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Erstes Kapitel.

Krone des Lebens,
Glück ohne Ruh,
Liebe bist du! –

Frühlingssehnsucht auf der Heide. –

Weit hinten im Westen, hinter dem schmalen, violett gefärbten Waldstreifen, sank die Sonne wie ein blutroter Feuerball, dessen Flammengarben Himmel und Erde in ein Meer von Licht und Herrlichkeit tauchten.

Das flache, nordische Land lag todesstill und einsam. Auf den Marschen weideten die Viehherden, Heidelerchen stiegen mit leisem Abendlied zu dem lichten Firmament empor, bis sie als kleine, dunkle Punkte in Purpur und goldigem Gelb verschwanden.

Ganz fern von einem Bauernhof herüber bellte ein Hund, welchem der bissige Dobermann vom Gutshof bald zornmutige Antwort gab. –

Dann war es wieder still, nur die letzten Bienen summten noch geschäftig an dem jungen Mädchen vorüber, welches unter dem knospenden Zweigen der wilden Rose und des Schlehdorn's am Grashang der Heide saß und mit tiefernstem Antlitz in das Abendgold starrte, welches immer roter und roter, wie ein heißes, süßes, zauberhaftes und unbegreifliches Rätsel fern in einer anderen Wunderwelt, erglühte.

Ebba, die einzige Tochter des wortkargen Klaus Raßmussen, des hellblonden Riesen und seiner zarten, kränklichen Hausfrau Friederike, welche weltfern und ganz zurückgezogen auf dem Gute wohnten und außer dem Postboten, Arzt und Hausierer nie einem fremden Menschen die Tür des Heidehauses öffneten.

Klaus Raßmussen hatte sich durch ein mühsames und arbeitsreiches Leben emporgerungen, bis zum Besitzer des schönen Gutes, welches der Traum und Inhalt seines Lebens gebildet.

Als er, noch blutjung, als Volontär auf einem Rittergut im Holsteinischen lernte, verliebte er sich in die bildhübsche, junge Erzieherin der kleinen Komtessen, und Friederike Galzau erwiederte seine Gefühle, schwur ihm Treue und gelobte zu warten, bis er sich seßhaft gemacht.

Dies geschah nicht allzuschnell, aber Klaus Raßmussen war zäh und treu und fest wie das Holz der Esche, welche die Zweige ehemals über sein Vaterhaus gebreitet. – Als er das kleine Gut am Rande der Heide erworben, holte er seine Friederike heim, obwohl die Lehrerin nicht mehr allzu jung und an einer Stadtschule über die Maßen elend und nervös geworden war.

Dennoch ging es als Hausfrau besser wie gedacht mit ihr. –

Sie erholte sich sogar in den ersten drei Jahren sichtlich, bis im vierten ein flachshaariges Töchterlein geboren wurde.

Hatte es an richtiger Pflege und Fürsorge gemangelt, oder fehlte dem zarten Körper nur der Anstoß um in sich zusammenzubrechen, Frau Friederike kränkelte seit der Taufe des Kindes und obwohl ihr Mann alles zu ihrer Genesung tat, sie blieb eine zarte, stets leidende Frau, welche nur noch vom Lehnstuhl aus ihr Haus befehligen konnte.

Was ihr eigentlich fehlte?

Der Doktor zuckte die Achseln.

Er hatte geseh'n, wie Frau Friederike am Fenster saß und mit den schönen, schwermütigen Augen voll weher Sehnsucht in die Ferne starrte, wo die große, bunte, interessante Welt mit all ihren Freuden und Anregungen flutete. –

Er schüttelte seufzend den Kopf.

»Stadtdämchen gehören nicht in die Einsamkeit der Heide!« dachte er; und wer soviel geistige Interessen hat, wie eine Lehrerin, die krankt nicht am Körper sondern am Geist, welchen die Sehnsucht nach einem verträumten Glück nicht los läßt. –

Er schlug eine Reise vor.

Aber Klaus Raßmussen haßte solche Larifari und konnte außerdem nicht von der Ernte weg. –

Da verschrieb der Arzt viele und gute Bücher für die einsame Frau.

Und derweil der Gatte in den schweren Kniestiefeln Tag ein Tag aus über seine Schollen stampfte und einen Acker nach dem andern zu dem immer großartiger sich entwickelnden Gut kaufte, saß Frau Friederike im Lehnstuhl am Fenster und las – las – las – bis die schwermütigen Augen rote Ränder bekamen und an den Wimpern die Tränen glänzten. –

Ebba wuchs anfänglich mehr im Sinne des derben, realistischen Vaters auf. Frei, frisch, von früh bis spät unter Gottes freiem Himmel.

