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Wo in der Provinz Ciminien die alte Etruskerstadt Saccumum lag, weiß niemand. Genug an dem: sie bestand einmal und dies ist ja wohl das einzige, was man von irdischen Dingen mit einiger Gewißheit auszusagen vermag.
Unter der Regierung eines Kaisers, der nur durch übergroße Strenge die Ordnung in seinem Gewaltreich aufrecht erhalten zu können glaubte, ereignete sich in dieser Stadt ein sonderbarer Vorfall. Eines Sommertags stieg sichern Schrittes vor vielen Zuschauern ein Esel auf den Richterstuhl und fing gewaltig an zu schreien, zur höchsten Verwunderung aller Saccumer, jedoch ohne daß jemand den Sinn der Begebenheit zu erraten vermochte, bis die Zeit selbst das Rätsel löste. Einige Wochen nachher nämlich ward ein Bewohner der Stadt namens Craugasius, seines niedrigen Standes unerachtet – ein Bäcker – vom Kaiser als Vogt über die Provinz gesetzt, zur Belohnung dafür, daß er die Kornunterschleife des Präfekten der Stadt Rom aufgedeckt hatte. Mit dieser hohen Auszeichnung war aber Craugasius nicht befriedigt, sondern, als ob dies ewig so fortgehen könnte, lechzte er danach, weitere Anzeigen zu machen und noch höher zu steigen. Diejenigen Verbrechen, deren Enthüllung und grausame Ahndung ihn bei dem Herrscher beliebt gemacht hätte: Beleidigungen der Majestät, Zauberei, Anwendung von Geheimmitteln, Befragen der Orakel, Unzuchtsvergehen und Ehebrüche, wollten jedoch in seinem Amtsbereich nicht vorfallen. Denn als Etrusker war zwar jeder Einwohner der Stadt bereit, wahrzusagen, Träume auszulegen wie auch den Gesang und Flug der Vögel aufs scharfsinnigste zu deuten – daher aber auch keiner gewillt, einen andern für das zu bezahlen, was er selbst ebensogut oder noch besser zu verstehen wähnte. Durch den Genuß zahlreicher Sklavinnen und Sklaven waren die Reicheren davor bewahrt, Vergnügungen des Leibs außerhalb ihres Besitzes zu suchen. Und die Übertretungen der Armen zu strafen, lohnte sich nicht. Keiner auch fragte, wie in andern Städten geschah, ein delphisches Tischchen, wer des Kaisers Nachfolger sein werde? Denn unter den Männern der Stadt war keiner auch nur so ausgezeichnet, daß er in die Umgebung des Herrschers hätte aufgenommen werden können, und schon um den lebenden Fürsten kümmerten sie sich so wenig, daß sie nicht einmal nach den Kriegsnachrichten fragten. Und ob der Kaiser heute das Land Jaramlam eroberte oder morgen den Totordanes siegreich überschritt und eine große Anzahl von Chioniten und Gelanen in die Gefangenschaft fortführte, das war nur denen nicht gleichgültig, die so unvorsichtig gewesen waren, sich nicht den Daumen zu verstümmeln, um dem mörderischen Kriegsdienst zu entgehn.
