Anselm Feuerbach
Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach
Anselm Feuerbach

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Schöpfungsgeschichte der Medea

Januar 1870

»Ristori, Porto d'Anzio, Ruderknechte, dazu Meeresglanz und Wogendrang, alle die holden und stürmischen Töchter des alten Nereus, ein Bischof in weitem Bademantel auf einem Felsblock sitzend, der in ahnungsloser Unschuld die Amme darstellte, endlich mein Modell – was braucht ein mit Poesie zum Zerspringen angefüllter Künstlerkopf mehr zum Schaffen?

Wenn der geistliche Herr mit seiner Toilette fertig war, kam er wohl näher, mir zuzusehen; und brach dann eine Sturzwelle brausend und schaumspritzend über das flache Ufer herein, dann tänzelte er mit seinen violetten Strümpfen flink von einem Stein zum andern, um sich vor Nässe zu retten.

Es ist eine Lust, im künstlerischen Schaffen sich mit der Natur eins fühlen!

Das heiterste Bild, welches ich in meinem Leben gemalt habe, ist das Seiten- oder Gegenstück zur Medea. Woher – wohin – weiß ich nicht recht zu sagen. Aus der Pistole geschossen, ein plötzlicher Einfall, geschichtslos, absichtslos, ohne mühseliges Studium, aus meinem Kopfe auf die Leinwand geflossen, ein sanfter, warmer Strom, unmittelbar und ungesucht.

Ich hatte mich über die Aufnahme der Medea in Baden gegrämt; daraus ist in gesundem Rückschlag das Urteil des Paris entstanden, welches meine gute Laune so gründlich hergestellt hat, daß ich für lange Zeit gefeit bin. Mir will es vorkommen, als sei das Bild unwiderstehlich; andere werden es unausstehlich finden. Was tut es? Ich war heiter bei der Arbeit. Der Maler Ferdinand Keller kann es bezeugen, er hat den Ziegenbock des Paris gemalt.«

Rom, 18. April 1870

»Es ist die erfreuliche Kunde zu melden, daß ich meine Sehnsucht, nach Hause, ins Grüne zu kommen, noch für vier Wochen bezwinge, um die Winterarbeiten völlig zum Abschluß zu bringen. Du magst darin ein Zeichen meiner Gesinnungsfestigkeit erblicken, daß das Fiasko, welches man meinem Gastmahl vorigen Sommer in München bereitete, mich nicht abhält, die diesjährige Berliner Ausstellung mit der Medea und dem Urteil des Paris zu beschicken. Ich gedenke die Einleitung dazu persönlich zu besorgen. Einstweilen bilde ich im stillen fort und glaube, daß Segen auf meiner Arbeit ruht.

Ob ich für längere Zeit nach Heidelberg komme, ist noch zweifelhaft. Es liegt mir diesmal an einem längeren Aufenthalt in Norddeutschland, Berlin, Leipzig, Dresden; – aber Anfang und Ende des Sommers wird jedenfalls zu Hause Rast gemacht.«

Rom, September desselben Jahres

»Gib wohl acht!

Berliner Ausstellung 1870, letzter Saal, Totenkammer benannt, oberstes Stockwerk, unter dem Plafond, in verkehrtem Licht: Medea und Urteil des Paris von Anselm Feuerbach.

Miete einen trockenen Platz im Lagerhaus und lasse die Bilder in ihren Kisten einstellen. Es ist das beste für sie und für mich. Ich war unwohl; grenzenlose Müdigkeit, unüberwindlicher Ekel. Was weiß ich!

Liebe Mutter, spreche mir nicht von Größe der Zeit und von neuem Leben, nachdem ich seit zwanzig Jahren in meiner Branche an diesem neuen Leben schaffe und schiebe, daß mir fast die Knochen brechen. Wenn ich Dich, Du vielgeplagte alte Frau, dahin bringe, daß Du nicht nur einsiehst, das tust Du, natürlich, sondern auch voll und rund heraussagst, daß ich nicht derjenige bin, welcher usw., sondern daß es einzig und allein die andern sind, so will ich zufrieden sein.

Ich höre immerfort die Glocken des Fortschritts läuten und muß an meiner Haut all das peinliche Zwicken durchmachen, worüber seit Christi Geburt 5000 oder so und so viel mehr Bücher geschrieben sind, die den alten Brei immer wieder aufrühren.

Nichts für ungut!

Gestern am hellen Mittag ist auf dem Korso vor meinen Augen ein alter Herr ermordet worden. Den Mörder haben wir gefaßt und überliefert, das Mordgeschrei klingt noch in meinen Ohren, was nicht gerade zur Verbesserung meiner Stimmung beiträgt.«


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