Da gedieh das blonde Friesenkind wie die wilde Rose, welche rings die Hänge des Heidelandes umwucherte.

Das hellblonde Haar lockte sich um ein reizendes Gesichtchen, welches die frischen Farben, den roten, schwellenden Mund und die stumpfe kleine Nase von dem Vater geerbt hatte, aber dabei aus denselben tiefblau sinnenden und träumerischen Augen der Mutter schaute. –

Frau Friederike bestand darauf, ihr Kind selber zu unterrichten, und von dem Augenblick an, wo Ebba mit Schiefertafel und Griffel zu Füßen der Mutter saß, änderte sich ihr Wesen.

War sie zuvor die ständige Begleiterin des Vaters durch Feld und Wiesen gewesen, so ward sie von nun an plötzlich die unzertrennliche Gefährtin der Mutter, – und je größer sie wuchs, desto inniger schloß sie sich der einsamen Frau an, desto glücklicher leuchtete es in Friederikes Augen auf und desto wortkarger und rauher schritt Klaus Raßmussen durch Wind und Regen, Sonnenbrand und Winterkälte über sein weltentrücktes Besitztum. Mit gefurchter Stirn dachte er an das widerwillig dreinschauende Gesichtchen seiner Einzigen, wenn er sie von irgend einem der lyrischen Schmöker wegholte, daß sie mal im Milchkeller und der Vorratskammer nach dem Rechten sähe. –

Sie tat es ja gewissenhaft und wußte gut Bescheid in Haus und Hof, aber sie war nicht mit Leib und Seele Gutsfrau, sie hatte das unglückselige Erbe der Mutter angetreten, stunden- und nächtelang über Romanen und Gedichtbüchern zu sitzen, sich den Kopf mit überspannten Zukunftsbildern zu füllen und sich in der Sehnsucht nach einen unerreichbaren Glücksideal selber unglücklich zu machen! –

Ach wie haßte Klaus Raßmussen die Bücher, welche ihm Weib und Tochter stahlen, das Heidehaus verwaisten und nichts anderes unter sein Dach trugen, als die Unzufriedenheit. –

Wenn es Abend ward, schritt Ebba hinaus an den Heckenrosenrain und starrte mit träumerischen Augen hinaus in das Purpurglühen am Himmel, in die wabernde Lohe, hinter welcher ein ihr so fremdes Götterkind in tiefem Schlafe lag, – die Liebe. –

Wird sie die Süße, heißersehnte je mit Augen schauen? –

Wird sie je die bunte, lachende und lustige Welt kennen lernen, von welcher die Mutter mit verschleiertem Blick erzählt, wie von einem verlorenen Paradies? –

Ach wie leidenschaftlich regte sich die Sehnsucht in Ebbas Herzen, die Freuden solch eines Wunderlebens zu genießen, zu lachen, zu tanzen und zu schauen, in eines Mannes Armen zu liegen und zu lieben und sich lieben zu lassen wie die Heldinnen in den Romanbüchern, welche für die Liebe lebten oder starben, ohne dieselbe aber verschmachteten, wie Blumen, über welche keine Sonne scheint! –

Der junge Walter Stur vom nächsten Gutshof war wohl ihr Freier, aber er hatte nichts gemein mit all den interessanten Helden ihrer Bücher, welche alle so hinreißend in ihrer Eigenart waren und durch Schönheit, Geist und Romantik fesselten, – ach wie kläglich nahm sich der ungeschickte Walter dagegen aus, welcher ja im Grunde doch nur ein Bauer war, so wie der Vater, welchem jeder Sinn für hohe Ideale, für Kunst und Rittertum abging. Der Pfarrer vom Heidedorf, welcher seit Jahresfrist Witwer geworden, hatte auch ein Auge auf sie geworfen, und er würde dem Vater auch willkommen sein, aber Ebbas Herz fröstelt, wenn sie in die kalten, grauen Augen sieht, welche sie durch die Brillengläser mustern, wie eine Ware, welche man vor dem Kauf abtaxiert. –

Nein! Den Mann, den sie lieben wird, der muß von anderem, ganz anderem Schlag sein! –

Außergewöhnlich – mit zwingenden Augen, ein Kavalier von feinster Art, toll, keck, – leichtsinnig – so wie die Liebhaber in den Romanbüchern! –

Ach wie herrlich, wenn alles so gegen den Strich des Altgewohnten geht, wenn die Verlobung sich so romantisch abspielt, wie jüngst in einem Buch, dessen Heldin von dem Geliebten entführt wird! –

Dieses wonnevolle Glück hat Ebba schlaflose Nächte gemacht, und ihre junge, allen Idealen geneigte Seele, träumt sich in eine immer heißere Sehnsucht hinein, auch derartige Poesie zu erleben und ihren Zukünftigen auf dem Pfad des Abenteuers zu begegnen.

