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Dezember 1859
»Es geht mir gut. Ich fühle die neu errungene Beweglichkeit meiner Gestalten. Die beiden neuen Kinderbilder – zusammen zwanzig lebensgroße Putten – wachsen. Meine Zeichnungsstudien vom vorigen Winter sind ein Segen für mich. Gesund bin ich, ein bißchen reizbar, aber freudig und inwendig still bildend.
Das römische Kind, mußt Du wissen, ist der Keim zu allem menschlich Schönen in der Kunst. Es ist nicht nötig, weit darnach zu gehen; man stolpert in der Straße darüber bei jedem Schritt. Ich habe mir zwei kleine Buben aufgelesen, die ich füttere und im Atelier herumtollen lasse. Was ich erhaschen kann, findet ihr auf der Leinwand.
Ein recht talentvoller junger Mann, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt, bin ich doch wirklich. Als ich Riedel, der mich öfters besucht, neulich sagte, man wundere sich draußen, daß ich mir so viel Mühe gäbe, Kinder zu malen, schlug er sich vor die Stirne und sprach: »Mein Gott! was kann es denn Schöneres geben! Wenn sie nur still hielten.«
Januar 1860
»Ich schreibe in meinem Atelier als dem Orte, in welchem immer die abgeklärteste und normalste Stimmung herrscht. Heute Nachmittag will ich mit meinem Freunde – seit einem Jahre zum erstenmal – in die Campagna fahren und einen Blick in die Berge tun. Gab es doch eine Zeit, in der ich vergessen hatte, daß ich von meinem Atelierfenster aus im Winter die reifen Orangen mit der Hand pflücken kann.
Eines wird Dich freuen. Die Madonna ist auf der Leinwand, und die Kinder musizieren, daß Du es in Deine Ohren hinein hörst. Mir musizieren sie im Kopfe, seit ich von Venedig weg bin, denn von dort habe ich das Bild, ohne es selbst recht zu wissen, hierher mitgetragen, und ich glaube, es ist schuld an der ganzen übrigen Kindermusiziererei. Jetzt wird es Ruhe geben. Ich bin begierig, wie Eure steinernen deutschen Herzen sich zu meiner süßen Madonna verhalten. Leider muß ich sie schicken.«
Mai 1860
»Nicht darf ich vergessen zu erwähnen, daß ich in den ersten Tagen des Bewußtseins der wiedergewonnenen Heimat – ich meine des Ankaufs meines Dante in Karlsruhe – ein Bild entwarf, das sich seit Jahren in mir bildet gleich wie das Gastmahl des Platon und gemeinsam mit diesem, Du weißt, es müssen immer Zwillinge sein, ich meine die Amazonenschlacht. Eine kleine Skizze vom Jahre 1857 hängt an der Wand, und auf der Staffelei steht, zwar erst in dürftiger Kohle, vielleicht meine größte Komposition vor mir: ein abendlicher Horizont, Campagna, Meer, wolkiger Himmel; ein wildes Plänkeln, Streiten, Stürzen; entfesselte Leidenschaft, die gebändigt wird durch vollendete Farbe, und wo ich streben will, die plastische Formenschönheit in den verschiedensten Stellungen auszudrücken. Da ich aber weiß, daß der Verkauf eines oder mehrerer kleiner Bilder dazu gehört, um mich in Wahrheit zukunftssicher zu machen, so will ich mich dem Gegenstand noch nicht ganz hingeben, sondern den Grundgedanken nur erst in massigen Farbentönen skizzieren, um dann zu Hause an diesem mächtigen Ideenhintergrund fortbilden zu können. Der entscheidende Zug kann erst dann geschehen, wenn die letzte Sorge außer Sicht ist.
Noch ist in den letzten Wochen eine große Aquarellskizze zum Gastmahl entstanden. Ich habe dem lustigen Alkibiades zum erstenmal die gelehrten Herrn entgegengesetzt, Sokrates in ihrer Mitte, auf dessen Kahlkopf die Lampe einen lichten Schein wirft. Es ließ mir keine Ruhe und mußte heraus. Bei dieser Gelegenheit besinne ich mich, aus welcher Zeit die erste Idee stammt, und ich komme darauf zu fragen, ob ich sie etwa mit auf die Welt gebracht habe.«
3. Juni 1860
»In allen Verhältnissen ist mir eines geblieben, das ist die Natur. Und so wie in mir eine Fundgrube poetischer Dinge schlummert, die ihrer Auferstehung harren, so ist es vor allem jenes unbesiegbare Naturgefühl, welches hervorbrechen wird als Individuum – bald – so hoffe ich; denn noch schweben die Manen und Gespenster jener früheren Zeiten um die Mauern und Wände. Die Amazonenschlacht ist mächtig genug; sie wird sich durcharbeiten, wenn ihre Stunde gekommen ist.«