Anfangs hatte Craugasius stets ein Gespann nysäischer Rosse bereithalten lassen, um, wenn es ihm etwa gelänge, einer gräßlichen Verschwörung auf die Spur zu kommen, stracks und bevor noch ein anderer die wertvolle Nachricht an den Hof bringen könne, den Sitz des Fürsten zu ereilen und zum Dank der ersehnten Beförderung, etwa gar der Ernennung zum Patrizius, teilhaftig zu werden. Da aber nichts von Belang sich einstellen wollte in der ruhigen Landschaft, wo sozusagen, wenn ein Blatt zu Boden fiel, ob des großen Geräusches das Forum sich zu füllen pflegte – stand er ab von dieser Gewohnheit und indem er auf den Neid und die Gehässigkeit schlechter Menschen rechnete, ließ er immer aus einem hoffnungsvollen Fenster seines Palastes einen Strick hängen, an dessen unteres Ende recht wohl von Heimtückischen namenlose Anzeigen geknüpft werden konnten. Und oft des Tags, aber auch mitten in der Nacht erhob er sich selbst von dem erfreulichsten Weib oder üppigsten Gelag, ob sich etwa durch diese freiwillige Buße das Schicksal seiner Sehnsucht günstiger stimmen ließe. Verlor auch das trefflich gefüllte Schweinseuter oder der lecker gemästete Siebenschläfer auf das beklagenswerteste von seinem Wohlgeschmack – er stand auf und sah nach dem Strick, obzwar er ihn noch nie beschwert angetroffen hatte. Nur einmal in einer Mückennacht hörte er ein Geräusch bei jenem Fenster. Aus Pflichteifer und Dankbarkeit gegen ein ihm solchermaßen bezeigtes Vertrauen litt er nicht, daß sein Sklave dies bewerkstelligt hätte. Er selbst zog das Seil gierig empor und gewahrte alsbald an dem Ende vielversprechend ein Säckchen, und als er das Säckchen öffnete, fand er es von einem groben Mehl erfüllt, Spelt mit Gerstenmehl gemengt, wie er unwillkürlich feststellte, und als er im Mehl nach einem Schreiben wühlte, kamen ihm zwei blutige Eselsohren in die Hände. Diese zarten Anspielungen auf seinen früheren und nunmehrigen Beruf führten zu einer Untersuchung, denn Craugasius hätte gar zu gern gewußt, wessen Esel der Ohren ermangelte. Unter Posaunenschall und Tubaklang ward den Bewohnern der Provinz befohlen, am nächsten Tag eine Zusammenkunft ihrer sämtlichen Grautiere zu veranlassen, auf einer Wiese, die von dieser Versammlung ohne Zweifel für alle Zeiten den Namen Esels Anger erhalten hätte, wenn nicht, dies zu hindern, traurige Ereignisse eingetreten wären.
Der Vogt hatte gedacht, der Übeltäter werde das geschändete Tier beiseite schaffen und das Fehlen desselben aus den Steuerverzeichnissen nachzuweisen sein. Da er aber die Heerschau über die Eseltiere der Gegend abhielt, zeigte es sich unter dem anscheinend außerordentlichen Erstaunen aller, daß keines dieser Geschöpfe durch den Besitz von Ohren ausgezeichnet war. Hierauf eingeleitete Nachforschungen brachten keinerlei Nachricht über ein zu etwelcher Stunde besonders stark vernommenes Geschrei der mißhandelten Kreaturen, und eine eingehende Besichtigung der Wundränder ergab keinerdings den sonderlich frühen oder späten Zeitpunkt der Verunstaltung irgendeines Esels – wie nicht anders zu erwarten bei der ungemeinen Trefflichkeit der etruskischen Heilmittel. Eine derartige Feststellung wäre mit der Ertappung des Schalks gleichbedeutend gewesen, nun aber sämtliche zu strafen, ging nicht; denn jeder Bürger besaß das Recht, an seinen Haustieren vorzunehmen, was er wollte, und ein Bericht dieser Verschwörung hätte am kaiserlichen Hof nur unauslöschliches Gelächter erregt und ihn für immer unmöglich gemacht. Also erfaßte Craugasinum der Gram, und ward er lang nicht gesehn in seinen Aviarien, die ihm vordem große Freude bereitet hatten mit ihren Silberpfauen und Perlhühnern. Bereits gedachte er die ganze Angelegenheit als ein Mißverständnis erscheinen zu lassen (wie wenn das Seil nichts anderes gewesen wäre denn eine Vorbereitung für dringliche Maurerarbeiten) als ihn eine merkwürdige Begebenheit aus dem Gefängnis seiner Lächerlichkeit nicht bloß befreite, sondern vermittels der Macht, die ihm gegeben war, allen Spöttern heilsamen Schreck einjagte. Thrasea Baeticus, ein wildhaariger Römer von untersetzter Gestalt, mehr als kundig des Würfelspiels und verdächtig, der an sich großen Verworfenheit eines ihm verwandten betrügerischen Wettfahrers durch unerlaubte Mittel zu Hilfe gekommen zu sein, war dieser Eigenschaften und seines losen Mundes halber aus seiner Vaterstadt nach Saccumum verbannt worden. Offenbar müde, in der stillen Stadt der Langweile die Hitze des Sommers und den Frost des Winters hinzunehmen, wählte er eine vergnügliche Art des Selbstmords, indem er, ohne sich auf die gebräuchlichen, aber höchst zeitraubenden Blumensendungen, Blicke, Annäherungen und das immer weitergehende, magische Streicheln und Berühren einzulassen, kurzerhand eine Jungfrau von vornehmer Geburt vergewaltigte, die denn auch, als er nicht wieder kam, Klage gegen ihn erhob. Craugasius hatte diesen römischen Schelm stets im Verdacht des ihm gespielten Streichs gehabt und also vollzog sich diese Hinrichtung unter grauenvollen Martern. Aber so geringe und kleinstädtische Angelegenheit konnte nicht des Vogtes Namen vor den Herrscher tragen.
