Anselm Feuerbach
Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach
Anselm Feuerbach

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Erstes Gastmahl. Zweite Iphigenie. Orpheus

Rom, 22. Mai 1867

»Aut Caesar aut nihil. Ersparen wir uns jede Auseinandersetzung der Verhältnisse. Ich habe in der letzten Zeit eine dämonische Tätigkeit entfaltet. Daß meine Erhebung mit der nationalen zusammentrifft, ist mir innerlich ein freudiger Triumph, und da ich rasch und sicher in meinen Handlungen bin, so schließen sich auch die kleineren Umstände an. Das verlorene Modell ist auf das glücklichste ersetzt.

Was aber die Hauptsache ist: Die Aufzeichnung des Symposion ist in klaren, sicheren Linien siegreich vollendet. Jetzt Vorhang vor und warten.«

Anfang Oktober 1867

»Das neue Atelier wird eingerichtet, ein kleines Marmorhaus nächst der Eisenbahn. Ich warte auf die gute Stunde. Die große Aufzeichnung steht, vom Vorhang verhüllt, an der Wand.

Ich fühle mich angegriffen. Kannst Du glauben, daß die Erfüllung des zehnjährigen Wunsches mich mehr ängstigt, als sie mich freudig macht?

Wie sollte es anders sein, nach dem, was hinter mir liegt?«

2. Dezember 1867

»Das Symposion ist untermalt; einzelne Stücke schon ausgeführt.

Ich hoffe und glaube, daß darin der bekannte Wind des Genius weht, der uns wohltut und andern unbequem ist. Das übrige findet sich. Ich bin sehr angegriffen und aufgeregt.

Bei dem Gastmahl werde ich mich vorläufig ganz auf den linken, den klassischen Teil des Bildes werfen. Wie anders – ach, wie anders würde es sein, wenn ich eine kunsthebende, kunstgebildete Nation hinter mir hätte! Noch nie habe ich so deutlich als bei meiner Rückkehr gefühlt, daß ein Leben dazu gehört, um einen Quadratschuh mit Anstand auszufüllen.

Hier ist die häßliche Soldatenwirtschaft:. Das Programm meiner Arbeit für die nächsten Monate ist übrigens beruhigender Natur. Das Ricordo, Van Dyk und seine Geliebte, ein unterweltlicher Orpheus sind neue Gäste in meinem Kopfe. Die Zeiten sind haarsträubend interessant.«

Ohne Datum

»Für einen Ersatz Deiner großen Iphigenie ist bereits gesorgt. Die zweite Iphigenie, die ich neulich des Abends entwarf, ist bei weitem nicht so groß wie die erste. Lasse die erste getrost ziehen, Du verlierst nichts dabei.

Der Orpheus wird seiner musikalischen Erzeugung hoffentlich Ehre machen. Eine neue kleine Amazonenschlacht spukt im Atelier; frühere Arbeiten, Studienköpfe, Skizzen, große und kleine, unter anderem Medea auf der Flucht, Kreuzabnahme, Dantes Tod, Landschafts- und Meerstudien füllen die Atelierwände. Das Symposion steht ruhig und in großen Zügen da, glaubhaft und wahr, in beglückender Sicherheit. Mir ist es, als hätte es ein anderer gemalt.

Was mich selbst betrifft, so bin ich sehr herunter. Die letzten Tage unwohl, faule Todesgedanken! Die Strapazen der letzten Monate waren sehr groß. Ich habe Heimweh. Was sind alle Plackereien gegen ein gutes Wort zur rechten Stunde.«

19. Dezember 1868

»Ich schicke freundliche Grüße zum neuen Jahre, nachdem ich eine Krisis einigermaßen heroisch überstanden habe. Ich wußte nicht, wie krank ich war, und merkte es erst, als mir die Beine den Dienst versagten. Darauf folgten einige peinliche Stunden. Ich glaube, der Unmut und der starke Wille hat mich herausgerissen. Ich bin vollständig wieder hergestellt.«

»Wen Du nicht verlässest, Genius –!« usw.«

Ohne Datum

»Habe mich abermals aufgerafft. Die Menge meiner Produktionen stört nicht, weil immer die eine der andern hilft. Meine Produktivität ist ohne Sentimentalität.

Infolge eines prachtvollen Ateliers arbeite ich mit größter Leichtigkeit. Ich bin wieder wohl und heiter.

Hinzuzufügen ist, daß ich das Ricordo für Herrn Baron v. Schack glücklich herausgerissen habe. So ist auch dieses geordnet. Orpheus ist lebensgroß in voller Wirkung. Ich war heute selbst verblüfft, als ich ins Atelier kam. Die zweite Iphigenie wird – Dir darf ich es ja wohl sagen – eine wirkliche Perle werden.

Die Arbeiten dieses Winters gehen fast über mich hinaus. Es ist eine sanfte, selige Macht, die mir zuweilen die Hand führt. Die Bilder haben ihren eigenen Willen, und wenn sonst nie, folge ich hier gerne.

Vorgestern habe ich die neue Iphigenie bis auf die letzte Hand vollendet. Ich vertraue Dir sie später an und hoffe, sie einst im eigenen Gartensalon zu besitzen. Das Bild ist voll holder Schwärmerei, so daß man lange davor sitzen kann. Der Schmetterling bedeutet die Seele.

Heute, den 16. April 1869, habe ich meinen Namen unter das Symposion geschrieben und eine Flasche Champagner getrunken. Ich reise den 25. ab und telegraphiere von München aus. Lasse Dich an der Eisenbahn finden mit einem Etui von Kochenburger, angefüllt mit anständigen Zigarren. Lorbeeren brauche ich nicht.«


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