Auch heute starrte Ebba mit wehem Blick in die goldrot ziehenden Abendwolken empor.

Leidenschaftlicher wie je brennt ihr die Sehnsucht nach erträumtem Glück im Herzen.

Wo soll sie es finden, wo? –

Hier auf weltferner Heide? – Nie!

Hier in der Todeseinsamkeit –? Nie!

Sie muß hinaus! Sie muß voll seligen Glaubens an die Liebe in die Welt wandern, um die Wunderblume zu suchen und zu pflücken!

Ein ungewohntes Geräusch. –

Rollende Räder, knatternde Hufe, lautes Schreien und Peitschenknallen. –

Das junge Mädchen schrickt empor und starrt nach der Chaussee hinüber, welche mit ihren ausgefahrenen Gleisen dicht am Gutshaus vorbei führt.

Da kommt der Postwagen mit drei neuen Pferden bespannt, welche der Posthalter erst vor acht Tagen auf dem Viehmarkt im Städtchen gekauft hat.

Die Hammel weiden auf dem Hufeland zur Seite, und der Spitz, welcher sie mit der kleinen Mike zusammen hütet, schießt kläffend herzu, seine Pflegebefohlenen von der Landstraße zurück zu treiben.

Die neuen, noch wenig eingefahrenen Postpferde aber verstehen diese Fürsorge falsch und nehmen wohl an, daß der bissige kleine Köter einen Überfall auf ihre Beine plant, – sie steigen hoch auf und ehe der verdöste Postillon sie fester in die Zügel nehmen kann, brechen sie seitlich aus und toben in den Graben hinein.

In demselben Augenblicke wird die Türe der gelben Postchaise aufgerissen, ein Herr springt jäh heraus, – zu spät – schon reißen die Gäule das ungefüge Gefährt herum, daß es krachend in den Graben hinein schlägt.

Ebba stößt einen Schrei des Entsetzens aus.

Sie sieht, wie der Reisende zu Boden gerissen wird und der Wagen über ihn hinstürzt. »Ich komme! ich komme!« schreit sie laut auf und jagt wie auf Sturmes Flügeln über die Heide.

Auch von dem Gutshaus hat man den Unglücksfall beobachtet.

Die Türe wird aufgerissen, Klaus Raßmussen springt mit wenigen weiten Sätzen herzu und packt das Handpferd, ehe es von den Knien hoch und aus dem Graben heraus kann.

Seitwärts aus dem Garten eilt der alte Brischau und seine Gehilfen herbei, und die drei Männer bändigen mit sehniger Faust die Gäule und kommen dem Postillon zu Hilfe.b

Den fremden Herrn hat wohl noch niemand bemerkt.

Atemlos – mit hochroten Wangen ist Ebba zur Stelle. – Ihre jungen, kraftvollen Arme recken sich, – sie packt das Rad und versucht es zu heben.

»Vater! – Brischau! helft! ehe es ihn zermalmt!!« – schreit sie auf. Da sind auch die Pferde hoch – reißen noch einmal die Stränge wild an und die Postchaise ruckt ein Stück vor. –

Gottlob! – Der Körper des Fremden liegt frei! Das Rad ist ihm anscheinend nur über die Beine gegangen!

Ebba wirft sich mit leisem Jammerlaut neben ihm nieder.

Der Hut ist seitwärts geschleudert, ein dunkellockiges Haupt liegt wie betäubt in dem staubigen Gras, die Augen geschlossen. –

Langhingestreckt die schlanke, elegante Gestalt.

Das junge Mädchen starrt atemlos in das Antlitz des Fremden, welcher die langen, nachtschwarzen Wimpern schon wieder hebt und sie wie geistesabwesend anstarrt. –

Alles Blut schießt nach Ebbas Herzen. Ihre Lippen zittern, als wollten sie sich zu einem Schrei des Entzückens öffnen – –: Herrgott des Himmels! wie ist er so schön! –

Ein blasses, edelgeformtes Antlitz, tief brünett, mit dem bläulichen Schimmer auf den glattrasierten Wangen von welchen Ebba so oft in den Romanen gelesen! Ein kleiner, dunkler Schnurrbart, – die Nase grade und über den Lippen keck abgestumpft, – die Mundwinkel geneigt, wie in spottendem Hochmut. –

Und nun erst die Augen! Groß, nachtschwarz, – überwölbt von edel geschwungenen Brauen – ach, welch ein Aufblitzen! welch ein Ausdruck selbst jetzt in ihnen, als der Blick die junge Samariterin trifft. –

Er scheint nicht bewußtlos gewesen zu sein, – er überschaut die Situation sofort und versucht lächelnd, sich mit schnellem Ruck aufzurichten. Ein leises Stöhnen, ein Zucken des Schmerzes um die Lippen. – ?