Daher begrüßte Craugasius mit großer Freude das Gerücht von der Ankunft des Philosophen Sarapion. Philosophen nämlich neigten damals dazu, das Gewicht ihrer eigenen Persönlichkeit oder ihres Bartes der ganzen übrigen Welt entgegenzusetzen, ja, bei Mißerfolgen dem weiblichen Geschlecht gegenüber und dadurch verschärfter schlechter Verdauung verneinten sie die Erde auf das wuchtigste. In derlei Welthaß lag aber eingeschlossen die Verachtung der kaiserlichen Majestät, wenigstens nach der Ansicht beförderungsliebender Richter, und die Philosophen, zur Wahrheit erzogen, bestätigten gewöhnlich diese Folgerung und wurden festlich verbrannt. Deswegen freute sich Craugasius. Eines Tags aber machte ihm der Ankömmling als ein gesitteter und höflicher Mensch seine Aufwartung. Craugasius streckte ihm das Knie zum Kuß entgegen, als ob dies genug des Glückes sei. Sarapion jedoch, der Weisheitsfreund, tat nichts dergleichen, sondern schüttelte dem Vogt kräftig die Hand. Der wich betreten zurück und änderte sein Benehmen erst, wie er einer scheinbar zufälligen Bemerkung seines Gastes entnehmen mußte, daß dieser der leibliche Bruder eines wirklichen Kammerherrn des Kaisers war. Da begann Craugasius in dem Philosophen einen höfischen Spion zu wittern und den Erleuchtetsten unter den Kommentatoren des Aratus öfter mit seinen ehrerbietigen Besuchen zu behelligen als dem schwer Betroffenen lieb war.
Sarapion gehörte unter die Bewunderer und Gönner der Natur. Gerührt konnte er vor einem Teich stehen und sich an den besonnenen Bewegungen der heiligen Fische weiden, das Zirpen der Zikaden über die Wiesen hin hielt ihn lang unbeweglich an einem Ort fest, und keinen lieblicheren Laut kannte er als das brave Summen der Bienen und Drohnen, in denen der heiße Sommer sang. Oft aber schien solches Betrachten gierig, als könnte das Vergnügen nicht mehr lange währen. Wenn er nicht Beziehungen zu Hofe besessen hätte, würde ihm dieses Insichtrinken der Natur, dieses dem Quiriten fremde und grundlose Stehenbleiben und Verharren an einem durch keinerlei Geschäfte ausgezeichneten Ort als schändliche Zauberei ausgelegt worden sein. So aber konnte er seinem Bart, Augen und Haaren von schwarzer Farbe anstandslos einen aus schwarzem Sererstoff gefertigten Talar hinzufügen. Die Eintönigkeit seines Aufzugs begründete er damit, daß es dem Menschen, der innerlich bunt sei, gezieme, sich durch äußerste Einfachheit des Auftretens von den Tieren zu unterscheiden, welche an der Oberfläche eine außerordentliche und ihrer vielen Arten gemäße Buntheit und Mannigfaltigkeit zu entwickeln pflegen. Sein düsteres und wie Unheil kündendes Aussehen verhinderte nicht, daß sich auf seinen Wanderungen nah der Stadt zahlreiche Leute um ihn einfanden, die, vielleicht weil sie dachten, dies sei nun Sitte in Mediolanum, Konstantinopolis, Nikomedien oder Antiochia, denselben Dingen eine bald bedächtige, bald verzückte Aufmerksamkeit zu schenken begannen, denen Sarapion die Blicke seiner Augen weihte. Allmählich wurde die Last der glotzenden Massengefühle dem weisen Mann beschwerlich und er sandte seine Diener ins Freie, an seiner Statt die Blumen und Bäume mit Bewunderung zu überschütten. Doch auch um jene standen die Müßigen in dichtem Kreis.
