitzerin seine Frau war, ging ein, trotz beträchtlicher Zuschüsse, die er aus seinen eigenen Einnahmen leistete. Er mußte sein geliebtes Bruckberg verlassen und in dem Dorfe Rechenberg bei Nürnberg eine notdürftige Zuflucht suchen.
In einer Studie über »Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit« (veröffentlicht 1866 im 10. Bande der Gesamtausgabe) und in unvollendeten Aufzeichnungen über die ethischen Grundfragen behandelte er noch die ethischen Folgerungen seiner Philosophie. Aber seine Kraft war gebrochen und wurde durch Mangel und Krankheit mehr und mehr vermindert. Er starb am 13. September 1872 und wurde auf dem Johannisfriedhof zu Nürnberg bestattet.
Ludwig Feuerbachs sämtliche Werke erschienen in den Jahren 1846 bis 1866 in zehn Bänden bei Otto Wiegand in Leipzig. Eine neue Ausgabe in ebenfalls zehn Bänden veranstalteten Bolin und Jodl (Stuttgart 1903 ff.). Ausgewählte Briefe von und an L. F. gab, mit einer biographischen Einleitung, Wilhelm Bolin heraus (Leipzig 1904). Eine vortreffliche Monographie über L. F. schrieb Friedrich Jodl (Frommanns Klassiker der Philosophie. Stuttgart 1904). Das biographische Material ist zusammengestellt in Ad. Kohut, L. F., Sein Leben und seine Werke (Leipzig 1909). Friedrich Engels schrieb über L. F. und den Ausgang der klassischen deutschen Philosophie (Stuttgart 1888).
Ludwig Feuerbach hat allen Gebieten der Philosophie reiche Anregungen gegeben, die noch keineswegs ausgewertet sind. Diese Schätze zu heben und für die Philosophie der Gegenwart und Zukunft nutzbar zu machen, hat sich eine »Ludwig Feuerbach-Gesellschaft« zur Aufgabe gemacht. In dem von Bolin-Helsingfors, Börner-Wien und Otto Juliusburger-Berlin verfaßten Aufruf der Gesellschaft heißt es: »Die Entlarvung der Theologie und jeder theologisierenden Philosophie als Anthropologie, ferner das konsequente Festhalten an der Grundüberzeugung, daß der Mensch und die Natur den Ausgangspunkt und Mittelpunkt der Philosophie zu bilden haben, und endlich die restlose Humanisierung der Lebensauffassung machen Feuerbachs unvergängliches Verdienst aus, das bisher in seiner Tragweite noch nicht einmal erkannt, geschweige denn richtig eingeschätzt worden ist. Obwohl er dadurch eine Art Kopernikus auf philosophischem Gebiete geworden, ist seine Gedankenwelt, verdunkelt durch die allzu einseitige und ausschließliche Bewunderung Kants, noch nach keiner Richtung hin zu einem Bestandteile der allgemeinen Bildung geworden. Theoretisch und praktisch hat aber Feuerbach gerade unserer Zeit unendlich viel zu bieten. Theoretisch durch die Klarheit, Besonnenheit und logische Unbestechlichkeit seiner grundlegenden Ansichten; praktisch durch seinen sittlichen Idealismus, die starke Lebensbejahung und die fortschrittsfreundliche Art seiner Stellung zu den sozialen Fragen … Feuerbachs Philosophie ist nicht zersetzend und auflösend, sondern durchaus aufbauend und schöpferisch. Deshalb muß es ein Ziel sein, aufs innigste zu wünschen, daß das Lebenswerk des großen Denkers endlich in die deutsche Bildung eindringe und zu der geistigen Macht gelange, die ihm gebührt.«
Wir unterschreiben diese Worte aus voller Überzeugung. Ludwig Feuerbach, der angebliche »Materialist«, ist in Wahrheit ein glühender Idealist, dem es Ernst ist um den Fortschritt des Menschengeschlechts zur freien Selbstbestimmung unter der Herrschaft der Vernunft. So kann er gerade unserer Zeit ein Führer sein.
Jena, 18. Juli 1923.