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Ein Gefühlsspektrum in sieben und noch einigen Farben von Ultrarot bis Ultraviolett, durch Kirchhoffs Spektroskop beobachtet und chromoliterarisch gedichtet.
Zugleich eine moderne Novelle.
Jahrmarkt.
In breiten, grauen Lappen spannt sich die Leinwand zur Höhe empor. Eine herrische, hochgeschwungene Kuchenbude.
Ringsum Lärm. Geschrei. Gedränge. Ein veilchenroter, schwül erstickender Lärm. Ein trocknes, gelbes, schwülgelbes Geschrei. Ein modriges, schwefelblaues, staubschwüles Gedränge, überhaupt alles schwül.
Bauernweiber in rot-orange-gelb-grün-blau-indigo-violetten Toiletten.
Sich einander gegenseitig prügelnde Bauernburschen. Funken prallen an Augäpfel. Gelbe, grüne, blaue Augen. Schwül...
Vor mir auf Brettern Liköre. Stechen in die Augen mit roten, gelben, grünen Dolchen. Leichengrünes Glas. Karminroter Schnaps. Eigelber Dotter. Knickebein.
Das Ganze von den zarten Lasuren mangelhafter Reinlichkeit überzogen.
Und hinter diesem Schauspiel die gelbe Abendsonne, in ein Meer von Blut gequatscht.
Selbst ein monströser, vielsagender Riesen-Pracht-Knickbein.
In der Kuchenbude hockt hautdürre, triefäugige, weibliche Ohnmacht. Zwischen knochengrauen Fingern gähnendes Strumpfloch. Aus Stricknadeln und Katzenaugen springen Funken.
In weitem Umkreis staubsüße, schmalzschmierige, höhnische Backdunstduftluft.
Und vor mir Kuchen. Kuchen. Kuchen. Kuchen. –
Kuchen. –
Kuchen. –
Rote, orangene, gelbe, grüne, blaue, indigo-farbene, violette Kuchen.
Sirupbrezeln prickeln mit Millionen feiner Nadeln in meine Geruchsnerven, schießen ins Gehirn, bohren sich tief in das Mark des untersten Rückenwirbels.
Kolossal nervöse Kuchen.
In der Mitte ein riesiges, lebkuchenes, zuckerübergossenes Herz, von einem Pfeil durchbohrt.
Mein Herz.
Mädchen vor der Kuchenbude. Strammes, dralles, rundes, kerngesundes, fleischfarbenes Bauernmädchen.
Phosphorglitzeriger Blick von mir zu ihr hinüberschießend. Mich streift komplizierter Duft ihres Haares. Mir wird pomadenbang.
Ihrerseitiger grünlich-verlangender, tigergieriger Lebkuchenblick.
Meinerseitige fiebernde Bewegung in die Tasche und wahnsinnglühende Berappung.
Ihrerseitiges zahnweißes, weißzähniges Lachen, Fortgehen und Auffressen.
Mein Herz! Zerreißt es mit den Zähnen, frißt es, frißt es – frißt mein Herz! Frißt es.
Meinerseitiges Sie-nicht-mehr-sehen.
Ich fühle mich so innerlich zerfressen, so im Innersten meines Herzens vernichtet, verputzt und vermöbelt.
Und dann fühle ich mich so reingefallen, so in Tran getreten, so in die Butter gefallen.
Mein ins Leere greifender, tappender, strauchelnder Blick fällt auf eine andere Bude.
»Die dressierten Flöhe« steht über dem Eingang. Glühend brennen sich die gasgelben Lettern in den gelben Fleck meiner Netzhaut.
Und plötzlich beginnt es in der camera obscura meines Gehirns zu hopsen, zu purzeln und Männchen zu machen.
Mein Kopf kommt mir plötzlich vor wie ein Zirkus für in Freiheit dressierte Flöhe.
Ja wahrhaftig: das ist er!Ja
Alles um mich herum dreht sich wie ein Farbenkreisel.
Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett –
Alle Farben vermischen sich zum Weiß – und ich trinke die blendende Weiße – die Weiße – die Weiße –
Sollte ich vielleicht schon vorher etwas getrunken haben? – – –