Die Sklaven aber vermochten diesen frevelvollen Zwang zur Bewunderung nicht lang zu erdulden und entliefen. Wurden jedoch bald wieder eingebracht. Als man sie nach dem Grund ihrer Tat fragte, behaupteten sie, sie wären unschuldig und könnten nicht für den Weg, den die Erdströme in ihnen nähmen. Ins Gefängnis abgeführt, um nach wilder Folter abermals mit ihrem Herrn vereinigt zu werden, enthielten sie sich klüglich der Nahrung und – was sie vielleicht von Sarapion gehört haben mochten – sie erklärten, der Sklaverei und Schlacke des Lebens satt zu sein. Eine unglückliche Liebe zur reinen Erde vorschützend, rüsteten sie sich zur Hochzeit des Selbstmords. Sie nahmen wahr die Stränge ihrer Haare, erblickten gute Nägel, in die Wand geschlagen, und bezogen sie auf sich. Sie dankten den Göttern für die Nägel, diese süße Gabe des Schicksals, sprachen fromm die für das Suicid vorgeschriebenen Gebete und erhängten sich, alle an einem, jeder an seinem Tag.
Während sie verscharrt wurden, erscholl – früher als sonst in diesem Herbst – am Abendhimmel heimatlicher Gefühle das schaurig pfeifende Abschiedsgeschrei der Turmschwalben. Trauernd tanzten sie vor den Sternen, zogen matt, mit wunden Flügeln, sieche Kreise in den Lüften, verschwanden zögernd und kehrten eilends, wie aus einer Schleuder geworfen, wieder, als könnten sie die Stadt ihrer Väter diesmal nicht für den ewigen Frühling der Sonne, des Südens verlassen. Und als ob solche Absonderlichkeiten unter den Vögeln ansteckend wären: die heiligen Gänse der Stadt huben an, aufs kläglichste zu husten. Alsobald wurden über die Wundererscheinung die sibyllinischen Bücher zu Rat gezogen. Da aber selbst dies Orakel für den Fall nichts vorgesehen hatte, zu menschlicher Hilfe gegriffen. Doch das Erscheinen eines weisen Schäfers beschleunigte nur den ruhmlosen Tod der capitolinischen Vögel, dieser lebenden Palladien der Stadt.
Bald darauf begann in der Straße der Klageweiber das Hündchen Cerberus zu bellen und ließ sich durch nichts beruhigen. Aus Furcht vor dem Höllennamen ersäufte man das Heulen nicht: es wurden Gesandte abgeschickt, das Hündchen zu befragen, was es denn mit seinem Gebell meine?
Um diese Zeit etwa erhielten die Saccumer auf einige Tage einen neuen und letzten Gesprächsstoff. Der Besen, mit dem man den Sitzungssaal der Gemeindeältesten zu kehren pflegte, schlug wieder aus. Nach dem einstimmigen Ausspruch sämtlicher Zeichendeuter besagte das nichts anderes, als daß Unterstes zu oberst gelangen werde. Die Wendung, welche Schmeichler der Sache gaben, Leute der niedrigsten Klasse würden zu hohen Würden im Staat erhoben werden, behagte zwar dem Vogt, nicht aber den Furchtsameren, Ahnungsvolleren. Allzu seltsame Zeichen und Wunder hatten sich binnen kürzester Zeit ereignet. Das Geschrei jenes Esels auf dem Richterstuhl klang nunmehr in ihrer Erinnerung, als wär es von maßlosem Grauen erfüllt gewesen. Sogar das selbstverschuldete Blutrot der Eselsohren dünkte sie gefahrdrohend, denn wie leicht konnte nicht ein Unheil, das ihrem Oberhaupt angedeutet worden war, sich auch auf sie, die andern Teile des Stadtkörpers, beziehen? Dazu kam die Hinrichtung des Baeticus, das in ihren Augen düstere und magiergleiche Auftreten Sarapions und als letzte Warnung das plötzliche Wachstum des Besens. In aller Stille flohen etliche aus der Stadt und bald darauf verließen auch die Katzen Saccumum – wie einem Heer von Mäusen entgegen.