»Können Sie mich ein wenig unterstützen, mein Fräulein?« sagte er leise, in gebrochenem Deutsch. »Das eine Bein will mir nicht gehorchen«. –

Ebba erglüht noch heißer.

»Bleiben Sie liegen! um Gotteswillen seien Sie vorsichtig – es könnte gebrochen sein!«

Brischau steht schon neben ihr und mustert prüfend, mit Kennerblick das Bein des Fremden.

»In Ordnung ist das nicht, – gequetscht wohl auf alle Fälle –! he! Andres! pack ihn mal unter die Schultern, ob er wohl stehn kann!« –

Der Gärtnerbursche springt herzu und starrt den Reisenden sekundenlang neugierig an, dann nimmt er ihn derb unter die Arme und Brischau stützt ebenfalls mit an.

Schnell legt auch Ebba Hand an und sie erglüht dabei bis auf den weißen Hals herab.

Ein kurzer, halb erstickter Schmerzensschrei, – ein paar unverständliche Worte in ausländischer Sprache – und der Fremde sinkt schwer gegen Andres zurück. –

»Laß aus! – liegen lassen!« ruft Klaus Raßmussen von den Pferden herüber. – »Erst einen Arzt zur Stelle!« –

»Unmöglich Vater!« schüttelt Ebba aufgeregt den Kopf. »Die Erde ist viel zu kalt, die Nebel steigen schon! Einen Augenblick! ich hole mit den Mägden eine Matratze und dann tragen wir ihn in das Haus.« –

»Recht so! ja, das ist man gut!« nickt der alte Brischau mit bedenklichem Gesicht, »die Kutsche ist hin! Damit kann er nicht mehr in die Stadt kommen, und ich meine auch, ein Dach muß solch ein Kranker über sich haben!«

Frau Friederike hat den ganzen Vorfall von dem Fenster aus beobachtet, – sie ist schnell verständigt und nickt Erlaubnis, Ebba aber stürmt in das Fremdenzimmer, heißt die beiden Küchenmägde ihr folgen und reißt die große Roßhaarmatratze aus einem der Betten; – sie faßt selber mit an und nach nur wenig Minuten liegt das Bett auf der Fahrstraße neben dem Fremden.

Der Postillon hat sich hinkend an den Meilenstein am Wegrand geschleppt und wacht über die Pferde, welche Klaus Raßmussen zusammengekoppelt und an den kleinen Lindenstamm gebunden hat, – der Gutsbesitzer selber ist ebenfalls neben den Fahrgast der Postkutsche getreten und besichtigt das anscheinend schwer verletzte Bein.

»Ja, – in die Stadt kommen Sie damit nicht!« sagt er in seiner wortkargen Weise. »Ists recht, wenn Sie den Doktor bei mir im Hause abwarten?«

Der Fremde blickt empor, in Ebba's atemlos lauschendes Gesichtchen.

Trotz der Schmerzen blitzt es in den dunklen Augen auf. Er nickt so gut er es vermag und sagt abermals mit eigenartigem Klang und Accent in der Stimme: »Sie sind sehr freundlich, – ich bitte darum!«

»Dann faßt mal vorsichtig an!« kommandiert Raßmussen und sorgsam wird der Fremde gestützt und auf die Matratze gelegt.

Als das Bein gehoben wird, beißt er wohl die Zähne zusammen, aber als das junge Mädchen sich angstvoll über ihn neigt, lächelt er, daß die prachtvollen weißen Zähne durch das dunkle Bärtchen blitzen und sagt leise: »Das ist ja nicht schlimm, mein Fräulein!« –

Behutsam fassen all die kräftigen Fäuste an und tragen den unerwarteten Gast in das Gutshaus.

Ebba stürmt fiebernd vor Aufregung voran und reißt die Türe nach einem der Parterrezimmer auf.

»Gleich hierherein! Dies ist die sonnigste Stube, und bequem für alle zur Pflege!«

Frau Friederike ist bis zur Tür geschlichen und blickt mit großen, forschenden Augen auf den Verletzten.

