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Wir haben diesen königlichen Kaufmann verlassen, als er aus der Tür seines Hauses, seines Gartens (mit der Kaiser-Wilhelm-Grotte und der Schneewittchengruppe!) trat, und sehen ihn jetzt eine Straßenbahn besteigen. Da Hunde in der Straßenbahn nicht zugelassen werden, so muß Pluto hinter dem Wagen herlaufen. Die Fahrt ist recht lang und geht zeitweise sehr schnell, und Pluto muß laufen, daß ihm die Zunge heraushängt und die Augen hervortreten. Das beachtet August nicht. August zieht eine scharfe Grenzlinie zwischen sich und den Hunden. Er würde auch seinen Hausknecht oder seinen Kontorlehrling so hinter dem Wagen herlaufen lassen; denn er zieht eine ebenfalls scharfe Grenze zwischen sich und seinem »Personal«. Er fühlt aristokratisch. Für eine freundliche Verwischung der Grenzlinien ist er mehr nach oben hin. Auf irgendeine Weise ist er einmal mit einer gräflichen Familie zusammengekommen.
»Ach, das sind reizende Leute,« pflegt er zu sagen, wenn er darauf zu sprechen kommt, »reizende Leute! So vornehm! Un dabei so einfach! So bescheiden!« Und er gibt ein rührendes Bild von der Vertraulichkeit seines Verkehrs mit diesen Leuten. »›Mein lieber Graf,‹ sagte ich – ›dscha, mein lieber Graf, das is nicht so einfach!‹ sagte ich.« Ja, so sagte er.
Gewiß möchte der Leser gern erfahren, wie August zu grüßen pflegt. Ich will versuchen, die Skala in ihren Hauptstufen wiederzugeben. Wenn die Brotfrau ihn grüßt, sieht und hört er nichts; sie kriegt ja ihr Geld. Wenn ein Handwerksmeister grüßt, sieht er ihn dreißig Tertien lang teilnahmlos an und hebt die Hand bis zum dritten Westenknopf. Wenn ein Schulmeister grüßt, tickt er an den Hutrand. Wenn die Frau eines Schulmeisters kommt, faßt er den Rand des Hutes an, als wenn er ihn abnehmen wollte; er besinnt sich aber eines Besseren. Vor seinem Hausarzt hebt er den Hut drei Zentimeter hoch. Vor einem Amtsrichter hebt er ihn so weit, daß die Höhlung nach hinten schaut, vor dem Polizeipräsidenten so weit, daß sie nach oben sieht; man kann niemals wissen, ob man nicht mal mit den Leuten zu tun kriegt; wenn aber der Oberbürgermeister kommt, dann tritt er auf zehn Schritt Entfernung auf die Seite, verbeugt sich und senkt den Hut bis zur Kniekehle, so daß die Höhlung nach vorn guckt. Bei einem General begibt er sich seines Anspruchs auf den Bürgersteig und tritt in den Rinnstein. Später hat August dann noch anders grüßen gelernt.
Der Wagen der Straßenbahn ist voll besetzt, da steigt noch eine alte Dame ein. Aber August steht nicht auf, um ihr seinen Platz anzubieten, nein, das tut er nicht. Dann steigt noch eine Dame ein, eine junge, aber wenig ansehnliche. August bleibt natürlich sitzen; er denkt ja gar nicht daran, aufzustehen. Endlich kommt eine hübsche Dame, verblüffend fein angezogen und mit einem Blick, als wenn sie für Männerdienste sehr erkenntlich sein könnte. August steht mit heftiger Behendigkeit auf, macht eine einladende und ausgiebige Handbewegung, faßt sogar an die Hutkrempe und sagt »Bitte!?« Die Dame dankt mit den Augen wie für ein ganzes, lebenslängliches Liebesglück, und August blickt vornehm und triumphierend um sich. Immer Gentleman! Und dann blickt er die Dame frei und offen an wie eine Anschlagsäule, deren gesamte Beklebung er zu lesen beabsichtigt. Sie hält es aus. Endlich hält der Wagen bei seinem Stammlokal, dem »Franziskaner«. August schwankt einen Augenblick, ob er die Dame aus den Augen verlieren oder zu spät zum Stammtisch kommen soll. Aber sein Pflichtgefühl siegt; Gutbier steigt aus. Er steigt aus mit dem erhebenden Gefühl, daß er seiner Frau schon wieder mal treu gewesen ist.