Am Abend dieses Tags war Sarapion bei Craugasius zu Gast, und Hesychia, die verheiratete Tochter des Vogtes, welche den Fremdling um seiner sonderbaren Tracht und Redeweise willen nach Frauenart liebte, war mit ihnen. Dichte Finsternis, ein Wirbelsturm schien Sarapion nicht ganz wider seinen Willen bis spät in die Nacht festzuhalten, als ein Erdstoß das Mahl der Sterblichen beendete. Ein Blitz ließ den Gelehrten die Art der Erscheinung erkennen, und während er mit der einem Philosophen geziemenden Ruhe Hesychia zum ersten und letzten Mal umarmte, Craugasius aber, dies Verbrechen nicht mehr beachtend, aus dem Gemach floh, sagte er, der wußte, daß nicht zu helfen und nichts zu ändern war: »Dies hier ist wahrlich noch dein Schoß, doch jenes andere, das wir mit Bewunderung hören und sehen, ist diejenige Form von Erdbeben, die man Gähnungen, Chasmatiai nennt. Durch heftige Erschütterungen öffnen sich plötzlich Schlünde und verschlingen ganze Landstriche, wie im krissäischen Meerbusen Helice und Bura, jenseits der Säulen aber die Insel Atlantis: größer als ganz Europa. Und da solche Weise des Todes dort vielen, ja unzähligen Wesen geschah, dürfen auch wir nicht wider dieses uns noch unerklärliche Bedürfnis der Natur murren, sondern müssen mit unserm Los zufrieden sein, wie sehr wir auch nach unserm Tod lieber Gewisses über den silbernen Tanz der Gestirne erfahren möchten, statt in den feurigen Eingeweiden der Erde wühlen zu müssen.« Indem er noch so sprach und sich an ihr labte, wie er, wenn er allein und derartiges zur Hand gewesen wär, eine köstliche Traube oder auch trockenes Brot genossen hätte, sanken sie in die berstende Tiefe. Ringsum schollen den Göttern gewidmete Flüche, wie auch Rufe der Kinder um Hilfe und hilflose Ohnmachtantworten der Eltern.
In dem Gemach aber, wo sich die innig Verschlungenen fanden – von der Rache ihrer Sklaverei noch nicht befriedigt, in der allgemeinen Verwirrung und Erschütterung an dem Verwüstungsspiel der Natur teilnehmend, benützte eine Lampe die sehr günstige Gelegenheit, umzufallen, und das versunkene Haus wurde auch noch von Flammenschlangen erobert. Solang die Zwei zu empfinden vermochten, fühlten sie heiße Steine auf ihren schreienden Körpern, bis Staub und auffahrend Erde erstickend ihre Gurgeln füllte und Feuer sie vernichtete.
Warum die Stadt von den Fangschlünden des Erebus ergriffen, dieser Fleck der Belichtung entzogen ward, ist unbekannt. Leute, die das Schicksal zu höhnen lieben, behaupten, damit jene Wiese nicht für alle Zeiten den Namen Esels Anger zu ertragen habe. Andere fabeln, die himmlischen Mächte hätten den Vogt nicht über unzählige Leichen zu noch größern Ehren schreiten lassen wollen. Über die Stadt hin flutet ein See, der Lago di Vico, und jener etrurische Bauer, welcher zuerst über ihn hin gefahren sein mag, Gebete murmelnd und Fische einsetzend, dürfte das Erdbeben eine Strafe der großen Sittenverderbnis genannt haben. Ich aber halte dies Hüsteln der Gänse und Erde weder für eine Tat noch für einen Zufall der Gerechtigkeit. Sondern glaube, daß diese Sache vorbestimmt und sozusagen seit der Gründung des Ortes fällig war, weil allen Gesetzen nach von Anbeginn nicht anders möglich bei einer Stadt, die durch den trauervollen Klang ihres Namens dem Ais: den Göttern der Unterwelt geweiht war.
Deswegen möchte ich sogar den Verwohnern des Landes jenseits der Insel Atlantis, die allzufleißig sind im Gründen neuer Städte und Benennen mit altertümlichen Namen, abraten, eine ihrer Waben mit dem Namen jener Stadt zu belegen, auf daß die üble Vorbedeutung nicht den unausbleiblichen Untergang des so gezeichneten Ortes oder am Ende gar des ganzen Landes nach sich ziehe.