Sie ruft ihm ein freundliches Wort zu und reicht ihm die Hand entgegen, – beinah erschrocken über das Unerwartete, will sie dieselbe zurückziehn, als der Fremde ihre Finger mit halbgeschlossenen Augen ebenso respektvoll wie galant an die Lippen zieht. Sie wechselt einen schnellen Blick mit ihrer Tochter, und das junge Mädchen macht eine kaum merkliche Bewegung mit dem Kopf, als wollte sie sagen: »O Mutter, ganz so wie in unsern Büchern!!« –

»Feuer im Ofen machen! Das andere Bett richten!« befiehlt Klaus Raßmussen lakonisch, sich an die Mägde wendend, und dann mit kurzer Handbewegung gegen die Männer: »Faßt noch einmal hier an, daß wir ihn bequem unterbringen! Bis der Doktor kommt, kann's lang dauern, und bis sie ihn in das Stadtlazarett schaffen, erst recht! So! na, mein Herr, wie wärs mit einem Kognak derweil? oder einem Glas Rotwein? So ein Abenteuer nimmt die Nerven mit! – Ebba! – er nickt zum Wein! Gib ein Glas Bordeaux her!« –

Nach wenig Minuten neigt sich die Genannte über den Verletzten, – das Glas mit dem rotleuchtenden Wein in der Hand.

Sie muß den Arm unter den Kopf des Fremden schieben und ihm den Trunk an die Lippen halten, denn seine Hand, welche er hebt, ist verschwollen und zeigt einen blutrunstigen Striemen, wo sie das Rad anscheinend auch gestreift hat. –

Er trinkt, und dann blickt er seiner Samariterin mit unbeschreiblichem Blick in die Augen und flüstert: »Ich sage Dir tausend Dank, Du guter Engel!« –

Ebba zittert vor Aufregung und Entzücken dermaßen, daß sie kaum das Glas halten kann und die süße Verwirrung, welche ihr Antlitz spiegelt, scheint dem Fremden nicht zu entgehen, unter allen Schmerzen lächelt er abermals.

»Das Bett ist bezogen! Soll es angewärmt werden?« frägt Antje und wischt die blauroten Hände eifrig an der Küchenschürze ab. –

»Nix warm! liebe es kalt!« flüstert der Unbekannte mit tiefem Seufzer und Klaus Raßmussens rauhe Stimme dröhnt durch das große, luftige Eckzimmer: »Na dann marsch hinaus, Ihr Weibsleute!– Wir wollen den Herrn betten, so gut es geht! Wenn ich nachher rufe, bringt Licht! und Du Ebba sorg für eine kräftige Fleischsuppe! Sowie der Jochen mit dem Ochsengespann im Stall ist, soll er sich den Braunen satteln und zum Doktor reiten, – es sei dringend! – Der Herr sei überfahren!«

»Wird besorgt!« nickte Antje, dieweil Ebba und Fieken hastig, ihr voran, hinter der Türe verschwinden.

Frau Friederike steht noch harrend auf der Schwelle des Wohnzimmers.

Ebba wartet, bis die Mägde verschwunden sind, dann wirft sie sich voll jäher, bebender Aufregung an die Brust der Mutter. –

»Wie ist er so schön! so schön!« stößt sie halb erstickt vor Erregung hervor.

»Ja, sehr schön! So schwarze, blitzende Augen und so fein und vornehm! Anscheinend ein Ausländer! Hat er einen Ring am Finger? er ist er wohl ein Ehemann?« –

Daran hatte das blonde Friesenkind noch gar nicht gedacht.

Sie schrickt zusammen.

»Ich werde gleich sehen … sowie ich wieder hinein darf …« murmelt sie und das erst so glühende Gesichtchen erbleicht Schein um Schein. –

»Es ist wie in einem Roman!« flüstert Frau Friederike mit verklärtem Blick und tätschelt liebkosend mit der Hand über das helle Lockenhaar ihrer Einzigsten.

»Ja Mutter! Ach wie lang haben wir darauf gewartet!«

»Sorg ihm für eine gute Fleischbrühe! Paßt ja schön, daß das Kalb geschlachtet ist, – wenn er Hunger hat, brat ein Schnitzel! und spar die Eier nicht an der Suppe!« –

Ebba hört kaum noch die letzten Worte, mit fiebernden Pulsen eilt sie in die Küche und wirft geschäftig das dürre Reisig in die Herdglut.

Wie das empor prasselt und Funken sprüht!

Ebba starrt mit weit offenen Augen in das Feuer und lächelt: »Wie lang habe ich auf Dich gewartet, du heißes, flammendes Liebesglück! – Nun endlich bist Du gekommen und leuchtest mir aus zwei dunklen Augen entgegen!« –



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